Zeitschrift für Sozialismus und Frieden                                                                                   1/2002

Herausgeber: Kommunistische Plattform der PDS Hannover

Das Parteienheft

KPF, DKP, KPD

 

Inhaltsverzeichnis:

Redaktionsnotiz

Kommunistische Organisationen und ihre Probleme

Ulrich Huar: Über Spaltungen, Vereinigungen und Neugründungen von Kommunistische Parteien

Hanfried Müller: Kommunistische Sorgen – Sorgen um den Kommunismus

Michael Opperskalski: Entwicklung und Funktion des Revisionismus

Die Kommunistischen Plattform der PDS.

Frank Flegel: Die Kommunistische Plattform der PDS.

Die DKP

Michael Opperskalski: Die DKP

Die KPD

Frank Flegel/Michael Opperskalski: Die KPD

Ausblick

Michael Opperskalski/Frank Flegel: Ausblick


Redaktionsnotiz

Nun liegt es endlich vor, das Parteienheft. Es hat Überlänge, weshalb wir ein anderes, dünneres Papier verwenden mussten. Die Maschinen hätten sonst gestreikt.

Dieses Heft liegt uns am Herzen – und lässt uns gleichzeitig zittern. Werden unsere Leserinnen und Leser, die ja in nicht geringem Umfang Mitglieder der hier analysierten Organisationen sind, sich beleidigt fühlen, uns den Rücken zukehren, ja uns vielleicht sogar verwünschen und verfluchen? Wir hoffen nicht, aber die Veröffentlichung erscheint uns trotzdem wie ein Wagnis.

Unsere Absicht war, so klar und inhaltlich nachvollziehbar wie möglich die genannten Organisationen zu betrachten, sie zu messen an ihren Ansprüchen und an den Ansprüchen, die wir als Kommunisten an kommunistische Politik haben müssen. Es geht dabei sowohl um theoretische Grundpositionen als auch um praktische Politik, deshalb geht es in diesem Heft natürlich sowohl um die Vergangenheit als auch um die Gegenwart.

Das Heft beginnt mit der Arbeit von Ulrich Huar über „Spaltungen, Vereinigungen und Neugründungen von kommunistischen Parteien“. Auf diese Arbeit folgt der in den Weißenseer Blättern [1] erschienene Aufsatz von Hanfried Müller: „Kommunistische Sorgen – Sorgen um den Kommunismus“, der gezielt auf die unterschiedliche Geschichte der Kommunisten in Ost- und Westdeutschland eingeht und Probleme benennt. Schließlich wird dieser erste, eher etwas allgemeinere und grundsätzlichere Block von Michael Opperskalskis Artikel über die „Entwicklung und Funktion des Revisionismus“ abgerundet.

Danach geht es um drei Organisationen, in denen sich Kommunisten befinden – und das ganz konkret: Michael Opperskalski wirft einen recht genauen Blick auf die DKP und Frank Flegel betrachtet die Kommunistische Plattform der PDS. Beide wissen, wovon sie schreiben, denn sie sind Mitglieder der jeweils von ihnen besprochenen Organisationen. Danach bringen wir eine gemeinsame Einschätzung der beiden über die KPD. Das Heft schließt mit einem Ausblick bzw. einer kurz- bis mittelfristigen Orientierung.

Wir wissen, dass dieses Heft „starker Tobak“ ist. Wir sind überzeugt davon, dass die angesprochenen Probleme, Fragen und Ungereimtheiten diskutiert werden müssen (sonst hätten wir uns die Mühe dieses Heftes nicht gemacht), und deshalb wünschen wir uns Zuschriften, Kritiken, Weiterführungen, Verteidigungen, Verwünschungen usw., d.h. wir wollen die offene und inhaltliche Diskussion. Und natürlich ist die „Offensiv“ dazu bereit. Also munter hergeschickt, wir veröffentlichen Diskussionsbeiträge dazu (aber auch sonst) ohne Zensur.

Und nun müssen wir beichten: Die PDS kommt – aus Platzgründen – „ungeschoren“ davon. Sie wird in diesem Heft nur nebenbei, also während der Analyse der anderen Parteien, hin und wieder erwähnt. Das ist aber kein politisches Signal, ganz im Gegenteil, denn als Organisation von Kommunisten kann man sie ja wirklich nicht (mehr) bezeichnen, auch wenn dort Kommunisten organisiert sind. Ein Tipp nebenbei: was die neuesten Anbiederungen der PDS an’s bürgerliche System angeht, so ist es manchmal hilfreicher, die bürgerliche Presse, z.B. die „Frankfurter Allgemeine“, zu lesen, anstatt sich auf die Medien der PDS zu verlassen. Aber das nur nebenbei. Wir werden in Zukunft in unseren Monatsheften sicherlich nicht nur einmal auf die weitere Entwicklung der PDS eingehen.

Zeitungmachen kostet Geld, Sonderhefte mit Überlänge kosten Extra-Geld (allein der Druck dieses Heftes kostet mehr als 1.700,- DM, selbstverständlich ist aber auch das Porto teurer als sonst). Deshalb können wir diese Redaktionsnotiz nicht beschließen, ohne auf unser Spendenkonto hingewiesen zu haben:

Spendenkonto Offensiv: Konto Frank Flegel, Konto-Nummer: 21827 249 bei Stadtsparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort „Offensiv“ (Kennwort nicht vergessen!)

                                                                                                Für die Redaktion: Frank Flegel, Hannover

Kommunistische Organisationen und ihre Probleme

Ulrich Huar: Über Spaltungen, Vereinigungen und Neugründungen von Kommunistischen Parteien

In der Geschichte der kommunistischen Bewegung seit dem Bund der Kommunisten 1847 sind Spaltungen, Vereinigungen, Neugründungen von Kommunistischen Parteien keine Seltenheit. Man kann darüber streiten, ob Spaltungen/Vereinigungen allgemeine Bewegungsformen in der geschichtlichen Entwicklung Kommunistischer Parteien sind oder zu den Ausnahmen gehören.

Die Klassenspaltung der kapitalistischen Gesellschaft so wie die ständigen Veränderungen der Struktur der Arbeiterklasse werden ideologisch und organisatorisch innerhalb der Partei reflektiert. Die Geschichte der Kommunistischen Parteien ist auch eine Geschichte der Auseinandersetzungen als Form des theoretischen Klassenkampfes, die in vielen Fällen zu organisatorischen Spaltungen geführt haben – oder zu deren Zerstörung. Insofern sind organisatorische Fragen auch ideologische.

Die Arbeiterklasse ist in der kapitalistischen Gesellschaft homogen bezüglich ihrer Stellung zu den Produktionsmitteln als Nichteigentümer, als Verkäufer ihrer Arbeitskraft, als Ausgebeutete, zugleich in sich differenziert, heterogen nach Berufen, - Facharbeiter, angelernte, ungelernte Arbeiter -, demzufolge nach Einkommen, relativ sicherem Arbeitsplatz, „Stammpersonal“ oder Leiharbeiter, nach weltanschaulichen Überzeugungen, Erziehung, Schulbildung, nach Nationalitäten, nach Betrieben, ob Großbetrieb, mittelständischer Betrieb oder kleiner Handwerksbetrieb; auch das „kommerzielle Proletariat“ gehört zur Arbeiterklasse sowie die unteren Gruppen der Angestellten. Demzufolge hat die Arbeiterklasse neben ihrem gemeinsamen Klasseninteresse, ihrem politischen Interesse, in ihrer Differenziertheit auch spezifische Interessen, die von den einzelnen Gruppen als Gruppeninteressen artikuliert werden. Diese soziale Differenziertheit der Arbeiterklasse ist auch in den Kommunistischen Parteien vorhanden, die von ihren Mitgliedern verlangen, ihre spezifischen Interessen dem Klasseninteresse, dem politischen Interesse, unterzuordnen. In die Kommunistischen Parteien gelangen nicht nur Angehörige der Arbeiterklasse, sondern auch Kleinbürger, Handwerker, Bauern, einfache Warenproduzenten und, nicht zuletzt, Intellektuelle, Literaten, Künstler, Lehrer, Ärzte, etc. In der differenzierten sozialen Zusammensetzung Kommunistischer Parteien existiert ein objektiv bestimmter Boden für die Akzeptanz bürgerlicher und kleinbürgerlicher Ideologie. Die bürgerliche Ideologie in ihren vielen Erscheinungsformen ist in der kapitalistischen Gesellschaft die herrschende, und es wäre geradezu ein Wunder, wenn sie nicht auch in die Kommunistischen Parteien hineinwirken würde.

Verfolgt man die Parteibildungsprozesse seit 1848, so zeigt sich ein permanenter Prozeß von Bildung von Parteien, Auseinandersetzungen, Spaltungen, Auflösungen, Neugründungen und Vereinigungen. Dies nicht nur in West- und Mitteleuropa; ab 1898 auch in Russland, in Asien, Afrika und Lateinamerika. Die mannigfaltigen Strömungen in den Parteien lassen sich auf die beiden Grundlienien reduzieren: die proletarisch-revolutionäre und die bürgerlich-reformistische. Obwohl beide Ideologien nicht miteinander vereinbar sind, treten sie in der gesellschaftlichen Praxis selten in „reiner Form“ auf. Neben der bürgerlich-reformistischen gibt es noch Anarchismus, linksextremen Revolutionarismus, Sektierertum als kleinbürgerliche Strömung; in letzter Konsequenz erweisen sich auch diese Ideologien als aparte Bestandteile der bürgerlichen Ideologie.

Für das 19. Jahrhundert sei hier auf die Auseinandersetzung zwischen den Lassalleanern und den Eisenachern, auf den Vereinigungsparteitag in Gotha 1875, die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der deutschen Sozialdemokratie verwiesen, desgleichen auf die ideologischen Kämpfe in der Internationalen Arbeiter Assoziation (IAA) und der II. Internationale. In diesen Kämpfen konnten sich bis zur Jahrhundertwende die proletarisch-revolutionären Kräfte gegen die bürgerlich-opportunistischen und die anarchistischen Strömungen  durchsetzen, endete diese Geschichtsperiode mit dem Sieg des Marxismus in der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung.

Mit dem Übergang des Kapitalismus der freien Konkurrenz zum Monopolkapitalismus und Imperialismus, Veränderungen in der Klassenstruktur der imperialistischen Gesellschaft, auch in der Arbeiterklasse, setzte mit dem Revisionismus eine neue Strömung der bürgerlich-reformistischen Linie in der Arbeiterbewegung ein, die die sozialdemokratischen Parteien zu zersetzen begann. Bekanntlich gilt Bernstein als Stammvater des Revisionismus. Das Neue im Revisionismus war, dass sich deren Verfechter auf Marx beriefen, den Marxismus „weiterentwickelten“, ihn auf die neuen Bedingungen „anwandten“. Die wirklichen Marxisten, d.h. die proletarisch-revolutionären Kräfte in den Parteien, wurden als „Dogmatiker“, als „Orthodoxe“ bezeichnet.

In seiner Broschüre „Kurze Darlegung der Meinungsverschiedenheiten in der Partei“ vom Mai 1905 setzte sich Stalin mit revisionistischen Auffassungen der Menschewiki auseinander, von denen einer behauptete, dass der „Leninismus dem Marxismus von Grund aus widerspricht“. (Stalin Werke, 1/94) Diese heutzutage geradezu „moderne“ These vom „Leninismus als Bruch mit dem Marxismus“ ist mittlerweile nun schon hundert Jahre alt.

Wie die Revisionisten um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert sich auf Marx beriefen, so Chruschtschow und Gorbatschow sowie deren Anhänger auf Lenin, die „Wiederherstellung“ der Leninschen Normen der Partei gegen deren „Verfäschung“ durch den „Stalinismus“, sekundiert von alten und neuen Trotzkisten. Die Ergebnisse dieses „neuen Denkens“ sind inzwischen hinreichend bekannt.

Die Erscheinungsweisen bürgerlicher Ideologien in der Kommunistischen Bewegung waren entsprechend den konkret-historischen Bedingungen in Raum und Zeit unterschiedlich, so auch die Art und Weise des Kampfes zwischen den Repräsentanten der proletarisch-revolutionären und der bürgerlich-reformistischen und anarchistischen Strömungen innerhalb der Parteien.

Im Deutschland des 19. Jahrhunderts fanden diese Kämpfe nach der Niederschlagung der bürgerlichen revolution 1849 zwischen verschiedenen Gruppierungen innerhalb des „Bundes der Kommunisten“, wie auch zwischen verschiedenen Gruppierungen außerhalb des Bundes statt, ab 1863 im „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ (ADAV), sowie in den Arbeiterbildungsvereinen, die noch ganz unter dem Einfluß bürgerlicher Demokraten standen, von dem sich die fortgeschrittensten Arbeiter allmählich zu lösen verstanden, die unter der Führung von August Bebel und Wilhelm Liebknecht 1869 die „Sozialdemokratische Deutsche Arbeiterpartei“ (SDAP) gründeten. Zwischen den Arbeitern des ADAV und der SDAP fanden harte Auseinandersetzungen statt, die auch mal mit Knüppeln ausgetragen wurden.

1875 kam es zur Vereinigung der beiden Parteien mit dem bekannten, von Marx und Engeks ob seiner opportunistischen Phrasen scharf kritisierten „Gothaer Programm“. Der Kampf zwischen den beiden ideologischen Linien wurde nun innerhalb einer Partei weitergeführt, in dem sich bis zur Jahrhundertwende der Marxismus durchsetzen konnte. Diese ideologischen Klassenkämpfe waren ebenfalls kennzeichnend für die 1864 gegründete „Internationale Arbeiterassoziation“ (IAA) sowie für die 1889 gebildete Zweite Internationale. Dies theoretischen Klassenkämpfe wurden zwar in den nationalen Parteien geführt, trugen aber stets internationalen Charakter. So trugen die Auseinandersetzungen mit dem Opportunismus in seinen linken und rechten Erscheinungsformen im 19. Jahrhundert von Marx und Engela, im 20. Jahrhundert von Lenin und Stalin, internationalen Charakter und hatten somit neben spezifisch-nationalen Zügen auch allgemeingültige Bedeutung, lassen sich nicht auf nationale „Besonderheiten“ reduzieren.

In all diesen Auseinandersetzungen spielten die Personen, die sie führten, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zusammenschluß oder Spaltungen von Parteien hingen nicht zuletzt vom Charakter der jeweiligen Führungspersönlichkeiten der Parteien. Fraktionen, Gruppierungen ab.

Für die 60er und 70er Jahre des 19. Jahrhunderts sei hier auf die Auseinandersetzung zwischen Bebel und Schweitzer verwiesen, um die Rolle von Persönlichkeiten auf die Frage Spaltung oder Einheit  einer Partei zu verdeutlichen. Bebel widmete in seinen Erinnerungen dem Wirken Schweitzers ein ganzes Kapitel von immerhin 137 Seiten nach dessen Tode: „Mit Schweitzer schied eine Persönlichkeit aus dem politischen Leben, die, wenn sie zu ihren sonstigen Eigenschaften auch die Eigenschaft gehabt hätte, die der Führer einer Arbeiterpartei unbedingt haben muß, Selbstlosigkeit, Ehrlichkeit und volle Hingabe an die zu vertretende Sache, unbestreitbar der erste Führer der Partei bis an sein Lebensende geblieben wäre...“ Man dürfe aber nicht die „großen Fehler seiner Persönlichkeit“ übersehen. „Unter den damaligen Verhältnissen wäre er der gegebene Mann gewesen. Viele Jahre erbitterter Kämpfe, in denen Zeit, Kraft, Gesundheit und Geld zur Freude der gemeinsamen Gegner verschwendet und verpufft wurden, was wieder ungezählte Kräfte abhielt, sich der Bewegung anzuschließen, wären unmöglich gewesen. Die Saat, die Schweitzer gesät, trug auch weiter ihre Früchte...“ Schweitzer habe aber, trotz Verdiensten, politisch „Unheil gesät, den Fanatismus großgezogen und durch den Apfel der Zwietracht eine dauernde Spaltung und damit die Schwächung der Arbeiterbewegung aufrecht zu erhalten versucht.“ (August Bebel, Aus meinem Leben. Zweiter Teil. Stuttgart 1911, S. 131.)

Trifft die Charakteristik, die Bebel über Schweitzer gab, nicht in dieser oder jener Form auch auf Parteifunktionäre des 20. Jahrhunderts, bis in die Gegenwart, zu? „Für die Rolle, die Schweitzer spielte, war aber auch unumgänglich notwendig, dass er frei und unabhängig nach eigenem Gutdünken mit dem Verein schalten und walten konnte, an dessen Spitze er stand. Dazu gehörte die Diktatur,... die ihn jeder Kontrolle entzog, die ihm erlaubte, ganz nach seinem Gutdünken zu handeln, ohne dass er nötig hatte, andere in seine Machenschaften einzuweihen oder gar ihre Zustimmung einholen zu müssen...“ (Ebd., S. 132f.)

Eine Parteigründung, -entwicklung, -spaltung oder auch Vereinigung ist ohne handelnde Subjekte, also Persönlichkeiten, ein Unding. Insofern kommt den Charaktereigenschaften von Parteifunktionären – nicht nur von Parteiführern – eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.

Der Revisionismus hat seine sozialen Wurzeln im kapitalistischen System. Nach der Herausbildung des Monopolkapitals konnte die Bourgeoisie aus ihren Extraprofiten Teile des Kleinbürgertums und der Arbeiterklasse korrumpieren, wie die „Arbeiteraristokratie“. Die Mehrhheit der lohnabhängigen Wertätigen steht unter dem Einfluß der bürgerlichen Ideologie, wie w.o. bereits erwähnt. Hier geht es nun darum, nachzuweisen, dass der Revisionismus seit seinem Aufkommen Ende des 19. Jahrhunderts zur Spaltung von Kommunistischen Parteien bis in die Gegenwart geführt hat, und, wo er nicht bekämpft wird, auch weiterhin führen wird. Weltgeschichtlich sichtbar wurde das erstmalig in der Zersetzung der einst größten Sozialdemokratischen Partei, der deutschen, durch den Revisionismus, zunächst in der Bildung einer rechten, einer zentristischen und einer linken Gruppierung, noch innerhalb der Partei, letztendlich in ihrer Spaltung, für die, um dies unmissverständlich zu sagen, die Revisionisten die Verantwortung tragen. Mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914, dem Übergang zum Sozialchauvinismus, auf Positionen des deutschen Imperialismus, war die einst marxistische Partei zerstört. Dem Beispiel folgten bis auf die Bolschewiki in Russland auch die anderen europäischen Parteien.

Mit der Gründung der KPD begann ein neues Kapitel von Parteigründungen, Spaltungen und Vereinigungen. Die Gründung der KPD war einmal Ergebnis der Trennung des Spartakusbundes von der USPD und zum anderen der Vereinigung mit linken Gruppierungen in Bremen, Hamburg, Hannover und anderen Städten, die sich ihrerseits in der Gruppe „Internationale Kommunisten Deutschlands“ zusammengeschlossen hatten. Die „Bremer Linken“ unter Führung von Johann Knief hatten bedeutend früher als die Spartakusgruppe/-bund zur Trennung von der USPD und zur Bildung einer Kommunistischen Partei aufgerufen, wobei sie allerdings linksextreme Auffassungen vertraten, die sie mit in die KPD einbrachten: Ablehnung der Teilnahme an den Wahlen zur Nationalversammlung, „Raus aus den reformistischen Gewerkschaften“! Die Auseinandersetzungen unter den Kommunisten mussten in der gerade gegründeten Partei weitergeführt werden. Die scharfen Klassenkämpfe nach der Novemberrevolution, die Erfahrungen des gemeinsamen Kampfes der Arbeiter gegen die Kapp-Putschisten im März 1920 führten auf dem Vereinigungsparteitag im November 1920 zur Vereinigung der KPD mit der linken Mehrhheit der USPD, die von Thälmann geführt wurde, zur Gründung der „Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands“ (VKPD). „Zum ersten Mal in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung hatte in einem industriell hochentwickelten Land der gemeinsame Kampf zweier Arbeiterparteien zur Vereinigung in einer Partei auf revolutionärer Grundlage geführt.“ (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 3, Berlin 1966, S. 310) Die Durchsetzung des Leninismus in der VKPD verlief nicht konfliktlos. Es kam mehrfach zu Abspaltungen linksradikaler und rechter Gruppierungen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann.

Aus dem gemeinsamen antifaschistischen Widerstandskampf kam es nach der Befreiung vom Faschismus durch die Sowjetarmee mit den verbündeten Truppen der Antihitlerkoalition zur Annäherung von KPD und dem linken Flügel der SPD, die im April 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone zu ihrer Vereinigung in der SED auf marxistischer Grundlage führte. In den Westzonen wurde die Vereinigung durch die Besatzungsmächte verboten. Die Entwicklung der SED zur Partei neuen Typus, zur marxistisch-leninistischen Partei, war nicht von vornherein als eine Art Automatismus oder auf „Befehl“ der sowjetischen Besatzungsmacht gegeben. Die Entwicklung hätte auch in Richtung einer Sozialdemokratisierung gehen oder in einer erneuten Spaltung enden können.

Letzteres gelang erst, nachdem sich in den 80er Jahren die immer latent vorhandenen revisionistischen Kärfte, besonders unter Einfluß Gorbatschows – nicht nur als äußerer, sondern auch als innerer Faktor – durchsetzten, die SED zersetzten und schließlich durch Putsch zerstören konnten. Damit kam es zu einer erneuten Spaltung, in die PDS, die sich zu einer sozialdemokratischen Partei entwickelte – die in ihr verbliebenen Kommunisten einschließlich der Kommunistischen Plattform ändern daran gar nichts – und der KPD, in der die marxistisch-leninistischen Traditionen bewahrt blieben.

Auch in Russland vollzog sich der Parteibildungsprozeß seit Gründung der SDAPR 1898 unter andren Bedingungen, in ähnlicher Form. Auch hier stand ein proletarisch-revolutionärer Flügel einer bürgerlich-reformistischen Gruppierung gegenüber, die Bolschewiki den Menschewiki, wobei auf Differenzierungen hier verzichtet werden kann. Die ideologische Spaltung der Partei führte in der bürgerlich-demokratischen Revolution 1905 zu einer ausschließenden Atrategie, so in der Frage nach dem Hegemon in der Revolution, der Agrarfrage, der Stellung zur Duma und dem Verhältnis gegenüber den bürgerlichen Parteien. In der Parteitheorie ging es um die Frage der Mitgliedschaft, der „Freiheit der Kritik“, d.h. um den Charakter der Partei, ob proletarisch-revolutionär oder bürgerlich-reformistisch. Die Werke „Was tun?“, „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“, „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der bürgerlichen Revolution“ von Lenin sind hinreichend bekannt, die Schriften Stalins zu diesen Fragen weniger, wenn überhaupt.

Im Verlauf der Revolution, der Notwendigkeit der Schaffung einer einheitlichen Kampfpartei zur Führung des Klassenkampfes, fand im April 1906 der IV. Parteitag der SDAPR in Stockholm statt, der als „Vereinigungsparteitag“ in die Geschichte eingegangen ist. Lenin schätzte die Ergebnisse des Parteitages sehr positiv ein, wenn er schrieb: „Die Spaltung hat aufgehört.“ (Lwenin Werke, Bd.10, S. 379) Die organisatorischen Meinungsverschiedenheiten seien „fast restlos überwunden“. (Ebd.) Er meinte, „...in einer einheitlichen Partei darf dieser ideologische Kampf die Organisation nicht spalten, darf er die Aktionseinheit des Proletariats nicht stören. Das ist ein in der Praxis unserer Partei noch neues Prinzip, und man wird viel Arbeit aufwenden müssen, um es richtig in die Tat umzusetzen.“ (Lenin Werke, Bd. 10, S. 384) Glaubte Lenin 1906 noch, dass die zwei entgegengesetzten ideologischen Strömungen in einer Partei möglich sind? Lenin verzichtete keineswegs auf den ideologischen Kampf innerhalb der Partei, wobei er wahrscheinlich überzeugt war, dass er durch den Kampf die proletarisch-revolutionäre Richtung durchsetzen konnte.

Ach Stalin meinte: „...der Parteitag hat friedlich geendet, die Partei hat die Spaltung vermieden, die Verschmelzung der Fraktionen ist formal besiegelt und damit ist das Fundament gelegt worden, auf dem die Partei zu einer politischen Macht werden kann.“ (Stalin Werke, Bd. 1, S. 219) Stalin arbeitete jedoch die unterschiedlichen Positionen der beiden Fraktionen stärker heraus als Lenin.

Wichtig in unserem Kontext ist, dass die Frage, ob eine proletarisch-revolutionäre und eine bürgerlich-reformistische, ob marxistische und revisionistische Theorie und Ideologie in einer Partei organisatorisch vereinigt sein können, praktisch in Russland gestellt war.

Der V. Parteitag der SDAPR, Mai 1907 in London, schien diese Möglichkeit zu bestätigen, wobei die Bolschewiki die Mehrheit bildeten und ihre Auffassungen stärker durchsetzen konnten. Aber diese Einheit sollte nicht lange aufrecht erhalten bleiben. Auf der gesamtrussischen Konferenz im Dezember 1908 gab es den „Versuch eines gewissen Teils der Parteiintellektuellen, die bestehende Organisation der SDAPR zu liquidieren...“, wie Lenin schrieb. (Lenin Werke, Bd. 17, S. 472) Die ideologischen Gegensätze brachen auf und führten auf der bekannten VI. Parteikonferenz in Prag im Januar 1912 zur Spaltung. Die Bolschewiki und die Menschewiki konstituierten sich als selbständige Parteien.

„Es ist verständlich“, schrieb Stalin später, „dass nach so ernsten Meinungsverschiedenheiten die SDAPR sich in der Tat als in zwei Parteien gespalten erwies, in die Partei der Bolschewiki und die Partei der Menschewiki. Der IV. Parteitag änderte nichts an der tatsächlichen Lage der Dinge innerhalb der Partei...“ (Stalin, Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki), Kurzer Lehrgang, Berlin 1946, S. 114).

Die Prager Parteikonferenz beantwortete praktisch die Frage: proletarisch-revolutionäre und bürgerlich-reformistische Linien sind in einer Partei organisatorisch dauerhaft nicht zu vereinen. Unter besonderen Bedingungen können sie zeitweilig möglich sein.

Die Trennung der Bolschewiki von den Menschewiki war die entscheidende politische und theoretische Voraussetzung für den Sieg der Bolschewiki in der Oktoberrevolution, die verspätete Trennung des Spartakusbundes von der USPD von entscheidender Bedeutung für die Niederlage der revolutionären Arbeiter in der Novemberrevolution in Deutschland.

Analoge Entwicklungen im Parteibildungsprozeß lassen sich auf allen fünf Kontinenten in Geschichte und Gegenwart nachweisen. Spaltungen/Vereinigungen sind besonders nach Niederlagen der Fall.

In denjenigen kommunistischen Parteien, in denen sich die marxistisch-leninistischen Kräfte in den vielschichtigen Kämpfen gegen Revisionisten und linke Opportunisten durchsetzen konnten, am Marxismus-Leninismus als theoretischer Grundlage festhielten, ihn auf ihre konkreten nationalen Bedingungen anwandten und ihren Beitrag zur Weiterentwicklung dieser Theorie leisteten, wie in der VR China, Kuba, Vietnam und der VDRK, konnten sie trotz gewaltiger Schwierigkeiten und komplizierter Probleme, die zum großen Teil Hinterlessenschaften der halbkolonialen Vergangenheit sind, unter den Bedingungen imperialistischer Aggressionen politische Stabilität und Fortschritte auf den ersten Schritten in Richtung einer sozialistischen Gesellschaft bewahren.

In Deutschland haben wir 11 Jahre nach der Annexion der DDR zur Zeit zwei Kommunistische Parteien, die KPD, die als Bewahrer marxistisch-leninistischer Theorie und Politik aus der Zerstörung der SED durch den Parteiputsch der bürgerlich-reformistischen Gysi-Fraktion hervorgegangen ist, und die DKP, die sich nach dem verfassungsfeindlichen KPD-Verbot in der BRD 1968 konstituiert hat. Neben den beiden Parteien existieren noch eine Kommunistische Plattform (KPF) in der PDS, kommunistische Gruppen und nicht organisierte Kommunisten. Geht man von quantitativen Kriterien aus, ist die DKP die zur Zeit mitgliederstärkste Partei, wobei quantitative Merkmale noch nichts über theoretische und politische Qualität aussagen. Mehrheiten können durchaus falsche Entscheidungen, Aussagen etc. treffen. Das Problem im Verhältnis von DKP – KPD – KPF scheint mir darin zu liegen, dass in allen drei Organisationen Marxisten-Leninisten vorhanden sind, deren Einfluß auf die jeweiligen Parteiführungen jedoch unterschiedlich ist. Dieser Sachverhalt kommt in dem unter PDS-Genossen schon geflügelten Satz zum Ausdruck: Was der Vorstand macht, na ja, aber „die Basis denkt ganz anders“! Und dabei bleibt’s dann meistens auch.

In der KPD bilden marxistisch-leninistische Theorie und Politik, ihr Zentralkomitee und ihre Mitgliedschaft eben auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus eine Einheit, wie in ihrem Zentralorgan „Die Rote Fahne“ und anderen Publikationen sowie im öffentlichen Auftreten ihrer Repräsentanten nachweisbar.

Die KPF scheint in sich sehr differenziert zu sein, Die KPF der PDS Hannover gibt mit ihrer Zeitschrift „Offensiv“ ein Periodikum heraus, das auf marxistisch-leninistischen Positionen beruht und deren Herausgaber auch als Organisatoren von Kogressen und Tagungen einen beachtenswerten Beitrag zur Verbreitung der marxistisch-leninistischen Theorie und zur Zusammenführung kommunistischer Kräfte im nationalen und internationalen Rahmen leisten. Andere Gruppen der KPF scheinen eher zurückhaltend gegenüber der offen auf sozialdemokratische, anti-leninistische und Anti-DDR-Positionen übergegangenen Führung zu sein, die die von den bürgerlichen Medien verbreiteten plumpen Geschichtslügen und –fälschungen bezüglich der gehaßten SED „schöpferisch“ übernimmt, um sich damit Koalitionsfähigkeit mit bürgerlichen Parteien zu erkaufen. Wie lange die Kommunisten in der PDS dies noch mitmachen, ist natürlich ihrer Entscheidung überlassen und bleibt abzuwarten. Mir sind zur Zeit keine Zahlen bekannt, wie viele Tausend Kommunisten sich inzwischen von dieser Partei verabschiedet haben.

Kompliziert ist die Lage in der DKP. Die Mehrheit ihrer Mitglieder stellen Kommunisten aus den Alt-Ländern. Sie haben ihre Kampferfahrungen aus Jahrzehnten harter Klassenkämpfe gegen einen hochorganisierten und brutalen imperialistischen Feind gewonnen, haben Verfolgung und Kerker einer z.T. noch von alten Nazi-Juristen durchsetzten Klassenjustiz getrotzt. Unter diesen Kommunisten befinden sich auch hervorragende marxistisch-leninistische Theoretiker. Nach dem Sieg der Konterrevolution in der DDR und ihrer Annexion kamen Kommunisten aus den neuen Ländern, die mit der revisionistischen, antikommunistischen Politik der PDS-Führung gebrochen hatten, seit Anfang der 90er Jahre in die DKP, die ihre Erfahrungen aus dem Aufbau des Sozialismus sowie dem Kampf gegen imperialistische Aggression und Diversion, den sie z.T. in den bewaffneten Organen der DDR geführt haben, mit einbrachten. Sie verfügten in der Mehrheit über ein hohes marxistisch-leninistisches theoretisches Niveau. Im Laufe der 90er Jahre kam es zu Diskrepanzen zwischen Mitgliedern, namentlich ehemaligen SED-Mitgliedern, aber auch Mitgliedern der alten Länder und den die Politik bestimmenden Genossen des Parteivorstandes. Seit Veröffentlichung ihrer „Sozialismusvorstellungen“ ist ein allmähliches Abweichen auf revisionistische Positionen in einzelnen Artikeln der Zeitung der DKP „Unsere Zeit“ (UZ) und in Dokumenten der Partei unübersehbar. Solche Tendenzen zeigten sich in der Einschätzung des historischen Platzes der DDR, der Parteitheorie bezüglich der Bewertung der SED, in Relativierung des Klassikerbegriffs, der Imperialismustheorie, Fragen der sozialistischen Demokratie („Gewaltenteilung“), im Verhalten zu anderen Kommunistischen Parteien (KPD, PTB), schließlich in der Bewertung der Zerstörung der DDR als Konterrevolution, des Status der neuen Länder als Halbkolonie des BRD-Imperialismus, letztendlich in der Propagierung eines kleinbürgerlichen Sozialismusbildes und einer bedenklichen „Bündnispolitik“ gegenüber der PDS-Führung. 

Diese revisionistische Tendenz in Theorie und Politik musste zu ideologischen Auseinandersetzungen in der Partei führen. Diese Auseinandersetzungen waren kein Ost-West-Problem, hervorgegangen aus unterschiedlichen Erfahrungswerten, wie es scheinen könnte.

Die Auseinandersetzungen fanden in der Gesamtpartei statt, wobei sie eine besondere Zuspitzung um die Zeitschrift „RotFuchs“ der Gruppe Nordost der Berliner Parteiorganisation zwischen der Mehrheit dieser Gruppe und der Mehrheit des Parteivorstandes fand. Es ging dabei nicht um die Zeitschrift, sondern um deren theoretischen und politisch-ideologischen Inhalt, der eindeutig auf der marxistisch-leninistischen Theorie fundiert war und ist. Es muß schon Befremden auslösen, wenn von der Parteivorstandsmehrheit die Herausgabe dieser marxistisch-leninistischen Zeitschrift von einer DKP-Parteigruppe als mit der Politik der Partei nicht vereinbar erklärt wurde und der Parteivorsitzende, wie vorher schon seine Stellvertreterin, jene Genossen zum Verlassen der Partei aufforderten, die sich für das Zusammenführen der unterschiedlichen Kampferfahrungen aus Ost und West zu einer neuen Legierung einsetzten. Nachdem Mitglieder des Parteivorstandes und des Vorstandes der Berliner Bezirksorganisation den ideologischen Streit nicht mehr mit Argumenten, sondern mit Verleumdungen gegen altbewährte Kommunisten führten, war die Toleranzgrenze für das Austragen von gegensätzlichen politisch-ideologischen Auffassungen innerhalb einer Partei überschritten, was zu Konsequenzen von mehreren Genossen aus Berlin und Brandenburg führte.

Wie weiter? „Das Einfache, das schwer zu machen ist“ (Brecht) Wenn auf örtlicher Ebene Kommunisten aus DKP, KPD und KPF zusammenkommen, um für gemeinsame Ziele gegen einen gemeinsamen Gegner zu kämpfen, so ist dies ein beachtenswerter Anfang auf dem sehr langen und steinigen Weg zu einer „Vereinigten Kommunistischen Partei“ auf der Grundlage der marxistisch-leninistischen Theorie.

Bis jetzt zeigt der Parteivorstand der DKP keine Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit mit der KPD auf Vorstandsebene. Das Beharren einer Partei auf einem „Alleinvertretungsanspruch“, nicht eine, sondern die Kommunistische Partei in Deutschland zu sein, der man sich nur anzuschließen habe, ist für den so notwendigen Vereinigungsprozeß der Kommunisten in einer Partei nicht förderlich.

                                                                                                                                       Ulrich Huar, Berlin

Hanfried Müller: Kommunistische Sorgen – Sorgen um den Kommunismus

Der nachstehende Aufsatz wurde aus „Weißenseer Blätter“, Heft 2/01, S. 9 - 18 übernommen; für den Nachdruck in „Offensiv“ wurden Druckfehler und ungenaue Formulierungen vom Verfasser korrigiert (Red. Offensiv).

Eine Vorbemerkung zur Begriffsklärung

Unter Kommunisten verstehe ich hier alle, die die Aufhebung des Eigentums von Einzelnen oder Kapitalgesellschaften an den gesellschaftlichen Produktionsmitteln und die Herstellung gesellschaftlichen Gesamteigentums an ihnen für unerläßlich halten, wenn der Prozeß abgebrochen werden soll, in dem die Steigerung der Arbeitsproduktivität nicht den Arbeitenden zur Hebung ihrer Lebensqualität zugute kommt, sondern dazu führt, daß nur die Kapitaleigentümer davon profitieren, während die ständig sinkende Zahl der in den gesellschaftlichen Arbeitsprozeß Integrierten über immer weniger Zeit und die ständig wachsende Zahl der vom gesellschaftlichen Arbeitsprozeß Ausgeschlossenen über immer weniger Mittel zu einem menschenwürdigen Leben verfügen, so daß alle wirklich menschliche Kultur im Interesse einer parasitären Minderheit zwischen der geistig-moralischen Verelendung der einen und der materiell-biologischen Verelendung der anderen zugrundezugehen droht.

Die deutschen Kommunisten sind voneinander enttäuscht und untereinander zerplittert - nicht nur ideologisch, sondern auch organisatorisch und nicht zuletzt - man sollte diesen nur scheinbar „unpolitischen“ Faktor nicht unterschätzen - mentalitätsmäßig, nämlich hinsicht­lich der psychologischen Grundhaltung, aus der sie Kommunisten geworden und Kommunisten geblieben sind.

Jedenfalls habe ich den Eindruck, daß dieser Faktor eine besondere Schwierigkeit darstellt im Blick auf die Verständigungsschwierigkeiten zwischen den west- und ostdeutschen Kommunisten. Ein wenig karikiert gesagt:

Westdeutsche Kommunisten sind ganz wesentlich Kommunisten geworden, weil sie zu dem imperialistischen System, das in ihrem Lande herrschte, kategorisch „Nein“ gesagt haben, also aus einem Widerspruch. Sie waren, will man es ein wenig scherzhaft sagen, ursprünglich Protestkommunisten. (Schlossen sie sich allerdings der KPD in Westdeutschland oder später der DKP an, trat diese Einseitigkeit durch den in diesen Parteien vermittelten Einfluß ostdeutscher Kommunisten zurück.)

Ostdeutsche Kommunisten sind ganz wesentlich Kommunisten geworden, weil sie zu dem sozialistischen System, das in ihrem Lande herrschte, „Ja“ gesagt haben, also aus einer Zustimmung. Sie waren, will man auch das scherzhaft formulieren: Konsenskommunisten.

Beide Haltungen gehören durchaus zur Grundstruktur wissenschaftlich-kommunisti­schen Denkens. Das Nein zur gegebenen und das Ja zur zu erstrebenden gesellschaftlichen Ordnung bilden eine dialektische Einheit. Ohne das System bürgerlichen Privateigentums samt seiner Entwicklung zur imperialistischen (globalen) Weltherrschaft revolutionär zu bekämpfen und aufzuheben, kann man so wenig Kommunist sein, wie man es sein kann, ohne alles produktive Eigentum revolutionär zu ver­gesellschaften, um den Prozeß zur Ablösung zuerst der bürgerlichen durch eine proletarische Klassenherrschaft in Gang zu setzen und dann zu einer klassenlosen Organisation der Gesellschaft fortzuschreiten. Folgerichtig über­wiegt bei Kommunisten die Tendenz zur Verneinung, solange sie in einer Gesellschaft leben, in der noch das Kapital alle Lebensverhältnisse beherrscht und sie es zu entmachten haben. Und ebenso selbstverständlich überwiegt bei Kommunisten in einer Gesellschaft, in der sie das Kapital bereits entmachtet und schon mit dem Aufbau des Sozialismus begonnen haben, das Element der Bejahung der gesellschaftlichen Verhältnisse, unter denen sie leben.

Solche unterschiedlichen Lebensverhältnisse haben natürlich auch das Lebensgefühl der deutschen Kommunisten, je nachdem, ob sie in der imperialistischen BRD oder in der sozialistischen DDR lebten, höchst gegensätzlich geprägt. Revolutionärer Elan trug unter kapitalistischen Lebensbedingungen mehr rebellische, unter sozialistischen Lebensbedingungen mehr konstruktive Züge. Unter der Klassenherrschaft der Bourgeoisie entwickelte sich unter den Revolutionären Stolz darauf, anders zu denken und zu handeln, ein anderes Lebensgefühl zu haben als die herrschende Mehrheit. Wo die Arbeiterklasse bereits die Macht gewonnen hatte und der Aufbau des Sozialismus auf der Tagessordnung stand, kam für sie alles darauf an, mit der Mehrheit verbunden zu bleiben, nicht den Widerspruch zu ihr zu suchen und gegen sie zu kämpfen, sondern in ihr Anhänger oder zumindest Mitläufer zu gewinnen und zu führen. Denn im Krieg kann man die feindlichen Herren nicht schlagen, ohne auch ihre Soldaten zu treffen, aber nach dem Sieg kommt es darauf an, mit ihren Soldaten zu kooperieren, um ihre Herren für immer zu entmachten.

Hier allerdings lauert auch eine Gefahr für eine siegreiche kommunistische Partei. Beschränkt sie sich nicht darauf, die in den Klassenschlachten zwischen die Fronten geratenen gesellschaftlichen Kräfte als Bundesgenossen zu aktivieren, sondern nimmt sie sie als Mitglieder in die Partei auf, dann droht ihr eine Verwässerung, der sie kaum anders entgehen kann als so, daß sie sich in eine führende Hierarchie und eine geführte Laienmitgliedschaft differenziert.

Nach 1945 mußte sie in Ostdeutschland dieses Risiko eingehen. Denn sie wäre ohne Bündnispartner im Kleinbürgertum zum Aufbau des Sozialismus zu schwach gewesen. Aber das Risiko erwies sich zunächst als nicht so groß, wie zu befürchten war. Denn in der Zeit des antifaschistischen Kampfes hatten beide Arbeiterparteien so sehr an politischer Reife gewonnen, daß die vereinigten revolutionären Kräfte aus KPD und SPD eindeutig zur führenden Kraft gegenüber dem politisch labilen Kleinbürgertum und der Landbevölkerung wur­den und sich auch als fähig erwiesen, sektiererische Tendenzen unter den Kommunisten und opportunistisch-revisionistische Tendenzen unter den Sozialdemokraten abzuwehren.

Allerdings geriet die sozialistische Offensive in der DDR mit der Verwirrung der kommunistischen Weltbewegung nach dem Todes Stalins in erhebliche Schwierigkeiten. Um die schon errungenen revolutionären Ausgangspo­sitionen zu behaupten, waren die Kommunisten zu einem Konzentrationsprozeß gezwungen, der es ihnen kaum noch erlaubte, die schweren, vollends mit dem 20. Parteitag der KPdSU in Erscheinung tretenden Widersprüche in den eigenen Reihen offen zu diskutieren und unter bewußter Beteiligung der Massen zu entscheiden. Die Devise „Offenheit der Propaganda“ wurde nicht mehr so oft zitiert, war aber noch etwa bis zu dem konterrevolutionären Angriff auf Ungarn 1956 bestimmend. Zumindest bis dahin gab es in der internationalen kommunistischen Bewegung noch einen die Massen orientierenden Meinungsstreit, so zum Beispiel die Auseinandersetzung Hermann Axens mit dem polnischen Revisionismus im ND. Seitdem aber wurde zunehmend mit verdeckten Karten gespielt, und die Gefahr der Herausbildung einer sozialistischen Hierarchie ge­genüber den mehr und mehr politisch entmündigten sozialistischen Mitgliedermassen wuchs und war bis ans bittere Ende zunehmend wirksam. Zum Beispiel wurde allmäh­lich das strikte Reglement, nach dem ein Parteieintritt eine Kandidatenzeit unter der Betreuung eines erfahrenen Marxisten als Bür­gen zur Voraussetzung hatte, immer mehr formalisiert und gelockert. Und ebenfalls zu­nehmend öffnete die SED ihre Reihen immer weiter für solche, die meinten, sie müßten zur SED gehören, wie man in früheren Gesellschaftsordnungen - natürlich nicht als „Prie­ster“, sondern als „Laie“ - zur Kirche gehören mußte, nämlich um voll - mit allen Vorteilen - in die gesellschaftlich tragenden Strukturen integriert zu sein. Und ebenso, wie es in jenen Zeiten unter den kirchlichen Laien eine große Spannweite zwischen engagierten Christen und konventionellen Kirchenmitgliedern gab (und übrigens noch bis heute gibt), gab es nun in der Partei überzeugte kommunistische Genossen und bloße Anhänger einer Staatspartei, die natürlich nach dem Kollaps des sozialistischen Staates so schnell wie möglich ihre Mitgliedschaft darin vergessen machen oder/und wieder zu einer den Staat mittragenden Partei werden wollen, wobei viele gar nicht merken oder merken wollen, daß dieser Staat nach wie vor der Gegenstaat zu ihrem Staat ist.

Die meisten heute lebenden ostdeutschen Kommunisten können kaum verleugnen, daß sie ihre politischen Lehrjahre ausschließlich unter den oben geschilderten Bedingungen nach dem Sieg der sozialistischen Revolution absolviert haben. Die Generation derjenigen, deren Lebenserfahrung schon im antifaschistischen Kampf und den Übergangskämpfen un­mittelbar nach dem Kriege geprägt worden war, stirbt ebenso aus wie die Generation der Asylanten und Immigranten aus der BRD in die DDR.

Während des Kalten Krieges vollzog sich der Klassenkampf in Europa weitgehend in der Form eines zähen Stellungskrieges - sowohl zwischen dem imperialistischen und sozialistischen Lager als auch in beiden Lagern selbst. So waren bereits zur Zeit der Konterrevolution von 1989 die meisten ostdeutschen Kommunisten nicht mehr an offene Feldschlachten mit dem Klassenfeind gewöhnt. Für sie hatte sich der Klassenkampf überwiegend außenpolitisch auf der Ebene des militärischen Schutzes des eigenen sozialistischen Territoriums gegen feindliche Subversion und Aggression vollzogen. Und sofern sie diesen Klassenkampf nicht in den Grenztruppen erlebt hatten (hier allerdings seiner Erscheinung nach nicht als Bürgerkrieg, sondern als Kampf zwischen Staaten gegensätzlichen Klassencharakters), waren sie an der Hauptfront fast nur Zuschauer gewesen. Am unmittelbarsten fanden sie sich noch existentiell einbezogen, wo sie ihr revolutionäres Bewußtsein durch Solidaritäts-Kundgebungen und -Aktionen im weltweiten Bewegungskrieg der Klassen, vor allem während des Vietnamkrieges, zu artikulieren vermocht hatten. Innenpolitisch aber hatte sich der Kampf überwiegend auf der Ebene möglichst lautloser Unterdrückung des Klassenfeindes vollzogen - und um der wünschenswerten Lautlosigkeit willen oft genug mit bedenklichen Methoden und unter Ausschluß sehr vieler Genossen von der Führung dieser Kämpfe und von der politisch voll bewußten Beteiligung daran.

Das heißt nicht, daß es nicht auch in der DDR harte Klassenkämpfe gegeben hat. Aber sie spielten sich weitgehend nicht in der Öffentlichkeit, sondern in einem verbissenen Ringen um die Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit politischer Positionen zumeist in kleineren Kollektiven oder am Rande der Gesellschaft ab wie zum Beispiel in der Kirche. Daher mag es kommen, daß der verschwindend kleine fortschrittliche Flügel in der Kirche 1989 von der Konterrevolution nicht so überraschend überrumpelt wurde wie viele Kommunisten in der sozialistischen Gesellschaft.

Aber die Führung des Klassenkampfes war - man nehme mir die etwas karikierende Bemerkung nicht übel - überwiegend und überdies sehr arbeitsteilig zur Sache von Funktionären geworden. Und sogar immer mehr Funk­tionäre der mittleren Ebene überließen ihn - nicht nur aus Disziplin, sondern oft politisch völlig bewußtlos und aus Bequemlichkeit - der „Partei- und Staatsführung“. Tatsächlich waren natürlich die Massen objektiv durch ihre ökonomische, gesellschaftliche und politische Arbeit der eigentliche Träger des Klassenkampfes, und die führenden Funktionäre waren auch oft bestrebt, ihnen das bewußt zu machen. Sie konnten aber damit ein Schwinden des im engeren Sinne politischen Bewußtseins der Massen kaum zureichend aufhalten, und die entscheidend wichtige und richtige Parole vom „Mitarbeiten, Mitdenken und Mitregieren“ verlor zunehmend an praktischer Wirkung. Darunter litt nicht nur erheblich das Be­wußtsein der Massen für ihre demokratische Mitverantwortung im politischen Kampf, sondern es konnte sich auch ihre Erfahrung im politischen Kampf nicht optimal entwickeln. Durchaus treue und engagierte Genossen verzichteten schließlich allzu oft darauf, die politischen Entscheidungen jeweils selbständig zu begreifen und überließen das strategische Den­ken und Handeln im Sinne einer ganz und gar nicht kommunistischen Arbeitsteilung vertrauensvoll der „Parteiführung“, ohne es noch ernstlich mitgestalten und mitverantworten zu können oder auch nur zu wollen.

Anders entwickelten sich die Verhältnisse in der BRD. Hier wurde mit Beginn des Kalten Krieges der Antikommunismus wieder zur Staatsdoktrin wie in der Nazizeit. Aufgrund der internationalen Kräfteverhältnisse ließ sich die revolutionäre Vereinigung der wesentlichen Teile der Arbeiterklasse in einer konsequent marxistischen Partei in den imperialistisch beherrschten Besatzungszonen Deutsch­lands nicht realisieren. Vielmehr wurde hier schon sehr bald, wenn auch nicht ganz ohne innere Kämpfe, die SPD wiederum zum Vorposten der imperialistischen Restauration in der Arbeiterklasse. Die Kommunisten wurden zunächst aus ihrer Beteiligung an zum Teil noch antifaschistisch-demokratischen Kommu­nal- oder auch Länderregierungen in die Opposition verdrängt; dann wurden die mit ihnen verbundenen Masssenorganisationen und zuletzt ihre Partei selbst verboten. Dieses Verbot wurde nicht nur rechtlich und politisch, sondern auch gesellschaftlich wirksam. Denn um den revolutionären Weltprozesses zu stoppen, ermöglichte die amerikanisch-westeuropäische Monopolbourgeoisie in Westdeutschland ein „Wirtschaftswunder“ (Marshallplan), in dem große Teile imperialistischer Extraprofite zur Korruption der Arbeiterklasse eingesetzt werden konnten und - flankiert durch eine maßlose Sozialdemagogie und nackten Terror (Be­rufsverbote etc.) - ihre Wirkung taten. So wurden die Kommunisten in der BRD gesellschaftlich geächtet und marginalisiert. Ideologische Hauptwaffe des Antikommunismus blieb es, alle antifaschistischen und antiimperialistischen Kräfte als „Stalinisten“ und als „fünfte Kolonne Moskaus“ zu bezeichnen, um sie als eine gleichsam auswärtige Macht aus der deut­schen Nation auszugrenzen. Der Haß der in der BRD niemals aus der politischen Führung verdrängten Nazis auf ihre Bezwinger bestimm­te das gesellschaftliche Klima.

Kein Wunder, daß sich immer wieder Kommunisten in der BRD dieser Beschuldigung zu entziehen versuchten, indem sie sich gegen die Sowjetunion profilierten, sei es als „Trotzki­sten“, „Titoisten“, „Maoisten“ oder schließlich als „Eurokommunisten“. Oft genug verfielen sie auf diesem Wege der offenen oder verdeckten Lenkung durch imperialistische Geheimdienste.

Je mehr sich in Deutschland die Stärken und Schwächen der kommunistischen Bewegung in dessen sozialistischem Staat konzentrierten, desto mehr konnte es westdeutschen Kommu­nisten so scheinen, als hätten ihre ostdeutschen Genossen sie aus allen klassenkampf­entscheidenden Positionen in Deutschland ver­drängt. Dieser Anschein trog zwar weitgehend, war aber fast unvermeidlich. Denn die dauernde Gefahr, daß der „kalte“ in einen „heißen“ Krieg umschlagen konnte, zwang dazu, den Klassenkampf (nicht nur zwischen den beiden deutschen Staaten, sondern auch in ihnen) nicht im Stil offenen Kampfes, sondern im Stil verdeckten Unterminierens der Positionen des Gegners zu führen. Dieser Zustand bestimmte die Lebenserfahrung einer ganzen Generation deutscher Kommunisten und trug dazu bei, daß die eigene Subjektivität im Klassenkampf kaum noch empfunden wurde, während umgekehrt der Klassenkampf als solcher den Anschein einer ganz eigenartigen Objektivität erhielt, als müsse er nicht geführt werden, sondern vollziehe sich von selbst. Das verleitete zu dem Irrtum, daß - um es reichlich salopp auszudrücken - weniger die Gesellschaft Subjekt ihrer Geschichte, als vielmehr die Geschichte selbst Subjekt der gesellschaftlichen Bewegung sei. Das in unglücklicher Zeit in einem unglücklichen Mißverständnis zitierte, ohnehin nicht allerweiseste Bebelwort: „den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf“ zeigte ziemlich genau, wohin dieses mechanistische Mißverständnis historischer Entwicklung, das zu einer illusionsgeladenen Untätigkeit verleiten kann, geführt hatte. Zwar nicht „Ochs und Esel“, wohl aber feindliche Raffinesse - außerhalb und innerhalb der eigenen Grenzen - und eigene Naivität vermochten ihn in seinem Lauf durchaus erfolgreich aufzuhalten.

In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre konsolidierte sich nicht nur der sozialistische Auf­bau in der DDR, sondern es kam auch in der BRD zu einer schweren politischen Krise. Sie verschärfte sich nicht zuletzt dadurch, daß sich in der DDR - durch die endliche Schließung der Staatsgrenze am 13. 8. 1961 sowohl gegen ökonomische Ausblutung als auch gegen politische Diversion besser abgeschirmt - deren ökonomische Basis und Produktion rasant ent­wickelte. Während die Akkumulationsrate in den letzten Jahren ständig gesunken war, erhöhte sie sich im IV. Quartal 1961. Die Indu­strieproduktion stieg 1962 um 6,1 %, während die Kosten um 2,8 % sanken. Grundsätzlich veränderte sich das Verhältnis zwischen Steigerung der Arbeitsproduktivität und Erhöhung des Durchschnittslohnes. Während der Durchscnittslohn nach 1953 bis 1961 schneller stieg als die Arbeitsproduktivität und damit mehr verbraucht als produziert wurde, wuchs die Arbeitsproduktivität 1962 um 9,2 %, während der Durchschnittslohn nur um 1 % stieg. Dadurch wurden spürbar Mittel frei für die Akkumulation und Sozialpolitik.

Das wirkte sich innenpolitisch auf nahezu allen Gebieten in einer ganzen Serie von Reformen aus: Die Wirtschaft wurde umfassend neu organisiert, sozialistische Rechtsnormen in neu­en Gesetzbüchern zusammengefaßt, vom Arbeits- über das Zivil- bis zum Strafrecht, die nun endlich die noch aus der Kaiserzeit stammenden Kodifizierungen ersetzten. Eine weiterführende Hochschulreform folgte. Und schließ­lich wurde die bürgerlich-demokratische Verfassung, die noch ganz auf die Herstellung eines dem Potsdamer Abkommen entsprechenden antifaschistisch-demokratischen Gesamtdeutschlands gerichtet gewesen war, durch eine volksdemokratisch-sozialistische Verfassung ersetzt.

Nicht zuletzt all das trug dazu bei, daß das imperialistische Lager und insbesondere die BRD, ohnehin von der ersten ernsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit betroffen, in eine auch politisch tiefe Krise geriet. Das bisherige antikommunistische Feindbild von der angeblich ständig vor dem Zusammenbruch stehenden DDR geriet angesichts deren zuneh­mender inneren und äußeren Stärke ins Wanken. Weder im Kampf gegen die DDR noch in der innenpolitischen Auseinandersetzung ließ sich der sterile flagrante Antikommunismus, so wie er in der Zeit des Bruchs der Antihitlerkoalition im Stile McCarthys entwickelt worden war, durchhalten. Die antikommunistische Reaktion sah sich gezwungen unter dem Schlagwort „Wandel durch Annäherung“ eine neue, flexiblere Form des antikom­munistischen Kampfes zu suchen.

Die Gärung erfaßte zuerst die studentische Jugend, und sogleich zeigten sich die westdeutschen Kommunisten durchaus in der Lage, diese Studentenbewegung in progressive Bahnen zu lenken. Viele Genossen an der Basis der KPD, die noch verboten war, erkannten die Chance, revolutionäre Erfahrungen vermittelnd und so führend an der Rebellion der jungen Intelligenz anzuknüpfen. So erlebte ich das zum Beispiel unmittelbar nach dem Ohnesorg-Mord bei einer studentischen Großveranstaltung 1967 in Göttingen.

Um diese Zeit wurde überdies das KPD-Ver­bot von 1956 der herrschenden Klasse in der BRD selbst lästig. Es behinderte sie bei ihrem Versuch, die Konterrevolution nunmehr „auf Filz­latschen“ - wie der DDR-Außenminister Winzer das treffend nannte - schleichen statt marschieren zu lassen. Sie fiel mit dem KPD-Verbot aus dem Rahmen der führenden westeuropäischen Länder heraus, mochte es aber aus der begründeten Furcht, damit einen Dammbruch zu riskieren, auch nicht aufheben und fand den Ausweg, nicht etwa die KPD „wieder“, sondern die DKP „neu“ zuzulassen - eine „andere“ kommunistische Partei?

Ohne Zweifel war die Situation zugleich chan­cenreich und schwierig. Der großangelegte Konterrevolutionsversuch in der CSSR, der ja zunächst bis in weite linke Kreise hinein dank seiner Tarnung als sozialistische Weiterentwicklung irritierend wirkte und von kommunistischer Seite, um den anlaufenden Friedensprozeß nicht zu gefährden, nicht rechtzeitig öffentlich entlarvt wurde, verwirrte die Gemüter. Und die Führung der „Studenten­bewegung“ geriet sehr schnell unter die Fittiche der modern werdenden „Frankfurter Schu­le“. Dennoch frage ich mich: Ist mein Eindruck falsch, daß es von verhängnisvoller Bedeutung für den revolutionären Weltprozeß war, daß das sozialistische Lager nicht erkannte, daß es das Risiko der Verhandlung mit den flexibleren, gewiß aber nicht weniger als die erstarrte Reaktion antikommunistischen Fraktionen der amerikanisch-westeuropäischen Bour­geoisie nur hätte verantworten können, wenn es zugleich in diesen Ländern - und insbesondere in dem einzigen Frontstaat unter ihnen, der BRD - den Einfluß internationalistisch-kon­sequenter Kommunisten nachhaltiger gestärkt hätte?

Dazu gehörte es übrigens auch (wenn ich nicht das Opfer von Fehlinformationen bin), daß die Gründung der DKP (im Einvernehmen von UdSSR/KPdSU und der Willi-Brandt-Regie­rung, um diese von dem Odium des KPD-Verbotes zu entlasten, ohne sie mit dessen Revokation zu belasten) mit der Auflage verbunden war, auf die Formel „Marxismus-Leni­nismus“ zu verzichten, also mit einer kaum zu verkraftenden und zu verantwortenden ideologischen Konzession an den westdeutschen Antikommunismus im allgemeinen und einem Kotau vor den Begründungen des KPD-Ver­bots im besonderen. Hinzu kam, daß die deutschen Kommunisten nun, nachdem, wie im bürgerlich-demokratischen Westeuropa üblich, auch in der BRD eine kommunistische Partei pro forma legalisiert, wenn auch durch die Berufsverbotspraxis in Wahrheit zugleich mit ihrer Zulassung illegalisiert war, kaum noch aus­sichtsreich den Kampf um die Aufhebung des antidemokratischen KPD-Verbotsurteils weiterführen konnten. So war damals zugleich die DKP eine Schöpfung und die KPD ein Opfer der verfehlten sowjetischen Entspannungspolitik - wenn meine Informationen, die keiner der Zeugen der Verhandlungen um die Gründung der DKP schriftlich formulieren möchte, zutreffen (und unwahrscheinlich ist ihr Inhalt leider nicht!). Wäre es  - wozu einem Ondit nach Walter Ulbricht tendierte - nicht richtiger gewesen, wenn man damals auf einer Aufhebung des KPD-Verbotes insistiert hätte? Offenbar aber wirkten das Interesse der Sowjetunion daran, das Anlaufen des „Entspannungs­prozesses“ zu erleichtern, und das Interesse der BRD daran, die Sonderstellung, die sie un­ter den westeuropäischen Demokratien durch ihr KPD-Verbot einnahm, möglichst flexibel loszuwerden, bei der Neuzulassung der nunmehrigen „DKP“ zusammen. Aber wäre das sozialistische Lager nicht besser beraten gewesen, wenn es mit etwas mehr revolutionärem Internationalismus zumindest versucht hätte, den westdeutschen Kommunisten dabei zu helfen, zu einer solchen politischen Kraft zu werden, wie die französischen und italienischen Kommunisten sie damals noch darstellten, bevor sie dem Eurokommunismus erlagen?

Tatsächlich hat das sozialistische Lager sie eher daran gehindert als dabei gefördert, und es ist schwierig, zu beurteilen, inwieweit das nur fahrlässig oder konterrevolutionär vorsätzlich geschah, zumal nun im historischen Rückblick vollends deutlich wird, daß bereits damals die opportunistisch-revisionistische Zer­setzung vieler Führungskader im sozialistischen Lager zu eskalieren begann, die wesentlich zu dem Sieg der Konterrevolution 1989 beigetragen hat.

Insbesondere für die westdeutschen Kommunisten war diese Entwicklung verhängnisvoll. Selbstverständlich wurde die DKP von ihrer antikommunistischen Umwelt wie eh und je die KPD als bloßer Aussenposten der SED, der führenden revolutionären Kraft in einem abtrünnigen Staatsgebiet, verleumdet und behandelt. Aber bisher hatte dieser Angriff die kommunistische Partei als Teilkontingent der internationalen kommunistischen Weltbewegung und also als Teil einer internationalistischen Macht  getroffen. Jetzt aber war sie in der BRD keine ernst zu nehmende Kraft mehr. Das änderte sich zwar für kurze Zeit in den achtziger Jahren, als sie in der Friedensbewegung eine führende Rolle gewann, die sie aber, ohnehin von geschickt operierenden scheinneutralistischen imperialistischen Agen­ten ständig bedrängt, nicht mehr durchzuhalten vermochte, als unter Gorbatschow die So­wjetunion selbst ihnen in den Rücken fiel (was manche bis heute nicht wahr haben wollen). Aber in den ganzen wichtigen siebziger Jahren, im „Helsinki-Prozeß“ spielte sie zum Beispiel - und zwar für beide Seiten! - überhaupt keine Rolle mehr in den Verhandlungen, in denen sich Warschauer Pakt und NATO einerseits bemühten, einen Umschlag des kalten in einen heißen Krieg zu verhindern (die einen aus Friedensliebe, die anderen, weil es ihnen - wie sich zeigte, zur Recht - profitabler erschien, den Gegner ökonomisch als militärisch zu liquidieren) und anderseits die schon erstarrende sozialistische Weltbewegung versuchte, ihren Bestand zu sichern, ohne zu berücksichtigen, daß es im revolutionären Prozeß zwar immer Phasen der Offensive und Defensive geben wird, daß man aber in beiden Fällen den revolutionären Kampf nicht willkürlich unterbrechen kann, ohne ihn abzubrechen.

Hinzu kam, daß die westdeutschen Kommunisten nicht nur durch die - übrigens sehr brutale - Durchsetzung des KPD-Verbots für längere Zeit weitgehend außer Aktion gesetzt und zugleich mit einer Demagogie, die jeden Vergleich mit den Leistungen Joseph Goebbels’ auf diesem Gebiet aushält, gesellschaftlich isoliert worden waren. Vielmehr war außerdem die westdeutsche Arbeiterklasse - geduldet und sogar gefördert von fast allen ökonomischen Konkurrenten der BRD innerhalb der NATO - unter Einsatz erheblicher Mittel aus imperialistischen Extraprofiten in ihren materiellen Lebensbedingungen sozialökonomisch so gut gestellt worden wie in kaum einem anderen imperialistischen Staat. Terror, Demagogie, und - für beides grundlegend - materielle Korruption waren also im Kalten Krieg von den vereinigten imperialistischen Mächten mindestens so wirksam im antikommunistischen Kampf eingesetzt worden wie in Deutschland während der Zeit des Faschismus.

Trotz dieser Schwierigkeit gelang es der DKP weitgehend das Erbe der KPD anzutreten. Insgesamt hat sie es vermocht, durch ein halbes Jahrhundert der Verfolgung, zuerst mit dem Parteiverbot, dann mit den Berufsverboten und kontinuierlich mit der demagogischen Behandlung als „fünfte Kolonne“ des außenpolitischen Erzfeindes, der DDR, ihre flächendeckende Organisation in der BRD ebenso durchzuhalten wie ihre politisch-ideologische Einbindung in die kommunistische Weltbewegung und so im pro und contra wirksamer Bezugspunkt nahezu aller westdeutschen Kommunisten zu bleiben.

Aber sie vermochte nicht die Selbstverständlichkeit des gesellschaftlichen Boykotts so zu durchbrechen, wie es bei günstigerer Ausgangslage vielen anderen westeuropäischen kommunistischen Parteien gelungen war. Dabei spielten zweifellos vorhandene eigene Schwächen eine Rolle, vor allem aber war dafür die Konzentration der imperialistischen Hauptmächte auf die Stabilisierung der BRD als Frontstaat gegen das sozialistische Lager ausschlaggebend. So konnte die DKP von Anfang an nicht verhindern, daß sich neben ihr immer kommunistische Splitterparteien bilde­ten, häufig, nicht zuletzt geheimdienstlich ge­lenkt, zumeist „links“ orientierte (insbeson­dere wenn man unter „links“ vor allem eine einseitig auf die Störung der alten und nicht dialektisch darin zugleich auf die Schaffung einer neuen Gesellschaftsordnung orientierte, oft voluntaristische, subjektivistische, irrationalistische, modernistische und anarchische Hal­tung versteht). Diese konnten sich - anders als die immer wieder in der Geschichte der Arbeiterbewegung am Rande der Hauptpartei entstehenden Abspaltungen. - zum Teil längerfri­stig neben ihr behaupten. Denn eines war den meisten von ihnen (auch wenn sie sich - oft ohne deren eigentlichen Charakter zu verstehen - gerade an den Differenzen in der internationalen kommunistischen Bewegung orientierten) gemeinsam: sie wichen dem auf das sozialistische Lager gerichteten Hauptstoß des imperialistischen Antikommunismus opportunistisch aus.

Denn sie lösten jede Bindung an die kommunistische Weltbewegung mit allen Höhen und Tiefen und an diejenige bisherige Geschichte des revolutionären Prozesses, die zur Entstehung und Festigung des sozialistischen Lagers beigetragen hatte und die vom Imperialismus als Hauptfeind gefürchtet wurde. In den Kommandozentralen des Klassenfeindes hielt man zumeist die Störung des revolutionären Weltprozesses, die zuweilen von ihnen ausging, für gravierender als ihren - ernstlichen - revolutionären Elan, mit dem sie oft auftraten, als könnten sie die sozialistische Bewegung sozusagen vom Nullpunkt her noch einmal - und dann fehlerfrei - von vorn beginnen.

Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Massenparteien in Europa allerdings sollten deren konsequent marxistischen Reste ebenso wie diese „freischwebenden“ kommunistischen Randorganisationen und Intellektuellen ihre in der Vergangenheit begründeten Ressentiments gegeneinander zurückstellen und mit der Frage: „was haben wir, was habt Ihr heute zu tun?“ auf einander zugehen.

Unter diesen unzweifelhaft schweren Belastungen bildete sich in der DKP eine Grundhaltung heraus, die heute den Prozeß notwendiger Zusammenführung der in dieser Geschichte zersplitterten kommunistischen Bewegung und die Rückkehr aus der in dieser Geschichte ent­standenen kommunistischen Zerstreuung in eine kommunistische Sammlungsbewegung un­gemein erschwert, nämlich ein tief verinnerlichter Zentralismus, gespeist von der Angst vor weiteren Abspaltungen. So konzentriert sie sich auf die Konservierung der Partei in ihrem gegenwärtigen Zustand und scheut ängstlich zurück vor dem gebotenen marxistisch-dialek­tischem Meinungsstreit, ohne zu berücksichtigen, daß dies ein Zustand der Schwäche ist, den man gerade nicht konservieren sollte. Zu­gleich ist sie darum nur desto anfälliger für eine pessimistisch-abwertende Kritik der ganzen bisherigen sozialistischen Bewegung, statt sich und andere auf eine kritisch-optimistische gegenwartsbezogene Zukunftskonzeption unter Nutzung des ganzen Reichtums konsequent kommunistischer Ideen und der Erfahrungen aus der Geschichte des bisherigen revolutionären Prozesses zu orientieren.

Das aber ist keine Aufgabe, die heute oder morgen gelöst werden kann. Zu ihr gehört insbesondere viel ideologisch-theoretische Vorarbeit von allen Seiten, sowohl im Sinne einer sachlichen - nicht antikommunistisch-hämi­schen, sondern parteilich vorwärts orientierten - Kritik und Selbstkritik, orientiert an dem Beispiel, das Marx und Engels das erste Mal nach dem Scheitern der Revolution von 1848 und ein zweites Mal in der Einordnung der Pa­riser Commune als heldenhaften, aber noch mißlungenen Start im kommunistischen Weltprozeß gegeben haben.

Diese Kritik sollte so geübt werden, daß sie nur wirkliche Diversanten des sozialistischen revolutionären Prozesses ausschließt, aber für alle Kommunisten offen ist, denen eine Einigung zum erneuten sozialistischen revolutionären Anlauf und darum eine gemeinsam-offe­ne Analyse der bisherigen Geschichte der sozialistischen Weltbewegung wichtiger ist, als gegen andere Genossen „recht gehabt“ zu haben. „Wieder einmal recht gehabt“, heißt es in Oesers Ehezuchtbüchlein, „hat nur der Nichtliebende“, und so gewiß eine kommunistische Partei keine Liebesgemeinschaft ist, so gewiß ist sie doch auch nicht das Gegenteil!

Leider wird, je länger desto mehr, deutlich, welch verhängnisvolles Versäumnis es war, daß es die ernsthaften Sozialisten 1989 nicht vermocht hatten, sich bei dem letzten Parteitag der SED und zugleich dem ersten Parteitag der PDS von den Renegaten um Berghofer, Gysi, Brie, die unter Ausnutzung der Erschütterung durch die Konterrevolution die SED in eine kleinbürgerliche, vorerst DDR-nostalgische Par­tei verwandelten, organisatorisch zu trennen. Freilich mochte es damals noch möglich schei­nen, dieser Partei, gestützt auf eine gesunde Substanz sozialistischen Bewußtseins in ihrer Basis, wieder einen sozialistisch-revolutionä­ren Charakter zu geben, wenn man, allen reaktionären und revisionistischen Weichenstel­lungen zum Trotz, nicht aus ihr austrat. Das aber erwies sich insbesondere darum als unmöglich, weil die kommunistischen Kräfte in der PDS dazu durch die Tatsache viel zu verwirrt waren, daß die Konterrevolution ausgerechnet von der Sowjetunion ausging und gefördert wurde. So blieb der größte Teil der Kommunisten in der DDR zunächst in der ent­stehenden revisionistischen PDS hängen. Und nicht in einem politisch überzeugenden und organisierten Akt kam es zur Trennung der kommunistischen von den reformsozialistischen Kräften, sondern allzu vereinzelt und in­dividuell traten Kommunisten, die es in der PDS nicht mehr aushielten, aus ihr aus und nur zum Teil in kommunistische Parteien über und ließen dabei überdies ihre Genossen in der PDS in einer ohne sie noch schwierigeren Situation zurück.

Nicht viel geringer war die Verwirrung in der für den Kommunismus repräsentativsten po­litischen Partei in der BRD, in der DKP. Auch hier stiftete das Vorurteil, eine Konterrevolution vollziehe sich per definitionem verbunden mit Blutvergießen und massenhaften Schießereien, gekoppelt mit der illusorischen Meinung, die Verfallserscheinungen seien nur Ausdruck einer schwer verständlichen, aber wohl erwogenen Art von „Frontverkürzung“ der Sowjetunion und keineswegs der Beginn eines katastrophalen Sieges des Imperialismus über den europäischen Sozialismus, nachhaltig Verwirrung. So war auch diese Partei nicht zureichend darauf vorbereitet, sich selbst, insbesondere durch massenhafte Vereinigung mit den Kommunisten aus der SED, in eine wirklich gesamtdeutsche kommunistische Partei zu verwandeln. Vielmehr fällt es ihr bis heute schwer, den sich aus der PDS lösenden Kommunisten gleichberechtigte Chancen zu geben. Dazu müßten nicht nur Kommunisten aus der DDR endlich aufhören, ihre DDR-Bürger-No­stalgie mit kommunistischer Prinzipienfe­stigkeit zu verwechseln, sondern es müßten auch Kommunisten aus der BRD westdeut­sche Überheblichkeiten überwinden, mit de­nen sie ihr Klassengegner infiziert hat.

Dürfen und müssen europäische und deutsche Kommunisten nun politisch untätig warten, bis ihre Parteien auf einer konsequent wissenschaftlich-revolutionären Linie wieder konstituiert sind? Ich meine, das wäre verantwortungslos. Was aber haben sie heute zu tun?

Ich denke, wir haben derzeit eine Ruhepause bis ein erneuter Anlauf zu einer sozialistischen Revolution in Europa möglich ist. Zwar war die Zeit dafür schon 1917 überreif, wenn man an die Notwendigkeit, leider noch nicht reif genug, wenn man an den Erfolg der sozialistischen Revolution denkt. Dieser Anlauf aber war genau so nötig wie in der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert die frühbürgerliche Revolution. Und es wird sich zeigen, daß ebenso wie jene sich trotz ihrer Niederlage in der Gegenreformation als eine äußerst fruchtbare Ge­neralprobe für den bürgerlich-revolutionären Prozeß erwies, wenn man ihre Größe nicht verleugnet, sondern historisch-kritisch bahnbrechend würdigt, auch die sozialistische Revolution im Europa des 20. Jahrhunderts das Tor für weitere revolutionäre Erhebungen geöffnet hat.

Je mehr die Kapitalkonzentration zur Kapital­allmacht führt, desto dringlicher wird die gesellschaftliche Umwälzung gerade auch in den Zentren des globalen Imperialismus. Zwar wird auch sie wahrscheinlich von den schwäch­sten Gliedern imperialistischer Macht ausgehen aber ihre Möglichkeit kann schneller heranreifen, als heute vorhersehbar. Nur bis dahin haben wir noch Zeit, viele offene Fragen hin­sichtlich der historischen Vergangenheit und politischen Zukunft des revolutionären Prozesses zu durchdenken. Wir sollten das in einem wissenschaftlichem Meinungsstreit, soweit möglich sine ira et studio, versuchen, hart in der Sache, aber freundschaftlich in der Form, und vorerst so, daß der Disput nicht zu weiteren Trennnungen führt, sondern vereinigt, damit wir, wenn in Europa wieder eine revolutionäre Situation eintritt, politisch-ideo­logisch so schlagkräftig sind wie irgend möglich.

Bis dahin halte ich eine Aktionseinheit aller Kommunisten - unter Zurückstellung alles Tren­nenden - mit allen ernsthaften antifaschistischen Demokraten unter der Parole: „Nein zu diesem System“ schon hier und heute für ebenso notwendig wie möglich.

Ich wiederhole hier, was ich einleitend als die Gemeinsamkeit aller Kommunisten und kampf­bereiten Demokraten beschrieben habe, und hoffe, daß sie sich darüber einigen können:

Nein zu diesem System, in dem die Ausgebeuteten so viel zu arbeiten haben, daß sie keine Zeit haben, an das Gemeinwohl zu denken, Nein zu diesem system, in dem die Un­terdrückten keine Arbeitsplätze finden, an denen sie für das Gemeinwohl arbeiten können, Nein zu diesem System, in dem die Ausbeuter und Unterdrücker mit ihrem Kapital spekulieren, ohne sich um das Gemeinwohl zu kümmern, Nein zu diesem System, in dem jede Produktivitätssteigerung nicht die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit verkürzt, son­dern Arbeitsplätze beseitigt, weil gerade das den Profit mehrt.

Nein zu diesem asozialen System, das seine Nutznießer immer wieder zur Selbstbehauptung in Kriegen und Konterrevolutionen führt!

Mit einer solchen Parole könnten deutsche Kommunisten hier und heute zum Beispiel in den Berliner Wahlkampf gehen. Eine Senatsmehrheit, mit der sie ihr Wahlprogramm durch­setzen könnten, werden sie derzeit ohnehin nicht erreichen. Also brauchen heute auch weder sie noch ihre Wählerinnen und Wähler ein solches positives Programm. Aber sie böten mit einem programmatischen Nein ihren Wäh­lerinnen und Wählern die Möglichkeit, zu sig­nalisieren, daß sie nicht „politikverdrossen“ die Politiker von der PDS über die SPD, die Grünen, die CDU, die FDP bis zur extremen Rechten eine Politik machen lassen wollen, die mehr denn je die Monopole ihnen verordnen, sondern daß sie zu solcher Politk solan­ge Nein sagen, bis wieder eine Zeit kommt - und sie wird vielleicht schneller kommen, als heute zu erwarten ist - in der eine andere, nämlich eine sozialistische Politik möglich wird, zu der sie dann Ja sagen und die sie, sobald möglich, erkämpfen werden. Bis es soweit ist, werden sie sich - gerade im Zusam­menwirken in der wirklichen Opposition gegen das imperialistische System immer weiterer Kapitalkonzentration - gegenseitig besser verstehen lernen und damit beginnen können, eine Konzeption und Strategie für ei­nen erneuten Anlauf zur Aufhebung der Kapi­talmacht und zur Herstellung menschlicher Macht zu entwickeln.

                                                                                                                                Hanfried Müller, Berlin

Michael Opperskalski: Entwicklung und Funktion des Revisionismus

Bei Überlegungen zu unserer Vergangenheit und beim Kampf gegen den Revisionismus handelt es sich nicht um eine abstrakt-theoretische „Wortklauberei“ in einer Art Wolkenkuckucksheim fern der gesellschaftlichen Realität. Antworten zu Grundfragen marxistisch-leninistischer Analyse und Theorie haben immer auch ganz konkrete, aktuelle Auswirkungen auf die Politikentwicklung – in taktischer wie strategischer Hinsicht – einer kommunistischen Partei. Oder anders, deutlicher und konkreter formuliert: Mündete nicht u.a. die theoretische Aufgabe des internationalen Klassenkampfes gegen den Imperialismus durch die gorbatschowistische KPdSU in die direkte Kollaboration mit diesem und schließlich in die Liquidation der Partei der sowjetischen Kommunisten als Voraussetzung für die schließlich siegreiche Konterrevolution?

Zu einigen Grundfragen des Marxismus-Leninismus

Einige Genossinnen und Genossen mögen einwenden, dass man dies heute alles etwas „flexibler“ sehen müsse bzw. auch alles ganz anders sehen könne. Sie verkennen dabei meiner Ansicht nach nicht nur die Auswirkung theoretische Analysen und Grundpositionen auf die Ausarbeitung aktueller, konkreter Politik, sie übersehen dabei auch, dass die Existenz(berechtigung) einer Partei – besonders einer kommunistischen! – in theoretischer, programmatischer Hinsicht nicht nur durch ihrer Eigenständigkeit, sondern zudem auch durch ihre Abgrenzung zu anderen politischen Formationen definiert wird. Der Marxismus-Leninismus ist in seiner wissenschaftlich-theoretischen Gesellschaftsanalyse, seiner Methodologie des revolutionären Handelns sowie in seiner Zielsetzung des Sozialismus/Kommunismus nicht nur eine einzigartige Wissenschaft und zugleich die Waffe des Proletariats im Kampf um die Macht als Voraussetzung einer grundlegenden, revolutionären Veränderung der Gesellschaft, seine Träger, die Kommunisten und ihre Partei, unterscheiden sich damit zudem nicht nur grundsätzlich von bürgerlichen Parteien bzw. bürgerlichen Gesellschaftsvorstellungen, sondern auch von den Anhängern anderer Sozialismusvorstellungen.

Bereits Karl Marx und Friedrich Engels grenzten den von ihnen entwickelten wissenschaftlichen Sozialismus von damals existierenden anderen Sozialismusvorstellungen - gewissermaßen Urväter des „demokratischen Sozialismus“ - ab, indem sie im „Manifest der Kommunistischen Partei“ die Grundvoraussetzungen für den Sozialismus beschrieben und festhielten, „dass der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie ist. Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staates, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.“ Zu den wichtigsten Aufgaben des proletarischen Staates zählen Marx und Engels im „Manifest“: „Vermehrung der Na­tionalfabriken, Produktionsinstrumente, Urbarmachung und Verbesserung der Ländereien nach einem gemeinschaftlichen Plan.“ [2]

Im Gegensatz zu ihren bürgerlichen und kleinbürgerlich-sozialistischen Kritikern verstanden Marx und Engels den Staat nicht als ein quasi über den gesellschaftlichen Entwicklungen und Klassenkämpfen stehendes „Neutrum“: „In Wirklichkeit ist der Staat nichts anderes als eine Maschine zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andere, und zwar in der demokratischen Republik nicht minder als in der Monarchie. [3] Dementsprechend deutlich beschreiben Marx und Engels die im „Manifest der Kommunistischen Partei“ als Grundvoraussetzung für den Sozialismus formulierte politische Herrschaft des Proletariats: „Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats. [4] Lenin definiert diese „Diktatur des Proletariats“ eindeutig: „Aber die Sache ist die, dass es eine Diktatur der Minderheit über die Mehrheit, einer Handvoll Polizisten über das Volk gibt und dass es eine Diktatur der gigantischen Mehrheit des Volkes über eine Handvoll von Gewalttätern, Räubern und Usurpatoren der Volksmacht gibt. [5] „Es ist natürlich und unvermeidlich, dass uns in der ersten Zeit nach der proletarischen Revolution vor allem die Haupt- und Grundaufgabe beschäftigt - die Überwindung des Widerstandes der Bourgeoisie, der Sieg über die Ausbeuter, die Unterdrückung ihrer Verschwörung (...). Aber neben diese Aufgabe tritt ebenso unvermeidlich - je weiter, desto mehr - die wesentlichere Aufgabe des positiven kommunistischen Aufbaus, der Schaffung neuer ökonomischer Beziehungen, der Errichtung einer neuen Gesellschaft. [6] Das bedeutet jedoch zugleich, dass das siegreiche Proletariat nicht einfach die alten, bürgerlichen Staatsinstitutionen übernehmen kann; es reicht in diesem Sinne nicht aus, diesen Institutionen lediglich neue Inhalte und Orientierungen „einzupflanzen“; so schreiben Marx und Engels im Vorwort zur deutschen Ausgabe des „Kommunistischen Manifest“ in Bezugnahme auf die Erfahrungen der Pariser Kommune: „ Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, daß die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann [7] . Folgerichtig ist es die Aufgabe der proletarischen Revolution, „ (...) nicht mehr wie bisher die bürokratisch-militärische Maschinerie aus einer Hand in die andere zu übertragen, sondern sie zu zerbrechen, und dies ist die Vorbedingung jeder wirklichen Volksrevolution auf dem Kontinent“, schreibt Karl Marx in einem seiner Briefe an Kugelmann aus dem Jahre 1871. [8] Die proletarische Revolution ist unmöglich ohne gewaltsame Zerstörung der bürgerlichen Staatsmaschine und ohne ihre Ersetzung durch eine neue.“ [9]

Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze

Aus der marxistischen Kapitalismusanalyse ergibt sich als Konsequenz die Erkenntnis in die Unversöhnlichkeit des Klassengegensatzes zwischen Arbeit und Kapital, der antagonistische Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Arbeiterklasse.

Die aus dieser Erkenntnis resultierende Feststellung lautet, dass dieser Gegensatz unüberbrückbar ist und nur durch die „Expropriation der Expropriateure“ aufgehoben werden kann. Diese Aufgabe kann jedoch nur erfolgreich von der Arbeiterklasse - gewissermaßen als Totengräber der Bourgeoisie - vollstreckt werden, aber nur dann, so betonten Marx und Engels wiederholt, wenn diese sich die Erkenntnis der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze bewahrt und sich ihrer antagonistischen Stellung in Bezug auf die Bourgeoisie voll bewusst ist.

Gerade deswegen widmeten Marx und Engels viele ihrer Werke der Auseinandersetzung mit kleinbürgerlichen und bürgerlichen Verfälschungen und Verwässerungen des wissenschaftlichen Sozialismus, um so das Eindringen bürgerlicher oder kleinbürgerlicher Ideologie in die Arbeiterbewegung zu verhindern. Ein hervorragendes Beispiel für diese von Marx und Engels geführte ideologische Auseinandersetzung findet sich im „Zirkularbrief“ an Bebel, Liebknecht und andere damalige Führer der deutschen Sozialdemokratie aus dem Jahre 1879: „Wenn solche Leute aus anderen Klassen sich der proletarischen Bewegung anschließen, so ist die erste Forderung, dass sie keine Reste von bürgerlichen, kleinbürgerlichen etc. Vorurteilen mitbringen, sondern sich die proletarische Anschauungsweise unumwunden aneignen. Jene Herren aber, wie nachgewiesen, stecken über und über voll bürgerlicher und kleinbürgerlicher Vorstellungen (...) Gerät aber solchen Leuten gar die Parteileitung mehr oder weniger in die Hand, so wird die Partei einfach entmannt, und mit dem proletarischen Schneid ist’s am End (...) Was uns betrifft können (wir) also unmöglich mit Leuten zusammengehen, die diesen Klassenkampf aus der Bewegung streichen wollen. [10]

Gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts waren es vor allem Eduard Bernstein, Karl Höchberg und Karl August Schramm, die in der Sozialdemokratischen Partei jenen Flügel repräsentierten, der immer offener zur Revision grundlegender Auffassungen des wissenschaftlichen Sozialismus überging, immer einflussreicher und organisierter wurde. Im Zentrum des Angriffs dieser rechten sozialdemokratischer Führer standen Begriff wie Inhalt der marxistischen Auffassung vom Klassenkampf mit dem strategischen Ziel, Klassenkampf - der höchstens noch verbal und als „revolutionäres Lippenbekenntnis“ anerkannt wurde - durch Klassenfrieden zu ersetzen. Mit den grundlegenden theoretischen Arbeiten von Eduard Bernstein „Der Kampf der Sozialdemokratie und die Revolution der Gesellschaft“ (erschienen 1898) sowie „Die Vorraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie“ (erschienen 1899) bekamen jene rechten sozialdemokratischen Führer faktisch ein theoretisches Gerüst, das auf Positionen ruhte, die grundlegende Auffassungen des von Marx und Engels begründeten wissenschaftlichen Sozialismus revidierten. In ihrem Kern richteten sich diese Arbeiten gegen die marxistische Revolutionstheorie mit ihren Auffassungen von der Rolle des Staates, dem Klassenantagonismus zwischen Proletariat und Bourgeoisie sowie der daraus resultierenden Notwendigkeit einer grundsätzlichen, revolutionären Veränderung der Gesellschaft. Als „Alternativen“ entwickelt Bernstein hingegen die Theorie von der friedlichen Sozialreform, vom „Hineinwachsen in den Sozialismus“, was immer dies im Bernsteinschen Sinne auch heißen mag, wenn er schreibt: „Die stetige Erweiterung des Umkreises der gesellschaftlichen Pflichten, d.h. der Pflichten der korrespondierenden Rechte des einzelnen gegen die Gesellschaft, und der Verpflichtungen der Gesellschaft gegen die einzelnen, der Ausdehnung des Aufsichtsrechts der in der Nation oder im Staat organisierten Gesellschaft über das Wirtschaftsleben, die Ausbildung der demokratischen Selbstverwaltung in Gemeinde, Kreis und Provinz und die Erweiterung der Aufgaben dieser Verbände - alles das heißt für mich Entwicklung zum Sozialismus oder, wenn man es will, stückweise Verwirklichung des Sozialismus. (...) Ich gestehe offen, ich habe für das, was man gemeinhin unter ‘Endziel des Sozialismus’ versteht, außerordentlich wenig Sinn und Interesse. Das Ziel, was immer es sei, ist mir gar nichts, die Bewegung alles.“ [11] Noch deutlicher wird Bernstein in seiner Schrift „Voraussetzungen des Sozialismus“ nur ein knappes Jahr später, in der sich seine Friedensliebe mit der Bourgeoisie sogar zur „Vaterlandsverteidigung“ des Kolonialismus des deutschen Kaiserreiches steigert: „(...) die Sozialdemokratie bedroht nicht alle gleichmäßig und niemand als Person, und sie selbst schwärmt in keiner Weise für eine gewalttätige Revolution gegen die gesamte nichtproletarische Welt. (...) Die liberalen Einrichtungen der modernen Gesellschaft unterscheiden sich gerade darin von jenen (gemeint sind die Institutionen in der Periode des Feudalismus, d.Verf.), dass sie biegsam, wandlungs- und entwicklungsfähig sind. Sie brauchen nicht gesprengt, sie brauchen nur fortentwickelt werden.... (...) Sonst liegt wohl Grund vor, bei Erwerbung von Kolonien stets deren Wert und Aussichten streng zu prüfen und die Abfindung und Behandlung der Eingeborenen sowie die sonstige Verwaltung scharf zu kontrollieren, aber kein Grund, solchen Erwerb als etwas von vorneherein Verwerfliches zu betrachten. Ihre, durch das gegenwärtige Regierungssystem gebotene Stellung verbietet der Sozialdemokratie, in diesen Dingen eine andere als kritisierende Haltung einzunehmen (...). Es ist weder nötig, dass Besetzung tropischer Länder den Eingeborenen Schaden an ihrem Lebensgenuss bringt, noch ist es selbst bisher durchgängig der Fall gewesen. Zudem kann nur ein bedingtes Recht der Wilden auf den von ihnen besetzten Boden anerkannt werden. Die höhere Kultur hat hier im äußersten Fall auch das höhere Recht...“ [12] . Die Sozialdemokratie als willige Erfüllungsgehilfin der Bourgeoisie, die, um in die Position der Teilhabe an der „Macht“ hineinzuwachen, sogar deren imperialistische Kolonialpolitik unterstützt, das ist der Traum von Bernstein und seinen Anhängern...

Gegen Auffassungen wie diese hatten Marx und Engels schon viel früher in aller Schärfe polemisiert: „Es sind die Repräsentanten des Kleinbürgertums, die sich anmelden, voll Angst, das Proletariat (...) möge ‘zu weit gehen’. Statt entschiedener politischer Opposition - allgemeine Vermittlung; statt des Kampfes gegen Regierung und Bourgeoisie - der Versuch, sie zu gewinnen und zu überreden; statt trotzigen Widerstands gegen Misshandlungen von oben - demütige Unterwerfung und das Zugeständnis, man habe die Strafe verdient. Alle historisch notwendigen Konflikte werden umgedeutet in Missverständnisse, und alle Diskussionen beendigt mit der Beteuerung, in der Hauptsache sind wir ja alle einig (...).

Ebenso geht’s mit dem Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Auf dem Papier erkennt man ihn an, weil man ihn doch nicht wegleugnen kann, in der Praxis aber wird er vertuscht, verwaschen, abgeschwächt. Die sozialdemokratische Partei soll keine Arbeiterpartei sein, sie soll nicht den Hass der Bourgeoisie oder überhaupt irgend jemandes auf sich laden; sie soll vor allem unter der Bourgeoisie energische Propaganda machen; statt auf weitgehende, die Bourgeoisie abschreckende und doch in unserer Generation unerreich­bare Ziele Gewicht zu legen, soll sie lieber ihre Kraft und Energie auf diejenigen kleinbürgerlichen Flicken­reformen verwenden, die der alten Gesellschaftsordnung neue Stützen und dadurch die endliche Katastrophe vielleicht in einen allmählichen stückweisen und möglichst friedlichen Auflösungsprozess verwandeln können.“ [13]

Höchst aktuell liest sich zudem und gerade in diesem Zusammenhang Rosa Luxemburgs Polemik gegen Bernsteins revisionistische Positionen, die vor allem auch Ausdruck der scharfen theoretischen Auseinandersetzungen ist, die innerhalb der deutschen Sozialdemokratie - verstärkt seit 1890 - um die Grundfragen sozialdemokratischer Strategie und Taktik, d.h. um Wesen und Inhalt des wissenschaftlichen Sozialismus, geführt wurden:

Sozialreform oder Revolution? Kann denn die Sozialdemokratie gegen die Sozialreform sein? Oder kann sie die soziale Revolution, die Umwälzung der bestehenden Ordnung, die ihr Endziel bildet, der Sozialreform entgegenstellen? Allerdings nicht. Für die Sozialdemokratie bildet der alltägliche praktische Kampf um soziale Reformen, um die Besserung der Lage des arbeitenden Volkes noch auf den Boden des Bestehenden, um die demokratischen Einrichtungen vielmehr den einzigen Weg, den proletarischen Klassenkampf zu leiten und auf das Endziel, auf die Ergreifung der politischen Macht und die Aufhebung des Lohnsystems hinzuarbeiten. Für die Sozialdemokratie besteht zwischen der Sozialreform und der sozialen Revolution ein unzertrennlicher Zusammenhang, indem ihr der Kampf um die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck ist.

Eine Entgegenstellung dieser beiden Momente der Arbeiterbewegung finden wir erst in der Theorie von Ed. Bernstein (...). Diese ganze Theorie läuft praktisch auf nichts anderes als auf den Rat hinaus, die soziale Umwälzung, das Endziel der Sozialdemokratie, aufzugeben und die Sozialreform umgekehrt aus einem Mittel des Klassenkampfes zu seinem Zweck zu machen. Bernstein selbst hat am treffendsten und schärfsten seine Ansichten formuliert, indem er schrieb: ‘Das Endziel, was immer es sei, ist nichts, die Bewegung alles.’

Da aber das sozialistische Endziel das einzige entscheidende Moment ist, das die sozialdemokratische Bewegung von der bürgerlichen Demokratie und dem bürgerlichen Radikalismus unterscheidet, das die ganze Arbeiterbewegung aus einer  müßigen Flickarbeit zur Rettung der kapitalistischen Ordnung in einen Klassenkampf gegen diese Ordnung, um die Aufhebung dieser Ordnung, verwandelt, so ist die Frage ‘Sozialreform oder Revolution?’ im Bernsteinschen Sinne für die Sozialdemokratie zugleich die Frage: Sein oder Nichtsein? In der Auseinandersetzung mit Bernstein und seinen Anhängern handelt es sich in letzter Linie nicht um diese oder jene Kampfweise, nicht um diese oder jene Taktik, sondern um die ganze Existenz der sozialdemokratischen Bewegung.

Doppelt wichtig ist diese Erkenntnis für die Arbeiter, weil es sich gerade um sie und ihren Einfluss in der Bewegung handelt, weil es ihre eigene Haut ist, die hier zu Markte getragen wird. Die durch Bernstein theoretisch formulierte opportunistische Strömung in der Partei ist nichts anderes, als eine unbewusste Bestrebung, den zur Partei herübergekommenen kleinbürgerlichen Elementen die Oberhand zu sichern, in ihrem Geiste die Praxis und die Ziele der Partei umzumodeln. Die Frage von der Sozialreform und der Revolution, vom Endziel und der Bewegung, ist von anderer Seite die Frage vom kleinbürgerlichen oder proletarischen Charakter der Arbeiterbewegung.“ [14]

Revisionismus und Opportunismus werden INNERHALB DER SOZIALDEMOKRATIE dominant

Nach Marx’ und Engels’ Tod wurden in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (wie in allen Parteien der II. <Sozialistischen/Sozialdemokratischen> Internationale) der Revisionismus - d.h. die Revidierung grundlegender Positionen des wissenschaftlichen Sozialismus - in der Theorie und der reformistische Opportunismus - d.h. eine praktische Politik der Reformen basierend auf einer Aussöhnung mit der Bourgeoisie - in der Praxis vorherrschend. Nur so ist auch zu verstehen, dass die Parteien der II.Internationale versagten, als es um die Rolle der Sozialdemokratie im ersten Weltkrieg 1914 ging. Anstatt diesen imperialistischen Krieg mit allen Mitteln des Klassenkampfes zu bekämpfen, unterstützten die Führer der Parteien der II.Internationale ihre jeweilige nationale Bourgeoisie in ihren Kriegsvorbereitungen und Kriegsanstrengungen; sie wurden damit objektiv zu Stützen des imperialistischen Krieges statt entschiedene Kämpfer gegen diesen zu sein... Somit ist es nicht falsch, eine „rote Linie“ vom Aufkommen des Revisionismus unter Bernstein und seiner „Vaterlandsverteidigung“ des Kolonialismus hin zur „Vaterlandsverteidigung“ des imperialistischen I. Weltkrieges der rechten Führer der deutschen - wie internationalen - Sozialdemokratie zu ziehen. So heißt es, nur konsequent, in der Erklärung Hugo Haases zur Bewilligung der Kriegskredite durch die sozialdemokratischen Reichstagsfraktion am 4. August 1914: “Jetzt stehen wir vor der ehernen Tatsache des Krieges. Uns drohen die Schrecknisse feindlicher Invasionen. Nicht für oder gegen den Krieg haben wir heute zu entscheiden, sondern über die Frage der für die Verteidigung des Landes erforderlichen Mittel. (...) Unsere heißen Wünsche begleiten unsere zu den Fahnen gerufenen Brüder ohne Unterschied der Partei. (...) Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich.“ [15] Wie eindeutig die rechte Führung der Sozialdemokratie zu einer Agentur der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterbewegung - nicht nur in der Frage des imperialistischen Krieges, aber besonders in ihr! - verkommen war, zeigt auch die Tatsache, dass eben jene rechten Sozialdemokraten kriegsmüde Arbeiter mit sozialchauvinistischen Parolen in öffentlichen Veranstaltungen zur Unterstützung des imperialistischen Mordens aufriefen. Nichts kann deutlicher die Verbindungslinie aufzeigen, die vom Verrat an den Grundprinzipien des wissenschaftlichen Sozialismus hin zur offenen Kollaboration mit der Bourgeoisie führt, zur „Teilhabe an der Macht“ bei der Unterdrückung der Arbeiterklasse, kolonialer Ausbeutung und der Führung imperialistischer Kriege, als folgende Ausschnitte aus einer Rede des SPD-Reichstagsfraktionsmitgliedes Wolfgang Heines: „Für den Frieden vertrauen wir zunächst auf die deutschen Waffen! Vertrauen wir auf die deutschen Feldherrn, auf das deutsche Volk, das da draußen Heldenhaftes leistet, das seinen Mut nicht wanken läßt, trotz der furchtbaren Mühen und Entbehrungen, das treu und fest unsere Grenzen schirmt und den Feind zurückwirft. Heute ist das Heer das Volk und das Volk das Heer! Vertrauen wir auch auf die Friedensliebe und den Friedenswillen des Kaisers. (...) Kein Sozialdemokrat denkt daran, sich anzubiedern bei hohen Herren. Stolz und frei stehen wir auch den deutschen Fürsten gegenüber wie Mann dem Manne, aber auch nicht mit dem kleinlichen Groll und der heimlichen Angst, die eine Knechtseele dem Herrn gegenüber empfindet. Auch die Fürsten tun mit Aufopferung und Hingabe ihre Schuldigkeit in der Verteidigung des Vaterlandes, auch ihre Kinder und Brüder fallen vor dem Feind, auch sie sind Glieder dieses deutschen Volkes, dessen Kraft und Treue sich jetzt so herrlich bewähren....“ [16]

Eine Minderheit innerhalb der Führung der deutschen Sozialdemokratie (Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Clara Zetkin) versuchte - zunächst nach wie vor innerhalb der Partei - , an den revolutionären Traditionen der deutschen Sozialdemokratie anknüpfend, die deutsche und internationale Arbeiterklasse im Klassenkampf gegen den imperialistischen Weltkrieg zu mobilisieren. Stellvertretend hierfür sei aus einem Flugblatt Karl Liebknechts („Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“) vom Mai 1915 zitiert: „Internationaler proletarischer Klassenkampf gegen internationale imperialistische Völkerzerfleischung heißt das sozialistische Gebot der Stunde.

Der Hauptfeind jedes Volkes steht im eigenen Land!

Der Hauptfeind des deutschen Volkes steht in Deutschland: der deutsche Imperialismus, die deutsche Kriegspartei, die deutsche Geheimdiplomatie. Diesen Feind im eigenen Land gilt’s für das deutsche Volk zu bekämpfen, zu bekämpfen im politischen Kampf, zusammenwirkend mit dem Proletariat der anderen Länder, dessen Kampf gegen seine heimischen Imperialisten geht.

Wir wissen uns eins mit dem deutschen Volk - nichts gemein haben wir mit den deutschen Tirpitzen und Falkenhayns, mit der deutschen Regierung der politischen Unterdrückung, der sozialen Knechtung. Nichts für diese, alles für das deutsche Volks. Alles für das internationale Proletariat, um des deutschen Proletariats, um der getretenen Menschheit willen! (...)

Proletarier aller Länder, folgt dem heroischen Beispiel eurer italienischen Brüder! Vereinigt euch zum internationalen Klassenkampf gegen die Verschwörungen der Geheimdiplomatie, gegen den Imperialismus, gegen den Krieg, für einen Frieden im sozialistischen Geist.

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ [17]

Zum notwendigen, offenen Bruch zwischen diesen Vertretern des marxistischen, linken Flügels der deutschen Sozialdemokratie und ihrer rechten, opportunistischen Führung musste es also zwangsläufig 1917/18/19 kommen, als es u.a. um die Einschätzung der Oktoberrevolution in Russland und die Rolle der Sozialdemokratie in der Novemberrevolution in Deutschland ging. Diese beiden historischen Wendepunkte für die Arbeiterbewegung mussten die bereits schon seit Jahren mit zunehmender Intensität geführten politischen und ideologischen Auseinandersetzungen zum offenen Ausbruch, zum objektiv notwendig gewordenen Schisma zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten, führen.

Während der revolutionären Nachkriegskrise (1919-1923) setzte der Imperialismus alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ein, um die junge Sowjetmacht zu vernichten, die revolutionären Erhebungen der Arbeiterklasse in den imperialistischen Ländern und die antikolonialen Aufstände in Asien und Afrika zu ersticken. Dem ersten sozialistischen Staat gegenüber versuchte er seine Ziele zunächst vornehmlich mittels der militärischen Intervention, der Anheizung des Bürgerkrieges und der Diversion zu erreichen. In dem Maße jedoch, wie sich der erste Arbeiter-und-Bauern-Staat behauptete und zu einem wesentlichen Faktor in der Weltpolitik wurde, ging das internationale Monopolkapital mehr und mehr zu den Methoden der außenpolitischen Isolierung und des wirtschaftlichen Boykotts über. Mit militärischer Gewalt und brutalen Terrorakten, aber auch mit Hilfe sozialer und politischer Demagogie gelang es ihm, den revolutionären Aufschwung außerhalb Sowjetrusslands abzufangen, die revolutionäre Bewegung zeitweilig zurückzudrängen.

In dieser konterrevolutionären Strategie, mit der der Imperialismus auf die historische Niederlage antwortete, die er durch die Oktoberrevolution erlitten hatte, spielte die rechte Führung der internationalen Sozialdemokratie eine wichtige Rolle. Überall in der Welt ergriffen die Arbeiter leidenschaftlich für die russische Revolution Partei. Es schien so, als würden sie, angefeuert durch das Beispiel der Oktoberrevolution, die von rechtsopportunistischen und zentristischen Führern zwischen ihnen errichteten Schranken hinwegfegen und in einheitlicher, breiter Front den Sturm auf die imperialistischen Machtzentren beginnen.

Während sich die rechten Führer der Sozialdemokratie 1914 in den Dienst der Interessen ‘ihrer’ nationalen Bourgeoisie gestellt hatten, bemühten sie sich nun in dieser für den Weltimperialismus äußerst kritischen Situation, den von der sozialistischen Revolution bedrohten Imperialismus im internationalen Maßstab zu retten. Sie ergriffen offen Partei für die Feinde Sowjetrusslands, beteiligten sich an der Niederwerfung der revolutionären Bewegungen in den imperialistischen Ländern und verteidigten, zumeist unter der demagogischen Losung, die ‘Demokratie’ vor der ‘kommunistischen Diktatur’ zu retten, die Machtgrundlagen des Kapitalismus. (...)  Der ‘dritte Weg’ bestand in der Praxis darin, daß der Sozialreformismus den realen Sozialismus und die internationale Arbeiterbewegung ablehnte und wütend bekämpfte, das kapitalistische Gesellschaftssystem aber prinzipiell verteidigte und lediglich Kritik an einzelnen seiner Erscheinungsformen übte bzw. bestimmte Verbesserungen innerhalb dieses Systems mit dem Anspruch anstrebte, auf diesem Wege die klassenlose Gesellschaft zu schaffen. Das Konzept des ‘dritten Weges’ war somit eine dem Wesen nach bürgerliche Gesellschaftskonzeption, die fortan vom Sozialreformismus in der Arbeiterklasse propagiert wurde.“ [18]

Diese Rolle der rechten Führung der Sozialdemokratie prägte die Gründungsgeschichte der jungen kommunistischen Bewegung: „Die kommunistische Bewegung entstand bekanntlich als Antwort auf die revisionistische Verfaulung der II. Internationale.

Wie jede junge revolutionäre Bewegung neigte sie eher zur Kinderkrankheit des Radikalismus als zur entgegengesetzten Krankheit des feigen Opportunismus.

An der Gründung der kommunistischen Bewegung waren Revolutionäre verschiedener Generationen beteiligt, mit unterschiedlichen Erfahrungen im Klassenkampf.

Die Generation der Älteren - Lenin, Clara Zetkin, Wilhelm Pieck u.a. - verfügte über den reicheren Erfahrungsschatz; sie hatte nicht nur die revisionistische Entartung der Sozialdemokratie, sondern auch deren heroische, revolutionäre Zeit erlebt; sie wusste aus eigener Kampferfahrung um die Stärken und Schwächen der verschiedenen Kampfformen und kannte die Gefahren einer einseitigen Festlegung auf eine einzige von ihnen.

Die Generation der Jüngeren - Stalin, Ernst Thälmann, Walter Ulbricht, Maurice Thorez, Palmiro Togliatti, Georgi Dimitroff, um nur die hervorragendsten von ihnen zu nennen -, war geprägt von zwei Grunderlebnissen: dem Verrat der Sozialdemokratie und deren Übergang auf die Seite des Imperialismus zum einen, vom Sieg der Oktoberrevolution zum anderen.

Die Grundlehren, die sich diesen kommunistischen Führern wie auch den einfachen Mitgliedern der jungen kommunistischen Parteien eingebrannt hatten, waren

erstens: Der Sieg der Oktoberrevolution hat bewiesen, dass auf der Tagesordnung der Menschheitsgeschichte der Sturz des Kapitalismus, die proletarische Revolution steht;

zweitens: die Rolle der Sozialdemokratischen Parteien und ihrer Führer hat 1914, 1917/18 bewiesen, dass die Sozialdemokratie zu einer konterrevolutionären Kraft, zu einer Agentur der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung geworden ist; und die Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung im Herbst 1923 infolge des Paktierens der Brandler-Thalheimer-Führung der KPD [19] mit den linken Sozialdemokraten hat bewiesen, dass ein Paktieren mit der Sozialdemokratie, selbst mit ihrem linken Flügel, zur Niederlage führen muss;

drittens: Der Sieg über den Imperialismus kann nur errungen werden, wenn der Einfluss der Sozialdemokratie auf die Mehrheit der Arbeiterklasse gebrochen ist.“ [20]

Um möglichen - gewollten oder ungewollten - Missverständnissen vorzubeugen, sei an dieser Stelle etwas näher darauf eingegangen, was Genosse Gossweiler unter „Paktieren mit der Sozialdemokratie“ in seinem historischen Kontext versteht; dies bedeutet vor allem die strategische Unterscheidung zwischen prinzipienlosem Paktieren mit der Sozialdemokratie und revolutionärer Orientierung auf eine - entsprechend den historischen Bedingungen und Notwendigkeiten entwickelte - „Einheitsfrontpolitik“.

In den Jahren 1922 und 1923 verschärfte sich die politische und ökonomische Krise des deutschen Kapitalismus bei dramatischer Zuspitzung der inneren Widersprüche in derartiger Schnelligkeit und Intensität, dass zum einen die Tendenzen der herrschenden Klasse, eine offen terroristische Diktatur einzurichten, wuchsen, zum anderen die revolutionäre Bewegung der deutschen Arbeiterklasse an Entschlossenheit zunahm. „Aus Furcht vor der herannahenden revolutionären Krise hatte die Stresemann-Regierung vor Frankreich kapituliert und ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die Unterdrückung der revolutionären Bewegung gerichtet.

Für die Arbeiterklasse gab es nur zwei Wege: entweder Duldung der Stresemann-Politik, das heißt Wiedererstarken des deutschen Imperialismus - Not, Versklavung und Krieg, oder Kampf für die soziale und nationale Befreiung und Errichtung einer Arbeiter - und Bauernregierung, das heißt wirkliche Demokratie und Frieden.

In den Massen wuchs der Wille zum entscheidenden Kampf. Sie wollten nicht mehr in der bisherigen Weise leben. (...)

In dieser Situation forderten die klassenbewußten Arbeiter die Bewaffnung. Am 27. September erklärte Ebert (SPD-Reichskanzler, d.Verf.) den militärischen Ausnahmezustand, und die vollziehende Gewalt ging faktisch an Seeckt und seine Generäle über.“ [21] Erneut hatte also die SPD-Führung - wie bereits 1918/19 - bewiesen, dass sie sich im Fall einer die Grundlagen des Systems erschütternden Krise auf Seiten der herrschenden Kreise, selbst der reaktionärsten von ihnen, zu schlagen bereit ist, um gemeinsam mit ihnen eine revolutionäre Erhebung der Arbeiterklasse zu verhindert und, falls notwendig, blutig niederzuschlagen. Während sich auf der einen Seite die Kräfte der Reaktion - unter tatkräftiger Hilfe der SPD-Führung -formierten, um der Krise Herr zu werden, ergaben sich, insbesondere in Sachsen und Thüringen, für die Arbeiterklasse die Möglichkeiten, revolutionäre Gegenpositionen aufzubauen. „In Sachsen und Thüringen waren die objektiven Voraussetzungen vorhanden, um einen Brückenkopf für den siegreichen Kampf der Arbeiterklasse zu schaffen. In Sachsen waren mehr als ein Drittel aller proletarischen Hundertschaften (bewaffnete, revolutionäre Formationen der Arbeiterklasse, d.Verf.) konzentriert. Die sächsischen Arbeiter hatten durch ihr geschlossenes Auftreten der Bourgeoisie schon einige Zugeständnisse abgerungen. Die Regierung bestand aus Sozialdemokraten.

Die Sozialdemokraten übten im sächsischen Landtag ihren Verrat mit einer ganz besonderen Raffiniertheit aus. Die sächsische Regierung mit Zeigner an der Spitze erließ einige Gesetze zur Durchführung von Reformen, um die revolutionären Massen zu beruhigen und sie vom Kampf um die Macht abzulenken.

Die Arbeiter erzwangen jedoch durch ihren einheitlichen Kampf in Sachsen eine ‘Arbeiterregierung’, das heißt eine Koalition der ‘linken’ Sozialdemokratie und Kommunisten. Daraufhin wurde eine ähnliche Koalitionsregierung in Thüringen gebildet. Die revolutionären Massen erwarteten von den kommunistischen Ministern entschlossene Aktionen. Aber statt die richtige Politik der Kommunistischen Internationale in der Frage der Einheitsfrontpolitik durchzuführen, statt die Massen zum Kampf zu mobilisieren, Massendemonstrationen und Streiks zu organisieren, das Proletariat zu bewaffnen und die Bourgeoisie zu entwaffnen sowie die Kontrolle der Produktion zu übernehmen, praktizierten Brandler und seine Clique eine verräterische Politik. (....)

Die Mitglieder der Zentrale der KPD, die in die sächsische Regierung eintraten, verwandelten sich in bürgerliche Minister, die erklärten, ‘dass sie die Verantwortung ausschließlich vor dem Landtag und der Verfassung tragen.’ “ [22]

Eine nüchterne, wissenschaftliche Analyse der Rolle und des Charakters der Sozialdemokratie berührt damit für die Kommunisten als Träger und Verteidiger des wissenschaftlichen Sozialismus strategische Grundfragen wie die Einschätzung der möglichen Bedingungen und Voraussetzungen für die Schaffung der „Einheitsfront der Arbeiterklasse“,  für „Einheitsfront-“ und „Arbeiterregierungen“, der Verbindung zwischen demokratischem und sozialistischem Kampf sowie der Frage von möglichen „Übergangsformen“ zum Sozialismus. In Anknüpfung und sich stützend auf Lenin [23] sowie die bisherigen Erfahrungen der revolutionären Arbeiterbewegung - insbesondere auch angesichts des sich ausbreitenden Faschismus - auswertend, formulierte der Bericht des Genossen Georgi Dimitroff auf dem VII. Weltkongress der „Kommunistischen Internationale“ strategische Analysen dieser Grundfragen kommunistischer Politik; dabei spielten auch die Auswertung der bereits erwähnten „Arbeiterregierungen“ in Thüringen und Sachsen eine wichtige Rolle:

„Wenn man uns fragt, ob wir Kommunisten nur im Kampf für die Teilforderungen auf dem Boden der Einheitsfront stehen oder ob wir auch bereit sind, die Verantwortung selbst dann zu teilen, wenn es sich um die Bildung einer Regierung auf dem Boden der Einheitsfront handelt, so werden wir in vollem Verantwortungsbewusstsein sagen: Jawohl, wir ziehen in Betracht, dass eine solche Lage eintreten kann, wo die Bildung einer Regierung der proletarischen Einheitsfront oder der antifaschistischen Volksfront nicht nur möglich, sondern im Interesse des Proletariats auch notwendig sein wird. In diesem Fall werden wir, ohne zu zögern, für die Bildung einer solchen Regierung eintreten. (...)

Das ist vor allem eine Regierung des Kampfes gegen Faschismus und Reaktion. Das muss eine Regierung sein, die infolge der Einheitsfrontbewegung entstanden ist und in keiner Weise die Tätigkeit der Kommunistischen Partei und der Massenorganisationen der Arbeiterklasse einschränkt, sondern im Gegenteil entschiedene Maßnahmen gegen die konterrevolutionären Finanzmagnaten und ihre faschistischen Agenten trifft.

Im geeigneten Moment wird die Kommunistische Partei des gegebenen Landes, gestützt auf die anschwellende Einheitsfrontbewegung, für die Bildung einer solchen Regierung auf der Basis einer bestimmten antifaschistischen Plattform eintreten.

Unter welchen objektiven Voraussetzungen wird die Bildung einer solchen Regierung möglich sein? Auf diese Frage kann man ganz allgemein antworten: unter den Voraussetzungen einer politischen Krise, wenn die herrschenden Klassen nicht mehr imstande sind, mit dem mächtigen Aufschwung der antifaschistischen Massenbewegung fertig zu werden. Doch ist das nur die allgemeine Perspektive, ohne die in der Praxis die Bildung einer Regierung der Einheitsfront kaum möglich sein wird. Nur das Vorhandensein bestimmter besonderer Voraussetzungen kann die Frage der Bildung einer solchen Regierung als politische Aufgabe auf die Tagesordnung setzen. Mir scheint, dass hierbei folgende Voraussetzungen die größte Aufmerksamkeit verdienen:

erstens, wenn der Staatsapparat der Bourgeoisie bereits genügend desorganisiert und lahm gelegt ist, so dass die Bourgeoisie nicht imstande ist, die Bildung einer Regierung des Kampfes gegen Reaktion und Faschismus zu verhindern;

zweitens, wenn die breitesten Massen der Werktätigen, besonders die Massengewerkschaften, stürmisch gegen Faschismus und Reaktion auftreten, aber noch nicht bereit sind, sich zum Aufstand zu erheben, um unter der Führung der Kommunistischen Partei für die Errichtung der Sowjetmacht zu kämpfen;

drittens, wenn die Differenzierung und Radikalisierung in den Reihen der Sozialdemokratie und der anderen Parteien, die an der Einheitsfront teilnehmen, bereits dazu geführt haben, daß ein bedeutender Teil derselben rücksichtslose Maßnahmen gegen die Faschisten und andere Reaktionäre fordert, mit den Kommunisten gegen den Faschismus kämpft und offen gegen den reaktionären, dem Kommunismus feindlichen Teil seiner eigenen Partei auftritt. (...)

Ihr erinnert Euch, Genossen, dass auf unserem IV. Kongress 1922 die Frage der Losung der Arbeiterregierung oder der Arbeiter-und-Bauern-Regierung erörtert wurde. Hierbei handelt es sich um eine Frage, die der von uns heute gestellten analog ist. Die Debatten, die damals in der Kommunistischen Internationale über diese Frage geführt, und insbesondere die politischen Fehler, die dabei begangen wurden, haben auch heute noch Bedeutung für die Verschärfung unserer Wachsamkeit gegenüber der Gefahr, in dieser Frage nach rechts oder ‘links’ von der bolschewistischen Linie abzuweichen. Aus diesem Grunde will ich kurz auf einige dieser Fehler hinweisen, um aus ihnen die für die heutige Politik unserer Parteien unerlässlichen Lehren zu ziehen.

Die erste Gruppe von Fehlern war gerade dadurch bedingt, dass die Frage der Arbeiterregierung nicht klar und fest damit verbunden wurde, ob eine politische Krise besteht oder nicht. Dadurch konnten die Rechtsopportunisten die Sache in dem Sinne auslegen, dass die Bildung einer von der Kommunistischen Partei unterstützten Arbeiterregierung in jeder beliebigen, sozusagen ‘normalen’ Situation anzustreben sei. Die Ultralinken dagegen anerkannten lediglich eine Arbeiterregierung, die ausschließlich durch den bewaffneten Aufstand, nach dem Sturz der Bourgeoisie geschaffen werden kann. Das eine wie das andere war falsch. Um die Wiederholung ähnlicher Fehler zu vermeiden, verleihen wir der genauen Beurteilung der besonderen konkreten Situation der politischen Krise und des Aufschwungs der Massenbewegung, unter denen die Bildung einer Regierung der Einheitsfront sich als möglich und politisch notwendig erweisen kann, eine so große Bedeutung.

Die zweite Gruppe von Fehlern war dadurch bedingt, dass die Frage der Arbeiterregierung nicht mit der Entwicklung der Massenbewegung der Einheitsfront des Proletariats verbunden wurde. Deshalb hatten die Rechtsopportunisten die Möglichkeit, die Frage zu entstellen, indem sie sie auf die prinzipienlose Taktik der Blockbildung mit den sozialdemokratischen Parteien auf der Basis rein parlamentarischer Kombinationen reduzierten. Die Ultralinken dagegen schrieen: ‘Keinerlei Koalitionen mit der gegenrevolutionären Sozialdemokratie!’ und betrachteten im Grunde alle Sozialdemokraten als Gegenrevolutionäre.

Das eine wie das andere war falsch, und wir unterstreichen jetzt einerseits, dass wir keineswegs eine ‘Arbeiterregierung’ wollen, die einfach eine erweiterte sozialdemokratische Regierung wäre. Wir ziehen es sogar vor, auf die Bezeichnung ‘Arbeiterregierung’ zu verzichten und von einer Regierung der Einheitsfront zu sprechen, die ihrem politischen Charakter ganz anderes, grundsätzlich anderes ist als alle sozialdemokratischen Regierungen, die sich gewöhnlich ‘Arbeiterregierungen’ zu nennen pflegen. Während die sozialdemokratische Regierung ein Werkzeug der klassenmäßigen Zusammenarbeit mit der Bourgeoisie im Interesse der Erhaltung des kapitalistischen Systems darstellt, ist die Regierung der Einheitsfront ein Organ der Zusammenarbeit der revolutionären Vorhut des Proletariats mit anderen antifaschistischen Parteien im Interesse des gesamten werktätigen Volkes, eine Regierung des Kampfes gegen Faschismus und Reaktion. Es ist klar, dass dies zwei grundverschiedene Dinge sind.

Andererseits betonen wir, dass es notwendig ist, zwischen den zwei verschiedenen Lagern der Sozialdemokratie zu unterscheiden. Wie ich bereits sagte, existiert ein reaktionäres Lager der Sozialdemokratie, es existiert und wächst aber zugleich das Lager der linken Sozialdemokraten (ohne Anführungsstriche), der sich revolutionierenden Arbeiter. Der entscheidende Unterschied zwischen ihnen besteht praktisch in ihrer Einstellung zur Einheitsfront der Arbeiterklasse. Die reaktionären Sozialdemokraten sind gegen die Einheitsfront; sie verleumden die Einheitsfrontbewegung, sabotieren und zersetzen sie, denn sie durchkreuzt ihre Politik des Kompromisses mit der Bourgeoisie. Die linken Sozialdemokraten sind für die Einheitsfront, sie verteidigen, entwickeln und stärken die Einheitsfrontbewegung. Da diese Einheitsfrontbewegung eine Kampfbewegung gegen den Faschismus und die Reaktion ist, wird sie die ständige Triebkraft der Regierung der Einheitsfront gegen die reaktionäre Bourgeoisie sein. Je besser diese Massenbewegung von unten organisiert ist, je umfassender das Netz der außerparteilichen Klassenorgane der Einheitsfront in den Betrieben, unter den Erwerbslosen, in den Arbeitervierteln, unter den kleinen Leuten in Stadt und Land ist, um so größer werden die Garantien für eine eventuelle Entartung der Politik der Einheitsfrontregierung sein.

Die dritte Gruppe von falschen Ansichten, die in den früheren Debatten zum Ausdruck kamen, betraf die praktische Politik der ‘Arbeiterregierung’. Die Rechtsopportunisten waren der Ansicht, dass die ‘Arbeiterregierung’ sich an den ‘Rahmen der bürgerlichen Demokratie’ halten müsse und folglich keine Schritte unternehmen dürfe, die über diesen Rahmen hinausgehen. Die Ultralinken verzichteten dagegen faktisch auf jeden Versuch, eine Regierung der Einheitsfront zu schaffen.

Im Jahre 1923 konnte man in Sachsen und Thüringen ein anschauliches Bild von der rechtsopportunistischen ‘Arbeiterregierung’ erhalten. Der Eintritt der Kommunisten in die sächsische Regierung mit den linken Sozialdemokraten (Zeigner-Gruppe) war an und für sich kein Fehler. Im Gegenteil, dieser Schritt wurde durch die revolutionäre Situation in Deutschland vollauf gerechtfertigt. Aber die Kommunisten, die sich an der Regierung beteiligten, hätten ihre Position vor allem zur Bewaffnung des Proletariats ausnützen müssen. Sie haben nicht einmal eine einzige Wohnung der Reichen beschlagnahmt, obwohl die Wohnungsnot der Arbeiter so groß war, dass viele mit Frau und Kind kein Obdach hatten. Sie unternahmen auch nichts, um die revolutionäre Massenbewegung der Arbeiter zu organisieren. Überhaupt verhielten sie sich wie gewöhnliche parlamentarische Minister ‘im Rahmen der bürgerlichen Demokratie’. Das war bekanntlich das Ergebnis der opportunistischen Politik Brandlers und seiner Gesinnungsgenossen.

Das Endergebnis war ein solcher Bankrott, dass wir auch heute noch gezwungen sind, die sächsische Regierung als klassisches Beispiel dafür anzuführen, wie sich Revolutionäre in der Regierung nicht verhalten dürfen.

Genossen! Wir verlangen von jeder Einheitsfrontregierung eine ganz andere Politik. Wir verlangen von ihr, dass bestimmte, der Situation entsprechende revolutionäre Grundforderungen verwirklicht werden, so zum Beispiel Produktionskontrolle, Kontrolle über die Banken, Auflösung der Polizei, ihren Ersatz durch eine bewaffnete Arbeitermiliz usw. (...)

Vor fünfzehn Jahren hat uns Lenin aufgefordert, unsere ganze Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren, ‘Formen des Übergangs oder Herantretens an die proletarische Revolution ausfindig zu machen’. Möglicherweise wird die Einheitsfrontregierung in einer Reihe von Ländern sich als einer der wichtigsten Übergangsformen erweisen. Die ‘linken’ Doktrinäre haben stets diesen Hinweis Lenins umgangen. Als beschränkte Propagandisten haben sie immer nur vom ‘Ziel’ gesprochen, ohne sich um die ‘Übergangsformen’ zu kümmern. Die Rechtsopportunisten dagegen versuchen, ein besonderes ‘demokratischen Zwischenstadium’ zwischen der Diktatur des Proletariats zu konstruieren, um in der Arbeiterbewegung die Illusion eines friedlichen parlamentarischen Spaziergangs aus der einen Diktatur in die andere zu erwecken. Dieses fiktive ‘Zwischenstadium’ nannten sie gleichfalls ‘Übergangsform’ und beriefen sich sogar auf Lenin! Aber es war nicht schwer, diesen Schwindel aufzudecken: sprach doch Lenin von einer Form des Übergangs und des Herantretens an die ‘proletarische Revolution’, das heißt an den Sturz der Diktatur der Bourgeoisie, und nicht von irgendeiner Übergangsform zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Diktatur. (...)

Darum fassen wir die Möglichkeit ins Auge, dass unter den Voraussetzungen der politischen Krise eine Regierung der antifaschistischen Einheitsfront gebildet wird. Sofern eine solche Regierung wirklich den Kampf gegen die Volksfeinde führt, der Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei Aktionsfreiheit einräumt, werden wir als Kommunisten sie in jeder Weise unterstützen und als Soldaten der Revolution in der vordersten Feuerlinie kämpfen. Wir sagen den Massen aber offen: Die endgültige Rettung kann diese Regierung nicht bringen. Sie ist nicht imstande, die Klassenherrschaft der Ausbeuter zu stürzen, und kann daher die Gefahr einer faschistischen Gegenrevolution nicht endgültig beseitigen. Folglich muss man sich auf die sozialistische Revolution vorbereiten! Die Rettung wird einzig und allein die Sowjetmacht bringen!“ [24]

Lenins Auseinandersetzungen mit revisionistischen und opportunistischen Auffassungen

In Anknüpfung an die von Marx und Engels geführte Auseinandersetzung mit revisionistischen und opportunistischen Auffassungen in der Arbeiterbewegung war es Lenin, der den Kampf gegen das Eindringen bürgerlicher und kleinbürgerlicher Positionen in die Arbeiterbewegung in Theorie und Praxis fortsetzte. Er charakterisierte die Vertreter der opportunistischen Richtung der Sozialdemokratie in aller Schärfe: „Der Opportunismus in den Spitzen der Arbeiterbewegung ist kein proletarischer, sondern ein bürgerlicher Sozialismus. Die Praxis hat bewiesen, dass die Politiker innerhalb der Arbeiterbewegung, die der opportunistischen Richtung angehören, bessere Verteidiger der Bourgeoisie sind als die Bourgeois selber. Hätten sie nicht die Führung der Arbeiter in der Hand, so könnte sich die Bourgeoisie nicht behaupten.“ [25] Inhaltlich stehen diese Vertreter des Opportunismus für: „Zusammenarbeit der Klassen, Verzicht auf die Diktatur des Proletariats, Verzicht auf die revolutionäre Aktion, rücksichtslose Anerkennung der bürgerlichen Legalität, Misstrauen dem Proletariat, Vertrauen der Bourgeoisie gegenüber.“ [26]

Der konsequente Kampf Lenins gegen jede Spielart bürgerlicher Ideologie in der von ihm geleiteten russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei macht es erklärlich, dass diese Partei in ihrer Mehrheit die einzige war, die während des ersten Weltkrieges kein Bündnis mit „ihrer“ nationalen Bourgeoisie einging und die es daher verstand, in der durch den imperialistischen Krieg verursachten Situation 1917 die proletarische Revolution zum Sieg zu führen und sie später gegen Konterrevolution und imperialistische Intervention erfolgreich zu verteidigen. Damit wurden die Bolschewiki Lenins zu den konsequentesten Vertretern und Verteidigern des wissenschaftlichen Sozialismus. Die junge Sowjetmacht symbolisierte anschaulich den zur Praxis und zum Staat gewordenen wissenschaftlichen Sozialismus, den die rechten, aber auch zentristischen Führer der Sozialdemokratie in Konsequenz bekämpften: „(...) Hier erhebt sich nun die Frage: Ist das überhaupt Sozialismus und ist ein despotischer Sozialismus möglich, wenigstens in Russland? Diese Frage muss ich verneinen (....). Selbst das zugegeben, so folgt daraus, dass dem Bolschewismus der demokratische Sozialismus als Kampfparole entgegengestellt werden muss. (...) Wir haben die russische Entwicklung nicht nur dauernd aufmerksam zu verfolgen, sondern, soweit es unsere Kräfte gestatten, sie im Sinne des demokratischen Sozialismus zu beeinflussen.“ [27] „Nicht theoretische Meinungsverschiedenheiten und Haarspaltereien, sondern die Realitäten der Diktatur mit ihren unentrinnbaren Konsequenzen bilden das große Hindernis, das jedes Zusammengehen zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten unmöglich macht.

Noch ist nicht abzusehen, wann und wie einmal dieses Hindernis fallen wird. Fällt es einmal, verzichten die Kommunisten auf die Diktatur, ob freiwillig oder gezwungen, dann hört die Scheidung zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten auf, eine Notwendigkeit zu sein. Dann ist die Wiedervereinigung von Sozialdemokraten und Kommunisten nur noch eine Frage der Zeit.“ [28]

Den theoretischen Unterbau für die soeben zitierte Polemik hatte der Theoretiker der Sozialdemokratie, Karl Kautsky, bereits in seiner in Wien 1918 erschienenen Broschüre „Die Diktatur des Proletariats“ geliefert. Die Polemiken, die in der Folgezeit zwischen Lenin und Kautsky über Grundfragen des wissenschaftlichen Sozialismus „ausgetauscht“ wurden, machen zugleich ein Charakteristikum deutlich, das für die Sozialdemokratie vor allem in jener Periode noch galt, als sie sich noch selbst als „Arbeiterpartei“ definierte und eine entsprechende soziale Zusammensetzung und Unterstützung sowie mehr oder weniger starke politische Programmatik aufzuweisen hatte: das Vorhandensein von drei Grundströmungen innerhalb der Sozialdemokratie: eines offen rechten Flügels, der, an Bernsteins politischen Positionen anknüpfend, offen alle Grundprinzipien des Marxismus verwirft, einen linken Flügel, der an den marxistischen Traditionen der Sozialdemokratie - mehr oder weniger konsequent - festhalten möchte und eine zentristische Strömung, deren Vertreter und Theoretiker zwischen den rechten und linken Polen der Sozialdemokratie hin- und herlavieren, Kompromisse schließen, heute einige marxistische Positionen verteidigen, diese morgen jedoch wieder relativieren oder ganz verwerfen, vor allem für den Zusammenhalt der Sozialdemokratie „um jeden Preis“ kämpfen und sich, in ihrer Mehrheit jedenfalls, immer wieder an historischen Entscheidungspunkten für die Arbeiterbewegung in aller Konsequenz auf Seiten der offen rechten Führer der Sozialdemokratie und damit auf Seiten der Bourgeoisie (!) geschlagen haben. Welche objektive Rolle jene zentristische Strömung innerhalb der Sozialdemokratie hat, beschreibt ein sozialdemokratischer Autor unter dem Pseudonym „Molitor“ bereits im April 1915 - also noch vor dem historischen Schisma der Arbeiterbewegung in Sozialdemokraten und Kommunisten! - in seltener und dankenswerter Offenheit in einem Strategieorgan der Bourgeoisie: „Ihr (der Sozialdemokratie) Charakter als Arbeiterpartei mit sozialistischen Idealen muss von ihr behütet werden, denn an dem Tage, an dem sie diesen Aufgeben würde, entstände eine neue Partei, die das verleugnete Programm in radikalerer Fassung zu dem ihrigen machen würde.“ [29] „Molitor“ warnt also - von der Kanzel eines Strategieorgans der Bourgeoisie (!) aus - die Führer der Sozialdemokratie davor, zu sehr „nach rechts abzudriften“, zu offen die Positionen der Bourgeoisie zu vertreten, denn so verlören sie ihre soziale Basis und könnten ihrer objektiven Rolle als Bewahrers des Burgfriedens zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie nicht mehr gerecht werden. „(...) der Kampf gegen diese Strömungen ist Pflicht der Partei des Proletariats, die der Bourgeoisie die von ihr betörten Kleinproduzenten und die Millionen der in mehr oder weniger kleinbürgerliche Lebensverhältnisse versetzten Werktätigen entreißen muss.“ [30]

„Umgekehrt“ formuliert Karl Kautsky, einer der wichtigsten theoretischen Köpfe dieser zentristischen Strömung der Sozialdemokratie, in seiner bereits erwähnten Broschüre „Die Diktatur des Proletariats“ den „Gegensatz der beiden sozialistischen Richtungen (gemeint ist zur damaligen Zeit der Gegensatz zwischen den rechten und zentristischen Führern der Sozialdemokratie einerseits und den den wissenschaftlichen Sozialismus verteidigenden Bolschewiki andererseits, d.Verf.)“ und dies sei „der Gegensatz zweier grundverschiedener Methoden: der demokratischen und der diktatorischen.“ [31] Er wirft den Bolschewiki die „Verachtung der Demokratie [32] vor, die - als bürgerliche - wichtige Errungenschaften, z.B. den Minderheitenschutz etc., aufzuweisen hätte.

Lenin entlarvt den antisozialistischen Charakter der Argumentation Kautskys in der ihm eigenen, zuspitzenden Polemik: „Man kann ohne Übertreibung sagen, dass das die wichtigste Frage des ganzen proletarischen Klassenkampf ist. (...) Die Frage der Diktatur des Proletariats ist die Frage nach dem Verhältnis des proletarischen Staates zum bürgerlichen Staat, der proletarischen Demokratie zur bürgerlichen Demokratie. (...)“ [33]   „Um aus der liberalen und verlogenen Behauptung, die Kautsky aufgestellt hat, eine marxistische und wahre Behauptung zu machen, muss man sagen: Diktatur bedeutet nicht unbedingt die Aufhebung der Demokratie für die Klasse, die diese Diktatur über die anderen Klassen ausübt; sie bedeutet aber unbedingt die Aufhebung der Demokratie (oder ihre äußerst wesentliche Einschränkung, was auch eine Form der Aufhebung ist) für die Klasse, über welche oder gegen welche die Diktatur ausgeübt wird.“ [34] „Die Diktatur ist eine sich unmittelbar auf Gewalt stützende Macht, die an keine Gesetze gebunden ist. Die revolutionäre Diktatur des Proletariats ist eine Macht, die erobert wurde und aufrechterhalten wird durch die Gewalt des Proletariats gegenüber der Bourgeoisie, eine Macht, die an keine Gesetze gebunden ist.“ [35] „Die proletarische Revolution ist unmöglich ohne gewaltsame Zerstörung der bürgerlichen Staatsmaschinerie und ohne ihre Ersetzung durch eine neue, die nach den Worten von Engels ‘schon kein Staat im eigentlichen Sinne mehr ist’“. [36] „Darum wird auch der demokratische Staat, solange es Ausbeuter gibt, die über die ausgebeutete Mehrheit herrschen, unvermeidlich eine Demokratie für die Ausbeuter sein. Der Staat der Ausgebeuteten muss sich von einem solchen Staat von Grund auf unterscheiden, er muss eine Demokratie für die Ausgebeuteten und Unterdrückung für die Ausbeuter sein, die Unterdrückung einer Klasse bedeutet aber, dass diese Klasse nicht gleichberechtigt ist, dass sie aus der ‘Demokratie’ ausgeschaltet wird.“ [37]

Eine weitere scharfe Trennungslinie zwischen den rechten Führern der Sozialdemokratie und den Anhängern des wissenschaftlichen Sozialismus bestand in der Einschätzung der Entwicklung des Kapitalismus seit Ende des vergangenen Jahrhunderts. Auf der Kapitalismusanalyse von Marx und Engels aufbauend, war es Lenin, der diese Entwicklung des Kapitalismus der freien Konkurrenz zum Imperialismus herausarbeitete. [38] : „Würde eine möglichst kurze Definition des Imperialismus verlangt, so müsste man sagen, dass der Imperialismus das monopolistische Stadium des Kapitalismus ist. (...) Doch sind allzu kurze Definitionen zwar bequem, denn sie fassen das wichtigste zusammen, aber dennoch unzulänglich, sobald sie aus ihnen speziell die wesentlichen Züge der zu definierenden Erscheinung abgeleitet werden sollen. Deshalb muss man (...) eine solche Definition des Imperialismus geben, die folgende fünf seiner grundlegenden Merkmale enthalten würde: 1. Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, dass sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen; 2. Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses ‘Finanzkapitals; 3. Kapitalexport, zum Unterschied vom Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung; 4. es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen, und 5. die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet. Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist.“ [39]  Damit ist Lenins Imperialismustheorie eine direkte Fortsetzung und Weiterentwicklung [40] der von Karl Marx in seinem historischen, dreibändigen Werk „Das Kapital“ entwickelten Kapitalismusanalyse unter den sich seit Ende des vergangenen Jahrhunderts vollzogenen ökonomischen Veränderungen des Kapitalismus. Die Konsequenzen des imperialistischen Stadiums des Kapitalismus liegen daher für Lenin auf der Hand. Eine Grundeigenschaft des Imperialismus ist seine Aggressivität, sind Annexion und Krieg, die ihre unmittelbare und allgemeine ökonomische Ursache im Streben der Monopole nach Absatzmärkten, Einflusssphären, Kapitalanlagemöglichkeiten, Rohstoffquellen etc. haben. Damit bedeutet der Imperialismus politisch Reaktion auf der ganzen Linie: das Streben nach Beseitigung bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten, insbesondere auch nach Unterdrückung der Arbeiterbewegung und ihrer Organisationen mit der Option, offen reaktionäre bis terroristische Herrschaftsformen zu errichten.

Ein weiterer grundlegender Aspekt des imperialistischen Stadiums des Kapitalismus ist die Tatsache der immer stärkeren Konzentration der Produktion und des Kapitals im Form der Entwicklung zum monopolistischen (und später staatsmonopolistischen) Kapitalismus. Gleichzeitig verschärft der Imperialismus jedoch alle Widersprüche im Kapitalismus: „Wie sehr der monopolistische Kapitalismus alle Widersprüche des Kapitalismus verschärft hat, ist allgemein bekannt. Es genügt, auf die Teuerung und auf den Druck der Kartelle hinzuweisen. Diese Verschärfung der Gegensätze ist die mächtigste Triebkraft der geschichtlichen Übergangsperiode, die mit dem endgültigen Sieg des internationalen Finanzkapitals ihren Anfang genommen hat.

Monopole, Oligarchie, das Streben nach Herrschaft statt nach Freiheit, die Ausbeutung einer immer größeren Zahl kleiner oder schwacher Nationen - all das erzeugte jene Merkmale des Imperialismus, die uns veranlassen, ihn als parasitären oder in Fäulnis begriffenen Kapitalismus kennzeichnen zu lassen.“ [41] Dies alles schafft die objektiven Vorraussetzungen für den Übergang zum Sozialismus, mehr noch, sie machen ihn objektiv notwendig.

Zugleich schafft das imperialistische Stadium des Kapitalismus ökonomisch die Bedingungen für die Existenz und die Entwicklung der verschiedenen Spielarten des Opportunismus (so auch des „demokratischen Sozialismus“!) innerhalb der Arbeiterbewegung: „Dadurch, dass die Kapitalisten eines Industriezweiges unter vielen anderen oder eines Landes unter vielen anderen usw. hohe Monopolprofite herausschlagen, bekommen sie die Möglichkeit, einzelne Schichten der Arbeiter, vorübergehend sogar eine ziemlich bedeutende Minderheit der Arbeiter zu bestechen und sie auf die Seite der Bourgeoisie des betreffenden Industriezweiges oder der betreffenden Nation gegen alle übrigen hinüberzuziehen. Diese Tendenz wird durch den verschärften Antagonismus zwischen den imperialistischen Nationen wegen der Aufteilung der Welt noch verschärft. So entsteht der Zusammenhang von Imperialismus und Opportunismus (...). Manche Schriftsteller (...) möchten sich über die Tatsache, dass Imperialismus und Opportunismus in der Arbeiterbewegung zusammenhängen - eine Tatsache, die jetzt ganz besonders in die Augen springt - gern hinwegsetzen, und zwar mit dem ‘amtlichen Optimismus’ (im Geiste Kautskys und Hhysmans’) von Betrachtungen folgender Art: Die Sache der Gegner des Kapitalismus wäre hoffnungslos, wenn gerade der fortgeschrittene Kapitalismus zur Verstärkung des Opportunismus führte oder wenn gerade die bestbezahlten Arbeiter zum Opportunismus neigten u. dgl. m. Man darf sich über die Bedeutung eines solchen ‘Optimismus’ nicht täuschen: es ist ein Optimismus hinsichtlich des Opportunismus, es ist ein Optimismus, der der Verhüllung des Opportunismus dient. In Wirklichkeit ist die besonders schnelle und besonders widerwärtige Entwicklung des Opportunismus keineswegs eine Garantie für seinen dauerhaften Sieg, wie auch die schnelle Entwicklung eines bösartigen Geschwürs die Befreiung des Organismus von diesem beschleunigen kann. Am gefährlichsten sind in dieser Hinsicht Leute, die nicht verstehen wollen, dass der Kampf gegen den Imperialismus eine hohle, verlogene Phrase ist, wenn er nicht unlöslich verknüpft ist mit dem Kampf gegen den Opportunismus.“ [42]

Aus seiner Analyse des Imperialismus heraus begründete Lenin die Notwendigkeit der „Partei neuen Typs“, die einzig in der Lage ist, die Arbeiterklasse zum Sieg in der proletarischen Revolution zu führen. [43]

Diese Imperialismustheorie wurde - in all ihren Konsequenzen - natürlich von den rechten und zentristischen Theoretikern der Sozialdemokratie abgelehnt. Karl Kautsky, einer ihrer bedeutendsten Theoretiker - definierte den Imperialismus wie folgt: „Der Imperialismus ist ein Produkt des hoch entwickelten industriellen Kapitalismus. Er besteht in dem Drange jeder industriellen kapitalistischen Nation, sich ein immer größeres agrarisches (von Kautsky hervorgehoben! d.Verf.) Gebiet zu unterwerfen und anzugliedern, ohne Rücksicht darauf, von welchen Nationen es bewohnt wird.“ [44] ) Mit dieser Imperialismus-Definition entkleidet Kautsky den Imperialismus seines ökonomischen Kerns und beschränkt ihn letztlich auf eine rein politische Bestrebung, eine Form der Politik der höher entwickelten kapitalistischen Staaten; zudem begrenzt er diese „Politik“ auf die Expansionsbestrebungen in „agrarischen Gebieten“. Das bedeutet jedoch konkret, zu leugnen, dass der Imperialismus ökonomisch die höchste Stufe des Kapitalismus, dass er von seiner ökonomischen Natur her prinzipiell aggressiv (nach innen wie außen!) ist und die Aufteilung der Welt vor allem nach ökonomischen - und nicht nach rein agrarischen! - Gesichtspunkten her plant und durchführt. Die rein politische und beschränkte Definition des Imperialismus durch Kautsky schließt somit logisch die Möglichkeit ein, auch eine andere, friedlichere Politik unter kapitalistischen Bedingungen durchführen, sozusagen „friedlich auf Expansion und Aggression verzichten zu können“, da der Imperialismus - nach Kautsky - nur eine Möglichkeit der kapitalistischen Produktionsweise - und eben kein Charakteristikum der neuen Stufe des monopolistischen Kapitalismus! - sei. Mehr noch, auf Basis dieser Imperialismus-Definition entwickelte Kautsky die Theorie vom so genannten „Ultraimperialismus“, dem er einen prinzipiell friedlichen Charakter bescheinigte, da sich der Kapitalismus in eine Richtung entwickeln könne, in der die immer stärker werdende Tendenzen zur Kartell- und Monopolbildung die Außenpolitik der imperialistischen Staaten im Sinne einer „heiligen Allianz der Imperialisten“ bei der Internationalisierung der Märkte und Produktion bzw. deren immer stärker werdenden gegenseitigen Abhängigkeiten beeinflussen werde, in deren Konsequenz eine Absicherung des Friedens in einer immer noch kapitalistischen Welt folge. Diese angenommene, mögliche Friedensfähigkeit des Imperialismus hatte natürlich auch Konsequenzen für die politischen Strategien der rechten Führer der Sozialdemokratie. [45]

Identität der Kommunisten

Ich glaube, mit diesem etwas umfangreicheren Ausführungen wurde deutlich, dass – ob in den Fragen Krieg und Frieden, der Rolle des Staates, der Imperialismusanalyse, der Revolutionstheorie und –praxis etc. – die Identität der Kommunisten unmittelbar mit dem Kampf gegen Revisionismus und jegliche Formen des Opportunismus in der Arbeiterbewegung (wie auch in den eigenen Reihen) verbunden ist. Ja, die Gründung der Kommunistischen Parteien als eigenständige revolutionäre Formation der Arbeiterbewegung ist ohne diese permanente Auseinandersetzung überhaupt nicht erklärlich (und historisch notwendig gewesen). Anders formuliert: ohne diese Auseinandersetzung, verknüpft mit der Verteidigung der Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus, ist die Existenz von kommunistischen Parteien objektiv überflüssig, ihre Existenzberechtigung stirbt förmlich ab...

                                                                                                                        Michael Opperskalski, Köln

Die Kommunistischen Plattform der PDS

Frank Flegel: Die Kommunistische Plattform der PDS

Zur Organisation von antikapitalistischen Kräften in reformistischen Parteien

Die Kommunistische Plattform der PDS (KPF) ist ein Zusammenschluss von Genossinnen und Genossen der PDS, die sich als Kommunisten verstehen, was nicht aussagt, dass alle Kommunisten der PDS etwa in der KPF organisiert sind. Sicherlich aber sind das Marxistische Forum und die KPF die stärksten sich auf Marx (und Lenin?) beziehenden Fraktionen innerhalb der PDS.

Solche Organisationen, in denen sich linke, antikapitalistische [46] Kräfte innerhalb reformistisch orientierter Parteien zusammenfinden, gab es schon mehrere. Es gab und gibt sie vom Spartakusbund in der SPD Anfang des letzten Jahrhunderts über den SDS und die sog. Stamokap-Fraktion der Jusos in den 60er und frühen 70er Jahren in Westdeutschland bis hin zu den heutigen Sammlungsbewegungen von Kommunisten in revisionistischen Parteien wie z.B. der Coordination Communiste in bzw. neben der Französischen Kommunistischen Partei, dem Kreis um die „Neue Volksstimme“ in der Kommunistischen Partei Österreichs oder in ähnlichen Strukturen innerhalb mehrerer ehemals kommunistischer Parteien Osteuropas [47] - und ähnlich verhält es sich auch mit der Kommunistischen Plattform der PDS.

In den ehemals an Marx und Lenin orientierten Parteien, die sich nach der Konterrevolution 1989/90 in neo-sozialdemokratische, manche auch schon in neoliberale Parteien gewandelt haben, ist diese Art der Organisierung von Kommunisten historisch gewachsen: diejenigen, die es auch nach der Konterrevolution noch ernst meinten mit dem Sozialismus, fühlten sich gedrängt, sich zusammen zu tun - und dies meist mit dem Anspruch, so organisiert Einfluss nehmen zu können auf die Entwicklung der Gesamtpartei und diese evtl. vor dem Untergang im Reformismus retten zu können

Die widersprüchliche Funktion solcher antikapitalistischer Fraktionen in reformistischen Parteien

Sehen wir näher hin, zeigen sich einige Widersprüche und Gefahren einer solchen Fraktionstätigkeit.

Erstens: Die Absicht, die Gesamtpartei vor dem völligen reformistischen Absturz zu bewahren, ist sicherlich ehrenhaft und nachvollziehbar. Man darf jedoch nie außer Acht lassen, dass man als antikapitalistische Fraktion in einer solchen Partei dabei ständig in der Gefahr ist, eine revisionistische und reformistische Partei, die im Ernstfall immer umfallen und ihr eigenes Programm, ihre Wähler und ihre Mitglieder verraten wird, mit der Weihe der unbeugsamen Systemopposition zu umgeben, dass man also ständig in Gefahr ist, das linke Feigenblatt für eine rechte Politik zu spielen. Diese Doppelfunktion, dass man also auf der einen Seite das Abdriften der Mutterpartei in den Reformismus verhindern oder bremsen will, damit aber auch Illusionen über den Charakter der Mutterpartei schürt („so lange es die dort noch gibt, kann es so schlimm noch nicht sein“), muss permanent reflektiert werden, der Feigenblattfunktion muss permanent entgegengewirkt werden, sonst setzt sich der Zwang der Verhältnisse - und das ist der Zwang zur Anpassung, zum Zurückweichen, zum Mitmachen – durch. Eine zentrale Frage zur Beurteilung solcher Zusammenschlüsse antikapitalistischer Kräfte in reformistischen Parteien ist also immer: sind sie sich ihrer (Doppel-)Rolle bewusst und bekämpfen sie die Feigenblatt-Funktion?

Zweitens: Antikapitalistische Kräfte, die sich in reformistischen Parteien engagieren, dort um Einfluss kämpfen und diese Parteien wieder nach links rücken wollen, laufen Gefahr, ihren Blick nur noch auf die Mutterpartei zu richten. Statt eine eigenständige Politik – in Zusammenarbeit mit möglichst allen anderen antikapitalistischen Kräften zu entwickeln (dabei müssen die Organisationsgrenzen der Mutterpartei zwangsläufig überschritten werden) - , entsteht sehr leicht die Versuchung, den eigenen politischen Radius auf die eigene Partei zu begrenzen. Diese Verengung des Blicks auf die Mutterorganisation kann dann schnell dazu führen, dass eine solche antikapitalistische Fraktion zwar nicht ihre Mutterorganisation spaltet, dafür aber innerhalb der restlichen, sich außerhalb dieser Organisation befindenden antikapitalistischen Linken spalterisch wirkt oder sogar bewusst aus- und abgrenzend agiert, um ihren innerparteilichen Einfluss nicht zu gefährden. Damit mutiert dann die Politik zeitweilig von einer reformismuskritischen zu einer den anderen antikapitalistischen Kräften gegenüber kritischen Politik – und ist so Helfershelfer der reformistischen Verwirrung, denn plötzlich verlaufen die Gräben nicht mehr zwischen kapitalismusfreundlichen Reformisten und Antikapitalisten, sondern innerhalb der antikapitalistischen Reihen, während zu den Reformisten Brücken gebaut werden. Die Frage also, wie solche Zusammenschlüsse innerhalb reformistischer Parteien sich zu anderen antikapitalistischen Kräften verhalten und wie und wo sie sich mit wem solidarisch zeigen, ist bei der Beurteilung solcher Zusammenschlüsse unverzichtbar.

Drittens: Aus dieser Problematik ergibt sich eine dritte Gefahr. Da der Gesichtskreis solcher Zusammenschlüsse, wie eben schon gezeigt, häufig sehr stark auf die eigene Mutterorganisation bezogen ist und damit ihr Agieren im selben kleinen Rahmen stattfindet, droht die Gefahr, dass sich der Kompass für ihre Strategie und Taktik verdreht. Nicht mehr die gesellschaftliche Situation und die daraus entspringenden Anforderungen für aktuelle antikapitalistische Politik werden herangezogen, um die eigene Politik zu bestimmen, sondern die Lage in der Mutterpartei, das Vorpreschen der reformistischen Vorstände, der Bewusstseinsstand der Mitgliedschaft, die Stimmung an der Basis usw. werden zu den wichtigsten Bestimmungspunkten ihrer Politik – und so wird der eigene Stall zum Ersatz für die wirkliche Welt. Dass das auf die Dauer zur Verschiebung der Koordinaten führen muss, liegt auf der Hand. Zur Beurteilung solcher Zusammenschlüsse ist also auch die Frage wichtig, wie weit oder eng der Blick ist und woran sich Strategie und Taktik orientieren.

Viertens: Eine solche Organisationsform als Minderheit innerhalb einer reformistischen Partei kann immer nur eine historisch kurzfristige, eine vorübergehende Organisationsform sein, entstehend aus ganz bestimmten Umständen der eigenen Schwäche, der Tradition, des Übergangs o.ä.; eine solche Organisationsform kann innerhalb eines bestimmten Zeitraumes dazu beitragen, die antikapitalistischen Kräfte innerhalb der reformistischen Parteien zu sammeln, steht aber, hält man zu lange an ihr fest, mit Sicherheit einer weiteren Vereinheitlichung letztendlich im Wege. Wenn man sich also in einer solchen historisch vergänglichen Organisationsform befindet, hat die Reflexion darüber beständiger Teil der inhaltlichen Arbeit zu sein; es ist also ständig zu prüfen, ob diese Organisationsform noch dienlich oder schon hinderlich für die Entwicklung der antikapitalistischen Bewegung ist. Zum Beispiel haben Kommunistinnen und Kommunisten sich grundsätzlich und zu aller erst als Kommunisten, als Teil der kommunistischen Weltbewegung zu verstehen. Die Organisationsfrage ist diesem Verständnis als eine Frage von Strategie und Taktik untergeordnet. Organisationsfetischismus ist ebenso schädlich wie Organisationsfeindlichkeit.

Die KPF auf dem Prüfstand

ZU ERSTENS: Welche Erfolge hatte und hat die KPF in ihrem Bestreben, die PDS vor dem völligen Abgleiten in den Reformismus zu bewahren? Und wie steht es mit der Feigenblattfunktion?

Die Erfolge bei der Tätigkeit der KPF, die PDS nicht im revisionistischen Sumpf untergehen lassen zu wollen, sind relativ gering: die PDS hat sich vom Marxismus verabschiedet, sie hat sich vom Klassenkampf verabschiedet, die PDS hat die (bürgerliche) Demokratie als eigenständigen Wert entdeckt und sich damit von der marxistische  Staatstheorie und vom Materialismus verabschiedet, die PDS denunziert ihr eigenes Erbe, die DDR, wo sie nur kann, die PDS hat stattdessen das Profitstreben und das Privateigentum an den Produktionsmitteln als Mittel zur menschlichen Emanzipation entdeckt, die PDS tolerierte erst sozialdemokratische Landesregierungen, dann ging sie auf Landesebene in Koalition mit der SPD, jetzt ist sie Regierungspartei in ebensolcher Koalition in Berlin und trägt die unsoziale Haushaltskonsolidierungspolitik mit, die PDS verwässert ihr eh schon wässriges Programm von 1993, wesentliche Kräfte in der PDS sind im Begriff, der Partei ein „Ja“ zu imperialistischen Kriegseinsätzen (die in ihrer Sprache natürlich ganz anders heißen) abzunötigen, - und das alles funktioniert, weil in der PDS einige wenige führende Funktionäre das Sagen haben, die Partei mit klarer Strategie und elastischer Taktik nach rechts drücken und weil sie dabei agieren können, wie sie es für richtig halten, z.B. Parteiprogramm und Parteitagsbeschlüsse vom Tisch wischen können, mit Entschuldigungen, Angeboten usw. ohne innerparteiliche demokratische Willensbildungsprozesse vorpreschen können, denn in der PDS drohen dem Führungspersonal für Brüche des geltenden Programms oder geltender Parteitagsbeschlüsse keinerlei Konsequenzen. So weit mir bekannt ist, strebt die KPF ihrerseits auch keine an. Im Gegenteil, fordert eine Basisgruppe solche Konsequenzen, distanziert sich die KPF-Führung von dieser Gruppe (dazu unten Genaueres).

Die KPF-Führung hatte nicht die Macht, nicht die Möglichkeiten, nicht den Mut oder nicht den Willen, gegen all diese (und noch viel mehr) Schritte zum berühmten „Ankommen“ in dieser Gesellschaft mehr zu unternehmen, als ausgewogenen Erklärungen auf Papier zu schreiben. Die KPF-Führung ist allerdings der Meinung, oftmals Schlimmeres verhindert zu haben, jedenfalls streut sie diese Einschätzung in ihrer Mitgliedschaft.

Und damit kommen wir zur Feigenblattfunktion. Ich möchte hier nur ein Beispiel anführen: die PDS und das drohende „Ja“ zum imperialistischen Krieg. Nachdem die Einzelfallprüfung (man wolle jeden Fall eines Militäreinsatzes der Bundeswehr innerhalb eines UN-Mandates prüfen, um dann je nach Einzelfall zu entscheiden, ein pauschales „Nein“ zum Krieg sei nicht tragbar) beim Parteitag in Münster gegen den Willen der Führung von den Delegierten abgelehnt und die Ablehnung von Militäreinsätzen – unter wessen Flagge auch immer – bekräftigt wurde, hatten führende Funktionäre der PDS ja schon gleich darauf hingewiesen, dass ein solcher Beschluss ein Fehler sei und dass man ihn noch aufheben werde.

Inzwischen ist er so gut wie aufgehoben – jedenfalls in der Praxis des PDS-Führungspersonals. Der vielgepriesene „Friedensappell“ des Dresdner Parteitages enthält – im Gegensatz zum Beschluss von Münster – schon die Anerkennung des UN-Gewaltmonopols [48] . Gysi erzählt trotz aller Parteitagsbeschlüsse weiterhin ungebremst, dass er sich unter bestimmten Bedingungen „begrenzte militärische Aktionen“ vorstellen könne – und das auch beim und nach dem Dresdner Parteitag.

Was macht die KPF-Führung? Zeigt sie die Gefahren? Erläutert sie die entstandene Situation? Entlarvt sie Gysi als Politiker, der die PDS kriegskompatibel machen will? Nichts dergleichen! Die KPF-Führung formuliert am 10. 10.01 in einem Statement: „Wir wollen in dieser ernsten Situation nicht darüber spekulieren, warum die Friedensfrage in der PDS nicht einheitlich mit uneingeschränkter Konsequenz behandelt wird. Fakt ist: es müssen auch weiterhin alle Anstrengungen unternommen werden, damit die PDS die Antikriegspartei im Parlament bleibt. Das befördert auch alle außerparlamentarischen Friedensbemühungen. In diesem Sinne zu wirken, ist in der PDS besser möglich als außerhalb (eine Begründung für diese Einschätzung fehlt; F.F.).“ Und einige Zeilen vorher ist im gleichen Papier zu lesen: „In dieser Situation ist es von großer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland (Für wen??!! F.F.), dass es eine im Parlament vertretene Partei gibt, die NEIN zu Militäreinsätzen sagt. Diese Haltung ist gerade gegenwärtig ein hohes politisches und moralisches Gut, das zu bewahren wir eine Mitverantwortung haben.“ [49]

Zwar werden hier Probleme zugegeben („...Friedensfrage in der PDS nicht einheitlich mit uneingeschränkter Konsequenz behandelt“), aber anstatt diese Probleme einer Analyse zu unterziehen, will man über das „warum“ in „dieser ernsten Situation  lieber „nicht spekulieren“ (Hervorhebung: F.F.), sondern seine „Mitverantwortung“ dafür, das „Nein“ zum Krieg als „ein hohes politisches und moralisches Gut... zu bewahren“, wahrnehmen. Eine Aufklärung über die Absichten der PDS-Führung hinsichtlich der Aushöhlung der antimilitaristischen Haltung der PDS wird mit dem Begriff „Spekulation“, an der man sich natürlich nicht beteiligen wolle, vom Tisch gewischt. Phrasen und Gummibegriffe („diese ernste Situation“ - „hohes politisches und moralisches Gut“ – „große Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland“) ersetzen ernsthafte Analysen. und führen zu emotionaler statt rationaler Entscheidungsfindung.

Die Frage ist, ob hier über den Charakter und die zwangsläufigen Folgen des Revisionismus und Reformismus eher aufgeklärt oder ob dieser Charakter hier eher vernebelt wird. Ich persönlich habe selten ein Papier vor Augen gehabt, aus dem die Feigenblattfunktion von linken Fraktionen in reformistischen Parteien so deutlich wird wie in diesem.

ZU ZWEITENS: Der Blick der KPF auf die Führung der PDS und auf Kommunistinnen und Kommunisten außerhalb der Partei.

Die PDS ist vor allem im Westen ein Sammelbecken für verschiedenste linke Kräfte geworden. Einige davon stießen auch zur KPF. Und da gab es dann schnell Probleme, was das Vorgehen, also die Taktik angeht. Ich habe zahlreiche Distanzierungen der KPF-Führung von missliebigen Genossinnen und Genossen erlebt [50] , darunter waren wir selbst (damals mit den Inhaltskonferenzen, die nur spalten würden, ein anberaumtes „Versöhnungsgespräch“ fiel dann ins Wasser, weil wir uns beim Aufbau des Anti-Imperialistischen Forums engagierten), darunter waren die Hamburger (wegen ihrer Provokation beim Münsteraner Parteitag, aber auch das Plakat „Soldaten sind Mörder“ fand nicht viel Zustimmung), darunter war die Leipziger Organisation der Kommunistischen Plattform (die der Führung der KPF Zentrismus und Zurückweichen vor den PDS-Vorständen vorwarf, was von der Führung mit „Geht es nicht einfach auch sachlich?“ gekontert wurde) und darunter war vor kurzem die Homepage von G. Ackermann und anderen: „kommunisten-online.de“. Diesen letzten Fall möchte ich hier näher erläutern.

Nachdem G. Gysi gesagt hatte, dass er sich begrenzte militärische Schläge unter gewissen Bedingungen vorstellen könnte, erschien folgende „Distanzierung“ von Gregor Gysi und seinen positiven Äußerungen zur Beteiligung am Krieg bei „kommunisten-online.de“:

„Wir distanzieren uns ausdrücklich von den Äußerungen des Berliner Bürgermeisterkandidaten der PDS Gregor Gysi, der »begrenzte militärische Aktionen« gegen von den USA ausgesuchte Ziele befürwortet.

Gysi hat sich mit seiner Äußerung außerhalb des antimilitaristischen Programms der PDS gestellt und hat sich objektiv auf die Seite der Kriegstreiber in Washington, Berlin und anderswo geschlagen.

Der fürchterliche Angriff auf das World-Trade-Center ist durch nichts zu entschuldigen, aber auch nicht die Angriffe der USA auf Grenada, Vietnam, Libyen, Jugoslawien, Cuba, Nicaragua, auf Bagdad, Belgrad, Hanoi usw. Die Massen von Kriegstoten des Vietnamkrieges, die Opfer des Jugoslawienkrieges und all die Opfer von Kriegen und Politik der USA von Chile bis Guatemala, von Südafrika bis Korea, die Verhungernden, die wegen der Profite vor allem US-amerikanischer Konzerne in Not und Elend geschickt werden, sind die Opfer des Staatsterrors der USA und ihrer Verbündeten. Der Neoliberalismus, der von den USA ausging, stürzt täglich weitere Menschen in Not und Elend.

Die USA, die sich zu den »zivilisierten Nationen« zählen, haben dutzendfach durch das Sponsern von Putschversuchen und durch den Einmarsch ihrer Truppen bewiesen, dass sie nirgends die Souveränität anderer Staaten akzeptieren und dass sie bereit sind, überall in der Welt Staatsterrorismus auszuüben, wenn es ihren Zwecken dient. Dazu haben sie übrigens in den 80er Jahren auch Bin Laden und die Taliban ausgerüstet, ausgebildet und finanziert. Unterstützt wurden und werden die USA dabei immer auch von europäischen Regierungen, einschließlich der deutschen.

Es ist Aufgabe einer sozialistischen Partei, die Bevölkerung gegen diese Beteiligung am Staatsterrorismus zu mobilisieren und für die Entwicklung einer fundamentalen antimilitaristischen Haltung zu kämpfen.

Stattdessen plädiert Gysi für »begrenzte militärische Aktionen«. Er hat damit die Grundlage des antimilitaristischen Parteiprogramms der PDS verlassen. Wenn die PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer erklärt, es herrsche im PDS-Vorstand »völlige Einmütigkeit« mit Gysi im Kampf gegen Terrorismus, so unterstützt sie ebenso die Kriegstreiberei der Bundesregierung.

Wir dagegen sagen: Nichts, aber auch gar nichts, rechtfertigt einen imperialistischen Krieg gegen irgendwen.

Wir fordern Gregor Gysi auf, von seiner Kandidatur in Berlin zurückzutreten. Wir fordern ihn und alle, die seiner militaristischen Position zustimmen, auf, umgehend die PDS zu verlassen, um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden. Kriegstreiber gehören nicht in eine sozialistische Partei, auch nicht solche, die nur »begrenzte« imperialistische Kriege wollen.“

Die Redaktion, Günter Ackermann, Monika Balzer, Dimitri Tsalos, Dr. Hans Schröter, Kommunistische Plattform "Friedrich Engels" Hamburg

Dass die Führung der Kommunistischen Plattform der PDS sich distanzierte, habe ich ja oben schon gesagt. Aber es soll niemandem vorenthalten werden, in welcher Weise dies geschah:

„Lieber Genosse Gregor Gysi, auf der Homepage http://www.kommunisten-online.de [51] findet sich ein Artikel "Gegen den imperialistischen Krieg" (siehe:http://www.kommunisten-online.de/Kriegstreiber/Distanzierung.htm)

Ungeachtet unserer prinzipiellen Kritik an Deinen Äußerungen zur Möglichkeit begrenzter militärischer Schläge halten wir den erwähnten Artikel objektiv für eine Provokation.

Wir bitten Dich dringend, die Kommunistische Plattform der PDS damit nicht in Verbindung zu bringen.“

Bundessprecherrat der Kommunistischen Plattform der PDS, Thomas Hecker, Bundessprecher, Kommunistische Plattform der PDS, Karl-Liebknecht-Haus, D-10178 Berlin, Germany

(Diese Distanzierung wurde außer an Gregor Gysi u.a. auch an Gaby Zimmer, Dietmar Bartsch, Roland Claus und die Redaktion „kommunisten-online.de“ gesandt; F.F.)

Das meine ich mit der Problematik, dass solche kommunistischen Fraktionen [52] in reformistischen Parteien wie die KPF schnell dazu neigen, sich von anderen Kommunisten zu distanzieren, hier also Gräben und Frontlinien ziehen – bei gleichzeitigem Brückenbau zu den Reformisten. Dass ein solches Handeln nicht zur Klarheit und zur Geschlossenheit in den eigenen Reihen beiträgt, liegt auf der Hand.

ZU DRITTENS: Was sind die Bestimmungsmomente der Strategie und Taktik der KPF?

Eine wirkliche kommunistische Strategie, wie sie eine kommunistische Partei ausarbeiten müsste, habe ich bei der KPF noch nicht erkennen können. Nun ist die KPF aber auch keine Partei, sondern nur ein Zusammenschluss innerhalb einer Partei, kann also auch keine Parteistrategie und Parteitaktik im engeren Sinne des Wortes vorlegen, denn dann verhielte sie sich in der PDS offiziell parteifeindlich oder parteischädigend und würde ausgeschlossen.

Natürlich gibt es trotzdem innerhalb der KPF(-Führung) eine Handlungsmaxime, die man Taktik nennen kann. Um diese (nachzulesen ist sie nirgends) fassbar zu machen, möchte ich ein Beispiel erwähnen.

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre führten wir in der ‚Offensiv’ eine Debatte um die Politik der DKP. Einige linke Kritiker/innen waren zu Wort gekommen, es hatte scharfe Reaktionen von Seiten der Parteiführung der DKP gegeben.

Anlässlich eines Gesprächs mit der KPF-Führung bekamen wir zunächst den nach meinem Dafürhalten schon fast absurd wirkenden Hinweis (wegen der DKP-Debatte), dass man, wenn man kritische Stellungnahmen zur Politik einer befreundeten Organisation erhalte, die Führung dieser Organisation nur zu fragen brauche, ob die Kritik stichhaltig sei, und wenn diese Führung das dann verneine, wissen man ja schließlich, woran man sei und müsse so etwas nicht veröffentlichen. Wenn es darum geht, Erkenntnisse über die Welt und über die in ihr handelnden Menschen zu gewinnen, scheint mir diese Vorgehensweise wenig geeignet zu sein, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, denn wir wollten ja wissen, was wirklich geschieht und nicht, was die Führung der DKP davon hält. Aber das nur am Rande.

Während dieses Gespräches mit der KPF-Führung wurde uns dann erläutert, wie man sich das taktische Vorgehen vorstellt. Uns wurde erklärt, dass es ganz allgemein nichts nütze, die Wahrheit zu sagen, wenn sie keiner hören wolle. Man müsse die Menschen dort abholen, wo sie stehen. Und als kleines Bild dafür schilderte man uns eine Lokomotive, die die Wagons in die richtige Richtung ziehen wolle, die dabei aber kein zu hohes Tempo anschlagen dürfe, weil sonst die Wagons zurückblieben und sie sie verlöre.

Hier zeigen sich gleich mehrere Fragen- und Problemkomplexe:

a) Wie weit geht die Taktik in unseren Parolen? Soll man lügen oder die Wahrheit verschweigen, wenn sie keiner hören will? Und: Kann durch Taktieren der Punkt erreicht werden, an dem wir das Aufklärerische in unserer Propaganda verlieren? Wenn ja, wann ist dieser Punkt erreicht?

b) Sollen wir wegen des wenig ausgeprägten Klassenbewusstseins heute in der BRD unsere schärfste Waffe, die wissenschaftliche Analyse und damit die Möglichkeit, die Welt wissenschaftlich zu erklären, aus der Hand legen bzw. sollen wissenschaftliche Einsichten dann nur noch im stillen Kämmerlein und nicht mehr in unserer Propaganda berücksichtigt werden?

c) Das Bild der Lokomotive mit den Wagons ist schief. Es gibt in der PDS nämlich nicht nur die Wagons (die einfachen PDS-Mitglieder) und die eine Lokomotive (die KPF), es gibt leider auf der anderen Seite eine zweite Lokomotive, die die arme, kleine, vorsichtige KPF in den Beschleunigungsmöglichkeiten und in der Kraftentfaltung um das 1000-fache übertrifft; diese zweite Lokomotive ist die Parteiführung der PDS. Und wenn die KPF-Führung immer angekoppelt bleiben will an den Zug, der sich rückwärts bewegt, dann bewegt sie sich zwangsläufig ebenfalls rückwärts.

Schön abzulesen ist das daran, wie sich in den KPF-Verlautbarungen im Laufe der Jahre das veränderte, was man in der PDS verteidigen wollte. Zunächst war es noch die „sozialistische Orientierung“, dann war es die PDS „als antikapitalistische Partei“, danach dann war es das Profil der PDS als „Partei der sozialen Gerechtigkeit“, zwischendurch war es das „Offenhalten der Eigentumsfrage“ und das „Programm von 1993“, später dann war es der „antimilitaristische Konsens“, jetzt ist es die PDS „als Antikriegspartei im Parlament“. Die Brötchen werden immer kleiner.

Noch zwei kurze illustrierende Bemerkungen dazu:

Selbstverständlich ist es gut, eine „sozialistische Orientierung“ zu verteidigen. Das PDS-Parteiprogramm von 1993 zu verteidigen kostet dagegen schon einiges an Verbiegung, denn objektiv gesehen, also vom Marxismus aus beurteilt, ist es voller Fehler, Verdrehungen und revisionistischer Tendenzen. Hier grenzt die Verteidigung des alten Programms (die man taktisch gegen den Vorschlag der Parteiführung, ein neues, noch rechteres Programm auszuarbeiten, vorbrachte) schon sehr eng an das Verschweigen von Wahrheiten.

Und mit der Kriegsfrage wird es noch bunter: Antimilitarismus ist eine akzeptable Formel, bezieht sie sich doch auf den Begriff „Militarismus“, den man häufig synonym für imperialistische Kriegstreiberei verwandte. Aber „Antikriegspartei im Parlament“? In dieser Formulierung sind alle Andeutungen darauf verschwunden, wer wegen welcher Interessen wie und gegen wen Krieg führen könnte und deshalb zu bekämpfen sei. Und außerdem wird die unbestreitbare Tatsache nicht reflektiert, dass eine Partei eine Politik gegen den imperialistischen Krieg nur dann entwickeln kann, wenn die Partei und deren Mitgliedschaft eine anti-imperialistische, gegen die Interessen des Kapitals gerichtete Orientierung hat, also auch über eine dementsprechende Theorie verfügt. Verliert die Partei und ihre Mitgliedschaft diese Theorie, dann wird ihr Engagement für oder gegen Krieg inhaltlich beliebig, nämlich von tagesaktuellen Begebenheiten, parlamentarischer Kungelei sowie wahltaktischen Erwägung abhängig.

Und nun sage man mir nicht, dass ein solcher Standpunkt sektiererisch sei: ich erinnere nur an die vergangene Gewaltfreiheit der Grünen – und an die westdeutsche Friedensbewegung Anfang/Mitte der 80er Jahre, die mit ihrer von den Führungen der SED und der DKP gebilligten Ideologiefreiheit („Zurückhaltung Genossen! Nur niemanden verschrecken!“) nicht wenig zum Erstarken der antikommunistischen Erneuererbewegung in der DKP und zum Verschwimmen des Klassenstandpunktes in der gesamten westdeutschen Linken beigetragen hat. Und man sage mir auch nicht, dass so etwas nicht ausgesprochen werden dürfe, weil es niemand verstünde. Die Genossinnen und Genossen an der Basis sind nicht so blöd, wie sie von den Revisionisten gern gemacht würden.

ZU VIERTENS: Wie steht es mit der Zukunftsstrategie der KPF? Wohin soll die Reise gehen?

Die Antwort ist kurz: es gibt keine Reise. Und es ist auch nicht zu erkennen, dass irgendwann mal eine Reise notwendig werden könnte. Deshalb gibt es auch keine Reisevorbereitungen, keine Diskussion über das Reisegepäck und auch keine über die Reiseroute.

Das Problem ist nur, dass der Tag, an dem die PDS-Führung „Ja“ zum imperialistischen Krieg sagt (wie klausuliert sie es auch formulieren wird) nicht mehr weit und die Tage bis zu diesem Zeitpunkt gezählt sind. Und dann? Weiter wie bisher?

Wann wird die Organisationsform als kommunistische Fraktion innerhalb einer reformistischen Partei schädlich für die kommunistische Bewegung – diese Frage muss erörtert werden. Wann wird der Punkt erreicht, an dem die Genossinnen und Genossen mit den Füßen abstimmen und gehen, also die Partei individuell verlassen; und hat eine kommunistische Fraktion innerhalb einer reformistischen Partei nicht die Pflicht, dieses individuelle Bröckeln zu vermeiden oder zumindest einzudämmen, indem sie eine Strategie anbietet, die eine Orientierung für den Ernstfall (m.E. Kriegszustimmung) gibt?

Die letzte Bundeskonferenz der KPF am 3. November 2001 in Berlin hingegen gab folgende Orientierung (Auszüge aus dem Beschluss „Die Aufgaben der Kommunistischen Plattform in Vorbereitung des PDS-Wahlparteitages im März 2002“ in: Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS, Nr. 12 / 2001):

...Es war keine Selbstverständlichkeit, dass sich die PDS-Führung letztlich ohne Wenn und Aber gegen den NATO-Krieg stellte. Die Kommunistische Plattform lebt nicht in der Illusion, dass die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Auseinandersetzungen um die Friedensfrage geringer geworden ist. Das Gegenteil ist möglich. Es ist unsere Vorrangige Verantwortung, alles in unseren Kräften stehende dafür zu tun, dass die PDS konsequente Antikriegspartei bleibt.

...Unser Kampf um den Erhalt der PDS als Antikriegspartei ist untrennbar mit unseren weiteren Anstrengungen gegen den programmatischen Richtungswechsel verbunden. Wir sind uns dessen bewusst, dass die Voraussetzungen hierfür nach Dresden schlechter geworden sind, als sie es vorher waren.

... Die 3. Tagung des 7. Parteitages ist für den 16. und 17. März 202 nach Rostock einberufen. Im Mittelpunkt des Parteitages wird der Beschluss über das Programm der PDS zu den Bundestagswahlen 2002 stehen. ... Die Vorbereitung dieses Wahlparteitages wird vermutlich die nächste Etappe der Programmdiskussion bestimmen. Wir werden sehr bald wissen, in welchem Maße sich die mit dem Dresdner Leitantrag vorgenommenen Weichenstellungen im Wahlprogramm wiederfinden sollen. Darauf zu reagieren, gehört ebenfalls zu unseren nächsten Verpflichtungen.

...Wenn wir als Kommunisten in der PDS noch etwas erreichen wollen, dürfen wir nicht das Feld räumen. Wir müssen bleiben. Es sind schon zu viele gegangen. Wir müssen die Stimmungen in der Parteimitgliedschaft genauestens kennen und überall dort anknüpfen, wo sich Ablehnung gegen Anpassung findet oder entwickelt. Allerdings haben wir nur dann Einflusschancen, wenn wir nicht von der Basis isoliert sind. Das ist ein entscheidender Grund, warum wir in Auseinandersetzungen nicht auf das Mittel der Provokation setzen. ...

Also: weiter wie bisher. Das ist nicht viel.

Und ansonsten bloß keine Provokation! Also weiter Samthandschuhe dort, Schienenbeintreter hier.

Der Umgang der KPF-Führung mit innerorganisatorischer Kritik

Natürlich gibt und gab es innerhalb der KPF immer wieder Kritik an der Vorsicht und der ausgewogenen Zurückhaltung, die der Sprecherrat an den Tag legte. Und wie fast immer in der Politik waren die Auseinandersetzungen wenig fair, selten von offener Diskussion und ruhigem Argumentenaustausch gekennzeichnet, sondern eher von Denunziationen und demagogischen Angriffen bestimmt – auf beiden Seiten.

Was sich beobachten ließ, ist, dass die Führung der KPF fast immer zu gleichen oder ähnlichen Verteidigungsstrategien gegen die Kritiker griff: Ganz zentral war immer, dass man tunlichst vermeidet, sich inhaltlich in die Diskussion zu begeben, stattdessen bringt man den Streit auf andere Ebenen – und hier verfügt man über ein reiches Arsenal von Ablenkungsschauplätzen. Man redet über die gewählte Sprache (die eigene ausgewogene und die der Kritiker, die als grober Klotz daherkäme); man redet über die zwischenmenschliche Form der Auseinandersetzung (nach dem Motto: wie könnt Ihr nur so mit den eigenen Genossen umgehen); man beklagt den Schaden, der durch die Auseinandersetzung angerichtet werde, (Ihr mögt ja das Richtige wollen, Euch fehlt aber die Geduld und so zerstört Ihr nur alles, was wir aufgebaut haben); man nennt die Taten der Kritiker – siehe oben - Provokationen (das hat den Vorteil, selbst festlegen zu können, was eine Provokation ist, denn die Provokation ist kein wissenschaftlicher Begriff, sondern eine Kategorie der Befindlichkeit – wann fühlt sich wer durch was provoziert?..das bestimmt der Sprecherrat);  oder man bescheinigt den Kritikern, spalterisch tätig zu sein, (ein sehr praktischer, weil ebenso wenig wie der Provokationsvorwurf objektivierbarer Vorwurf); falls Kritiker sich mit anderen treffen wollen, um ihr Gewicht zu vergrößern, pocht man neben dem Spaltervorwurf auf der eigenen demokratischen Legitimation als gewähltes Führungspersonal und sagt, die Kritiker würden ihr eigenes Ding an den gewählten Strukturen vorbei durchziehen wollen; wenn das alles noch nicht reicht, unterstellt man den Kritikern, dass sie zu Hause, vor Ort, nichts an den Füßen hätten, ja es doch noch nicht mal zum Parteitagsdelegierten geschafft hätten usw.  – oder man wählt die ganz andere Variante: man erklärt eine Kritik ganz einfach als unter dem Niveau des Sprecherrates der KPF und deshalb als etwas, womit man sich nicht befassen wolle, weil man sich nicht so tief hinab begebe.

Es gibt also der Hindernisse viele und so ist es selbstverständlich nicht einfach, in die Diskussion zu kommen. Bisher ließ der Sprecherrat der KPF die verschiedenen Kritiken jedenfalls in der eben geschilderten Weise sehr elastisch von sich abprallen. 

Fazit

Die Kommunistische Plattform der PDS ist eine historisch gewachsene, trotzdem aber nur einen Übergang darstellende Organisationsform von Kommunisten. Die Führung der KPF ist sich über die Gefahren dieser Art von Organisation wenig oder gar nicht bewusst und macht diesbezüglich fast alle Fehler, die man nur machen kann, denn

- sie spielt erstens (ob wissentlich oder unbewusst ist irrelevant) nicht selten das linke Feigenblatt für rechte PDS-Politik,

- sie starrt zweitens auf die Parteiführung und auf die Parteimitgliedschaft der PDS wie das Kaninchen auf die Schlange und versäumt es so, eine organisationsübergreifende eigene Politik zu entwickeln,

- sie grenzt drittens zum Zwecke der eigenen Integration innerhalb der PDS andere Linke bzw. andere Kommunisten aus und denunziert sie

- und sie hat viertens keine weiterführende Strategie über den PDS-Augenblick hinaus.

Von wahrnehmbaren organisierten Anstrengungen der KPF zur Theoriebildung oder zur Theorievermittlung innerhalb (oder außerhalb) der PDS kann kaum die Rede sein [53] . Vielmehr vereint die KPF in sich die unterschiedlichsten, ja schon direkt gegensätzliche Anschauungen [54] , ohne die Dinge zu diskutieren. Ebensowenig nimmt die KPF-Führung Stellung zu den aktuellen Diskussionen, wie sie innerhalb der Kommunisten sowohl in der BRD als auch international geführt werden. Sie leistet also auch in dieser Hinsicht keinen erkennbaren Beitrag zur Klärung der Lage und/oder zur Schärfung des Bewusstseins der Linken und/oder der PDS-Mitglieder, sondern leistet eher einen Beitrag zum Verkleistern der Probleme [55] .

Nach meiner Auffassung genügt die Kommunistische Plattform der PDS den Anforderungen nicht, die an Kommunisten heute und hier durch die Realität gestellt sind, und, was mich besonders bedrück: sie ist nicht nur viel wirkungsloser als sie sein könnte im Sinne von Propagierung und Durchsetzung kommunistischer Politik, sie ist in manchen Fragen sogar schädlich für diesen Zweck, weil sie Unklarheiten nicht nur nicht ausräumt, sondern sogar selbst hervorbringt.

Um diesen letzten Punkt nochmals zu verdeutlichen, hier ein letztes Beispiel („junge Welt“ vom 20. 12. 2001, S. 5): „Mit Blick auf die vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) angekündigte Präambel im Koalitionsvertrag zur Geschichte (in dem es laut Hannoverscher Allgemeiner Zeitung vom gleichen Tage u.a. um eine Entschuldigung für die sog. „Zwangsvereinigung von SPD und KPD“ geht,  die Junge Welt berichtete drei Tage später, dass die Entschuldigungen die „Zwangsvereinigung“, den „Arbeiteraufstand vom 17. Juni“ und den „Mauerbau“ beträfen; F.F.) sagte Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform, sie könne sich sehr gut vorstellen, dass hier auch eine Entschuldigung der SPD für die Ermordung von Liebknecht und Luxemburg Eingang findet.“

Das meine ich damit, wenn ich sage, dass die KPF mithilft, Unklarheiten hervorzubringen: „...sie könne sich sehr gut vorstellen, dass hier auch (Hervorhebung F.F.) eine Entschuldigung der SPD ... Eingang findet“, heißt es in dem Zitat. Die eigene Entschuldigung ist also schon akzeptiert, man fordert nur noch Parität! Als hätten Kommunisten sich bei prokapitalistischen Kräften auch nur für irgend etwas zu entschuldigen! Und wenn man sich die Inhalte der Entschuldigungen ansieht, wird es noch absurder: als wäre die Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse, die Niederschlagung der Konterrevolution oder die Schließung der Grenzen vergleichbar mit den Morden an Karl und Rosa!

Ich halte so etwas nicht für kommunistische Politik.

Wie es weiter gehen wird mit der KPF, das ist schwer vorauszusagen. Sicher scheint mir allerdings zu sein, dass mit der weiteren Rechtsentwicklung der PDS die Situation für die KPF nicht leichter werden wird. Und dass die PDS sich mit verstärkter Geschwindigkeit weiter nach rechts entwickeln wird, ist unausweichlich. In der neuen Koalition in Berlin will die PDS nach eigenen Worten ja nicht nur die „schmerzhaften Einschnitte“ der Sparpolitik mittragen, sondern diese auch „in die Bevölkerung hinein moderieren“ (Gysi). Die PDS-Führung dient sich der bundesdeutschen Bourgeoisie also an zum Zwecke der Ruhigstellung eventuellen Protestpotenzials.

Wir die KPF-Führung sich in dieser Situation im Falle von sozialen Kämpfen gegen die eigene Mutterpartei oder gegen die sozialen Proteste entscheiden – oder wird sie herumeiern und sich vor der Entscheidung drücken, z.B., weil die Proteste schon berechtigt, der Form nach aber zu grob, zu provozierend, am einfachen Mann auf der Straße vorbei oder sonst was anderes seien? Schon dass man sich nicht sicher sein kann, wie sie reagieren werden, ist eine Katastrophe.

Wie werden sich die innerorganisatorischen Kritiker der bisherigen KPF-Politik verhalten? Wie wird die Basis der KPF zu einer eventuellen Eierei wie der eben beschriebenen stehen? All das hängt von vielen Bedingungen ab. Für die Zukunft ist vor allem wichtig, dass die Genossinnen und Genossen der KPF nicht den Mut verlieren, nicht in Resignation verfallen, sondern ihre Zusammenhänge (innerhalb und außerhalb der PDS und KPF) aufrecht erhalten und die Kooperation mit Kommunisten anderer Organisationen suchen, denn die Genossinnen und Genossen der KPF sind unverzichtbar für die Zukunft der kommunistischen Bewegung (nicht nur) in Deutschland.                                                                                   Frank Flegel, Hannover

Die DKP

Michael Opperskalski: Die DKP

„Sag mir wo du stehst ...

(...) Wir haben ein Recht darauf, dich zu erkennen,

auch nickende Masken nützen uns nicht.

Ich will beim richtigen Namen dich nennen.

Und darum zeig mir dein wahres Gesicht.

Sag mir, wo du stehst, sag mir wo du stehst,

sag mir wo du stehst und welchen Weg du gehst

... so lauten einige Textzeilen aus dem Song „Sag mir wo du stehst“ der populären FDJ-Musikgruppe „Oktoberklub“ aus dem Jahr 1966. Man mag sich an dieses Lied erinnern und ähnliche Fragen stellen, wenn man die derzeit in der DKP mehr schwach als intensiv ablaufende Programmdiskussion verfolgt. Wo will die trotz anhaltender Mitgliederverluste immer noch zahlenmäßig stärkste Formation bundesdeutscher Kommunisten tatsächlich hin? Zeichnen sich Entwicklungstendenzen ab, die (erste) Aussagen in diesem Zusammenhang erlauben? „Welchen Weg“ also geht die DKP - oder soll sie - zumindest nach bisherigen Veröffentlichungen zu urteilen  - gehen?

Für Irritation sorgten bereits in der Vergangenheit Aussagen in Publikationsorganen der Partei („UZ“, „Marxistische Blätter“), in denen von einzelnen Autoren bisherige Auffassungen der DKP in Frage gestellt oder gar umgeworfen wurden. So wurde der Charakter des faschistischen, konterrevolutionären Putsches in Ungarn 1956 stillschweigend in der UZ vom 25.10.96 umgewertet, wenn es hieß: „In Ungarn führten große Unruhen zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Sowjetische Truppen griffen ein und schlugen die Aufstände nieder.“ So werden aus einer organisierten Konterrevolution, die Kommunisten an Bäumen aufknüpfte, „große Unruhen“ oder „bewaffnete Auseinandersetzungen“. In der UZ vom 7. Februar 1996 lässt man auf der Seite „Marxistische Theorie und Geschichte“ unwidersprochen einen Vertreter der Zeitung der so genannten „Kommunistischen Partei Japans“ („JKP“) [56] behaupten: „Unsere Partei warf der Sowjetunion ihre Irrtümer bei der Aggression gegenüber der CSSR und Afghanistan und ihre Einmischung in Polen vor. Beim Zusammenbruch der Sowjetunion gab die JKP ohne Zögern eine Erklärung ab, dass wir das begrüßen, weil wir das nicht als Zusammenbruch eines sozialistischen Ideals, sondern als Zusammenbruch eines hegemonialen und despotischen Systems sehen.“ Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass die „JKP“ ihrer Bourgeoisie Schützenhilfe bei der blutigen Beendigung der Besetzung der japanischen Botschaft durch die Guerilla der MRTA durch das reaktionäre Fujimori-Regime in Peru gab, als sie die Besetzung in scharfen Worten als „terroristischen Akt“ verurteilte. Trotzdem häuft sich in den letzten Monaten die positive Berichterstattung in der UZ gerade über die „JKP“. Die „Marxistischen Blätter“ ließen in der Nummer 5/96 eine gewisse Hanna Ndlovu Positionen über die „Südafrikanische Kommunistische Partei“ (SACP) verbreiten, die meines Wissens durch Beschlüsse und/oder Publikationen der Partei nicht gedeckt sind. So heißt es u.a.: „Auch wenn es oft befremdend wirkte und heute innerhalb der SACP stark kritisiert wird, in Unterstützungsschreiben hießen Südafrikas Kommunisten, in der Absicht, ihrem hilfreichen Freund wenigstens auf dem geduldigen Papier in seiner Not beizustehen, kritiklos alles gut, was die Sowjetunion in ihrem Einflussgebiet unternahm, wie z.B. die Niederschlagung des Ungarn-Aufstands, die Berliner Mauer, den Einmarsch in der CSSR und schließlich den Afghanistan-Krieg.“ Die Autorin, Frau Ndlovu, wurde dann noch in der UZ vom 13. September 1996 gelobt: „Hanna Ndlovu gehörte schon in den sechziger Jahren in Ostberlin zu dem sehr kleinen Kreis von Intellektuellen [57] , die die Vorstellungen eines demokratischen Sozialismus (Hervorhebung durch den Verf.) mit engagiertem Internationalismus verbanden.“

Die Liste ähnlich gelagerter Äußerungen ließe sich verlängern, führt uns jedoch nur bedingt zu einer Antwort auf die Frage nach dem derzeitigen Standpunkt der DKP zu grundlegenden Positionen und Fragen der kommunistischen Bewegung.

Um aussagekräftigere Aussagen hierzu treffen zu können, konzentriere ich mich im folgenden darauf, einige Grundsatzpapiere der DKP zu analysieren (z.B. „Sozialismusvorstellungen“) oder aber, prinzipielle Positionierungen ihres Führungspersonals unter die Lupe zu nehmen.

In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals auf die grundlegende Tatsache hinweisen, dass die Identität der Kommunisten unmittelbar mit dem Kampf gegen Revisionismus und jegliche Formen des Opportunismus in der Arbeiterbewegung (wie auch in den eigenen Reihen) verbunden ist, und dies in den Fragen der Rolle des Staates, der Imperialismusanalyse, der Revolutionstheorie und –praxis, in den Fragen von Krieg und Frieden etc. –. Die Gründung der Kommunistischen Parteien als eigenständige revolutionäre Formation der Arbeiterbewegung ist ohne diese permanente Auseinandersetzung, verknüpft mit der Verteidigung der Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus, überhaupt nicht erklärlich, wäre überflüssig und sinnlos.

Das scheint die DKP-Führung inzwischen anders zu sehen. Im November 2000 organisierten die Zeitschriften „offen-siv“ und „RotFuchs“ eine gemeinsame internationale Konferenz „Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe im 21. Jahrhundert“.

„Der Parteivorstand (der DKP, d. Verf.) wurde fristgemäß und in einem ordentlichen Vorgang (....) eingeladen. Dieser Einladung wurde ohne jegliche Begründung nicht gefolgt. Im Schreiben des Parteivorsitzenden (der DKP, Heinz Stehr, d. Verf.) vom 28.Februar 2001 an mich heißt es in Beantwortung der von mir an den Parteivorstand diesbezüglich gestellten Fragen: <<Die Konferenz  war von der Anlage her, aber auch von einigen gehaltenen Beiträgen (...) gegen die Politik und Organisation der DKP gerichtet. Sie diente der Formierung einer Position, die sich selbst als antirevisionistisch und marxistisch-leninistisch bezeichnet, in der Praxis eher sektiererisch und dogmatisch ist. Die Konferenz schadete dem Ansehen der DKP international und im Lande.>>“ [58]

Auf den offensichtlich Unsinn, dass diese antiimperialistische Konferenz gegen die DKP gerichtet gewesen sei und ihr „international und im Lande“ geschadet habe, möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, der Wahrheitsgehalt dieser eindeutig auf Diffamierung angelegten Aussage des DKP-Vorsitzenden kann von den Leserinnen und Lesern dieses Aufsatzes leicht anhand des Protokollbandes der Konferenz überprüft werden. [59] Der entscheidende politische Kerngehalt seiner Aussage lässt sich darauf reduzieren, dass Heinz Stehr – im Namen der DKP-Führung – sehr eindeutig eine „Position“ ablehnt, „die sich selbst als antirevisionistisch und marxistisch-leninistisch bezeichnet“.

Betrachten wir uns grundlegende Positionspapiere (wie besonders die „Sozialismusvorstellungen“), Aufsätze von Führungsfunktionären sowie erste, sich prinzipiell positionierende Aussagen im Rahmen der schleppend laufenden Programmdiskussion der DKP vor dem Hintergrund des bisher Ausgeführten näher, so zeigen sich in für eine kommunistische Partei entscheidenden Punkten eine Reihe von Differenzen zu marxistisch-leninistischen Grundpositionen bzw. Berührungspunkte zum Gedankengebäude des „demokratischen Sozialismus“.

A) Zur Frage der Macht, des Staates und der „Diktatur des Proletariats“

Zitieren wir zunächst die wichtigsten Passagen aus der DKP-„Sozialismusvorstellungen“: „Sozialismus bedeutet Herrschaft der Arbeiterklasse. (...) Schon in der Anfangsphase müssen Voraussetzungen geschaffen werden, dass sozialistische Demokratie zur dauerhaften Grundlage der neuen Gesellschaft wird. (...) Die DKP tritt auch für die Rechte einer auf dem Boden der sozialistischen Verfassung wirkenden Opposition ein. Die Verfassung und die darin verankerten demokratischen Grundrechte, die individuellen politischen und sozialen Menschenrechte, die Freiheit der Kultur, des weltanschaulichen und religiösen Bekenntnisses, aber auch die Rechte und die Verantwortung der Medien sind strikt zu achten. Rechtsstaatlichkeit muss gesichert sein. Eine wirksame Trennung von Parlament, Regierung und Justiz ist unverzichtbar.“ [60]

Hört sich die Eingansfeststellung „Sozialismus bedeutet Herrschaft der Arbeiterklasse“ noch recht viel versprechend an, so wird diese Aussage bereits in der – ebenfalls zitierten – Nachfolge relativiert und im Rahmen der angelaufenen Programmdiskussion weiter verwässert und teilweise inhaltlich aufgehoben: „Und es sollte uns sehr nachdenklich stimmen, warum wir in Diskussionen über Freiheit, Demokratie, und Menschenrechte vor 1989 meist in der Defensive waren. Das betraf alle sozialistischen Länder Europas. Und da gab es eben Anknüpfungspunkte für die andere Seite: Die sozialen Menschenrechte wurden im Rahmen der jeweiligen ökonomischen Möglichkeiten mehr oder weniger gewährleistet. (...)

Allerdings wurden den politischen Freiheitsrechten insgesamt, der Rechtsstaatlichkeit wie beispielsweise der Gewaltentrennung, der Unabhängigkeit der Gerichte und den demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Mehrheit der Bevölkerung nicht annähernd jene Bedeutung zugemessen, die sie auch unter den ökonomischen und politischen Bedingungen der sozialistischen Staaten in Europa hätten erlangen müssen. Die formalen Möglichkeiten bürgerlicher Demokratie (...) wurden missachtet oder gering geschätzt, statt daran anzuknüpfen.“ [61]

Wer wundert sich da noch, dass angesichts solcher „offizieller Positionen“ die Diskussionen in der DKP zum noch zu erarbeitenden Parteiprogramm zum Teil folgende Richtung einschlagen, die dann auch breit, positiv eingeleitet und auf diese Weise unterstützend in der UZ wiedergegeben werden: „Zum Thema ‚Kommunismus des 21. Jahrhunderts’ referierte Klaus Mausner in der Stuttgarter Wohngebietsgruppe Hallschlag/Cannstatt. Die Veranstaltung war gedacht als Beitrag zur Programmdiskussion (...) Aus einem Bericht über die lebhafte Programmdebatte in Stuttgart BRINGEN WIR (UZ, d. Verf.; Hervorhebungen ebenfalls vom Verf.) einen Auszug, in dem es um SCHLUSSFOLGERUNGEN geht. (...) Ein neuer sozialistischer Anlauf braucht die Unterstützung der überwiegenden Mehrheit der Menschen. Das bedarf einer ehrlichen selbstkritischen Aufarbeitung des vergangenen Sozialismus und einer neuen sozialistischen Gesellschaft, die, auf der Grundlage einer sozialistischen Verfassung,  mehr Demokratie verwirklicht als der Kapitalismus. Also eine sozialistisch-freiheitliche Grundordnung mit mindestens folgenden Inhalten: Individuelle Freiheitsrechte des Menschen, Gewaltentrennung mit rechtsstaatlicher Kontrolle, Recht auf Wahl und Abwahl, Recht auf Opposition. Freiheit der Wissenschaft, Künste und Religionen. (...) Überlegt werden muss, wie beim nächsten Anlauf mit einer bürgerlichen Opposition umgegangen wird, die zurück zum Kapitalismus will. [62]

Diese Aussagen sind eine Absage an die marxistisch-leninistische Theorie von der Rolle des Staates und daraus folgernd der  „Diktatur des Proletariats“. Die sich hinter den zuvor aufgeführten Zitaten versteckende klassenneutrale Staatsauffassung lässt die weiteren Forderungen logisch und konsequent klingen: das Recht auf Opposition, Gewaltentrennung, Abwählbarkeit etc. Opposition bedeutet vor dem Hintergrund solcher klassenneutralen Positionen jedoch nicht breit entwickelte Diskussionen um die Weiterentwicklung der sozialistischen Gesellschaft unter Anerkennung der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei, unter den Bedingungen der „Diktatur des Proletariats“ also, Opposition kann dann doch nur Opposition zur „Diktatur des Proletariats“ bedeuten...

Dass zur „Diktatur des Proletariats“ auch unterschiedliche Auffassung zur Vervollkommnung derselben gehören, ist einen Binsenweisheit, hierzu bedarf es keiner „Opposition“... Schon der Griff zu einem beliebigen Lexikon oder Duden erklärt den Begriff „Opposition“: „Opposition. Wesen. Opposition im weiteren (soziologischen) Sinne ist das Bestreben von Vereinigungen, Gruppen, Cliquen und Einzelpersonen, Ziele zu verwirklichen, die mit denen der Träger politischer, wirtschaftlicher und sozialer Autorität im Widerspruch stehen, gleichgültig, ob sie sich hierzu parlamentarischer oder sonstiger Methoden bedienen.“ [63] Oder: „Opposition <lat.>: 1) Gegensatz; Widerstand, Widerspruch; 2) die Gesamtheit aller von der jeweiligen Regierung ausgeschlossenen und mit deren Politik nicht einverstandenen Parteien und Gruppen.“ [64] Mit anderen Worten, bei Anwendung des anerkannten Oppositionsbegriffs bedeutet dieser inhaltlich nichts anderes als „Widerspruch“, „Widerstand“, „Widerspruch“ zu(r) „Diktatur des Proletariats“, zur sozialistischen Staatsmacht. Eine solche Art von „Opposition“ kann dann nur zur Plattform antisozialistischer, konterrevolutionärer Bestrebungen werden, zur Basis für die durch die proletarische Revolution entmachtete Ausbeuterklasse...

Die in DKP-Positionen zum Vorschein kommende klassenneutrale Staatsauffassung (einschließlich der dieser impliziten Absage an die „Diktatur des Proletariats“) ist jedoch ein Wesensmerkmal des  „demokratischen Sozialismus“ und lässt sich sowohl in programmatischen Texten der SPD als auch der PDS wieder finden. [65]

Die klassenneutrale Staatsauffassung der DKP-„Sozialismusvorstellungen“ (die auch in anderen bereits zitierten „Positionspapieren“ zum Vorschein kommt) zieht sich dann – logischerweise – auch durch die anderen, im Entwurf aufgestellten Forderungen hinsichtlich der Charakteristika einer zu erkämpfenden sozialistischen Gesellschaft. Greifen wir nur noch eine weitere heraus, um diese Aussage zu belegen: die Forderung nach der „Gewaltenteilung“ („Eine wirksame Trennung von Parlament, Regierung und Justiz“). Die Forderung nach einer „Gewaltenteilung“ gleicht der Beschreibung einer „fata morgana“. Eine „Gewaltenteilung“ gibt es nicht unter bürgerlich-demokratischen Verhältnissen, die letztendlich nichts anderes als „Diktatur der Bourgeoisie“ bedeuten, und sie wird es auch nicht im Sozialismus geben. Der Staat und seine Organe sind eben nichts anderes als Instrumente einer Klassendiktatur, entweder der Diktatur der Bourgeoisie oder der des Proletariats. Klassendiktatur oder Klassenherrschaft sind jedoch nicht teilbar!

Darum wird auch der demokratische Staat, solange es Ausbeuter gibt, die über die ausgebeutete Mehrheit herrschen, unvermeidlich eine Demokratie für die Ausbeuter sein. Der Staat der Ausgebeuteten muss sich von einem solchen Staat von Grund auf unterscheiden, er muss eine Demokratie für die Ausgebeuteten und Unterdrückung für die Ausbeuter sein, die Unterdrückung einer Klasse bedeutet aber, dass diese Klasse nicht gleichberechtigt ist, dass sie aus der ‚Demokratie‘ ausgeschaltet wird.“ [66]

Daher haben bereits Marx und Engels die bürgerliche Forderung nach „Gewaltenteilung“ abgelehnt: „Hier haben wir den alten Verfassungsunsinn. Die Voraussetzung für eine ‚freie Regierung‘ ist nicht die Trennung, sondern die Einheit der Gewalten. Die Regierungsmaschinerie kann gar nicht einfach genug sein. Es ist immer die Kunst der Spitzbuben, sie kompliziert und geheimnisvoll zu machen.“ [67]

Von der klassenneutralen Staatsauffassung in den DKP-„Sozialismusvorstellungen“ ausgehend, ist es nur logisch, dass sich diese zum Charakter des Staates, auch und insbesondere im Sozialismus nur sehr verschwommen und interpretierbar ausdrücken. Insbesondere fehlt jeder – wie auch immer formulierte -Hinweis darauf, dass „die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann [68] . Und dass es folgerichtig daher Aufgabe der proletarischen Revolution ist, „(...) nicht mehr wie bisher die bürokratisch-militärische Maschinerie aus einer Hand in die andere zu übertragen, sondern sie zu zerbrechen, und dies ist die Vorbedingung jeder wirklichen Volksrevolution auf dem Kontinent. [69]

B) Die DKP zur marxistisch-leninistischen Revolutionstheorie, zur Rolle der Partei der Arbeiterklasse, zu den politischen wie ökonomischen Grundbedingungen des Sozialismus

Unter der Zwischenüberschrift „Der Weg zum Sozialismus“ werden in den „Sozialismusvorstellungen“ hierzu im wesentlichen zwei Grundaussagen getroffen: „Das hauptsächliche Hindernis für den gesellschaftlichen Fortschritt stellt die ökonomische und politische Macht der Monopolbourgeoisie dar. Die Zurückdrängung und schließlich Überwindung der Herrschaft dieses mächtigsten Teils der Bourgeoisie ist deshalb die entscheidende Voraussetzung für die Öffnung des Weges zum Sozialismus. (...) Die DKP hält es für möglich und erstrebenswert, dass im Ergebnis des antimonopolistischen Kampfes grundlegende antimonopolistisch-demokratische Umgestaltungen durchgesetzt werden können, die den Weg zum Sozialismus frei machen.“ [70]

Das kann doch nichts anderes bedeuten, als dass sich der DKP-Entwurf eine gesellschaftliche Entwicklungsphase zwischen Kapitalismus und Sozialismus vorstellt, in der auf Basis eines Bündnisses „möglichst breite(r) gesellschaftliche(r) Kräfte“ „antimonopolistisch-demokratische Umgestaltungen“ vorgenommen werden, die „den Weg zum Sozialismus frei machen.“ Ist dies eine Neuauflage der „alten“ DKP-Forderung nach Errichtung einer „antimonopolistischen Demokratie“? Fakt ist, dass diese Aussagen eine Reihe von logischen Konsequenzen enthalten, zum einen die Vorstellungen eines möglichst breiten Bündnisses (bis einschließlich jener Teile der Bourgeoisie, die im Widerspruch zur Macht der staatsmonopolitischen Bourgeoisie stehen), des weiteren der Gedanke, dass dieses Bündnis die Voraussetzung für den „Weg zum Sozialismus“ ist, aber auch, dass die Beschreibung dieses Weges sehr vage gehalten wird (was heißt denn „den Weg zum Sozialismus frei machen“ konkret?).

Niemand wird bestreiten, dass die Schaffung eines breiten anti-imperialistischen Bündnisses mit dem Ziel der Schaffung einer anti-imperialistischen, anti-faschistischen und demokratischen Front unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Kräfte und in welcher organisatorisch-politischen Form auch immer für die Kommunisten Bestandteil des Kampfes für die sozialistische Revolution sind, dass es dabei darum geht, um mit Lenin zu sprechen, „Formen des Übergangs oder Herantretens an die proletarische Revolution ausfindig zu machen [71] Hierbei geht es jedoch einzig und allein um die Vorbereitung der proletarischen Revolution und die Errichtung der „revolutionären Diktatur des Proletariats“ (Marx/Engels)!

Die Debatte um diese Grundfrage der Strategie und Taktik der Kommunisten ist nicht neu und in der Geschichte der kommunistischen und Arbeiterbewegung mehrfach geführt worden. Bereits der Bericht des Genossen Georgi Dimitroff an den VII. Weltkongress der „Kommunistischen Internationale“ beschäftigt sich eingehend mit dieser Problematik, deshalb sei er hier nochmals kurz zitiert: „Ihr erinnert Euch, Genossen, dass auf unseren IV. Kongress 1922 die Frage der Losung der Arbeiterregierung oder der Arbeiter-und-Bauern-Regierung erörtert wurde. Hierbei handelt es sich um eine Frage, die der von uns heute gestellten analog ist. Die Debatten, die damals in der Kommunistischen Internationale über diese Frage geführt, und insbesondere die Fehler, die dabei gegangen wurden, haben auch heute noch Bedeutung für die Verschärfung unserer Wachsamkeit gegenüber der Gefahr, in dieser Frage nach rechts oder ‚links‘ von der bolschewistischen Linie abzuweichen. (...)

Vor fünfzehn Jahren hat uns Lenin aufgefordert, unsere ganze Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren, ‚Formen des Übergangs oder Herantretens an die proletarische Revolution ausfindig zu machen‘. (...) Die ‚linken‘ Doktrinäre haben stets diesen Hinweis Lenins umgangen. Als beschränkte Propagandisten haben sie immer nur vom ‚Ziel‘ gesprochen, ohne sich um die ‚Übergangsformen‘ zu kümmern. Die Rechtsopportunisten dagegen versuchen, ein besonderes‚ demokratisches Zwischenstadium‘ zwischen der Diktatur des Proletariats zu konstruieren, um in der Arbeiterbewegung die Illusion eines friedlichen parlamentarischen Spaziergangs aus der einen Diktatur in die andere zu erwecken. Dieses fiktive ‚Zwischenstadium‘ nannten sie gleichfalls ‚Übergangsform‘ und beriefen sich sogar auf Lenin! Aber es war nicht schwer, diesen Schwindel aufzudecken: sprach doch Lenin von einer Form des Übergangs und des Herantretens an die ‚proletarische Revolution‘, das heißt an den Sturz der Diktatur der Bourgeoisie, und nicht von irgendeiner Übergangsform zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Diktatur. (...)“ [72]

Das bedeutet jedoch, dass die zuvor zitierten Formulierungen der DKP-„Sozialismusvorstellungen“ zumindest so nebulös gehalten sind, dass sie Auslegungen erlauben, die eine Orientierung auf ein „demokratisches, antimonopolistisches Zwischenstadium“ zwischen Kapitalismus und Sozialismus und den logisch damit verbundenen „parlamentarischen Weg zum Sozialismus“ nicht ausschließen, sondern eher in seine Richtung weisen. Dies umso mehr, da der „friedliche Weg“ zum Sozialismus im weiteren Teil des bereits zitierten Unter-Abschnitts „Der Weg zum Sozialismus“ faktisch zur Regel und nicht zur seltenen Ausnahme erhoben wird, obwohl sich die Autoren durchaus der Gefahren bewusst zu sein scheinen: „Die Erfahrungen des Klassenkampfes lehren, dass die Monopolbourgeoisie, wenn sie ihre Macht und Privilegien bedroht sah, stets versucht hat, den gesellschaftlichen Fortschritt mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln bis hin zur Errichtung faschistischer Diktaturen und zur Entfesselung von Bürgerkriegen zu verhindern. Im harten Kampf muss ihr unvermeidlicher Widerstand überwunden und ein solches Übergewicht der zum Sozialismus strebenden Kräfte erreicht werden, dass es ermöglicht, die Reaktion an der Anwendung blutiger konterrevolutionärer Gewalt zu hindern und den für das arbeitende Volk günstigsten Weg zum Sozialismus durchzusetzen.“ Damit bleiben die „Sozialismusvorstellungen“ – wie an vielen und entscheidenden Stellen – im interpretierbaren Nebel unklarer Formulierungen stecken, die einiges Richtiges aussagen, die Konsequenzen hieraus jedoch nur sehr undeutlich ziehen und damit beliebig machen. Was bedeutet denn der „harte Kampf“ gegen die Gefahren des konterrevolutionären Terrors? Oder – was ist denn unter „Übergewicht der zum Sozialismus strebenden Kräfte“ zu verstehen, das in der Lage sei, der drohenden Konterrevolution Einhalt zu gebieten? Man möge in diesem Zusammenhang nur an die blutigen Erfahrungen von Chile erinnern. Gab es da nicht bereits ein „Übergewicht (wobei wir nun wirklich nicht in die Diskussion abgleiten sollten, wie schwer dieses Gewicht nun tatsächlich gewesen ist...) der zum Sozialismus strebenden Kräfte“?! Trotzdem siegte die faschistische Konterrevolution unter Pinochet, gerade weil sich die revolutionären Kräfte des Landes, einschließlich der Kommunisten (!), Illusionen über den „friedlichen Weg zum Sozialismus“ machten und eben nicht mit den bürgerlich-parlamentarischen Institutionen, der bürgerlichen Staatsmaschinerie radikal brachen, die „Diktatur des Proletariats“ errichteten, um mit allen Mitteln die faschistische Konterrevolution und den Widerstand der Ausbeuter zu zerschlagen!

Doch beginnt sich der Nebel aus Teilen der „Sozialismusvorstellungen“ im Rahmen der Programmdiskussionen bereits kräftig zu verziehen, wenn wir uns Texte einmal genauer betrachten, die im Rahmen der Programmdiskussion von Mitgliedern der DKP-Führung veröffentlich oder offensichtlich unterstützt wurden. Ordnet sich die DKP in ihren „Sozialismusvorstellungen“ zumindest noch verbal als „Partei der Arbeiterklasse“ ein und formuliert sie zurecht: „Sozialismus ist Herrschaft der Arbeiterklasse [73] , so wird diese richtige Positionierung inzwischen wieder bis fast zur Unkenntlichkeit verwässert, wenn z.B. die stellvertretende DKP-Vorsitzende Nina Hager, immerhin verantwortlich für die politische und ideologische Bildungsarbeit der Partei (!!), erklärt: „Nur muss beachtet werden: Wir können nicht voraussagen, welche sozialen Bewegungen und Klassenkräfte künftig unter welchen konkret historischen Bedingungen agieren werden, wenn die Frage des Sozialismus direkt steht. Dies betrifft Übergangsformen ebenso wie die Gestaltung der neuen Gesellschaft. Wie wird dann die Welt aussehen? [74] Nun verlangt ja niemand von Nina Hager, in die Kristallkugel zu schauen, aber dass die stellvertretende DKP-Vorsitzende nun gar nichts mehr zu erkennen scheint und jedwede Vorstellungen über Sozialismus, seine Grundvoraussetzungen und die ihn erkämpfenden und tragenden Hauptkräfte in das Reich der Beliebigkeit schiebt, untergräbt ganz objektiv die Aussage in DKP-Dokumenten, die DKP sei die Partei der Arbeiterklasse. Und es drängt sich zumindest die Frage auf, ob Nina Hager hinter der Frage „Wie wird die dann die Welt aussehen?“ nicht die Aussage versteckt, dass die Arbeiterklasse „bis dahin“ verschwunden oder ihre Rolle aber marginalisiert sein könnte. Vor diesem Hintergrund wird es auf jeden Fall verständlich, das inzwischen auch wesentlich offensiver formuliert wird: „Der Begriff ‚Arbeiterklasse’ taugt dafür immer weniger.“ [75]

Und auch in anderen wichtigen Fragen, so z.B. der ökonomischen Struktur der sozialistischen Gesellschaft, bleiben die „Sozialismusvorstellungen“ vage und/oder widersprüchlich, d.h. sie verbinden z.T. richtige Aussagen mit diesen direkt oder indirekt widersprechenden Positionen, reihen teilweise eklektisch Unterschiedliches aneinander. So steht z.B. im Entwurf: „Grundlage sozialistischer Produktionsverhältnisse ist die Vergesellschaftung der entscheidenden (Hervorhebung vom Verf.) Produktionsmittel.“ Welche Produktionsmittel sind mit „entscheidend“ gemeint? „Der Hauptinhalt der ersten Schritte zum Sozialismus, den unsere Generationen gehen werden, besteht im Aufbau einer sozialistischen Selbstverwaltung?“ Bedeutet dies eine Anlehnung an das „jugoslawische Modell“ der so genannten „Selbstverwaltung“, die, wie wir wissen, den Charakter der sozialistischen Produktionsverhältnisse unterminierte? Was also bedeutet „Selbstverwaltung“ in Bezug auf die im Entwurf eingestanden notwendige „gesellschaftliche Planung und Leitung“ im Sozialismus? Fragen ohne Antworten in den „Sozialismusvorstellungen“, doch seither hat sich auch der Schleier von diesen „offenen Fragen“ ein wenig gelüftet und man kann zumindest die Richtung erahnen (oder befürchten), in die die Diskussion wohl gehen wird/soll. Wiederum im Rahmen der Programmdiskussion werden Antworten der „Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF)“ angeboten: „Wir müssen begreifen, dass die Nationalisierung kein Selbstzweck, kein Allheilmittel und Dogma ist, sondern ein ganz konkretes Mittel, um anstehende Probleme zu lösen.“ [76]

Wie der Sozialismus nach Vorstellungen der DKP-Führung aussehen soll, beschreibt uns  der von vielen als „DKP-Cheftheoretiker“ angesehene Robert Steigerwald in aller Offenheit, während Nina Hager sich die Zukunft der Welt ja angeblich nicht sehr konkret vorstellen kann.: 1999 veröffentlichte der GNN-Verlag das Buch „Gegen den Zeitgeist. Zwei deutsche Staaten in der Geschichte". Herausgeber des Buches sind: Gerhard Fischer, Hans-Joachim Krusch, Hans Modrow, Wolfgang Richter, Robert Steigerwald. Man kann dieses Buch also durchaus als Gemeinschaftsprojekt aus DKP und PDS sehen. Diese Sicht der Dinge erscheint mir nicht an den Haaren herbeigezogen, wird sie doch faktisch vom stellvertretenden DKP-Parteivorsitzenden und UZ-Chefredakteur Rolf Priemer in einem Schreiben an den Genossen Hans Schröter vom 5.3.99 (siehe "offen-siv", März/April Ausgabe 1999, S. 22) bestätigt. Genosse Schröter hatte der DKP-Parteizeitung eine kritische Stellungnahme geschickt, doch die UZ druckte diese nicht ab; stattdessen schrieb Rolf Priemer u.a. folgendes: „Lieber Genosse Hans, (...) Wir wollen den Text nicht veröffentlichen. Wir haben nach Herausgabe des Buches ‚Gegen den Zeitgeist' (Ende Januar 1999) und der Geschichtskonferenz von PDS/DKP-Geschichtskommission/Marx-Engels-Stiftung (Ende Februar 1999) einige Verabredungen getroffen. (...)“. Mit anderen Worten: dieses Buch ist nicht irgendein Buch, sondern eine höchst offizielle „Verabredung“, hat deshalb unzweifelhaft die Aufgabe, Politik zu machen und politische Positionen zu vertreten bzw. für diese auch innerhalb der DKP zu werben.

Im abschließenden Aufsatz dieses Buches (der wohl als eine wertende Zusammenfassung aller abgedruckten Aufsätze und/oder  als Resümee gelten kann) schreiben Harald Neubert (PDS) [77] und Robert Steigerwald gemeinsam (!) einen in die Zukunft weisenden Artikel unter der Überschrift: "Für einen anderen Fortschritt, für einen neuen Sozialismus".

In diesem Text heißt es u.a.:

“(...) Es wäre auch falsch, wie in der Vergangenheit ein universelles und sogar für alle verbindliches Sozialismusmodell zu postulieren. Es wird vielerlei Arten geben, eine antikapitalistische, ausbeutungsfreie, nicht der profitablen Kapitalverwertung gehorchende Gesellschaftsordnung zu gestalten. Wie schon in den siebziger Jahren die Französische Kommunistische Partei formulierte, wird in jedem Land der Sozialismus so aussehen, wie ihn die Menschen, die politischen Kräfte und Parteien, die an seiner Gestaltung teilnehmen, wünschen. (...)

Somit hat sein Scheitern (des realen Sozialismus in Ost-Europa, d. Verf.) deutlich gemacht, dass die ökonomische, soziale, politische, geistig-kulturelle Funktionsweise dieser Gesellschaften nicht in die Zukunft projiziert werden, nicht als Matrize eines künftigen Sozialismus gelten kann. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, andere Problemlösungen, andere Funktionsweisen einer nichtkapitalistischen Gesellschaft theoretisch zu erkunden, ohne jedoch erneut fertige Modelle zu konstruieren, die der Realität oktroyiert werden sollen. (...)

Doch gerade hinsichtlich der Gestaltung und Struktur der Eigentumsverhältnisse auf dem Gebiet der Produktionsmittel sind im Vergleich zum gescheiterten Sozialismus neue Überlegungen notwendig. (...) Eine solche Lösung der Eigentumsfrage macht es - ebenfalls im Unterschied zu den realsozialistischen Erfahrungen - erforderlich, dass Erzeugnisse über den Markt in den wirtschaftlichen Kreislauf gelangen und dass zur Berechnung der Arbeits- und Materialaufwandes das Wertgesetz beachtet wird.

Es wird deutlich, dass ein Sozialismus der Zukunft nicht allein den Interessen der Arbeiterklasse dient, dass er nicht allein der Erfüllung der historischen Mission einer Klasse sein kann, wie das in der Vergangenheit angenommen wurde. Sozialismus muss das Überleben der ganzen Menschheit gegen die verheerenden Wirkungen der modernen Zivilisation sichern (...). Sozialismus ist somit zur Menschheitsaufgabe geworden. (...)

Eine - in der Vergangenheit praktizierte - Option, nach der eine revolutionäre Elite staatsstreichartig die Macht in der Hoffnung ergreift, um erst post actum die Mehrheit zu gewinnen, ist auszuschließen. (...)

Vorauszusehen ist, dass es sich beim Weg zu einem neuen Sozialismus um einen Weg über verschiedenen Etappen handelt, ohne dass man bereits sagen kann, wie deren Abfolge sein wird. Diese hängt von der konkreten Situation, von der Entwicklung der sozialen und politischen Widersprüche, von der Dynamik der Kräfteverhältnisse, von den Einsichten und Aktivitäten der demokratischen Mehrheiten, von der Rolle der Gegenkräfte usw. ab. Daraus ergibt sich, dass der Umbruch zum Sozialismus in Gestalt eines einzelnen, kurzen, radikalen Schlags eher unwahrscheinlich ist, dass es vielmehr eine Reihe von Brüchen geben wird - jeweils auf verschiedenen Gebieten und abhängig vom jeweiligen Kräfteverhältnis - und dass diese Brüche teils nacheinander, teils nebeneinander stattfinden können." So oder ähnlich formuliert, können wir diese Positionen bereits seit Jahren auch von Vertretern des "demokratischen Sozialismus" hören...

Welche Aussagen treffen die „Sozialismusvorstellungen“ nun – auch in diesem Zusammenhang – zur Rolle der Kommunisten und ihrer Partei?

Welchen Platz hat eine kommunistische Partei künftig im politischen System der sozialistischen Gesellschaft? Sie betrachtet es als ihre Aufgabe, im Wettstreit mit anderen politischen Kräften um die besten politischen Ideen und Initiativen immer wieder aufs Neue das Vertrauen des arbeitenden Volkes und maßgeblichen Einfluss zu erringen. Die kommunistische Partei wird im Sozialismus vor allem strategische Orientierungen für die weitere Gestaltung des Sozialismus erarbeiten und versuchen, dafür Mehrheiten zu gewinnen, sozialistisches Bewusstsein in den Massen zu entwickeln und sie für den Aufbau des Sozialismus und seine Verteidigung gegen alle Versuche zur Wiederherstellung kapitalistischer Verhältnisse zu mobilisieren.“ [78]

Zunächst einmal sei festgehalten, was nicht über den Charakter der kommunistischen Partei und ihrer Rolle in den „Sozialismusvorstellungen“ ausgesagt wird:

a) die kommunistische Partei ist als marxistisch-leninistische Avantgarde der Arbeiterklasse die führende Kraft im Kampf für die proletarische Revolution und bei der Leitung der „Diktatur des Proletariats“. Dies kann (und unter bestimmten Bedingungen ‚muss‘) allerdings im festen Bündnis mit anderen politischen und sozialen Kräften und Organisationen geschehen;

b) die kommunistische Partei orientiert sich als „Partei neuen Typs“ im Leninschen Sinne am Marxismus-Leninismus , dem Demokratischen Zentralismus und dem Proletarischen Internationalismus. Dies schließt den permanenten ideologischen Kampf gegen alle Formen des ‚Links‘- und Rechtsopportunismus mit ein, was zum Beispiel auch bedeutet, dass sich die Partei zum einen zwar von anderen Sozialismusvorstellungen abgrenzt, jedoch im revolutionären, anti-imperialistischen Kampf Bündnisse mit Vertretern solcher Vorstellungen eingehen kann;

c) die kommunistische Partei muss in der Lage sein, alle Kampfformen zu beherrschen, um das Proletariat zur siegreichen Revolution zu führen.

Was in den „Sozialismusvorstellungen“ übrig bleibt, sind – wieder einmal – widersprüchliche, vage Formulierungen und Aussagen, die kleinbürgerlich-pluralistischen Vorstellungen Tür und Tor öffnen. Was bedeutet denn der „Wettstreit mit anderen politischen Kräften“ und dass die kommunistische Partei „versuchen (müsse), dafür (gemeint sind ihre Ideen und Vorstellungen, d.Verf.) Mehrheiten zu gewinnen“? Wo und wie soll dieser „Wettstreit“ ausgefochten werden? Im Parlament? Im außerparlamentarischen Rahmen, auf der Straße? Wie sieht denn der Charakter dieses „Wettstreites“ und der daran beteiligten „anderen politischen Kräfte“ aus? Kann und darf es etwa eine Abwählbarkeit des Sozialismus, der „Diktatur des Proletariats“, geben? Fragen, die konsequenterweise durch solche vagen Formulierungen aufkommen müssen, jedoch nicht klar und eindeutig beantwortet werden. Man kann sich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass hinter diesen Formulierungen Vorstellungen von „reiner Demokratie“ verborgen sind. Und in diesem Sinne gilt immer noch die alte, durch die geschichtliche Realität wissenschaftlich bestätigte Erkenntnis von Engels, dass am Tage der Entscheidung, dass im Ringen um die proletarische Revolution und die Verteidigung derselben „unser einziger Gegner (...) die um die reine Demokratie sich gruppierende Gesamtreaktion (ist), und das, glaube ich, darf nicht aus den Augen verloren werden.“ [79] ist.

In einem Interview mit der PDS-Mitgliederzeitschrift „disput“ aus dem Jahr 1994 (!) beschreibt der DKP-Vorsitzende Stehr offensichtliche einige Vorzüge der DKP aus seiner Sicht, indem er betont, dass „die DKP erst einmal politisch sehr heterogen zusammengesetzt [80] ist. Diese Heterogenität und ihre Konsequenzen wurden aber auch noch deutlicher in der Wochenzeitung der Partei dargestellt: „Den dialektischen Materialismus demokratisch und streitbar diskutieren und weiter entwickeln. Einen offenen Meinungsaustausch führen mit anderen antikapitalistischen Gruppen wie Gewerkschaftslinken, PDS, kommunistischer Plattform in der PDS, SAV, Trotzkisten, Autonomen, Umweltschützern, linken Kirchengruppen u.a.m. Und gemeinsame Aktionen mit ihnen anregen, organisieren. Nur gemeinsam ist ein revolutionärer Aufschwung denkbar. Und dies muss sich auch in einer zukünftigen pluralistischen Organisationsform des Sozialismus wieder finden.“ [81] Wo bleibt in diesem Zusammenhang die kommunistische Partei als revolutionäre Kampfpartei der Arbeiterklasse? „Heterogen zusammengesetzt“ und unerkenntlich aufgegangen in breiten linken Bündnissen und Diskussionen?

C) Die DKP zur Leninschen Imperialismustheorie und ihre Positionierung zur so genannten „Neuen Weltordnung

In offiziellen Dokumenten (so den „Sozialismusvorstellungen“) hat die DKP sich bisher auf keine einheitliche und umfassende Imperialismusanalyse festgelegt. Deutlicheres ist allerdings für die Programmdebatte zu erwarten. Um also einen Eindruck vom Stand der Diskussionen hinsichtlich der Bestimmung des Charakters des Imperialismus in der DKP zu bekommen, greifen wir uns deshalb grundlegende Aussagen von Mitgliedern der DKP-Führung heraus, die durchaus als richtungweisend angesehen werden müssen.

Wohl inspiriert von ehemaligen Revolutionären und Ex-Kommunisten Lateinamerikas, die das so genannte “Sao Paolo Forum“ [82]   dominieren, gehört das DKP-Sekretariats- und Parteivorstandsmitglied Leo Mayer zu jenen Vertretern theoretischer Konzeptionen um die Begriffe „Neoliberalismus“, „Modernisierung“ und „Globalisierung“, die sich am offensten und deutlichsten klassisch sozialdemokratischem Gedankengut nähern bzw. dieses in wesentlichen Bereichen bereits aufgenommen haben.

Einige ihrer Kernaussagen lassen sich wie folgt beschreiben und zitieren:

a) der heutige Imperialismus habe seinen Charakter dramatisch verändert: „Es reicht nicht aus, den heutigen Kapitalismus als Monopolkapitalismus zu definieren. Der Kapitalismus von heute ist nicht der Kapitalismus der Zeiten von Karl Marx und Friedrich Engels. Der Kapitalismus von heute ist auch nicht der Imperialismus der Zeit Lenins. Der Imperialismus von heute ist der Kapitalismus im Prozess der Globalisierung.“ [83]   Und auch für den DKP-Vorsitzenden Heinz Stehr befindet sich der Imperialismus in einer „neuen Phase“: „Wir befinden uns in einer neuen Phase oder Etappe, oder wie auch immer der Begriff gekennzeichnet ist, der Entwicklung des Imperialismus. [84]

b) daraus ergibt sich für die Anhänger der verschiedenen „Neoliberalismus-Konzeptionen“, dass die Rolle der Nationalstaaten abnehme und es zu einer rasanten Internationalisierung und Verschmelzung der transnationalen Konzerne und der von ihnen beherrschten Institutionen komme. Das wird dann „Globalisierung“ genannt: „Die Transnationalen Konzerne entziehen sich zunehmend der Einflussmöglichkeit der nationalen Staaten und bilden internationale Netze.“ [85] Internationaler Kapitalismus bedeutet heute auch nicht einmal mehr nur ‚Transnationale Konzerne’, sondern das System in all seinen Verwertungsbedingungen ist heute international: Forschung und internationale Entwicklung, Produktion, Absatz, Kommunikation, Kapitalströme. Transnationale Konzerne sind die beherrschenden und strukturbestimmenden Kapitalien auf dem Weltmarkt. [86] Wer das so sieht, der verbreitet allerdings keine „neue Erkenntnis“, der landet letztlich und schlicht und einfach beim sozialdemokratisch-revisionistischen Theoretiker Karl Kautsky, der im scharfen Gegensatz zu Lenin und seiner Imperialismustheorie und -analyse ebenfalls eine „neue Phase der Entwicklung“ des Imperialismus zu erkennen glaubte und vermutete, „ob es nicht möglich sei, dass die jetzige imperialistische Politik durch eine neue, ultraimperialistische verdrängt werde, die an Stelle des Kampfes der nationalen Finanzkapitale untereinander die gemeinsame Ausbeutung  der Welt durch das international verbündete Finanzkapital setzte. Eine solche neue Phase des Kapitalismus ist jedenfalls denkbar.“ [87] In der Logik dieser Gedankengänge liegt damals wie heute die sich aus ihnen ergebene Konsequenz, den – im Leninischen Sinne – prinzipiell kriegerischen und räuberischen Charakter des Imperialismus zu relativieren und die wachsende Kriegesgefahr, insbesondere heute im Rahmen der so genannten „Neuen Weltordnung“, nicht sehen zu können oder zu wollen.

c) somit ist es auch nicht mehr verwunderlich, dass viele Anhänger der verschiedenen „Neoliberalismus-Konzeptionen“ – wie der „alte Kautsky“ – Lenins Imperialismustheorie in Gänze für überholt halten und ablehnen. Für Leo Mayer bedeutet dies: „Wegkommen von Lenin!“ [88]

d) die Anhänger der  verschiedenen Spielarten der „Neoliberalismus-Konzeptionen“ unterschätzen (zumindest!) nicht nur die wachsende Kriegsgefahr, sie relativieren allerdings auch die zunehmenden Tendenzen in den imperialistischen Metropolen zur reaktionären Formierung und Ausrichtung der Gesellschaft (einschließlich durchaus terroristischer Varianten): „Reaktionäre bis hin zu terroristischen Formen kapitalistischer Machtverhältnisse sind heute kaum vorstellbar.“ [89] Obwohl der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr seine Aussage im nachfolgenden Abschnitt seines Referates zum Teil wieder einschränkt und zurücknimmt, belegt sie dennoch die Stoßrichtung seiner Gedankengänge (im Rahmen der Programmdiskussion!).

Inzwischen scheint die DKP-Führung für die „Neoliberalismus-Konzeption“ neue Kleider gefunden zu haben. Sie firmieren unter „kollektivem Imperialismus“. Dass dies wiederum alter Wein in neuen Schläuchen ist, bestätigt die Einleitung zu einem entsprechenden Artikel in der UZ: „Nach dem Ende der Systemauseinandersetzung war von Teilen der Linken erwartet worden, dass die zwischenimperialistischen Widersprüche zur dominierenden Komponente der internationalen Beziehungen werden. Die zurückliegenden zehn Jahre geben jedoch wenig Anhaltspunkte für diese Einschätzung. Selbst unter den Bedingungen einer rezessiven Entwicklung der Weltkonjunktur verschärft sich zwar der Konkurrenzkampf der Monopole, aber nicht die Rivalität zwischen den imperialistischen Zentren.“ [90]

Auch weil die Anhänger der „Neoliberalismus-Konzeptionen“ von Lenin „wegkommen wollen“, reduziert sich ihre Sichtweise der Leninschen Imperialismustheorie in der Regel auf die Betrachtung der Entwicklung  der Transnationalen Konzerne und der von ihnen abhängigen oder dominierten Institutionen sowie der internationalen Verwertungsbedingungen des Kapitals. Aus ihren Analysen ergibt sich dann die angebliche „Überholtheit“ der Leninschen Imperialismustheorie, da sich der Imperialismus ja angeblich in einer „neuen Phase“ seiner Entwicklung befinde. Alle anderen Aspekte und Charakteristika der Leninschen Imperialismustheorie, die von W.I. Lenin ausdrücklich als gleichwertig angesehen wurden, werden von den Anhängern der „Neoliberalismus-Konzeptionen“ aus ihren Betrachtungen ausgeschlossen, was die „Sichtweise auf Lenin“ nicht nur auf einige ökonomische Aspekte verengt, sonder die gesamte Leninische Imperialismustheorie bewusst verkrüppelt. Indem die Aussagen Lenins zum Imperialismus und seinem prinzipiellen Charakter sozusagen entkernt werden, soll die Leninische Imperialismustheorie stillschweigend begraben werden – mit all den sich daraus ergebenen politischen Konsequenzen für Strategie und Taktik der Kommunisten und anderer Revolutionäre. Der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr hat also vollkommen recht, wenn er in seiner bereits zitierten Rede „Zum Stand der Erarbeitung eines neuen DKP-Parteiprogramms“ auch ausführt: „In der Frage nach der gesellschaftlichen Perspektive Sozialismus/Kommunismus kulminieren alle anderen Problemstellungen. Die Imperialismusanalyse aber ist gewissermaßen das Fundament, auf dem alle Überlegungen für Abwehr- und Reformkräfte, für die mögliche Formierung von Gegenkräften usw. aufbauen.“ [91]

Richtig, denn diese Konsequenzen sieht man bereits auf der Parteivorstandstagung, die im Juli 1999 den imperialistischen Krieg gegen Jugoslawien auswertete: „(...) Mit dieser Parteivorstandstagung können wir eine erste Bilanz der Folgen des Krieges ziehen, und wir sind gefordert, die jüngsten Verhandlungen zum Plan der G8 zu bewerten. (...)

Wir unterstützen voll und ganz die Entschließung des Friedensratschlages in Kassel ‚Zwölf Punkte für den Frieden’ und die Anregungen des Bundesausschusses Friedensratschlag für die Friedensbewegung ‚Unser Nein zum NATO-Krieg bleibt’. Die darin enthaltenen Aktionsvorschläge zu zentralen und regionalen Aktionen, aber auch bei erneuten Eskalationen zu zentralen Aktionen, werden von uns nach Kräften unterstützt.

Die Verhinderung von Kriegen, die Durchsetzung einer weltweiten Friedensordnung - das sind die wesentlichen politischen Herausforderungen am Ende dieses zweiten Jahrtausends.“ [92]

Die Bilanz, die der DKP-Parteivorstand aus dem NATO-Aggressionskrieg gegen Jugoslawien zieht, lässt die notwendige Handschrift einer kommunistischen Partei im imperialistischen Deutschland vermissen. Zwar werden die fürchterlichen Kriegsschäden korrekt aufgelistet (hier aus Platzgründen herausgekürzt), für die die NATO-Aggressoren die Verantwortung tragen, doch wer eine genauere Analyse der sich verändernden – sprich: stärkeren, aggressiveren – Rolle des deutschen Imperialismus im Rahmen der so genannten „Neuen Weltordnung“ nach dem Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern erwartet, der wird enttäuscht werden. Es gibt lediglich den faktisch auf das Niveau eines Nebensatzes degradierten Verweis auf nicht näher definierte weitere Analysen und Veröffentlichungen der DKP. Es ist jedoch kaum möglich, die Strategie einer kommunistischen Partei zu entwickeln, ohne die Strategie des imperialistischen Gegners einer genauen Analyse zu unterziehen. Zur so genannten „Neuen Weltordnung“ gehört nicht nur die immer aggressivere Rolle des deutschen Imperialismus als Hegemon in Europa, die faktische Liquidierung und/oder Degradierung der UNO und jeglicher internationaler Rechtsnormen (nicht nur im Krieg gegen Jugoslawien!), die auch mit Bomben und Kanonen versuchte imperialistische Neuaufteilung der Welt (Stichworte: Krieg gegen Afghanistan als „Kampagne gegen den internationalen Terrorismus“ geführt, anhaltender Krieg gegen den Irak, imperialistische Destabilisierung der national-demokratischen Regierung in der Demokratischen Republik Congo, der Kampf um die Ausbeutung des Ölreichtums in der benachbarten Republik Congo <Brazzaville>, der mit allen Mitteln geführte imperialistische Destabilisierungskrieg gegen das sozialistische Cuba etc.), die wachsende und mit immer härteren Bandagen ausgefochtene Konkurrenz unter den imperialistischen Hauptmächten um Einfluss, Märkte, geostrategische Positionen und Rohstoffe und die damit verbundene anwachsende Kriegsgefahr, die wachsende Repression in den Zentren des Imperialismus (vor allem auch in der BRD) zur Absicherung der Aggression nach außen wie der Stabilisierung des imperialistischen Systems nach innen, der Frontalangriff auf sämtliche demokratischen und sozialen Errungenschaft in den Zentren des Imperialismus im Verbund mit den immer hemmungsloseren imperialistischen Ausplünderung des Trikont, es geht „schlicht und einfach“ um eine Charakterisierung der Epoche, in der wir leben, um eine Analyse der Imperialismus heute sowie der spezifischen Rolle des BRD-Imperialismus. Kurzum: es geht um eine Standortbestimmung für die und der Kommunisten in der BRD!

Wer den Imperialismus heute „unter die Lupe nimmt“, der wird sehr schnell zu der Erkenntnis kommen (müssen), dass die Instrumentarien der Leninschen Imperialismusanalyse und –Definition nach wie vor aktuell sind und daher zu den Fundamenten einer kommunistischen Partei bei ihrer Strategieentwicklung gehören (müssen). Ist es diese klare und eindeutige Aussage, die der DKP-Parteivorstand vermeiden will? Sich einer Antwort auf diese Frage zu nähern ist man jedoch nur in der Lage, wenn man sich einmal die Diskussionen und Entwicklungen innerhalb der DKP in den letzten Jahren anschaut. Darüber jedoch später etwas mehr...

Einige Konsequenzen aus der fehlenden „kommunistischen Standortbestimmungen“ werden jedoch bereits im Hauptreferat der eben erwähnten DKP-PV-Tagung deutlich: die Orientierung auf die von der „Friedensbewegung“ im Rahmen des „Kasseler Friedensratschlages“ vorgeschlagenen Aktionen sowie die Forderung nach „Verhinderung von Kriegen“ und der „Durchsetzung einer weltweiten Friedensordnung“. Eigenständiges Auftreten der Kommunisten - sei es in Analysen, Forderungen und Aktionen - über die vage Unterstützung von Aktionen anderer politischer Kräfte (was niemand ernsthaft kritisieren wird, sofern sich diese als politisch sinnvoll und realistisch erweisen) hinaus: Fehlanzeige! Von einer Bewertung dessen, was sich gemeinhin als „Friedensbewegung“ bezeichnet oder als solche bezeichnet wird, um so die strategische und taktisch definierte Rolle der Kommunisten in dieser Art von Bündnissen auszuloten und für alle deutlich erkennbar anzugeben, wagt man angesichts dieser Dürftigkeit schon gar nicht mehr zu träumen... Was vor diesem Hintergrund die Forderung nach einer „Durchsetzung einer weltweiten Friedensordnung“ eigentlich bedeuten kann, traut man sich dann gar nicht mehr zu fragen...Könnte die kritische Hinterfragung dieser Forderung nicht die berühmt-berüchtigte „Büchse der Pandorra“ öffnen? Denn: welche Kräfte sollen diese „weltweite Friedensordnung“ denn durchsetzen? Leben wir zur Zeit nicht (immer noch!) in der Phase der so genannten „Neuen Weltordnung“, die man auch mit anhaltender und weltweiter Konterrevolution übersetzen kann? Ist der Imperialismus etwa „friedensfähig“?

Integraler Bestandteil der Leninschen Imperialismustheorie ist die Rolle des Opportunismus (und all seiner Spielarten) in der Arbeiterbewegung. Eine unübersehbare Lehre aus der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern ist gerade auch in diesem Zusammenhang die marxistisch-leninistische Aufarbeitung der Rolle des Revisionismus in der kommunistischen Weltbewegung, der in den sozialistischen Ländern den Boden für die Konterrevolution bereitete. In den „Sozialismusvorstellungen“ finden wir dazu nur eine höchst vage Formulierung: „Unter inneren und äußeren Einflüssen gewannen schließlich opportunistische Einstellungen die Oberhand, die mehr und mehr zum Verfall des revolutionären Charakters der Sowjetgesellschaft und der Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus führten, die das Eindringen der bürgerlichen Ideologie begünstigten und schließlich den Zusammenbruch des Sowjetsystems und, im Zusammenhang damit, der anderen sozialistischen Staaten bewirkten.“ Hier werden weder Ross noch Reiter genannt und damit wird die Aussage beliebig, interpretierbar und nutzlos. Wie sehen denn die genannten „opportunistische(n) Einstellungen“ ganz konkret aus? An welchen Inhalten machen sie sich fest? Hat die DKP die Lehren daraus gezogen und diese Einstellungen überwunden? Es werden also auch an dieser Stelle wieder einmal mehr Fragen aufgeworfen, als – notwendigerweise! – Antworten gegeben. Wie kann man allerdings eine klare Aussage hinsichtlich der konterrevolutionären Rolle des Revisionismus vermeiden und gleichzeitig Lehren daraus ziehen, um nicht wieder in die gleichen Fallen zu stolpern? Eine Antwort auf diese für die kommunistische Bewegung brennend wichtige Frage geben die „Sozialismusvorstellungen“ jedenfalls nicht... Deutlicher werden dann führende DKP-Funktionäre an anderer Stelle. Die Begründung für die Polemiken der DKP-Führung gegen die von den Zeitschriften „offen-siv“ und „RotFuchs“ organisierte internationale „Imperialismus-Konferenz“ im Oktober 2000 habe ich ja bereits oben zitiert: „Die Konferenz  war von der Anlage her, aber auch von einigen gehaltenen Beiträgen (...) gegen die Politik und Organisation der DKP gerichtet. Sie diente der Formierung einer Position, die sich selbst als antirevisionistisch und marxistisch-leninistisch bezeichnet, in der Praxis eher sektiererisch und dogmatisch ist. Die Konferenz schadete dem Ansehen der DKP international und im Lande.“ [93] Das ist bereits eine mehr als deutliche Ablehnung jeglicher antirevisionistischer Analyse und Positionierung. . „Es gibt allerdings Positionen in der DKP, die die humanistischen Grundlagen des Marxismus in Frage stellen. (...) In dieser Debatte (über die „Sozialismusvorstellungen“, d. Verf.)  wurde aber auch in Frage gestellt, dass Institutionen bürgerlicher Demokratie durch die Arbeiterbewegung überhaupt genutzt werden könnten. Diese Position widerspricht allen historischen Erfahrungen. Andererseits wurden und werden dann in der Diskussion Fehler, Irrtümer, Deformationen und die Verletzung der Gesetzlichkeit usw. in den sozialistischen Staaten geleugnet oder heruntergespielt. Auch das ist problematisch im Hinblick auf die humanistischen Grundlagen unserer Weltanschauung.“ [94] Der Hammer des „Anti-Humanismus-Vorwurfes“ lässt sich ganz angenehm aus dem Nebel heraus gegen Kritiker schwingen, da die eigenen Positionen höchstens in Ansätzen erkennbar gemacht werden müssen. Damit wird dann automatisch jede antirevisionistische Position ganz einfach „anti-humanistisch“. Logische Konsequenz hieraus ist doch nur, dass man – will man sich ersparen, als ein den Humanismus verachtender Blutsäufer isoliert zu werden – Kritik an Positionen in DKP-Papieren oder von Führungsmitgliedern der Partei lediglich von revisionistischen, also rechten Positionen aus vortragen kann. Wir sehen, vor jede Art antirevisionistischer Kritik ist von Seiten der Parteiführung eine Mauer gezogen worden, die vorgeblich „Dogmatismus“, „Sektierertum“ und „Anti-Humanismus“ fernhalten soll. Damit kommen wir des Pudels Kern schon etwas näher: „Die Geister scheiden sich offensichtlich am XX. Parteitag des KPdSU, genauer genommen an der Einschätzung bestimmter Grundfrage der Geschichte der kommunistischen Bewegung. (...) Dann wird aber auch klar werden, dass die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der DKP nicht bereit sein dürfte, sich auf den Weg zurück zu gewissen theoretischen, politischen und praktischen Positionen aus der Stalin-Zeit zu begeben. Wer diesen Weg gehen will, mag dies tun und dafür auch werben, die DKP wird diesen Weg nicht gehen, dessen bin ich sicher.“ [95] Welche Sicht der Dinge sich die Mitglieder der DKP zum XX. Parteitag jedoch aneignen sollen, schreibt der PDS-Politiker Harald Neubert(!!) ebenfalls in der DKP-Parteizeitung UZ: „Um zum Schluss auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, sei resümierend gesagt, dass es nicht die vom Parteitag bewirkte Wende, sondern die unzureichende, halbherzige Wende war, die den Keim in sich trug, dass es schließlich zum Zusammenbruch des realen Sozialismus kam.“ [96] Ähnlich hatte dies die Geschichtskommission der DKP in einem Grundsatzpapier 1994 (!!) formuliert: „Immer wieder hören wir in der Diskussion die Ansicht, mit dem 20. Parteitag der KPdSU und dem damit verbundenen Bruch in der kommunistischen Politik habe der Niedergang der kommunistischen Weltbewegung begonnen. Wir halten dies für falsch. Unsere Kritik am 20. Parteitag ist entgegengesetzt. Wir kritisieren seine Inkonsequenz (...).“ [97] Wer so schreibt, der scheint tatsächlich der Auffassung zu sein, als hätte sozusagen eine „geschichtliche Vorverlegung“ von Gorbatschows „Perestroika“ und „Glasnost“, die sich ja ganz offen als Fortsetzung und Vertiefung des mit dem XX. Parteitag der KPdSU eingeschlagenen Weges verstanden, den „Sozialismus retten können“. Den Gifttod also mit Hilfe des Schluckens von Zyankali verhindern?

Wie auch immer, eines verschweigen uns all diese Autoren, die sich so heftig gegen eine intensive Ursachendiskussion über revisionistische Entwicklungen in der kommunistischen Weltbewegung wehren: den tatsächlichen „Bruch in der kommunistischen Politik“, die die Beschlüsse des XX. Parteitages (in der Regel werden diese auf eine mehr oder weniger oberflächliche „Stalin-Diskussion“ reduziert) bedeuteten: „Das bedeutendste Ereignis war, dass der XX. Parteitag die - in der damaligen historischen Situation - richtige Position verwarf, dass sich vor allem der Klassenkampf verschärfte. (...)

Theoretische Ansichten wurden kultiviert oder Optionen bevorzugt, die eine Abweichung von unserer Theorie, eine Verletzung ihrer grundlegenden Prinzipien bedeuteten. Die Kampffront gegen den Imperialismus und Revisionismus wurde geschwächt.

In einigen Fällen wurden falsche Theorien angenommen, die nichts mit den Realitäten zu tun hatten oder schlicht Fragen des Aufbaus des Sozialismus simplifizierten, so z.B. die Theorien, die einen raschen Übergang zum entwickelten Sozialismus und Kommunismus verlangten und so den komplexen und langfristigen Charakter der Übergangsperiode (siehe XX. Parteitag) unterschätzten, Theorien über den ‘Staat des gesamten Volkes’, der ‘Partei des gesamten Volkes’ und der ‘Demokratie des gesamten Volkes’.

Die vom XX. Parteitag beschlossenen Orientierungen auf ‘eine Vielzahl von Übergangsformen in verschiedenen Ländern unter bestimmten Bedingungen zum Sozialismus’ wurden von den Führungen Kommunistischer Parteien als theoretisches Fundament für eine Offensive gegen die wissenschaftliche Theorie des Sozialismus benutzt. Im Namen von nationalen Besonderheiten und Eigenheiten wurden die unveränderlichen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution einer Revision unterzogen. Sichtweisen wurden entwickelt, nach denen durch strukturelle Reformen und eine ‘Politik der Demokratie’ ein kapitalistisches System in ein sozialistisches transformiert werden könne, ohne dass ein revolutionärer Bruch notwendig sei.“ [98] So jedenfalls sehen es die griechischen Kommunisten der KKE (die mit dieser Position, folgt man den Äußerungen, Argumenten und der Gedankenwelt der DKP-Führung, dann wohl in den Geruch des „Sektierertums“, „Dogmatismus“ und „Anti-Humanismus“ kommen dürften....).

Das Abbügeln einer wissenschaftlich geführten Revisionismusdiskussion hat vielleicht noch einen weiteren Grund. Über Jahre hinweg wurden Formen wie Inhalte von „Perestroika“ und „Glasnost“ unreflektiert auch von der DKP als „Erneuerung des Sozialismus“ verkauft und von der Mehrheit der Mitglieder regelrecht aufgesogen. Eine wirklich kritische Aufarbeitung dieser Periode hat es in der DKP bisher noch nicht gegeben, was sicherlich auch einen konsequenten Bruch mit dem Revisionismus verhindert. Die Unterstützung von „Perestroika“ und „Glasnost“ gingen sogar soweit, dass die DKP-Führung eine „Erneuerung der sozialistischen Gesellschaft“ in der DDR zu sehen glaubte, als die Konterrevolution bereits auf den Straßen des „Arbeiter- und Bauern-Staates“ marschierte. Im "Bericht des Präsidiums an die 9. Parteivorstandstagung" der DKP vom 22. November 1989 heißt es: " (...) der Umgestaltungsprozess des Sozialismus in der DDR ist das weltpolitische Thema Nummer eins, er hat eine historische Dimension und einen revolutionären Charakter. Es geht um die Demokratisierung und Erneuerung der sozialistischen Gesellschaft und um die Erneuerung der kommunistischen Partei. Es geht um die Überwindung von Stagnation und Deformation, hervorgerufen  durch einen bürokratisch-administrativen Sozialismustyp, der gescheitert ist. Die Perestroika in der DDR wurde vom Volk erzwungen, sie wird vom Volk vorangetrieben und sie hat schon jetzt das Gesicht des Sozialismus in der DDR verändert. (...)"

Diejenigen in der DKP, die – auch aus eigener, leidvoller Erfahrung – auf einer anderen Sicht der Dinge bestehen und marxistisch-leninistische Grundpositionen verteidigen, werden (zum Teil mit allen Mitteln [99] ) ausgegrenzt und bekämpft. Als Beispiel hierfür soll die von der DKP-Führung betriebene Kampagne gegen den „RotFuchs“ angerissen werden, ein Monatsblatt, initiiert von DKP-Genossen aus Berlin „mit reicher DDR-Erfahrung“, zunächst herausgegeben von der Gruppe Berlin Nord/Ost der DKP. Heute erscheint diese wertvolle marxistisch-leninistische Zeitschrift in eigener Verantwortung, nachdem ihr ein Erscheinen im organisatorischen Rahmen der DKP als Gruppenzeitung von der DKP-Führung faktisch unmöglich gemacht wurde. [100]

D) Die DKP zum real existierenden Sozialismus, insbesondere der DDR

Als beispielhaft zu diesem Themenkomplex möchte ich mich in einigen Anmerkungen mit der Erklärung des DKP-Parteivorstandes [101] (im folgenden nur kurz "Erklärung" genannt) beschäftigen, die er aus Anlass des 50. Jahrestages der Gründung der DDR veröffentlichte (Erklärung der DKP zu den 50. Jahrestagen der Gründung der BRD und der DDR).

Was der Titel dieses Dokumentes bereits ausdrückt, wird durch die Struktur der "Erklärung" belegt: sie besteht im wesentlichen aus zwei Teilen. Was an Fakten zur Gründung der BRD zusammengetragen wurde, erscheint mir im wesentlichen auch über die engeren Kreise der DKP hinaus als unstrittig. Es drängt sich jedoch an dieser Stelle die Frage auf, warum grundsätzlich in der "Erklärung" gleichwertig auf die Gründung der BRD wie auch der DDR eingegangen wird und somit der Eindruck entstehen kann, als ob Kapitalismus und Sozialismus auf einer Stufe beurteilt werden könnten? Wieso konnte sich der DKP-Parteivorstand nicht zu einer eigenständigen Erklärung zur Gründung der DDR durchringen? Aus meiner Sicht wäre dies der historischen Bedeutung der Rolle der DDR als tatsächlich größter Errungenschaft der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung wie auch für die internationale kommunistische, revolutionäre und anti-imperialistische Bewegung wesentlich angemessener gewesen. Würde man dies nicht gerade von den deutschen Kommunisten in einer Zeit erwarten müssen, in der von der Bourgeoisie des imperialistischen Deutschland und ihren Medien (zudem am Rande sekundiert von Vertretern des in zwei Parteien organisierten "demokratischen Sozialismus", den Maoisten der MLPD oder verschiedenen trotzkistischen Sekten) - angesichts dieses Jahrestages - wieder Jauchekübel an Desinformationen und Hetzpropaganda über die DDR, ihre Geschichte und den Sozialismus ausgegossen werden? Eine klare, eindeutige und eigenständige Erklärung wäre vor diesem Hintergrund auch ein wichtiges Dokument zur Verteidigung und Propagierung des Sozialismus gewesen!

Der zweite Teil der "Erklärung" beschäftigt sich nun mit der DDR. Sowohl das, was in diesem Abschnitt steht, als auch das, was viele vergeblich suchen werden, ist deutlich von einer prinzipiellen und eindeutigen Positionierung entfernt. Im Gegenteil, ähnlich wie es aus den Führungsetagen der PDS tönt, wird in dem DKP-Dokument ohne Verschnörkelungen für einen "Dritten Weg" - gemeinhin auch als "demokratischer Sozialismus" bekannt-, also die Vermischung von gesellschaftlichen Elementen des Kapitalismus und des Sozialismus, geworben. Böse Unterstellung, sektiererische Interpretation? Wohl kaum, denn in der "Erklärung" heißt es u.a. wörtlich: "Eine gründliche Analyse der Fehler in beiden deutschen Teilstaaten wurde bis heute nicht vorgenommen. (...) Die Bewahrung der besten Elemente beider Systeme wurde versäumt. (...)". Da muss man aber schon sehr tief Luft holen, denn es wird nicht nur die DDR bereits vor der Annexion durch der BRD-Imperialismus zu einen Teilstaat degradiert, gesellschaftliche wie politische Fehlentwicklungen im Sozialismus, die es gab, werden als "Fehler" mit den "Fehlern" des imperialistischen Gesellschaftssystems, die doch nur mit den verbrecherischen Charakterzügen des Imperialismus beschrieben werden können, auf ein und dieselbe Stufe gestellt. In den 70er und 80er Jahren nannte man dies "Konvergenztheorie", die der ideologischen und politischen Diversion in den sozialistischen Ländern diente...

Muss die oben zitierte Stelle aus der Erklärung (im negativen Sinne) eindeutig erscheinen, so sind andere Stellen zumindest unklar, schwammig und nachlässig formuliert. So wird zum Beispiel aus der Annexion der DDR in der Tonart der bürgerlichen Geschichtsschreibung ein "Beitritt", wenn es heißt: "Es gab nur einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik, eine Unterordnung unter das nicht veränderte Grundgesetz der BRD". Daher habe es auch "keine wirkliche Vereinigung" gegeben, womit wir dann wohl wieder beim "Dritten Weg", der "wirklichen Vereinigung" von Kapitalismus und Sozialismus wären...

An anderer Stelle der "Erklärung" wird festgestellt, die "Menschen in den neuen Bundesländern (auch hier wieder die leichtfertige Übernahme "offizieller" Sprachregelungen, d. Verf.)" dächten, wenn sie sich an die "besten Elemente beider Systeme (eine erneute willkürliche Gleichsetzung von Kapitalismus und Sozialismus, von Bananen und Arbeiter- und Bauernmacht, d. Verf.)" erinnerten, z.B. "an eine deutlich geringere Kluft zwischen den Klassen und Schichten der Bevölkerung, ein stärkeres Gefühl der gesellschaftlichen Solidarität, eine deutlichere Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte wie mit Erscheinungen des Neofaschismus". Diese Aufzählung hat eher den Charakter eines Eintopfgerichtes (Marke: alles hineinwerfen und kräftig umrühren), denn einer parteilichen Stellungnahme einer kommunistischen Partei; die "Erklärung" spricht von einer "geringeren Kluft zwischen den Klassen und Schichten", was doch nur heißen kann, dass der einzige Unterschied zwischen DDR und BRD in dieser Hinsicht der Grad des "Auseinanderklaffens" zwischen den Klassen und Schichten gewesen ist, keine Rede davon, dass die Machtfrage in beiden Staaten grundsätzlich anders geregelt war. Die prinzipielle Fragestellung für jeden Kommunisten "Wer - Wen?" wird auf diese Weise aus dem Dokument verbannt. Und überhaupt werden die grundverschiedenen gesellschaftlichen Orientierungen sowie der antagonistische Widerspruch zwischen Kapitalismus und Sozialismus durch neutrale Formulierungen wie "stärkeres Gefühl der gesellschaftlichen Solidarität" oder "deutlichere Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte wie mit Erscheinungen des Neofaschismus" komplett verwässert oder ist es etwa für einen Kommunisten falsch, zu behaupten, dass die "gesellschaftliche Solidarität" in der DDR im Vergleich zur BRD eine andere Klassen- und Systemgrundlage hatte oder das "Erscheinungen des Neofaschismus" in der BRD Bestandteil des imperialistischen Systems waren/sind, während in der DDR die gesellschaftlichen Wurzeln des Faschismus, der Kapitalismus, ausgerottet wurden?

Wie sieht nun die DKP-Erklärung vor dem Hintergrund des bisher Gesagten die Rolle der DDR in der Geschichte nicht nur der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung? Zitieren wir wieder aus dem Original: "Trotz aller unbestrittenen Mängel, trotz der Irrtümer, Deformationen, subjektiven Fehlentwicklungen" habe "die DDR eine Spur hinterlassen, die für die Zukunft wichtig ist." Neutraler kann man es kaum noch formulieren und zugleich die "Spur" mit einer Aufzählung von undefinierten Negativa belasten...

Dem ist höchstens noch ein Zitat des Genossen Dr. Klaus Steiniger in seiner Analyse der "Erklärung" in der Zeitung "Rotfuchs" [102] entgegenzustellen (mit der einzigen Position, die aus meiner Sicht nicht nur eines deutschen Kommunisten würdig ist und die ich vollinhaltlich unterstütze): "Dieser Satz (gemeint ist die unsägliche Spurensuche in der DKP-"Erklärung", d.Verf.) macht auf einen fundamentalen Mangel des Dokuments aufmerksam: Es fehlt das mit Herzblut geschriebene Bekenntnis - und zwar ohne Wenn und Aber, was konkrete, berechtigte und beweisfähige Kritik nicht ausschließt, sondern gerade zur Bedingung hat - zum Besten, das es jemals auf deutschem Boden gegeben hat: zur DDR. Zu diesem Besten haben sich die Genossinnen und Genossen aus KPD und DKP im Westen stets mutig bekannt. Sie haben für dieses Bekenntnis Verfolgung auf sich genommen und Verhöhnung ertragen."

E) Einige Anmerkungen zur Entwicklung und Perspektiven der DKP

„Trotz der Diskussion auf dem Parteitag und darüber hinaus ist es uns nicht gelungen, den Mitgliederstand zu erhöhen. 6.490 Mitglieder haben wir 1997 im Bericht an das Bundestagspräsidium angegeben. Legen wir die 1998 durchschnittlich abgerechnete Zahl zugrunde, sind es fast 1.000 weniger, und es gelingt uns nicht, eine fast 100prozentige Kassierung zu sichern. Die neu aufgenommenen Mitglieder werden jedoch durch den Tod anderer Mitglieder ausgeglichen. Ende des Jahres werden neue Mitgliedsbücher ausgegeben - dann haben wir genaue Zahlen - die Stunde der Wahrheit. Das Durchschnittsalter der Partei ist anhaltend viel zu hoch. Bei der letzten Mitgliedsbuchneuausgabe lag es bei 54,7 Jahre.

Zur Stärkung der Partei gehört auch, eine genauere Zielgruppenorientierung der DKP zu diskutieren und vorzunehmen. Der morgen durchgeführte “Jugendpolitische Ratschlag” wird sicher auch noch einige zusätzliche Impulse geben. Unabdingbar ist, dass wir uns auf die Arbeiterjugend konzentrieren, die in Betrieben und Gewerkschaften und in anderen Bewegungen aktiv ist.(...) Zu unserer Zielgruppe gehören ehemalige SED- und SEW- und DKP-Mitglieder, die nicht zuletzt durch politische Ereignisse der jüngsten Vergangenheit neu politisiert werden können.

Zu 3.:

Liebe Genossinnen und Genossen,

um an die Menschen heranzukommen, sie mit unserer Politik vertraut zu machen, ihnen zu sagen, was die DKP will und was die DKP macht, ist eine gute Öffentlichkeitsarbeit wichtig. (...)

Einiges zur UZ-Entwicklung: Auf der 2. Parteivorstandstagung haben wir die Stärkung der Partei konkret verbunden mit dem Ziel, 400 neue Abonnentinnen und Abonnenten in der Frühjahrskampagne zum 30. Geburtstag der UZ zu gewinnen. Heute stellen wir unter dem Strich fest, von dieser Zahl wurden nur 187 erreicht. Diese auch nur zum geringeren Teil durch das organisierte Abonnentenwerben der Partei, sondern durch den Einsatz Günter Bauders und durch das verstärkte öffentliche Anbieten und zum Teil auch Verteilen der UZ bei Aktionen und Demonstrationen. (...)

Ein Problem gibt es im Zusammenhang mit den Zeitungen. Das zentrale Organ der DKP ist die UZ. Die Betriebs- und Ortszeitungen sind für Betriebe oder regionale Gebiete geeignet. Die Parteiinformationen sind Mitteilungsblätter der Vorstände. In dieses Schema passt der “Rotfuchs” aus er Gruppe Nord/Ost in Berlin nicht. Vom Inhalt ist er eine überregionale Zeitung, die eigene politische Positionen darstellt. In Diskussionen müssen wir das Problem erörtern und Lösungen suchen.

Zu 4.:

ein weiteres Problem: Wenn wir über die Organisation reden, so müssen wir auch darüber reden, dass die Arbeit Geld kostet. Der Parteitag in Dortmund hat die Finanzordnung, die Aufteilung der Beitragsanteile, verändert. Damit soll sichergestellt werden, dass die Partei ein Minimum an hauptamtlicher Tätigkeit erhält. Das wichtigste Mittel zur Finanzierung der zentralen Arbeit ist die regelmäßige Kassierung und Abrechnung der Beiträge. Die Finanzkommission hat sich auf ihrer letzten Sitzung ausführlich mit dem Problem beschäftigt, nachdem wir bereits im vergangenen Jahr - auf der 3. Parteivorstandstagung - deutlich gemacht haben, dass  es ein Absinken der prozentual erfassten Mitglieder gibt. Haben wir 1998 von den zu erfassenden Mitglieder knapp 83 Prozent kassiert, so sind es in den ersten drei Monaten nur 62 Prozent. Dahinter verbergen sich zwei Probleme, und zwar einerseits werden anscheinend die Genossinnen und Genossen nicht kassiert, und wer nicht regelmäßig kassiert wird, verliert Kontakt zur Partei, und zweitens fehlt auf allen Ebenen das Geld zur Finanzierung der Parteiarbeit. Für die zentrale Arbeit fehlen uns aus den ersten Monaten für die regelmäßige Finanzierung rund 65.000 DM. (...)“ [103]

An dieser nüchternen und in dieser Hinsicht sehr seltenen Situationsbeschreibung der DKP auf ihrer Parteivorstandstagung im Juni 1999 hat sich nichts wesentliches verändern, aufgezeigte Trends haben sich lediglich fortgesetzt. Offensichtlich hat die Politik der ideologischen Anpassung an Positionen des „demokratischen Sozialismus“ für die DKP organisatorisch nichts gebracht. In bisher nie da gewesener Offenheit wird an dieser Stelle ausgeführt, dass von einer bisher immer wieder behaupteten „Stabilisierung“ der Mitgliederentwicklung (selbst gemessen an den veröffentlichten „offiziellen Zahlen“) nicht gesprochen werden kann und dass auch die Entwicklung der UZ hinter den Erwartungen und materiellern Notwendigkeiten  zurück bleibt. Im Gegenteil. Die Partei hat bereits nicht nur für eine Partei, die den Anspruch erhebt, eine kommunistische zu sein, in entscheidenden Grundsatzfragen marxistisch-leninistisches Profil verloren, sondern auch Mitglieder.

Wie wird es also weitergehen? In Spekulationen über den genauen Entwicklungsweg der Partei – in organisatorischer sowie politisch-ideologischer Hinsicht – sollte man sich nicht verlieren. Eines erscheint aus heutiger Sicht und unter den heutigen gesellschaftspolitischen Bedingungen in der BRD als recht unrealistisch: eine Hinwendung der DKP als Partei zu klaren marxistisch-leninistischen Positionen, nachdem sie diese bereits an wichtigen Eckpunkten entsorgt hat und dieser „Ausmusterungsprozess“ weitergeht, wenn auch widersprüchlich und in Schritten. Was jedoch möglich sein könnte, ist die Verschärfung des Widerspruchs zwischen der DKP-Führung und jenen DKP-Mitgliedern, die an marxistisch-leninistischen Positionen und/oder einem revolutionärem Profil der Partei festhalten möchten. Wir werden sehen...    

Michael Opperskalski, Köln

Die KPD

Frank Flegel/Michael Opperskalski: Die KPD

Im Rahmen dieses Heftes lassen sich einige kritische Bemerkungen zur KPD nicht vermeiden.

Vorweg muss deutlich gesagt werden: Die programmatischen Dokumente der KPD haben durchaus Qualität, mögen vielleicht streckenweise etwas flach wirken, sind aber keinesfalls so verbogen wie die der DKP (z.B. die „Sozialismusvorstellungen“) oder gar der PDS (z.B. „Programmentwurf“ Brie-Klein-Brie). Trotzdem gibt es auch an den programmatischen Dokumenten Kritikwürdiges, und das sind ausgerechnet die Anti-Revisionismus-Passagen des KPD-Programms.

Dort heißt es unter anderem: „Die Hauptaufgabe zur Überwindung des Revisionismus ist (...) die Entlarvung der imperialistisch-revisionistischen Lügen über das politisch wirken  J. W. Stalins.“ Dies sei notwendig, weil das „vereinigende Band“ der Gegner der KPD eben diese Lügen seien und diese Lügen als die „Grundlage des Verrats am Sozialismus“ und als das „gegenwärtige Herzstück des Antikommunismus“ angesehen werden müssten. (Programm der KPD, S.4) Im zitierten Beispiel reduziert die KPD das Revisionismusproblem auf die Einschätzung des Handelns Stalins. Eine solche Einengung kann aber sehr schnell in die Irre führen, denn hier werden Erscheinung und Wesen verwechselt. Indizien dafür –

erstens: den Revisionismus gab es schon mehrere Jahrzehnte, bevor Stalin die Führung der Sowjetunion übernahm;

zweitens: der heutige Revisionismus kommt nicht nur als Anti-Stalinismus daher;

drittens: Politik lässt sich nicht auf Personen reduzieren.

Zu erstens und zweitens, Revisionismus früher und heute

Revisionismus hat viele Spielarten, jede hat ein anderes Mäntelchen und tarnt sich je nach historischer Situation und Diskussionsstand der Linken jeweils anders, so z.B. in den Jahren um 1900/1910 als Theorie vom „Ultraimperialismus“, der den Kapitalismus annähernd von selbst in den Sozialismus hinüberwachsen lasse, und als Anbetung des allgemeinen Stimmrechts in der bürgerlichen Demokratie, dann in den 20er und 30er Jahren als „Anti-Bolschewismus“, nach der Zerschlagung des Faschismus durch die Rote Armee hatte es der Revisionismus zunächst nicht leicht und musste neu Fuß fassen, was mit Chrustschow und dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 gelang. Nun kam der Revisionismus als „Anti-Stalinismus“ daher incl. dem Märchen vom „parlamentarischem Weg“ zum Sozialismus, in den 60er Jahren dann als „Konvergenztheorie“, wonach mal wieder die Systeme sich von selbst aneinander annähern sollten, in den 70er Jahren als Politik der „systemüberwindenden Reformen“, des „Eurokommunismus“ und des „historischen Kompromisses“ (Westen), gleichzeitig und bis zum Ende des europäischen Sozialismus als „Entspannungsprozess“ mit dem Märchen von der „Friedensfähigkeit des Imperialismus“ (Osten). Hinzu kommen außerdem die verschiedenen Varianten des so genannten „demokratischen Sozialismus“, die sich in der einen oder anderen Form im ideologischen Gerüst vieler kommunistischer Parteien festsetzen. Parallel lebte der „Anti-Stalinismus“ im Gewand der sogenannten „Wiederherstellung der Leninschen Normen des Parteilebens“ wieder auf, in den Jahren nach 1989/90/91 bekam dieser „Anti-Stalinismus“ die Oberhand, wird zur Zeit aber gerade wieder abgelöst von der Mystifizierung der bürgerlichen Demokratie, sprich Gewaltenteilung, Gestaltungsspielraum der Politik, Pluralismus.

Man sieht also: es gibt differenzierte historische Erscheinungsformen, was gleich bleibt ist allein das Wesen, der politische Inhalt des Revisionismus, und das ist kurz umrissen: das Abrücken vom Materialismus, das Abrücken von der Klassenfrage, dann von der Eigentumsfrage, natürlich von der Imperialismustheorie und schließlich die Lobhudelei gegenüber der bürgerlichen Demokratie (also Parlamentarismus als Zentrum der Politik), danach löst sich das Organisationsprinzip der Partei auf und das Resultat ist dann ein (links)bürgerlicher Wahlverein.

Insofern muss sich eine kommunistische Partei inhaltlich vom Revisionismus abgrenzen. Es nutzt sehr wenig und führt auch nicht zu wesentlicher Klugheit, wenn man diese Abgrenzung an einzelnen Erscheinungsformen des Revisionismus vollziehen will, und der Anti-Stalinismus ist nichts anderes als eine solche Erscheinungsform.

Zu drittens, Personalisierung von Politik

Die KPD zeigt eine etwas eigenartige und die Dinge sehr versimplifizierende Reduzierung von Politik auf Personen, die sich außer bei den Anti-Revisionismus-/Anti-Stalinismus-Aussagen der KPD auch in ihren aktuellen Einschätzungen über die Niederlage des europäischen Sozialismus und in ihren Stellungnahmen zu (noch) sozialistischen Ländern wiederfinden lässt.

„Lügen“ und „Verrat“ sind für die KPD die Begründungskategorien für die Niederlage des Sozialismus in Europa. Nun sind wir ja, ebenso wie die KPD, überzeugt davon, dass die Ausbreitung des Revisionismus in den sozialistischen Ländern, in den Führungen der dortigen Parteien und gleichzeitig in einigen großen kommunistischen Parteien Westeuropas die wesentliche Ursache für die Niederlage war, - eine Analyse jedoch, die die Ursachen dafür nur bei „Lüge“ und „Verrat“ sieht, ist uns nicht weitreichend genug. Es muss Ursachen geben, Zwänge, ökonomische und weltpolitische Prozesse, Gründe für revisionistische Entartungen und gleichzeitig gegenläufige Tendenzen, Widersprüche, mangelnde Wachsamkeit, Ursachen für die Niederlage der anti-revisionistischen Kräfte, - und all dieses muss reale Grundlagen im Gesellschaftsgefüge gehabt haben, sonst hätte es sich nicht entwickeln können. Antirevisionistische Politik muss diese Zusammenhänge konkret begreifen, denn nur dann kann eine Politik möglich werden, die gesellschaftliche Entwicklungen so beeinflusst, dass dem Nährboden für die revisionistischen Entwicklungen seine Fruchtbarkeit entzogen wird. Mit „Lüge“ und „Verrat“ ist es da als Erklärungsmuster längst nicht getan, denn Treue zur Sache ersetzt keine gesellschaftlichen Prozesse.

Und genauso, wie diese Personalisierungen den Blick der KPD auf den europäischen Sozialismus trüben, führen sie die Partei auch in der Einschätzung der Entwicklungen in Nordkorea und China auf’s Glatteis. In den Berichten über Nordkorea mangelt es zwar absolut an ökonomischer und welthistorischer Analyse, dafür mangelt es aber überhaupt nicht an Huldigung für das dortige Führungspersonal. Und dann wird uns z.B. der dort avisierte Vereinigungsprozess von Nord- und Südkorea in äußerst positiver Weise dargestellt – völlig ohne kritische Reflexion des Nationenbegriffs, ohne Analyse der Kräfteverhältnisse, ohne ernsthaften Hinweis auf mögliche Gefahren für den Sozialismus – die KPD betreibt hier platte, unkritische Lobhudelei. Ähnlich die Stellungnahmen zu China: das, was dort gerade an Marktwirtschaft, Privatisierung, Weltmarktöffnung usw. betrieben wird (mit den typischen gesellschaftlichen Folgen wie Arbeitslosigkeit, Polarisierung zwischen Arm und Reich, Reduzierung der Sozialleistungen, Ausschluss der ärmeren Bevölkerungsteile von höherer Bildung usw.), das wird uns in der „Roten Fahne“ als fortschreitender Aufbau des Sozialismus verkauft.

Eine solche personalisierte und oberflächliche Betrachtungsweise der internationalen kommunistischen Bewegung mag die KPD 1996 dazu bewogen haben, mit zwei(!) weiteren Organisationen – unter ihnen eine extrem sektiererische Formation aus der Türkei, die sich später dann allerdings von ihrem Schritt distanzierte – in Bulgarien die so genannte „Neue Kommunistische Internationale“ (NKI) aus der Taufe zu heben, die, mangels Basis, inzwischen stillschweigend wieder in der Versenkung verschwunden ist. Leider gab es bisher keine öffentlich nachvollziehbare Selbstkritik dieser Aktion.

Deklamation statt Bewegung

Bei diesen Fehlern hat man den Eindruck, das für die KPD und die „Rote Fahne“ nicht die Fakten zählen, sondern die Verlautbarungen der jeweiligen Führungen, dass also Dokumente und Deklamationen wichtiger genommen werden als kritische Analysen. Woran das liegt, ob an mangelnder analytischer Kraft, an nicht vorhandenen Kapazitäten der Kader, den begrenzten Möglichkeiten der Redaktion der „Roten Fahne“ oder der Qualität des ZK, das wissen wir nicht. Man hat manchmal das Gefühl, dass in der KPD die Wünsche und die daraus erfolgenden Erklärungen, die Würdigungen, die Grußadressen, die Titel, die Ehrbezeugungen, die Empfänge der Delegationen und dergleichen wichtiger genommen werden als Tatsachen und reale Praxis.

Dieser deklamatorische Zug in der Außentätigkeit und im Organisationsleben der KPD, verbunden mit ihrem Organisationsegoismus und ihrer Personalverehrung führt nicht zu einer den Verhältnissen adäquaten Praxis, sondern zu Sturheit und unnötiger Polarisierung innerhalb der nichtrevisionistischen Kräfte, denn die Partei verhält sich den anderen kommunistischen Kräften gegenüber offiziell zwar als interessierter und offener Bündnispartner, im Konkreten macht sie jedoch immer wieder den Fehler, den viele kleine Gruppierungen und Organisationen an sich haben: sie versucht, sich selbst größer zu machen, als sie ist, sie versucht, andere für sich zu instrumentalisieren, sie scheut dabei auch vor Steinbrucharbeiten in benachbarten Revieren nicht zurück, was ihr dann schnell den Ruf des Sektierertums einbringt. In diesem Kontext ist wohl auch die von der KPD stark aufgeblähte Darstellung ihrer internationalen Verbindungen und Verankerung zu sehen, die der Überprüfung leider nicht standhält.

Nun ist ein solches Verhalten wie das eben skizzierte ja auch nichts, womit man Ansehen und Achtung erwirbt, ganz im Gegenteil, es schürt Ängste, schafft unnötige Gräben und weckt den Verdacht, dass es der KPD mehr um sich selbst als um die gemeinsame Sache geht. Wir haben das Gefühl, dass die KPD des öfteren auf die Falschen eindrischt und trotz aller offiziellen Rhetorik im Sinne der Einheit der Marxisten-Leninisten eher die Spaltung vertieft.

Problematisch ist aus unserer Sicht auch die sehr grobkörnige Darstellung der Lage der kommunistischen Bewegung in Deutschland (siehe dazu ausführlich: „Sozialis-mus/Kommunismus – Zukunft der Menschheit“, Beschluss der Delegierten des 21. Parteitages der KPD am 24. März 2001 in Klosterfeld bei Berlin, Seiten 54ff.). Sie orientiert, vollkommen korrekt, auf die notwendige Einheit der Kommunisten in einer Partei, verschweigt uns jedoch die dafür notwendigen politischen, organisatorischen und ideologischen Voraussetzungen. Zudem fehlt eine genaue Analyse der höchst komplizierten Situation der Kommunisten in Deutschland – auch in ihrer Zersplitterung.

Unserer Meinung nach hat diese KPD nicht die Voraussetzungen, die notwendig sind, um ein Sammelbecken der Kommunistinnen und Kommunisten in Deutschland und darauf folgend eine einheitliche kommunistische Partei zu schaffen. Es bleibt andererseits jedoch eindeutig festzuhalten: Die KPD und ihre Mitglieder werden ein unverzichtbaren Bestandteil der noch zu schaffenden einheitlichen kommunistischen Partei in Deutschland sein.

                                                                               Frank Flegel, Hannover; Michael Opperskalski, Köln

Ausblick

Michael Opperskalski/Frank Flegel: Ausblick

 

Wenn man dieses Heft nachträglich Revue passieren lässt, möchte man ja fast in Resignation verfallen. Wir bedauern es sehr, keine positiveren Einschätzungen und Wertungen vorgenommen zu haben – indes, wir konnten es nicht.

Nun ist Resignation natürlich nicht die Konsequenz, die zu ziehen ist und erst recht nicht die, die wir uns wünschen. Deshalb wollen wir einige Thesen formulieren zum Ist-Stand der kommunistischen Bewegung in Deutschland und zum notwendigen Verhalten von Kommunisten heute.

Zunächst ist festzustellen, dass es die kommunistische Partei, die diesem Namen gerecht würde, nicht gibt. Es gibt verschiedene Organisationen, in denen sich Kommunisten befinden, und alle haben ihre Mängel.

 

Wir halten es deshalb zum gegebenen Zeitpunkt nicht für sinnvoll, auf eine der vorhandenen Organisationen zu orientieren. Keine bildet zur Zeit das Zentrum. Und wir wollen hier – obwohl es schwierig ist, Aussagen für die Zukunft zu treffen – die Vermutung äußern, dass auch keine der vorhandenen Organisationen in ihrer jetzigen Form sich zu der kommunistischen Partei entwickeln wird bzw. entwickeln kann. Wir sehen eine einheitlichere Zukunft der Kommunisten in Deutschland und weltweit eher im Zusammenführen, im langsamen, von gemeinsamer Praxis und gemeinsamer Schulungs- und Theoriearbeit begleiteten Annähern der versprengten Teile und – hoffentlich – gleichzeitigem Zuwachsen neuer Kräfte. Das ist aber ein langfristiger Prozess, der nicht durch eine vorzeitige, dann wie ein Schnellschuss ins Leere gehende Neu-Gründungsinitiative der kommunistischen Partei ersetzt werden kann.

 

Deshalb kann die Schlussfolgerung aus den Kritiken an den besprochenen Organisationen nicht sein, die eigene kritikwürdige Organisation zu verlassen, denn es gibt keine wirkliche Alternative. Und in einen unorganisierten Zustand sollte sich kein Kommunist begeben. Deshalb sagen wir zunächst: bleibt, wo Ihr seid! Und wenn Ihr es absolut nicht mehr aushalten könnt, dann organisiert Euch woanders, denn das wichtigste ist, nicht im Privaten zu verschwinden, sondern vernetzt zu bleiben, den Zusammenhang aufrecht zu erhalten, organisierte Strukturen zu bewahren.

 

 

Zweitens sind wir der Auffassung, dass alle Genossinnen und Genossen, die sich als Kommunisten fühlen, Kontakte, Vernetzungen, Zusammenarbeit, Austausch mit anderen Kommunisten über die jeweiligen Organisationsgrenzen hinweg vertiefen und ausbauen sollten und vor allem durch Bildung übergreifender Strukturen, Publikationsorgane, regelmäßige Koordinationstreffen usw. verfestigen sollten – und das auf allen Ebenen. Hier gibt es gute und schlechte Beispiele, die guten liegen vorwiegend auf Orts- und Kreisebenen, zum Teil auch auf Bezirks- bzw. Landesebene, so die Initiative für eine gemeinsame Kandidatur von DKP und KPD in Sachsen-Anhalt, die gemeinsame Erklärung von KPF, DKP und KPD in Brandenburg, ebenso der Bündniskongress in Jena und vor allem praktische Zusammenarbeit vor Ort in ausgesprochen zahlreichen Fällen. Eine besondere Rolle in diesem Zusammenhang spielten sicherlich auch die beiden Konferenzen, die in Berlin gemeinsam von „offen-siv“ und „RotFuchs“ vorbereitet und durchgeführt wurden (die Konferenz zum 50. Jahrestag der DDR 1999 sowie im Jahr 2000 die international besetzte Konferenz zum Imperialismus und antiimperialistischen Kämpfen. Über beide gibt es umfangreiche Protokollbände, die bei der „offen-siv“-Redaktion bestellt werden können). Auf Führungsebene hingegen ist hier viel Vorbehalt und Abgrenzung zu beobachten. Daran wird sich angesichts der derzeitigen Verfasstheit der Kommunisten in der BRD wohl kaum etwas ändern; die Auseinandersetzungen könnten sich eher noch verschärfen...

 

Drittens wünschen wir uns mehr Klarheit, mehr Diskussion und offenere Kritik an revisionistischer oder zentristischer Politik, egal, wo sie auftritt. Schweigen bedeutet, solche Tendenzen  gut zu heißen, bedeutet, diesen revisionistischen Tendenzen Raum zu geben, ja sogar, ihnen kampflos das Feld zu überlassen. Der Graben verläuft zur Zeit nicht zwischen den Organisationen, sondern er verläuft – wie schon immer – zwischen den Klassen. Und das bedeutet für uns: er verläuft tatsächlich innerhalb der Organisationen, denn Revisionismus und Reformismus sind, waren und bleiben bürgerliche Ideologien, der Revisionismus ist, war und bleibt die Agentur der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung. Das bedeutet, dass wir dem verbreiteten Harmoniestreben entgegentreten müssen, dass wir auf die Solidarität der Kommunisten untereinander setzen müssen, dass wir die gegen revisionistische Tendenzen kämpfenden Genossinnen und Genossen unterstützen müssen, dass wir uns also einmischen müssen. Das ist nicht einfach, das wissen wir, denn wenn man so handelt, ist man nicht immer bei allen beliebt (das kennen Michael Opperskalski und Frank Flegel aus eigener Erfahrung mehr als genug), vor allem die Vorstände sind oft nicht entzückt und dementsprechend wird man verunglimpft und beschimpft. Aber wenn es auch nicht einfach ist, so ist es doch unverzichtbar.

                                                                                                                                                                       

                                                                               Michael Opperskalski, Köln; Frank Flegel, Hannover


 

Die „junge Welt“ vom 5./6. Jan. 02 über unser Buch       „Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe im 21. Jh.“:

Die von den Redaktionen der Zeitschriften offensiv und RotFuchs lange und gut vorbereitete internationale Konferenz „Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe im 21. Jahrhundert“ am 28./29.10 2000 in Berlin wurde ... zu einer Demonstration der internationalen Linken. ...

Angesichts der Qualität der 21 Redebeiträge fällt es schwer, einen besonders herauszuheben. ... Ein kleiner Überblick soll die Tiefe und Ernsthaftigkeit der Beiträge dokumentieren.

Rolf Vellaysprach einen Konferenzprolog, in der er vor der Gefahr willfähriger pseudo-linker Parteien warnte, Michael Opperskalski referierte über die Strategie des US-Imperialismus ... und verwies auf aktuelle Gefahren und Ziele der imperialistischen Strategie. ... Christian Christians ging ausführlich auf die imperialistische Desinformationspolitik in Vergangenheit und Gegenwart ein ... Klaus Steiniger analysierte den Verlauf der Nelkenrevolution in Portugal und gab einen Einblick in die dortige sozialdemokratische Konterrevolution. Gerhard Niebling sprach über die Aktivitäten des MfS gegen imperialistische Diversion und stellte aktuelle Bezüge zur Politik auf dem Balkan sowie gegen China und Cuba her.

Von den Beiträgen der ausländischen Gäste seien hier die aus Afrika hervorgehoben. Aus eigener Erfahrung nahm zum Beispiel Khwesie Kadalie, Leiter der marxistischen Arbeiterschule in Johannesburg, zu verschiedenen Fragen Stellung: Wie geht es in Südafrika nach dem Ende der Apartheid weiter? ... Über die Situation im Kongo sprach Tunda Nonga. ... Erwähnt sei hier noch Harpal Brar aus England mit seinem Referat über die Leninsche Imperialismustheorie, die vom aktuellen „Globalisierungsgetöse“ keinesfalls widerlegt werde, und Ulrich Huar, der über Fragen der marxistisch-leninistischen Parteitheorie referierte. 

Zbigniew Wiktor (Polen), Karel Intera (Tschechische Republik), Anneke Ioannatou (Griechenland), Teddy John Frank (Schweden), Jo Cottenier (Belgien), Paolo Pioppi (Italien), Herbert Kandel ☨(Österreich) und René Lefort (Frankreich) berichteten über die Situation in ihrem Land und die jeweiligen Bedingungen für kommunistische Politik.

Der Protokollband enthält auch die Beiträge aus den an die Referate anschließenden Diskussionen. Ihr Grundtenor ist der Aufruf zur internationalen Einheit. Es sollte ein Muss für jeden Linken sein, dieses Buch zu kennen oder besser noch, es zu besitzen.

Dieter Popp

(Dieter Popp wurde 1990 wegen seiner Kundschaftertätigkeit für die DDR verhaftet, eineinhalb Jahre später zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, nach vier Jahren auf Bewährung entlassen. Er ist Mitbegründer der Initiativgruppe „Kundschafter des Friedens fordern Recht“, deren Vorsitzender er seit drei Jahren ist.)

„Imperialismus und antiimperialistische Kämpfe im 21. Jahrhundert“. Protokollband der gleichnamigen Konferenz von offensiv und RotFuchs am 28./29. Oktober 2000, Hannover 2001, 288 Seiten, 15,23 EURO, ISBN 3-00-007420-1.

Bezug: Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 Hannover, Tel./Fax: 0511 / 52 94 782  oder im Buchhandel

 

[1]   Die „Weißenseer Blätter“ sind zu beziehen über: Hanfried Müller, Ehrlichstr. 75, 10318 Berlin

[2] Marx/Engels: "Manifest der Kommunistischen Partei, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/Main 1970, S.66/67

[3] Engels in der Einleitung zum "Bürgerkrieg in Frankreich" von Marx, Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 21, Berlin 1962, S. 167

[4] Karl Marx: „Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei", zit.nach: Marx/Engels, Ausgewählte Werke, Bd. IV, Berlin 1977, Seite 397

[5] Lenin: „Geschichtliches zur Frage der Diktatur", Lenin, Werke, Bd. 31, Berlin 1974, Seite 339

[6] Lenin: „Die große Initiative", Lenin, Werke, Bd. 29, Berlin 1974, Seite 408

[7]   Karl Marx/Friedrich Engels, „Manifest der Kommunistischen Partei“, Frankfurt,/M. 1970, S.10

[8] zit.nach: J.Stalin, „Fragen des Leninismus“, Moskau, 1946, S.45

[9] W.I. Lenin, Gesammelte Werke, Berlin (DDR), 1974, Bd. 23, S.434

[10] Marx/Engels, Gesammelte Werke, Bd. 34, S. 407

[11] Eduard Bernstein, „Der Kampf der Sozialdemokratie und die Revolution der Gesellschaft“, in „Die Neue Zeit“, Stuttgart, 16. Jg., 1897/98, S. 555/556

[12] Eduard Bernstein, „Die Vorraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie“, 1899, Verlag J.H.Dietz, Hannover 1964, S. 196 ff. bzw. 209 ff.

[13] Marx/Engels, Gesammelte Werke, Bd. 34, Seite 405f.

[14] Rosa Luxemburg, „Sozialreform oder Revolution?“ (1899), Vulkan-Verlag, Leipzig, 1919, S. 1ff.

[15] Erklärung Hugo Haases im Namen der SPD-Reichstagsfraktion zur Bewilligung der Kriegskredite in der Reichstagssitzung vom 4. August 1914; in: Dokumente und Materialien der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe II, Band 1, Dietz Verlag, Berlin (DDR), 1958, S. 22 u. 23

[16]   Wolfgang Heine, SPD-Reichtagsfraktion,  zit. aus zwei Reden, gehalten auf einer öffentlichen Veranstaltung am 22. Februar 1915 in Stuttgart, zit. nach: Hermann Weber, Das Prinzip Links - Eine Dokumentation. Beiträge zur Diskussion des demokratischen Sozialismus in Deutschland 1847-1973, Fackelträger Verlag, 1973, S.124

[17] Karl Liebknecht, Reden und Aufsätze in zwei Bänden, Band 2, S. 25, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt, 1972

[18] Sozialistische Internationale - Ihre Geschichte und Politik, Berlin (DDR), 1977, S. 18 u. 19

[19] Heinrich Brandler und August Thalheimer waren bis ca. 1924 Führungspersönlichkeiten der KPD; sie repräsentierten in ihr einen rechtsopportunistischen Flügel, der in vielen grundlegenden Fragen mit Positionen des „demokratischen Sozialismus“ übereinstimmte. Beide verließen die KPD bzw. wurden ausgeschlossen und gehörten 1928/29 zu den Gründungsmitgliedern der so genannten KPDO (KPD-Opposition)

[20] Kurt Gossweiler, „Stärken und Schwächen im Kampf der SED gegen den Revisionismus“, Referat, gehalten am 2. Mai 1993 auf dem internationalen Seminar der „Parti du Travail Belgique“ (PTB) in Brüssel, zit, nach: Streitbarer Materialismus, Nr.18, Januar 1994

[21]   Walter Ulbricht, „Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, Berlin (DDR), 1953, Bd.1, Seite 130 ff

[22]   ebenda, S.136/137

[23]   vgl. dazu u.a. Lenin: „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“, Lenin gesammelte Werke, Bd.9; „Der ‘linke Radikalismus’, die Kinderkrankheit im Kommunismus“, Lenin gesammelte Werke, Bd.31; „Über Kompromisse“, Lenin gesammelte Werke, Bd. 25

[24]   zit. Nach: Georgi Dimitroff, „Bericht auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale am 2. August 1935“, Ausgewählte Werke, Bd.2, S. 68 ff, Frankfurt/Main 1976

[25] W.I.Lenin: Referat über die internationale Lage und die Hauptaufgaben der Kommunistischen Internationale, Werke, Bd. 31, S.219

[26] W.I.Lenin: Der Opportunismus und der Zusammenbruch der II. Internationale, Werke, Bd. 22, S. 111

[27] Otto Jenssen: Bolschewismus oder demokratischer Sozialismus?, "Marxistische Tribüne für Politik und Wirtschaft", 1.Jg. Nr.2 vom 20.11.1931, S. 56-59

[28] Karl Kautsky: Kommunismus und Sozialdemokratie, "Die Gesellschaft", 9. Jg. Nr.3, März 1932, S. 276-278

[29] „Preußische Jahrbücher“, 1915, Nr.4, S.50/51, zit.nach: Lenin: „Der Opportunismus und der Zusammenbruch der II. Internationale“, Ausgew. Werke, Bd.2, Seite 635

[30] W.I.Lenin: „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, Ges. Werke, Bd.22, S. 197

[31] Karl Kautsky: Die Diktatur des Proletariats, Wien, 1918, S.3

[32] ibid, S. 11

[33] W.I. Lenin, „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky“, Gesammelte Werke, Berlin (DDR) 1975, Bd. 28, Seite 229/230

[34]   ibid, S.233

[35]   ibid, S.234

[36]   ibid, S. 236

[37]   ibid, S. 249

[38]   siehe dazu ausführlich: W.I. Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, Ausgewählte Werke, Bd. II, Frankfurt/Main 1970, S. 644 ff.

[39]   ebenda, S.729 ff.

[40]   zu den Aspekten der Weiterentwicklung des Marxismus durch Lenin vgl. u.a. ausführlich: „Dialektischer und historischer Materialismus“, Berlin (DDR), 1974, S.66ff.

[41] W.I. Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, Ausgewählte Werke, Bd. II, Frankfurt/Main 1970, S. 766

[42]   ebenda, S. 767/768

[43]   zu den Wesensmerkmalen der „Partei  neuen Typs“ vergleiche ausführlich: „Wissenschaftlicher Kommunismus“, Lehrbuch für das marxistisch-leninistische Grundlagenstudium, Berlin (DDR) 1976, S.56 ff.

[44] „Die Neue Zeit“, 11.09.1914, S.909

[45] An dieser Stelle sei nur kurz angerissen, dass wesentliche Elemente von Kautsky’s „Ultraimperialismustheorie“ bei den Thesen des XX. Parteitages der KPdSU und auch teilweise - ganz aktuell - bei einigen Theoretikern der modernen „Neoliberalismustheorie“ Pate gestanden zu haben scheinen

[46]   Ich gebrauche hier mit Absicht den Begriff „antikapitalistische“ und nicht den Begriff „kommunistische“ Kräfte, weil solche Fraktionen innerhalb reformistischer Parteien nicht immer eine kommunistische Ausrichtung hatten; siehe z.B. SDS oder Jusos in der BRD - und es auch heute nicht immer haben.

[47]   Natürlich sind die Verhältnisse jeweils konkret etwas unterschiedlich, z.B. spielt es eine Rolle, ob die Mutterpartei ehemalige Regierungspartei war oder nicht, ebenso ist mitentscheidend, wie weit der revisionistische Zerfall der Mutterpartei fortgeschritten ist.

[48]   Der Charakter der UNO wird dabei verschwiegen: seit dem Ende des europäischen Sozialismus steht diue UNO eindeutig unter Kontrolle des US-Imperialismus. Der UNO also ein militärisches Gewaltmonopol zuzubilligen bedeutet, den USA dabei zu helfen, ihre eigenen Herrschaftsansprüche über die UNO tarnen zu können. Dabei deutsche Soldaten eventuell mithelfen zu lassen, macht sie nicht nur zu Erfüllungsgehilfen der USA, sondern fördert auch die Weltgeltungsansprüche des BRD-Imperialismus und verschärft mithin die imperialistische Konkurrenz.. Mit Friedenssicherung, wie das manche Funktionäre der PDS verbreiten, hat die ganze Sache nichts zu tun.

[49]   Bundessprecherrat der Kommunistischen Plattform der PDS, „In der PDS gegen den Krieg“, 10. 10. 2001; unterzeichnet: Erika Baum, Ellen Brombacher, Sahra Wagenknecht, Thomas Hecker, Jürgen Herold, Prof. Heinz Karl, Dr, Heinz Marohn, Friedrich Rabe

[50]   Die hier angeführten Beispiele sind zufällig ausgewählt und deshalb weder repräsentativ noch vollständig.

[51]   http://www.kommunisten-online.de ist nicht die Homepage der Kommunistischen Plattform der PDS, sondern der Inhalt dieser Seiten wird von einer Redaktion Günter Ackermann, Monika Balzer, Dimitri Tsalos, Dr. Hans Schröter verantwortet

[52] Die KPF bezeichne ich als „kommunistische Fraktion“ innerhalb einer reformistischen Partei, obwohl es gar nicht so einfach ist, den Charakter der Kommunistischen Plattform der PDS genauer zu umreißen, als es im Text weiter oben schon geschah: sie vereint Mitglieder der PDS, die sich als Kommunisten verstehen. Was das inhaltlich genau bedeutet, bleibt aber verschwommen, weil es eine eindeutige Selbstdefinition der KPF nicht gibt.

 

[53]   Natürlich halten Mitglieder des Sprecherrates der KPF hier und dort Referate, geben Linien vor usw. Das ersetzt aber keineswegs eine organisierte Bildungsarbeit und noch weniger eine organisierte Forschungs- und Theoriebildungssarbeit.

[54]   Das Spektrum der Meinungsäußerungen, welches mir in der KPF bisher auffiel, reicht vom Marxismus-Leninismus und Antirevisionismus über die kategorische Stalinablehnung bis zum Trotzkismus und zu Vorstellungen des „demokratischen Sozialismus“..Genau so heterogen wie diese theoretischen Grundausrichtungen sind die Haltungen zur DDR und zur UdSSR. Es herrscht in der Mitgliedschaft zwar in weiten Teilen ein emotional positiver Bezug vor, andererseits sind aber auch Kritikformen vorhanden, die direkt aus den konterrevolutionären Anschauungen der bürgerlichen Propaganda und der Reformisten stammen.

[55] Dabei besteht das Problem darin, dass auch zutiefst revisionistische Auffassungen unwidersprochen bleiben. Als ein Beispiel sei hier eine Passage aus „Der zweigeteilte Parteitag – Versuch eines Beitrags gegen neue Legenden“ von André Brie zitiert, erschienen in dem Buch „Die PDS – Herkunft und Selbstverständnis“, herausgegeben von Lothar Bisky, Jochen Czerny, Herbert Mayer und Michael Schumann.

„...Der Parteitag (hatte) im Bericht zu seinem ersten Tag konsequent und für die PDS bleibend beschlossen:

<<Die Delegierten des Sonderparteitages sehen es als ihre Pflicht an, sich im Namen der Partei gegenüber dem Volk aufrichtig dafür zu entschuldigen, dass die ehemalige Führung der SED unser Land in diese existenzgefährdende Krise geführt hat. Wir sind willens, diese Schuld abzutragen. Wir danken aufrichtig den mündigen Bürgern unseres Landes, die die radikale Wende durch ihren mutigen, gewaltlosen Kampf erzwungen und uns damit auch die Chance zur revolutionären Erneuerung unserer Partei gegeben haben. Der außerordentliche Parteitag hat den Bruch mit der machtpolitischen Überhebung der Partei über das Volk, mit der Diktatur der Führung über die Parteibasis vollzogen. Er stellt den Parteimitgliedern mit dem Arbeitspapier seines vorbereitenden Arbeitsausschusses die Orientierung für einen demokratischen Sozialismus jenseits von stalinistischem Pseudosozialismus und Herrschaft des Profits vor.>>

Diesem Arbeitsausschuß, der dieses Papier gegen den <<stalinistischen Pseudosozialismus>> vorgelegt hatte, gehörte – ich stelle es mit anhaltender Verwunderung fest – Ellen Brombacher an.“

So weit André Brie, in: „Die PDS – Herkunft und Selbstverständnis“, S. 56. Mir ist keine nachträgliche Distanzierung der KPF-Führung von dieser Geßelung der SED und Bejubelung des „demokratischen Sozialismus“ bekannt, ebensowenig von Ellen Brombacher selbst. Und über eine dieses Thema betreffende Dikussion innerhalb der KPF weiß ich auch nichts.

[56] Vgl. in diesem Zusammenhang auch: „offen-siv“ Januar/Februar 2001. Hier wird sehr ausführlich auf die Würdigung der „JKP“ und ihrer Positionen durch den DKP-Vorsitzenden Stehr eingegangen. Insgesamt orientiert sich die DKP-Führung auf internationaler Ebene eher auf die Beziehungen zu revisionistischen Parteien bzw. Parteien mit revisionistisch dominierten Parteiführungen. Ungeklärt ist auch das Verhältnis der DKP-Führung zur so genannten „Französischen Kommunistischen Partei“, deren Führung bereits so verkommen ist, dass sie ihrer Borugeoisie als eine die Regierung loyal mittragende Partei Schützenhilfe auch bei den imperialistischen Kriegen gegen Jugoslawien und Afghhanistan gab...

[57] Hiermit sind wohl die intellektuellen „Perestroika“- und „Glasnost“-Anhänger in der SED gemeint

[58] Das Zitat ist der umfangreichen Erklärung des Genossen Prof. Dr. Willi Opitz entnommen, mit der er seinen Parteiaustritt aus der DKP begründete. Eine Kopie dieser Erklärung befindet sich im Besitz des Verfassers

[59] Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe im 21. Jahrhundert. Protokollband der gleichnamigen Konferenz von RotFuchs und Offensiv am 28/29. Oktober 2000 in Berlin“. Erhältlich über: „Redaktion „offen-siv“, Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 HANNOVER, Tel & Fax: 0511-5294782, e-mail: redaktion@offen-siv.net

[60] Sozialismusvorstellungen der DKP“, S. 10ff.

[61] Hearing der Programmkommission der DKP am 3. März 2001: Nina Hager (stellvertretende Parteivorsitzende der DKP!, d. Verf.): Zur Vertiefung der Sozialismusvorstellungen“, S. 12

[62] Hans Wunderlich: „Kommunismus des 21. Jahrhunderts: Versuch, Schlussfolgerungen zu ziehen“, UZ, 31. August 2001

[63] Das Fischer Lexikon, „Staat und Politik“, Hg.: E.Fraenkel u. K. D. Bracher, Frankfurt/Main 1973, S. 226

[64] Duden-Lexikon in drei Bänden, Dudenverlag, Mannheim 1965, S. 1673

[65] vgl. dazu ausführlich: M. Opperskalski, „Der ‚demokratische Sozialismus‘ ist mehr als eine Illusion...“, „offen-siv“-Sonderheft, November 1996

[66] W.I. Lenin, „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky“, Gesammelte Werke, Berlin (DDR), Bd. 28, S. 249

[67] Karl Marx, „Die Konstitution der Französischen Republik, (...), Marx/Engels, Gesammelte Werke, Berlin (DDR) 1960, Bd. 7, Seite 498. Hervorhebungen im Original

[68] Marx an Ludwig Kugelmann, London, 12. April 1871, Marx/Engels, Gesammelte Werke, Berlin (DDR) 1984. Bd. 33, Seite 205

[69] ebenda

[70] Sozialismusvorstellungen der DKP“, S. 11/12

[71] vgl. dazu: W.I. Lenin, „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“, Lenin, Gesammelte Werke, Berlin (DDR) 1973, Bd. 9 u. „Der ‚linke Radikalismus‘, die Kinderkrankheit im Kommunismus“, Gesammelte Werke, Berlin (DDR) 1973, Bd. 31 oder „Über Kompromisse“, Gesammelte Werke, Berlin (DDR), Bd. 25

[72] Georgi Dimitroff, „Bericht auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale am 2. August 1935“, Ausgewählte Werke, Bd. 2, Frankfurt/Main 1976, Seite 68ff. Hervorhebungen im Original

[73] Sozialismusvorstellungen der DKP“, S. 11. Ähnliche Formulierungen finden sich auch in dem DKP-Dokument „DKP – Partei der Arbeiterklasse – Ihr Platz heute

[74] „Hearing der Programmkommission der DKP am 3. März 2001, Nina Hager: „Zur Vertiefung der Sozialismusvorstellungen“, S. 5

[75] Hans Wunderlich: „Kommunismus des 21. Jahrhunderts: Versuch, Schlussfolgerungen zu ziehen“, UZ, 31. August 2001

[76] „Iwan Melnikow: Sozialismusvorstellungen in der KPRF“, UZ, 4. Mai 2001

[77] Harald Neubert (heute PDS)gehört zu jenem Kreis von Intellektuellen und Funktionären der SED, die als Anhänger von Gorbatschows „Perestroika“ und „Glasnost“ ihre Rolle bei der ideologisch-politischen Diversion der SED als Voraussetzung für die schließlich siegreiche Konterrevolution in der DDR spielten. Vgl. dazu ausführlich: M. Opperskalski, „Der ‚demokratische Sozialismus‘ ist mehr als eine Illusion...“, „offen-siv“-Sonderheft, November 1996

[78] Sozialismusvorstellungen der DKP“, S.11

[79] Engels an August Bebel, 11./12. Dezember 1884, Marx/Engels, Gesammelte Werke, Berlin (DDR) 1967, Bd, 36, Seite 253. Hervorhebung im Original

[80] „disput“, Nr. 3/94

[81] Hans Wunderlich: „Kommunismus des 21. Jahrhunderts: Versuch, Schlussfolgerungen zu ziehen“, UZ, 31. August 2001

[82] ein lockerer, sich regelmäßig treffender Zusammenschluss von Sozialdemokraten unterschiedlicher Couleur, von Trotzkisten, ehemaligen und noch Revolutionären, ehemaligen und noch Kommunisten Latein- und Mittelamerikas

[83] Leo Mayer, „Anmerkungen zum heutigen Imperialismus“, Referatmanuskript ,Freiburg, 10.05.96, S. 2. Zit. nach: Manfred Sohn, „Ein Schimmel ist ein Pferd aus der Art der Rösser, Polemik gegen das allmähliche Abheben von unseren theoretischen Grundlagen“, „offen-siv“, Mai 1998, Nr. 8.  Obwohl nicht allen Aussagen des Autors dieser Broschüre zuzustimmen ist, ist sie dennoch eine fakten- und inhaltsreiche Auseinandersetzung mit den von Leo Mayer vertretenen „Neoliberalismus-Konzeptionen“ und daher für eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex geeignet. Manfred Sohn hat die Broschüre verfasst, als er noch Marxist und DKP-Mitglied war. Inzwischen hat auch er sich von „unseren theoretischen Grundlagen“ verabschiedet...

[84] zit nach: „DKP-Informationen“ (herausgegeben vom DKP-Parteivorstand) Nr. 7/96, Beitrag von Heinz Stehr, S. 1

[85] Leo Mayer, „Anmerkungen zum heutigen Imperialismus“, Referatmanuskript, Freiburg, 10.05.96, S. 2, zit. nach: Manfred Sohn, „Ein Schimmel ist ein Pferd....“

[86] ebenda, S.9

[87] Karl Kautsky, „Die Neue Zeit“, 30.04.1915

[88] zit. nach: „offen-siv“, März 1999, Nr. 2, „Redaktionsnotiz“, S.3

[89] Heinz Stehr: „Zum Stand der Erarbeitung eines neuen DKP-Programms“, Referat, gehalten auf der .......

[90] Leo Mayer/Fred Schmid: „Kollektiver Imperialismus“ sowie Heinz Stehr: „Kollektiver Imperialismus – Folgen und Antworten“, „Marxistische Blätter Special“, 6/01

[91] ebenda

[92] Christian Koberg, Mitglied des Sekretariats des PV der DKP, auf der Tagung des Parteivorstandes (PV) am 12. Juni 1999

[93] Das Zitat ist der umfangreichen Erklärung des Genossen Prof. Dr. Willi Opitz entnommen, mit der er seinen Parteiaustritt aus der DKP begründete. Eine Kopie dieser Erklärung befindet sich im Besitz des Verfassers

[94] Christian Koberg, Mitglied des Sekretariats des PV der DKP, auf der Tagung des Parteivorstandes (PV) am 12. Juni 1999

[95] Robert Steigerwald: „Über das Kommunist-Sein hier und heute“, UZ, 24. März 2000

[96] Harald Neubert: „Der XX. Parteitag, der Sozialismus und die kommunistische Bewegung“, UZ, 23. Februar 2001

[97] Papier der Geschichtskommission der DKP: „Letzte Fassung nach Diskussion in parteiöffentlicher Sitzung der Geschichtskommission am 12.5.94 in Leverkusen“, S. 6; Kopie im Besitz des Verfassers

[98] Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), Dokument des ZK: „Gedanken über die Faktoren, die zur Zerschlagung des sozialistischen Systems in Europa führten (...)“, Athen, Griechenland, 24. März 1995, S.25 und 32 ff.

[99] zu diesen Mitteln gehören offensichtlich auch Diffamierung und üble Nachrede. Der Autor dieses Beitrages wurde vom DKP-Parteivorstandsmitglied Irene Lang  - sicher „nicht nur in eigenem Auftrag“ – als Agent des britischen Geheimdienstes diffamiert, an anderer Stelle wurde behauptet, er unterhalte Kontakte zum Verfassungs“schutz“. „Verfassungs’schutz’anwürfe“ zirkulierten auch gegen die Zeitschrift „offen-siv“ sowie gegen den „RotFuchs“. Die Liste anderes und ähnlich gearteter Diffamierungen ließe sich beliebig verlängern...

[100] vgl. dazu ausführlich: „offen-siv“, Juli/August 2001, Heft 1

[101] unterstützt werden die Positionen der DKP-Erklärungen auch von Einzeläußerungen einzelner DKP-Führungsmitglieder oder Veröffentlichungen im Parteiorgan UZ. Am 31. August 1999 veröffentlichte die bürgerliche Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ (Berlin) einen längeren Artikel über das UZ-Pressefest: „Rolf Priemer, der stellvertretende Parteivorsitzende und UZ-Chefredakteur steht am Eingang des Festgeländes und rauch Zigarre. Er trägt eines dieser wild gemusterten Hemden im Stil des Moderators Jürgen von der Lippe, die bei den DKP-Führungskadern so beliebt sind. ‚1989 hatten wir natürlich alle Depressionen’, sagt er. ‚Aber jetzt kommen die alten Genossen nach und nach wieder. Der Kapitalismus zeigt erst jetzt (?, d. Verf.) sein wahres Gesicht. In Hessen haben wir wieder 23 Sitze in den Kommunalparlamenten.’ Die DKP, das weiß jeder, ist eine Satellitenpartei der SED gewesen. ‚Leben wollten wir trotzdem nicht in der DDR. Glauben Sie mir, wir haben oft interne Auseinandersetzungen mit den SED-Genossen gehabt.’ “

[102] Wer den "RotFuchs" beziehen möchte, der wende sich bitte direkt an: Dr. Klaus Steiniger, Teterower Ring 37, 12619 Berlin

[103] Christian Koberg, Mitglied des Sekretariats des PV der DKP, auf der Tagung des Parteivorstandes (PV) am 12. Juni 1999