Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 10/05

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)

Ausgabe November / Dezember 2005

Mit Schwerpunkt:
Der europäische Imperialismus


Inhalt


Redaktionsnotiz

Der Konzern „Continental“ macht Rekordgewinne, schließt aber die Produktion von PKW-Reifen in Hannover. Die regionalen Politiker sind empört und telefonieren mit dem Konzernchef. Danach lassen sie verlauten, dass sie machtlos seien, da solche Entscheidungen ja nicht im Stadtrat oder im Landtag gefällt würden (Schmalstieg und Wulf laut HAZ vom 25. und 26. 11. 05) Die Gewerkschaft mit Herrn Schmoldt an der Spitze spricht von „Vertrauensbruch“, da man doch kürzlich erst längeren Arbeitszeiten bei geringerem Lohn zugestimmt habe. Und nun das. Die Belegschaft hingegen will sich wehren. Es gibt eine Betriebsversammlung, während der die Produktion ruht. Danach kommt es zu einigen Protestkundgebungen in Hannover und ein Teil der Belegschaft besetzt für zwei bis drei Stunden die Werkstore. Um 18.00 Uhr desselben Tages nehmen die Arbeiter und Angestellten die Produktion wieder auf. Von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gefragt, wann Profitstreben unmoralisch werde, antwortet der Konzernchef: „Diese Frage stellt sich nicht.“

Dies kleine Beispiel zeigt ganz viel über die großen Zusammenhänge. Und denen gilt in diesem Heft unser Augenmerk: Europa, betrachtet aus unterschiedlichen Blickwinkeln, nämlich mit dem Fokus auf den Formierungsprozess der imperialistischen Kräfte (der erste Teil eines Beitrags aus Indien: „Schritte zu den `Vereinigten Staaten von Europa´ oder: Anstrengungen für eine Veränderung der imperialistischen Kräfteverhältnisse“,) in einem zweiten Artikel mit der Analyse der militärpolitischen Ausrichtung des europäischen Imperialismus (Auszüge aus dem Buch von Tibor Zenker aus Österreich: „Entwicklungspotenzial und Militarisierung der EU“) und drittens mit einem Blick auf die aktuellen Kämpfe (Herwig Lerouge von der Partei der Arbeit Belgiens: „Klassenkämpfe in Europa“).

Dieser letzte Beitrag stammt von der Konferenzin Prag:„Sozialismus – wissenschaftlicher oder surrealistischer?“. Die Konferenz fand am 19. 11. 2005 statt und wurde veranstaltet vom Jugendverband der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens sowie den Prager Distrikten 1 und 7 der Partei. Wir haben uns gefreut, dass wir, die „Offensiv“, dort eingeladen waren, das Hauptreferat zu halten. Michael Opperskalski hat diese Aufgabe gern wahrgenommen. In der ersten Ausgabe des neuen Jahres werden wir ausführlicher darüber berichten.

Wir bringen in diesem Heft den ersten Teil eines spannenden Gesprächs mit Kurt Gossweiler. Der zweite Teil, in dem es konkret um die Geschichte der DDR geht, folgt im Januar-Februar-Heft 2006. Der aktuellen Bericht des Genossen Zbigniew Wiktor aus China gibt leider zu Befürchtungen Anlass, die durch den Bericht des Genossen Hans Fischer von einer Veranstaltung zum Herbst `89 mit Egon Krenz noch verstärkt werden. Zur aktuellen Diskussion haben wir eine Stellungnahme der Grundorganisationen der DKP Sachsens zur Programmdebatte der DKP aufgenommen.

In der Mitte des Heftes findet Ihr nochmals das Faltblatt zum Fernstudium, bitte herausnehmen und an Interessierte weitergeben! Das Interesse am Fernstudium ist bisher gut, wir haben inzwischen rund 20 Anmeldungen, es sind einige Gelder für den Hilfsfonds eingegangen und auch Bücher, Sachspenden und CDs mit notwendigen Texten sind vorhanden. Für die in der letzten Ausgabe angebotene Lenin-Ausgabe haben wir eine gute Spende erhalten. Und wir haben, ebenfalls zur Unterstützung des Fernstudiums, zwei Ausgaben Stalin-Werke bekommen (Band 1 – 13, die Bände 14 und 15 sind kurz nach Erscheinen 1956 eingestampft bzw. in den Heizwerken verbrannt worden, deshalb sehr selten und hier leider nicht dabei). Also: Stalin Werke Band 1 – 13 gegen Spende für’s Fernstudium abzugeben! Wer Interesse hat: bitte bei der Redaktion melden! (Tel.u.Fax: 0511 – 52 94 782, Mail: redaktion@offen-siv.net).

Ihr habt in diesem Heft die letzte Chance, unsere Solidaritätserklärung mit dem Irakischen Widerstand zu unterschreiben. Die Sache hat sich gut entwickelt und wir wollen die Unterschriftenlisten im Januar übergeben. Also: unterschreiben und uns zusenden!!!

Nun bliebt nur noch zu sagen, dass Zeitungmachen Geld kostet (wie Ihr im Januar-Heft des nächsten Jahres im Rechenschaftsbericht sehen werdet).

Spendenkonto Offensiv:

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Je nach Zweck der Spende bitte „Offensiv“, „Publikationen“ oder „Fernstudium“ als Kennwort angeben!

Wir bitten Euch wirklich ganz eindringlich, uns zu helfen.

                                                                                                                     Redaktion Offensiv, Hannover


Der europäische Imperialismus

Socialist Unity Center of India (SUCI): Schritte zu den “Vereinigten Staaten von Europa“ oder: Anstrengungen für eine Veränderung der imperialistischen Kräfteverhältnisse

1. Teil

Die aktuellen Entwicklungen in verschiedenen europäischen Ländern, vor allem die Aktivitäten der EU und der Versuch, eine gemeinsame europäische Verfassung zu installieren, haben überall auf der Welt zu großer Aufmerksamkeit geführt. Dabei zeigte sich leider eine große Konfusion über die Rolle der EU in der internationalen Politik und deren Auswirkungen auf das Leben der Menschen.

Zunächst sei hier festgestellt: Die EU ist die Vereinigung der herrschenden Klassen der unterschiedlichen europäischen Länder, gegründet, gestaltet und propagiert von den regierenden bürgerlichen Parteien dieser Länder. Konflikte und Kooperationen, Widersprüche und Gemeinsamkeiten, die diese Entwicklung begleite, können als nichts anderes angesehen werden, denn als verzweifelter Versuch sowohl der großen imperialistischen Staaten als auch der schwächeren und rückständigeren europäischen Länder in Europa, sich über ihre ökonomische Krise hinwegzuretten, die sich u.a. in wachsender Arbeitslosigkeit, niedergehender Industrie, großen Fusionen und rapider Kapitalvernichtung bemerkbar macht und so die Gefahr von sozialen und politischen Unruhen hervorruft.

Grundsätzlich wurzeln diese offenen Widersprüche in der dritten sich nach dem 2. Weltkrieg entwickelnden großen Krise des Weltimperialismus. Wie der Genosse Shibdas Ghosh, Generalsekretär unserer Partei, des „Socialist Unity Center of India“ (SUCI), zu mehreren Gelegenheiten erklärte, begann diese krisenhafte Entwicklung in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Existenz eines parallelen sozialistischen Weltmarktes und dessen Kraft, der Verlust der traditionellen Kolonien, die Anstrengungen der neuen Bourgeoisien in den ehemaligen Kolonien, am kapitalistischen Weltmarkt teilzunehmen, - dies alles zusammen genommen  schmälerte die Märkte der machtvollen imperialistischen Länder, oder anders ausgedrückt;: schmälerte die Märkte für den Welt-Imperialismus.

Akute Absatzkrisen und Rezessionen zwangen die imperialistischen Länder der Welt, eine Maßnahme nach der anderen durchzuführen, um diese Krisen zu überwinden – aber ohne Erfolg, stattdessen verschärften sich die Probleme.

Die aktuellen Entwicklungen in Europa müssen vor diesem Hintergrund beleuchtet und beurteilt werden. Es ist notwendig, vorurteilslose Analysen der Prozesse und ihrer ideologischen Begleitmusik vorzunehmen, um entscheiden zu können, wie der Zusammenschluss der europäischen Länder zu sehen und zu beurteilen ist. Wir legen die folgende kurze marxistische Studie vor, um etwas mehr Licht in die Sache zu bringen. Bevor wir zur Analyse der aktuellen Prozesse kommen, werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte der EU.

Der Beginn: Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).

Die EU ist eine Institution mit dem offiziellen Auftrag, die europäischen Länder mit dem Ziel einer friedlichen Entwicklung zu vereinen. Solche Vereinigungsvorhaben sind nicht wirklich neu für den Kontinent, hier sei nur an Karl den Großen, das Heilige Römische Reich oder die napoleonischen Eroberungen erinnert. Der erste gelungene Versuch einer Einigung aber war die Gründung der EWG, beschlossen mittels der Römischen Verträge am 25. 3. 1957 und in Kraft gesetzt am 1. 1. 1958 zwischen den Ländern Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und Westdeutschland. Der Vorgänger der EWG war die Montanunion, die 1952 unter den eben genannten Ländern einen gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl begründet hatte. 1957 wurde zusätzlich zur EWG eine Europäische Gemeinschaft zur Förderung der Atomenergie, die EURATOM, gegründet.

Die EWG wurde als „Gemeinsamer Markt“ der beteiligten Staaten ins Leben gerufen, Staaten, die im oder nach dem 2. Weltkrieg gänzlich oder zum Teil ihre Kolonien und damit auch deren Ressourcen und Märkte verloren hatten. Geführt wurde die EWG von Frankreich und Westdeutschland – und sie war von Anbeginn an gerichtet gegen den übermächtigen Einfluss des USA-Imperialismus in Europe (und in der Welt).

Die EWG arbeitete für die freie Bewegung von Kapital und Lohnarbeit, für Koordination und Kooperation und für eine dementsprechende Handels-, Verkehrs-, Landwirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik. Ebenso ging es um eine gemeinsame Linie im Außenhandel, um gemeinsame Zölle und Tarife. 1962 wurde ein gemeinsames Preisniveau für landwirtschaftliche Produkte eingeführt, 1968 wurden ähnliche Verträge für viele andere Produkte geschlossen, 1979 wurde das Europäische Währungssystem gegründet. Und nun schließlich gibt es eine gemeinsame Währung. Mit Ausnahme von Großbritannien, Dänemark und Schweden gilt der Euro nun in 12 Ländern Europas: Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Italien, Luxemburg, Griechenland, Spanien, Irland, Österreich, Portugal und Finnland. Die EU ist inzwischen eine Institution mit dem Ziel, nun mit der endgültigen wirtschaftlichen Vereinigung der Mitgliedsländer zu beginnen.

Aber nicht immer verliefen die Entwicklungen gemäß dieses Ziels. So schlug Großbritannien 1958 vor, den „Gemeinsamen Markt“ zu einer transatlantischen Freihandelszone zu erweitern. Denn während der ersten Nachkriegsjahre war us-amerikanisches Kapital in großem Umfang nach Großbritannien geflossen. Deshalb hielten die anderen Staaten Europas, vor allem Frankreich und Westdeutschland, diesen Vorschlag Großbritanniens für einen Versuch, Europa unter die Kontrolle der USA zu stellen. Nachdem Frankreich sein Veto gegen diesen Vorschlag eingelegt hatte, gründete Großbritannien zusammen mit anderen Ländern Europas die Europäische Freihandelszone (EFTA) als Konkurrenz zur EWG. Später aber, beginnend mit dem Jahr 1973 und dem britischen, irischen und dänischem Beitritt zur EWG, kamen sich EFTA und EWG in vielen Bereichen der Wirtschaftspolitik näher und 1995 haben sich alle Kontrahenten in der EU vereinigt – bis auf fünf ehemalige EFTA-Länder.

Die Gründung der EU.

Mit den Verträgen über die EU (auch als Maastricht-Verträge bekannt) wurde das Wort „Wirtschaft“ aus  dem Namen „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ gestrichen und die EU gegründet.

Von Anfang an zeigten sich Spannungen und Probleme zwischen den Mitgliedsstaaten, die sich vor allem in wiederkehrenden Auseinandersetzungen um die Modalitäten der Beschlussfassung innerhalb der EU äußerte.

Heute hat die EU 25 Mitgliedsstaaten. Zunächst die ursprünglichen Gründerstaaten der EWG, also Frankreich, Italien, Westdeutschland, Belgien, die Niederlande und Luxemburg, 1973 dann traten Großbritannien, Dänemark und Irland bei, 1981 Griechenland, 1986 Portugal und Spanien, 1990 folgte (durch die „Wiedervereinigung Deutschlands“) Ostdeutschland, 1995 folgten Österreich, Finnland und Schweden, und schließlich wurden Zypern, die Tschechische Republik, Ungarn, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakische Republik und Slowenien in die EU aufgenommen. Grönland, dem 1979 von Dänemark Autonomierechte zugestanden wurden, verließ nach einem Referendum 1985 die EWG. Rumänien und Bulgarien ist die Aufnahme zum 1.1.2007 zugesagt und Kroatien ist Kandidat für den Beitritt. Island, Norwegen und die Schweiz sind keine Mitgliedsstaaten, haben aber Sonderabkommen mit der EU. Mir Russland, das ebenfalls kein Mitglied ist, fand Ende Mai 2005 ein Gipfelgespräch statt, das zu keiner Einigung führte. Es wurden aber weitere Verhandlungen angekündigt. Bei einigen westeuropäischen Mitgliedern der EU gab und gibt es große Vorbehalte gegen die Aufnahme osteuropäischer, ehemals sozialistischer Staaten. Es werden starke Verwerfungen des Arbeitsmarktes befürchtet. Deshalb gelten die osteuropäischen Staaten einigen der Mitgliedsländer als nicht beitrittsfähig. Ein weiterer Streitpunkt ist die Türkei-Frage. In Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und anderen langjährigen Mitgliedsstaaten gibt es große Vorbehalte gegen einen türkischen Beitritt zur EU.

Insgesamt kann man sagen: die EU entwickelte sich durch die Zusammenarbeit einiger europäischer Länder auf wirtschafts- und währungspolitischem Gebiet. Von dort aus wuchs die EU, bekam neue Mitgliedsstaaten und ist heute eine starke, zentralisierte wirtschaftliche und politische Einheit. Während des Entwicklungsprozesses kam es auch vermehrt zu gesetzgeberischen Aktivitäten, die von der EU-Kommission, dem Europäischen Parlament und vom Europarat wahrgenommen wurden. Und die EU hat inzwischen weitere Institutionen: den Europäischen Gerichtshof, die Europäische Zentralbank usw. Durch all diese Strukturen erreicht die EU inzwischen fast-staatliche Kompetenz, die in einigen bereichen auch tatsächlich über den Kompetenzen der Mitgliedsländer stehen.

So weit der Überblick über die Entwicklung der EU.

Die Bemühungen um eine Europäische Verfassung scheitern.

Am 29. 10. 2004 brachten die Führer der Mitgliedsstaaten der EU einen Vertrag über die Verabschiedung einer Europäischen Verfassung auf den Weg, der von allen 25 Mitgliedstaaten unterzeichnet werden sollte.

Die Verfassung sollte die unterschiedlichen, zum Teil sich widersprechenden und auseinanderdriftenden Interessen zusammenfassen und den Dualismus zwischen der starken wirtschaftlichen Kooperation bei gleichzeitigen politischen Widersprüchen überwinden helfen, indem alle europäischen Aktivitäten unter die Schirmherrschaft der EU gestellt werden sollten. Aber dieser Prozess kam am 29. 5. 2005 ins Stocken, als beim Referendum in Frankreich die Europäische Verfassung mit 55 % der Stimmen abgelehnt wurde. Drei Tage später, am 1. Juni 2005, lehnte auch das Volk der Niederlande die Europäische Verfassung ab.

Das brachte die EU in Schwierigkeiten. Der EU-Gipfel in Brüssel am 16. und 17. Juni 2005 verkündete eine „Denkpause“ und bremste das Tempo der Neuaufnahmen in die EU. Außerdem wurde der November-Termin zur Ratifizierung der Verfassung abgesagt – gegen den ausdrücklichen Willen der französischen, deutschen und luxemburgischen Regierungen, die ausdrücklich forderten, den Prozess der Inkraftsetzung der Verfassung trotz der Rückschläge in Frankreich und den Niederlanden wie geplant fortzusetzen. Demgemäß wurde dieser Gipfel ein Erfolg für Großbritannien, das der EU-Verfassung nie sonderlich positiv gegenüber gestanden hatte. Es brachen wieder heftige Widersprüche in der EU auf, z.B. über den Haushalt der EU, über die Agrarpolitik usw.

„Friedliebende“ imperialistische Allianzen wachsen außerhalb der Kriege und legen die Grundlagen für neue Konflikte.

Um eine solche Organisation wie die EWG, dien sich zur EU weiterentwickelte, in die Weltpolitik einordnen zu können, brauchen wir einen kurzen historischen Überblick über die Geschichte Europas. Bevor wir uns nun diesem Thema zuwenden, soll aber kurz Lenin zitiert werden. 1915, mitten im 1. Weltkrieg, als der Imperialismus einer großen wirtschaftlichen und politischen Krise entgegen ging, schrieb Lenin über die Parole der „Vereinigten Staaten von Europa“ im „Sozial-Demokrat“, Nr. 44, 23. August 1915: „Vereiniget Staaten von Europa sind unter kapitalistischen Verhältnissen gleichbedeutend mit Übereinkommen über die Teilung der Kolonien. Unter kapitalistischen Verhältnissen ist jedoch jede andere Basis, jedes andere Prinzip der Teilung als das der Macht unmöglich. … Es kann nicht anders geteilt werden als „entsprechend der Macht“. Die Machtverhältnisse ändern sich aber mit dem Gang der ökonomischen Entwicklung. Nach 1871 erstarkte Deutschland etwa drei- bis viermal so rasch wie England und Frankreich, Japan annähern zehnmal so rasch wie Russland. Um die tatsächliche Macht eines kapitalistischen Staates zu prüfen, gibt es kein anderes Mittel und kann es kein anderes Mittel geben als den Krieg. Der Krieg steht in keinem Widerspruch zu den Grundlagen des Privateigentums, er stellt vielmehr eine direkte und unvermeidliche Entwicklung dieser Grundlagen dar. Unter dem Kapitalismus ist ein gleichmäßiges Wachstum in der ökonomischen Entwicklung einzelner Wirtschaften und einzelner Staaten unmöglich. Unter dem Kapitalismus gibt es keine anderen Mittel, das gestörte Gleichgewicht von Zeit zu Zeit wieder herzustellen, als Krisen in der Industrie und Kriege in der Politik. Natürlich sind zeitweilige Abkommen zwischen den Kapitalisten und zwischen den Mächten möglich. In diesem Sinne sind auch die Vereinigten Staaten von Europa möglich als Abkommen der europäischen Kapitalisten … worüber? Lediglich darüber, wie man gemeinsam … die geraubten Kolonien gegen Japan und Amerika verteidigen könnte…“ (Lenin Werke, Bd. 21, S. 345)

Während der Zeit nach der Industriellen Revolution wuchsen die westeuropäischen Länder schnell zu monopolistischen und imperialistischen Kräften heran. Dieser Prozess verlief natürlich nicht ohne Probleme. In der ersten Phase der Entwicklung der kapitalistischen Ökonomie und des bürgerlichen Staates achtete die Bourgeoisie sehr stark auf die Eigenständigkeit, die Souveränität ihres eigenen Landes und ihrer eigenen Ökonomie. Unbestritten war das notwendig für ein reibungsloses und schnelles Wachstum ihrer Wirtschaft, aber genau so auch für ihre eigene politische Konsolidierung. Aber nachdem der kapitalistische Weltmarkt krisenhafte Entwicklungen zeigte, entwickelten sich in den einzelnen nationalen Ökonomien Tendenzen zur Monopolisierung. Die unterschiedlichen nationalen Bourgeoisien, die bis dahin die nationale Freiheit, die bürgerliche Demokratie und die eigenstaatliche Unabhängigkeit als heiligste Werte gepriesen hatte, schwenkte nun sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich um – weg vom Nationalstaat und hin zu kosmopolitischen Aktivitäten. Es entwickelten sich imperialistisch-kolonialistische Abhängigkeiten und dementsprechende Konkurrenzen. Diese Prozesse führten immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Ländern, von denen jedes versuchte, seine eigenen Einflusssphären und Märkte zu verteidigen bzw. zu erweitern. Dies taten sie unter der offiziellen Parole, den Frieden und den Freihandel bewahren zu wollen, es ging ihnen allerdings nur um die Expansion des eigenen Einflussgebietes und den Zugriff auf alle verfügbaren Märkte.

Wir erinnern hier nochmals an die brillante Analyse Lenins in seinem Werk: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Er sagt dort: „In der höchsten Blüte der freien Konkurrenz in England, in den Jahren 1840 bis 1860, waren die führenden bürgerlichen Politiker Englands Gegner der Kolonialpolitik und hielten die Befreiung der Kolonien und ihre völlige Lostrennung von England für unvermeidlich und nützlich. … Gegen Ende des 19. Jahrhunderts aber waren in England die Helden des Tages Cecil Rhodes und Joseph Chamberlain, die offen den Imperialismus predigten und mit dem größten Zynismus eine imperialistische Politik betrieben!“…(Lenin Werke, Band 22, S. 260)

Die akute Überproduktionskrise, die unausweichlich sich verschärfte durch den Übergang des kapitalistischen Systems in seine imperialistische Phase, führte schließlich zum Ersten Weltkrieg. Die wichtigsten imperialistischen Länder Europas waren beteiligt, aufgeteilt in zwei konkurrierende Gruppen, die beide versuchten, ihre eigene Herrschaft über den Weltmarkt durchzusetzen. Aber der Krieg konnte die krisenhafte Entwicklung nicht aufhalten. Vielmehr musste die herrschende Klasse eines imperialistischen Landes, die des zaristischen Russlands, der sozialistischen Revolution weichen, angeführt durch Genosse Lenin. In Europa gab es eine vorübergehende friedliche Periode. Die Krise verschärfte sich weiter und in Deutschland bildete sich der sog. Nationalsozialismus und in Italien der Faschismus als Reaktion auf die Krise. Schließlich trieben diese Länder, selbst getrieben von der eigenen krisenhaften Entwicklung und von der imperialistischen Konkurrenz andere imperialistische Staaten wie Frankreich, Großbritannien und die USA sowie deren Verbündete in den unausweichlichen Zweiten Weltkrieg. Der Sieg der Sowjetunion im Bündnis der Anti-Hitler-Koalition zwang die imperialistischen Räuber zum Frieden, die Krise des Systems des Imperialismus aber verschärfte sich weiter. Der Sozialismus hatte sich als eine starke Kraft gezeigt, die die Welt vom barbarischen Faschismus befreit hatte. Ein Drittel der Welt wurde sozialistisch, es bildete sich das Sozialistische Lager. Zahlreiche Kolonien und halb-koloniale Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika erreichten ihre Unabhängigkeit und einige von ihnen verließen den kapitalistischen Weg, der Weltmarkt bekam durch diese Entwicklungen einen anderen Zuschnitt, neue Kräfte beanspruchten Teile des Marktes, die vorher allein von den mächtigsten imperialistischen Ländern gehalten wurden. Die Märkte wuchsen und wurden stärker ausgepresst als bisher, die Produktionskapazitäten wuchsen dementsprechend – und die folgenden Rezessionen und Krisen übertrafen alle bis dahin bekannten Ausmaße. Die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse wurden dementsprechend unstabil und waren durch häufige Schwenks, Umstrukturierungen, Neuanfänge und interne Veränderungen von hoher Dynamik geprägt.

Der Zweite Weltkrieg führte die Imperialisten zu unterschiedlichen Kooperationen und brachte einen Wandel des Kräfteverhältnisses hervor.

Unterschiedliche kapitalistische Nationalstaaten mit ihren jeweiligen nationalen Besonderheiten und mit ihren im Grundsatz fast gleichen Ansprüchen und mit einer wachsenden Monopolisierung des Kapitals versuchten nun, kosmopolitisch vorzugehen, indem sie unterschiedliche Arten der Kooperation schafften und sich in Teilbereichen direkt zusammentaten - mit dem Ziel, die Krise zu bekämpfen. Wo solche Zusammenschlüsse unmöglich waren, versuchten sie zumindest eine abgestimmte Politik zu verfolgen. Diese Maßnahmen führte zu einer Verdoppelung der Widersprüche: einerseits ließen sie weiterhin die Möglichkeit von nationalen Widersprüchen der imperialistischen Länder untereinander offen, andererseits entstanden neue Widersprüche zwischen den mehr auf Vereinigung drängen und den mehr auf nationaler Souveränität beharrenden Kräften auf unterschiedlichen Ebenen, so sowohl auf der Ebene der verschiedenen Fraktionen des Monopolkapitals als auch auf der zwischenstaatlichen Ebene.

Diese Entwicklung wurde begleitet von einer großen Umgestaltung der Kräfteverhältnisse innerhalb der imperialistischen Länder. Großbritannien und Frankreich waren ebenso wie die Niederlande, Belgien und andere europäische Länder hatten unter den Anstrengungen und Zerstörungen des Krieges zu leiden, außerdem verloren sie einen Teil ihre traditionellen Märkte und Kolonien in Asien und Afrika. Deutschland, Italien und Japan waren zum Teil verwüstet und tief erniedrigt und gedemütigt. Auf der anderen Seite waren die USA erstarkt, waren sie doch vom Krieg wenig betroffen, hatten aber gute Geschäfte mit Waffenexporten an die Krieg führenden europäischen Länder gemacht, so dass sie nun Großbritannien und Frankreich beiseite schieben und sich selbst für die Nachkriegszeit als imperialistische Führungsmacht etablieren konnten. Die USA nutzten die Verhältnisse, um, oftmals mit militärischer Gewalt und/oder mittels Subversion und indirekter Intervention die schwächeren Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas in neo-koloniale Abhängigkeit zu zwingen. Gleichzeitig taten sie sich in Europa durch großzügige finanzielle Unterstützung (die häufig nichts anderes waren als reiner Kapitalexport und so die Ökonomien Europas von den USA abhängig machen sollten), oft getarnt als Aufbauhilfe für die vom Krieg zerstörten europäischen Länder, zur schnellen und reibungslosen Restrukturierung der dortigen Ökonomie hervor, um eine weitere Ausbreitung des Sozialismus zu verhindern. In diesem Zusammenhang wurden Allianzen geschmiedet wie die NATO, um einen Sperrgürtel um die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder zu legen.

Europa ist gezwungen, den US-Imperialismus zu bekämpfen und Märkte zurück zu gewinnen, um die Krise zu überwinden.

Bald standen die europäischen Länder vor zwei Problemen: das eine war, sich frei zu machen von der ökonomischen und politischen Dominanz des aufstrebenden US-Imperialismus, das andere, die alten und zusätzlich neue Märkte unter die eigene Kontrolle zu bringen und in einem solchen Maße abzusichern, dass sie krisenfrei würden. Die im Nachkriegseuropa entstehende EWG zeigt deutlich diese Konflikte, Widersprüche, Hoffnungen und Erwartungen. Der „Gemeinsame Markt“, die abgestimmte Politik, der zollfreie Verkehr, das alles waren Schritte, um die besorgten, vereinzelten, noch relativ schwachen imperialistischen Kräfte Europas zusammen zu bringen und ihre Kräfte zu bündeln mit dem Ziel, zu einer Konsolidierung und Stärkung ihrer eigenen monopolkapitalistischen und imperialistischen Ansprüche zu kommen. Und dies war eine notwendige Bedingung, um überhaupt den versuch wagen zu können, die US-Dominanz zurückzudrängen.

Neben der Konfliktlinie zwischen den USA und den europäischen imperialistischen Staaten bestanden die Konflikte und Widersprüche in Europa zwar weiter, man bemühte sich aber um Verständigung, friedlich Übereinkünfte, und nahm die eigenen nationalen Interessen zugunsten der Entwicklung einer stärkeren gemeinsamen Kraft zurück.

Eine solche Konstellation bildete sich bald nach dem 2. Weltkrieg heraus, führte zur Gründung der EWG und hat – mit kleinen Veränderungen – sich grundsätzlich fortgesetzt bis heute, wobei die EWG inzwischen durch die stärkere EU ersetzt worden ist.

Die Situation war und ist immer von mehreren Widerspruchsebenen gekennzeichnet. Neben den innereuropäischen Widersprüchen (z.B. zwischen Deutschland/Frankreich auf der einen und Großbritannien auf der anderen Seite), die ja, wie eben gesehen, möglichst klein gehalten wurden, und den Widersprüchen zwischen dem US-Imperialismus und den führenden europäischen Mächten erlaubte das allen Imperialisten gemeinsame, gegen den Sozialismus gerichtete Klasseninteresse den USA, die europäischen Konkurrenten  militärisch mittels der NATO unter ihre Vorherrschaft zu stellen. Inzwischen versucht der europäische Imperialismus sich auch auf militärischem Gebiet von der Dominanz der USA zu befreien, um eigenständig, also ohne oder auch gegen die USA, weltweit handlungsfähig zu werden. Die so genannte „unipolare Welt“ ist eine Illusion, wie sich sehr deutlich in der unterschiedlichen Irak-Politik der USA und Großbritanniens auf der einen Seite und Frankreichs/Deutschlands auf der anderen Seite zeigte. Die europäischen Anstrengungen, sehr schnell zu einer stärkeren Einheit, einer stärkeren Macht zu kommen, müssen also gesehen werden im Zusammenhang mit der Notwendigkeit für die europäischen imperialistischen Länder, in der heutigen Welt der globalisierten Ökonomie möglichst schnell die Dominanz der USA zu brechen.

Die größer werdenden Widersprüche nach dem 2. Weltkrieg werden auch innerhalb der EU spürbar.

Es und es gibt natürlich Widersprüche zwischen den europäischen imperialistischen Ländern, mal stärker im Vordergrund, mal mehr zurückgedrängt. Aber z.B. die EWG mit ihren sechs Gründungsstaaten und die von Großbritannien geführte EFTA waren in grundlegende europäische Widersprüche eingebettet. Nun sind die EFTA-Länder der EU beigetreten, aber die Widersprüche zwischen dem britischen Imperialismus und vor allem den französischen, deutschen und einigen anderen Imperialisten sind damit nicht verschwunden, wie die Auseinandersetzungen um die Europäische Verfassung, um den Etat der EU, um die Landwirtschaftssubventionen und anderes zeigen. Außerdem gibt es Konkurrenzen zwischen Deutschland und Frankreich um die Dominanz in Europa.

Die Komplexität der Beziehungen, die Probleme und Schwierigkeiten, die sich immer wieder zwischen den verschiedenen imperialistischen Ländern Europas zeigen und zeigten, müssen auf der Grundlage des gerade Behandelten gesehen werden.

Wir haben gesehen: Gemeinsam ist den Imperialisten allen der Klasseninstinkt, der sie in die Opposition zum Sozialismus treibt. Die europäischen imperialistischen Staaten trieben und treiben ihre Kooperation voran, um der Dominanz des US-Imperialismus international etwas entgegen setzen zu können. Das brachte und bringt gerade Großbritannien in einige Schwierigkeiten, da es einerseits mit im europäischen Boot sitzt, seine Kolonien verloren hat und nur gemeinsam mit den anderen „Europäern“ wieder zu mehr Einfluss gelangen kann. Gleichzeitig spielte und spielt Großbritannien, schon geostrategisch und geographisch abgesetzt vom Festlandseuropa, so etwas wie die zweite Geige, den Juniorpartner des aufstrebenden, um die Weltmacht kämpfenden bzw. diese verteidigenden US-Imperialismus. So ist Großbritannien zwar der EU beigetreten, hat aber auch versucht, den „Gemeinsamen Markt“ für die USA zu öffnen und sich aktuell der so genannten „Anti-Terror-Politik“, also der Kriegspolitik der USA gegen den Irak angeschlossen. Diese offen liegenden Widersprüche sind begründet in der Dynamik des Imperialismus selbst. Und es ist sehr schwer vorher zu sagen, welche Widersprüche eine bestimmende Rolle bekommen, welche sich abschwächen und wo sie unüberbrückbar werden, denn das hängt historisch-konkret von einem ganzen Bündel von Bedingungen ab.

Es sieht so aus, als rücke Europa näher zusammen gegen die USA und als hätten wir von den europäischen imperialistischen Ländern noch weitere Zeichen der Bereitschaft für diesen gemeinsamen Kampf zu erwarten. Leichzeitig aber wird das eine oder andere europäische imperialistische Land unter den Einfluss eines anderen, mächtigeren europäischen Landes geraten, was wahrscheinlich aber trotzdem nicht zur Beherrschung Europas durch eine Führungsmacht führen, sondern in wechselnden Konstellationen zu unterschiedlichen Gewichten führen wird. Auch wenn mit den inneren Widersprüchen der EU zur Zeit friedlich umgegangen wird, sind sie in der Sache antagonistisch, also nicht zu harmonisieren oder gar auszuräumen. Es sind noch immer die gleichen Interessengegensätze und imperialistischen Widersprüche in Europa vorhanden, die eine der Ursachen für die Entfesselung der zwei. Weltkriege durch Deutschland waren. Lenin sagte, dass „der Imperialismus unausweichlich zum Krieg führt“. Diese Aussage bleibt wahr, auch wenn die Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Ländern in einer so genannten „unipolaren“ Welt stattfinden.

In der EU zeigen sich immer stärker die sozialen Widersprüche zwischen den herrschenden Kapitalisten und den Völkern der beteiligten Länder.

Schließlich zeigen die Bruchlinien der inner-imperialistischen Widersprüche einen weiteren, immer größer werdenden Widerspruch der heutigen Zeit: den Widerspruch zwischen der herrschenden Kapitalistenklasse und der Mehrheit der Unterdrückten, Ausgebeuteten, , Arbeitslosen und Verarmten. Seit der Kapitalismus existiert und insbesondere, seit er sein imperialistisches Stadium erreicht hat, spielt dieser soziale Hauptwiderspruch eine wichtige, manchmal die entscheidende Rolle bei der Frage, wie sich die Gesellschaften entwickeln. Die aktuelle unvermeidliche Krise des Kapitalismus hat die europäischen Imperialisten zur Kooperation gezwungen. Nur so können sie an der „Globalisierung“ teilnehmen, ihre Hoffnung, darin ein Mittel zur Überwindung der Krise gefunden zu haben, hat sie aber betrogen, denn das Gegenteil ist eingetreten: die Krise des Systems hat sich weiter verschärft. Dadurch ist für die Mehrzahl der betroffenen Menschen eine deutlich schlechtere Lage entstanden, verursacht durch ökonomische Stagnation und strukturelle Arbeitslosigkeit.

Die Wut und Verzweiflung der Betroffenen macht sich immer öfter in unterschiedlichsten Aktivitäten bemerkbar, in Demonstrationen, Straßenblockaden, in regionalen oder nationalen, manchmal sogar übernationalen Streiks der Arbeiter, der Bauern und auch Angehöriger der vom Abstieg bedrohten Mittelklassen und Kleinbürger. Diese Gegenwehr nahm Form an in der Ablehnung der Verfassung durch die Mehrheit des französischen und des niederländischen Volkes.

In diesem Zusammenhang erklärte der Pol der Kommunistischen Widergeburt in Frankreich (PRCF), ein Teil der französischen Kommunistischen Bewegung, der gegen den Revisionismus der Führung der Kommunistischen Partei Frankreichs kämpft, parallel und gemeinsam mit solchen Kräften wie der Marxistisch-Leninistischen Partei Dänemarks, der Kommunistischen Partei Dänemarks, der Kommunistischen Partei Spaniens und anderen in klaren Worten, dass die neue EU-Verfassung ein totalitäres Projekt ist, das zu öffentlicher Armut, Vergrößerung der Militärausgaben und der Streitkräfte, zu einer reaktionären Innen- und einer aggressiven Außenpolitik führen wird, um eine Art europäischen Staat zu schaffen, der dem Großkapital beste Bedingungen garantiert. Sie stellten das Bestreben, die EU-Verfassung absegnen zu lassen, in den Zusammenhang mit der internationalen Lage, wo die USA an unterschiedlichen Schauplätzen über die Welt verteilt Offensiven einleiten und die Bourgeoisien der unterschiedlichen europäischen Staaten eine Art Krieg gegen ihre eigenen Völker führen mit dem Ziel, öffentliche Aufgaben zu privatisieren, das Arbeitsrecht auszuhöhlen, die Sozialversicherungen zu liquidieren und den Arbeitsmarkt zu liberalisieren und zu flexibilisieren. Dabei zerstören sie einen Teil ihrer Industrie, einen Teil der Landwirtschaft, den öffentlichen Sektor, Forschung, Kultur und Sprache – alles im Namen einer europäischen Integration.

Und sowohl die rechten, bürgerlichen Parteien, die sozialdemokratischen Parteien, die um einen Kompromiss zwischen der Großbourgeoisie und dem Kleinbürgertum besorgt sind, als auch so genannte Linksparteien und manche linken Bewegungen stimmen ein in den Chor der Befürworter einer solchen Politik. Und sie beziehen dabei auch die Militarisierung der EU mit ein unter dem Etikett: Kampf gegen den Terrorismus“.

Die europäischen Völker identifizieren die EU-Verfassung als eine „neo-liberale“ Gefahr.

In zunehmendem Maße identifizieren die Völker Europas die Verfassung als das, was sie ist: auf der Grundlage eines starken, neo-liberal ausgerichteten Europa soll eine global ausgerichtete Politik beste Bedingungen für das Monopolkapital und dessen imperialistische Ansprüche schaffen.

Die Völker beginnen zu verstehen, dass die Verfassung der letzte Baustein ist, um Europa eine neue Qualität zu geben und dem Monopolkapital zu helfen, seine Krise zu überwinden, indem u.a. die Kosten des Gemeinwesens, die Lasten der Militärhaushalte, der Aufwand für Infrastrukturmaßnahmen usw. den kleinen Leuten aufgebürdet werden. In diesem Prozess sollen die sozialen Rechte und die öffentlichen Leistungen liquidiert werde. Die Verfassung würde weitere Erleichterungen für das Großkapital einführen und den imperialistischen Kräften eine weitere Konsolidierung bringen. Gleichzeitig würden weitere hart erkämpfte demokratische Rechte und Freiheiten aufgehoben sowie auch alle Sozialleistungen, die die Bourgeoisie früher gezwungen war, dem Volk zu gewähren. Die EU-Verfassung beschneidet die Widerstandsrechte und die Möglichkeiten der Einflussnahme für das Volk. Die nationale Souveränität der Völker wird aufgehoben und der Osten Europas einer neuen neokolonialen Offensive ausgeliefert, die die dortigen Länder zu Rohstofflieferanten und Lieferanten von billigen Arbeitskräften degradiert und die dortigen reaktionären, antikommunistischen Kräfte unterstützt.

Diese EU-Verfassung, so die europäischen Kommunisten, ist weit davon entfernt, die Kräfte des Friedens zu unterstützen und kann nichts anderes sein als ein Kontrakt des nach Dominanz strebenden europäischen Monopolkapitals, „zeitweise als Vasall der USA, zeitweise als Rivale um die künftige Weltherrschaft.“

Inzwischen wird eine Politik betrieben, die dem Großkapital enorme Gewinnsteigerungen bringt bei gleichzeitiger Verschärfung der Arbeitslosigkeit, der Armut und des Elends. Die Annahme der EU-Verfassung wurde vom europäischen Monopolkapital in großem Maßstab unterstützt. Die Menschen sollten „Ja“ sagen zu einem „prosperierenden Europa“. Ein prosperierendes Europa heißt beispielsweise in Frankreich, dass der Öl-Konzern „Total“ im 2004 rund 11 Mrd. Dollar Profit einfuhr, die höchste Profitmasse, die je ein französisches Unternehmen realisierte, oder dass die Kosmetikfirma „L’Oréal“ von der reichsten Frau Frankreichs geleitet wird, deren Besitz sich inzwischen auf 13,7 Mrd. Dollar beläuft, oder dass die Aktionäre des Werkzeugmaschinen-Herstellers „Schneider“ die höchste je da gewesene Dividende erhielten: 63,6 %! Auf der anderen Seite erhält jeder sechste französische Arbeiter nur den gesetzlichen Mindestlohn und 7 Millionen Menschen in Frankreich leben in Armut.

Genau so wird von immer mehr Menschen die EU und ihre Verfassung wahrgenommen. Die Ablehnung der Verfassung durch das französische und das niederländische Volk war eine Niederlage der herrschenden Klasse. „Dieser Sieg ist nicht nur ein Akt des Widerstandes; es ist der Ausdruck eines einigen Kampfes gegen den Neo-Liberalismus, gegen eine Politik, die ausschließlich das Monopolkapital bedient“, schrieb die Coordination Communiste (CC). Mit dem Aufruf, eine breite Front der Arbeiterklasse und der fortschrittlichen Kräfte in jedem Land zu bilden, um gegen ein vereintes Europa des großen Kapitals und gegen das Projekt einer europäischen Verfassung zu kämpfen, wollen sie die Kräfte bündeln. Wir hoffen, dass die Völker Europas, nicht nur das französische Volk oder dasjenige eines anderen europäischen Landes allein, sich vereinen werden und dass sie es schaffen werden, dieses monströse Gebilde eines vereinigten Europas zu Fall zu bringen.

Aus dem bisher Diskutierten wird deutlich, dass mit der Herausbildung der EU eine neue welthistorische Situation entstanden ist. Eine lange Periode der Vorherrschaft einzelner imperialistisch-monopolistischer Staaten in Europa geht jetzt über zu einer neuen, gemeinsamen Handlungsweise, die sich auf staatsähnliche Strukturen stützt, eine Art „Vereinigter Staaten von Europa“ bildet und die Mehrheit der europäischen Staaten umfasst. Auf diesem Weg der imperialistischen Vereinigung gab es durch die Ablehnung der EU-Verfassung einen Rückschlag. Die Massen sind wenig begeistert von den Plänen der Imperialisten, obwohl die monopolkontrollierten Massenmedien alles in ihrer Macht stehende getan haben, um den Prozess störungsfrei ablaufen zu lassen.

  1. Teil, der 2. Teil folgt im nächsten Heft)                                                                                    

SUCI, Kalkutta, Indien

(Übersetzung aus dem Englischen: Redaktion Offensiv)


Tibor Zenker: Entwicklungspotenzial und Militarisierung der EU

(Nachfolgender Text ist ein Abschnitt aus dem jüngst in Österreich erschienen Buch „Stamokap heute – Vom gegenwärtigen Kapitalismus zur sozialistischen Zukunft“ von Tibor Zenker. Wir sind der Meinung, dass weite Teile dieses Buches durchaus komplementär zum inzwischen als Standardwerk angesehenen Buches von Harpal Brar „Der Imperialismus im 21. Jahrhundert“ (Pahl Rugenstein Nachf. Verlag) angesehen werden. Genosse Michael Opperskalski bereitet für die nächste „offen-siv“ eine ausführliche Rezension von Tibor Zenkers Buch vor. Wer es bestellen möchte, wende sich bitte an die Genossen der „Neuen Volksstimme (NVS)“, Lisl Rizy, Postfach 14, A-Wien 1101, Österreich.)

Die Redaktion

 

„Die EU muss die Fähigkeit zu autonomem Handeln, gestützt auf ein glaubwürdiges Militärpotenzial, sowie die Mittel und die Bereitschaft besitzen, dessen Einsatz zu beschließen, um - unbeschadet von Maßnahmen der NATO - auf internationale Krisensituationen zu reagieren. (...) Wir verpflichten uns daher, auf den Ausbau von wirksameren europäischen militärischen Fähigkeiten ... hinzuwirken und zu diesem Zweck unsere eigene Fähigkeit zu stärken. Dies erfordert weiterhin nachdrückliche Verteidigungsanstrengungen. (...) Wir erkennen ferner an, dass nachdrücklich Bemühungen zur Stärkung der industriellen und technologischen Verteidigungsbasis erforderlich sind, die nach unseren Vorstellungen wettbewerbsfähig und dynamisch sein soll. (...) Wir werden daher zusammen mit der Industrie auf eine engere und effizientere Zusammenarbeit der Rüstungsunternehmen hinarbeiten. Wir werden uns um weitere Fortschritte bei der Harmonisierung militärischer Erfordernisse und der Rüstungsplanung und -beschaffung bemühen."[1] Diese Leitlinien haben die EU-Staaten auf ihrem Gipfeltreffen in Köln 1999 beschlossen.

Einerseits finden sich hier deutliche Bestrebungen, sich von den USA und der von ihr dominierten NATO zu emanzipieren und eine davon unabhängige imperialistische-militärische Machtbasis zu entwickeln - dafür stehen GASP („Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik") und die Funktion von Ex-NATO-Generalsekretär Javier Solana als „EU-Außenminister". Andererseits ergibt sich daraus die strukturelle Definition eines EU-weiten MIK - wie wir ihn schon in Abschnitt 3.5. angesprochen haben - dafür steht die Schaffung der EADS und der „Westeuropäischen Rüstungsgruppe" (WEAG).

Diese WEAG ist eine Nahtstelle zwischen Politik, Militär und Industrie, wo die Tätigkeiten der für die Beschaffung von militärischem Gerät zuständigen Ministerien (Finanzen und „Verteidigung") und der Rüstungsindustrie koordiniert werden. Daneben besteht mit der OCCAR noch eine Organisation der Rüstungskoordination, die Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien 1996 aus der Taufe gehoben haben und über die z.B. die Beschaffung von 180 Stück des Militärtransportflugzeuges Airbus A400M (Kosten: 20 Mrd. €) im Mai 2003 abgewickelt wurde - damit sollen die Mängel in diesem Bereich abgedeckt werden, die die EU-Staaten bisher auf gemietete Transportflugzeuge der russischen Armee anwies. Zurück zum EU-MIK: auch Forschungs- und Entwicklungsgelder werden in diesem Bereich gebündelt. Und gerade der „Eurofighter", den - wie wir schon festgehalten haben - die österreichische Regierung nicht zufällig als neuen Abfangjäger des Bundesheeres ausgewählt hat, gilt als Paradebeispiel für die politisch induzierte Verschmelzung von Industrie, Militär und Wissenschaft. In diesem Zusammenhang wird z.B. auch ein bis 2008 vollständig einsatzfähiges, eigenständiges europäisches Satellitennavigationssystem („Galileo") als Alternative zum US-amerikanischen GPS (Global Positioning System) angestrebt, das ebenfalls im Rahmen der EADS entwickelt werden soll. Für die erste Entwicklungsphase sind 1,1 Milliarden Euro budgetiert (jeweils 50% EU und ESA), die rund 500 Millionen der EU werden hauptsächlich von Deutschland getragen (ca. 21%), Österreich trägt 2,5% bei (12,5 Millionen Euro). Am Galileo-Projekt beteiligen sich, um ebenfalls nicht auf das GPS der USA angewiesen zu sein, darüber hinaus auch China (mit 200 Millionen Euro) und Indien (mit 300 Millionen Euro).

Den USA ist dies alles freilich ein Dorn im Auge, das US-Militär und G. W. Bush unternahmen erhebliche Interventionsversuche, um die absolute Kontrolle und das Monopol der USA in diesem Bereich zu erhalten. Wie ernst es der EU (v.a. Deutschland und Frankreich) mit ihrer rüstungsindustriellen Souveränität ist, beweist auch das restliche Sortiment - oder besser: das Arsenal - der EADS. Es reicht vom „Eurofighter", über den Militärtransporter „Airbus A400M", den Marschflugkörper „MAW Tau-rus", den Kampfhubschrauber „Tiger", den Transporthubschrauber „NH90", das Raketensystem „Polyphem", die atomaren Raketen „M51" und „ASMP", das Radarsystem „Sostar" bis zum Spionagesatelliten „Star-Lupe". All diese Konzeptionen sind als europäische Gegenstücke zur US-Rüstungsindustrie zu betrachten, die dem Ausbau der EU zu einem eigenständigen und militärisch schlagkräftigen imperialistischen Machtzentrum mit hochtechnisierten Streitkräften unabhängig von den USA dienen.

In einem DASA-Dokument heißt es: „Künftige Streitkräfte benötigen globale Mobilität, schnelle Machtprojektionen bzw. -präsenz, Luft- und Informationsüberlegenheit .... eine integrierte Systemarchitektur ..., die die Plattformen intelligent vernetzt, das Potenzial zur präzisen, verlustminimalen Kampfführung auf Distanz.“[2] Liebknecht erklärt, daher „der unheimliche Eifer der Rüstungsindustrie auf dem Gebiet der technischen Fortentwicklung. Neben den quantitativen Entwicklung in der Rüstung steht ihre qualitative Entwicklung, und jede neue Erfindung, die von einer großen Rüstungsfirma gemacht wird, bedeutet nicht nur für das Inland eine Aussicht auf neue Bestellungen, sondern auch einen Druck auf das Ausland in Bezug auf die Fortentwicklung der Technik und der Rüstungen — und daher die Schraube ohne Ende —, in Bezug auf die Entwicklung der Rüstungstechnik und in Bezug auf Neurüstungen."[3]

Am EU-Gipfel von Helsinki im Dezember 1999 wurde die Aufstellung einer ca. 60.000 Mann starken „Eingreiftruppe" beschlossen. (Hier wird nicht einmal versucht, mit einer Betitelung wie z.B. „Verteidigungstruppe" den Charakter dieser imperialistischen Interventionsarmee zu vertuschen.) Österreich beteiligt sich an dieser EU-Armee mit 2.000-2.500 Soldaten (jährliche Kosten für den Staat: über 70 Mill. €). Diese Streitmacht soll sich aus den nationalen Armeen rekrutieren (das größte Kontingent stellt Deutschland mit 20%) und für „friedensschaffende" oder „friedenserhaltende" Maßnahmen eingesetzt werden. Insgesamt dürfte sich abseits der Erweiterungsländer 2004, deren Kontingente noch nicht feststehen, für die Bodentruppen in etwa folgende Zusammensetzung[4] ergeben:

Tabelle 81: Kontingente der EU-IS-Staaten für die Interventionstruppe (Dänemark nicht beteiligt)

Staat

nationales Truppenkontingent

Anteil an Gesamttruppe

Deutschland

13.500

20,1 %

Großbritannien

12.500

18,6%

Frankreich

12.000

17,9%

Italien

6.000

8,9 %

Spanien

6.000

8,9 %

Niederlande

5.000

7,5 %

Griechenland

3.500

5,2 %

Finnland

2.000

3%

Osterreich

2.000

3%

Schweden

1.500

2,2 %

Belgien

1.000

1,5 %

Irland

1.000

1,5 %

Portugal

1.000

1,5%

Luxemburg

100

0,15%

Gesamt

67.100

100%

Quelle: AG Friedensforschung an der Universität Kassel

Die Unterstützung durch Luft- und Seestreitkräfte ist ebenfalls vorgesehen (nachmals 30.000 SoldatInnen, über 500 Flugzeuge, rund 100 Schiffe), dazu kommen 5.000 zivile Mitarbeiterinnen, d.h. Polizistinnen und Juristinnen (v.a. Richterinnen), die in „befriedeten" Gebieten sodann für (EU-)Recht und Ordnung sorgen sollen. Diese Eingreiftruppe soll binnen 60 Tagen einsatzbereit sein und ein Jahr vor Ort bleiben können. Ihr Aktionsradius soll 4.000 km (um Brüssel) umfassen. Daraus lässt sich auf die beabsichtigten Interventionsgebiete schließen: klar ist, dass diese Vorgabe ganz Europa impliziert, im Osten würde der militärische Arm der EU somit bis in den Nahen und den Mittleren Osten sowie nach Zentralasien reichen, im Südosten bis auf die arabische Halbinsel. Richtung Süden würde das potenzielle Einsatzgebiet bis südlich der Sahara gehen. Von einer direkten Bedrohung des EU-Raumes kann hier nicht mehr gesprochen werden, vielmehr ist dies die Manifestation einer imperialistischen Außenpolitik, durch die politische und ökonomische Einflusssphären militärisch eröffnet und gesichert werden sollen. Im Vergleich zum NATO-Pendant NRF („NATO Response Force") sind die Möglichkeiten der EU-Truppe zwar immer noch beschränkt, aber die Richtung „stimmt" sozusagen schon einmal. Nachdem übrigens der ursprüngliche Zeitplan zur Etablierung der EU-Interventionstruppe offenbar nicht haltbar war, ist nun seit November 2004 als Zwischenschritt (aber auch längerfristig als Ergänzung) die Aufstellung von dreizehn „battle-groups" (ja, das sind unverblümt „Schlachtgruppen"...) geplant. Dies sollen Einheiten mit jeweils rund 1.500 Soldatinnen aus zwei bis vier Staaten sein, die binnen 14 Tagen einsatzfähig sind. Auch der österreichische ÖVP-Kriegsminister ist begeistert: „Die Vorbereitungen seien bereits angelaufen, sagte Platter. Österreich plane die Entsendung von 200 Mann aus einem Infanterie-Element, einer ABC-Abwehr-Einheit und von Pionieren. Vorgesehen sei die Beteiligung an einem Truppenverband mit Deutschland und Tschechien."[5]

Wir haben es zweifellos mit dem Ansinnen der EU, hinkünftig als Weltmacht aufzutreten, zu tun. Solana brachte die Intentionen unverblümt auf den Punkt: „Die Union des 21. Jahrhunderts wird über eine einzige Währung verfügen. Sie sollte auch eine wirksame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik betreiben. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit haben diese Notwendigkeit bestätigt. (...) Die Europäische Union ist bereits ein ‚Global Player' auf der Weltbühne. Europa spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der wichtigsten handelspolitischen Maßnahmen, finanziellen Trends und währungspolitischen Entscheidungen. Es ist nun wirklich an der Zeit, dass Europa als globale Macht eine aktivere und einflussreichere Rolle spielt. (...) Europa muss fähig und willens sein, seine gemeinsamen Interessen zu bestimmen. Europa muss entschlossen sein, diese Interessen weltweit geltend zu machen.“[6]

Rekapitulieren wir chronologisch die Schritte, die für die fortlaufende Militarisierung der EU stehen, und betrachten wir die bisher vorhandenen strukturellen und institutionellen Grundlagen für die Herausbildung eines EU-Kriegsministeriums. Die GASP wurde ja bereits mit dem Vertrag von Maastricht beschlossen, mit dem Vertrag von Amsterdam, in dem sich die EU erstmals die Möglichkeit der weltweiten Kriegsführung eröffnet („Petersberg-Aufgaben", die 1992 von der WEU definiert wurden), wurde der Weg der Militarisierung der EU fortgesetzt. Damit steht auch der „Kriegsermächtigungsartikel" 23f der österreichischen Verfassung in Zusammenhang, der es Österreichs Regierung (konkret Bundeskanzleramt und Außenministerium) ermöglicht, die Teilnahme an Kriegen der EU - global und ohne UNO-Mandat - ohne parlamentarische Zustimmung zu beschließen. Der bereits erwähnte Kölner Gipfel im Juni 1999 - also während noch immer Jugoslawien bombardiert wurde und die USA der EU ihre Abhängigkeit und Unselbstständigkeit vor Augen führten - stellt den Durchbruch dar: Integration der WEU in die EU, Wahl Solanas zum „Generalsekretär des Rates der Außenminister“, Schaffung der EU-Rüstungsindustrie (EADS), Bekenntnis zu globalen militärischen Interventionen sowie Beginn des Aufbaus des „EU-Verteidigungsministeriums. Die strukturellen Manifestationen der Militarisierung der EU sind im Konkreten seit 1999 regelmäßige Tagungen des Rates für „Allgemeine Angelegenheiten", gegebenenfalls einschließlich der Verteidigungsminister, seit 2001 die Schaffung eines politischen und sicherheitspolitischen Ausschusses (eines ständigen Gremiums in Brüssel, das aus Vertretern mit politisch-militärischem Fachwissen besteht) sowie eines Militärausschusses (bestehend aus militärischen Vertretern, die gegenüber dem politischen und sicherheitspolitischen Ausschuss Empfehlungen aussprechen) und eines EU-Militärstabes einschließlich eines Lagezentrums (bereits seit 1999).

Was die Schaffung einer EU-Armee betrifft, so wurde über die diesbezüglich vermutlich hinkünftig zentrale Rolle der „Eingreiftruppe" weiter oben schon gesprochen, daneben sind jedoch noch andere, ältere Kooperationen als Basis einer gemeinsamen Streitmacht zu erwähnen. Zu nennen ist primär das deutsch-französische „Eurocorps", das mit seiner Gründung 1992 den Grundstein für einen EU-eigenen militärischen Körper legte. Daneben sei auf die der WEU unterstehenden multinationalen Truppenverbände „Eurofor" und „Euromarfor" hingewiesen, die von Frankreich, Italien und Portugal ins Leben gerufen wurden. Mit Ende März 2003 trat die EU in Mazedonien erstmals offiziell als einheitliche Militärmacht auf: „Die EU hat am Montag [31.3.2003; Anm.] die Führung der Friedensmission in Mazedonien offiziell von der Nato übernommen. Es handelt sich dabei um den ersten militärischen Einsatz der Europäischen Union in ihrer Geschichte. Vorläufig sind 300 Soldaten im Einsatz. Oberbefehlshaber ist der deutsche Admiral Rainer Feist. Am Truppenkontingent beteiligen sich 27 Länder; Österreich entsendet zehn Soldaten. Die Kosten des Einsatzes betragen sechs Millionen Euro. Der Mazedonien-Einsatz ist der Beginn der seit Jahren geplanten gemeinsamen EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik, an dessen Ende eine Schnelle Eingreiftruppe von 60.000 Mann stehen soll."[7] Neben der Mission im Mazedonien („Concordia", römische Göttin der Eintracht) kann die EU mittlerweile auch auf den Einsatz im Kongo („Artemis", griechische Göttin der Jagd!) zurückblicken, der ebenfalls als „Probelauf der EU-Eingreiftruppe betrachtet werden kann. Diese ganze Entwicklung der Militarisierung geht freilich munter weiter, so war ein wesentlicher Punkt des EU-Konvents zur Zukunft der Union, das vom früheren französischen Präsidenten Valery Giscard d'Estaing geleitet wurde und wo die Diskussion, ob Gott in eine Verfassung gehört oder nicht, in Wirklichkeit ein mehr als irrelevanter Nebenschauplatz ist, die Installierung einer gemeinsamen EU-Rüstungsbeschaffungsagentur, um EU-Kriegsgerät hinkünftig zentral anzuschaffen. Die österreichischen Vertreter im Konvent, Caspar Einem (SPÖ), Hannes Farnleitner (ÖVP), Reinhard Bosch (FPÖ) und Johannes Voggenhuber (Grüne) hatten - auch auf explizite Anfrage der Friedenswerkstatt Linz - durchwegs keine Einwände...

Wir sehen, die Militarisierung der EU, ihr Ausbau zu einem selbstständigen imperialistischen Machtzentrum mit einem von der NATO unabhängigen Militärapparat, schreitet voran - wenngleich auch diese Entwicklung nicht ohne gelegentliche Widersprüche, ohne interne Rivalitäten innerhalb des imperialistischen Bündnisses EU, vor sich geht: „Die Besetzung eines einflussreichen Postens im künftigen Militärstab der Europäischen Union mit einem deutschen General hat zu einer ernsthaften Verstimmung in den deutsch-französischen Beziehungen geführt. Wie der Deutschlandfunk berichtete, wählten die Generalstabschefs der EU-Staaten ... General Rainer Schuwirth zum Direktor des EU-Militärstabes. Diese Position ist für den Aufbau und die Führung der künftigen EU-Armee wichtig. Laut Deutschlandfunk hatte der französische Staatspräsident Jacques Chirac ohne Erfolg versucht, Bundeskanzler Schröder zu einem Verzicht auf eine deutsche Bewerbung zu bewegen.“[8] Das Kernstück des imperialistischen EU-Projekts ist aber freilich gerade das deutsch-französische Bündnis, so war es vor allem der Gegensatz eben zwischen Deutschland und Frankreich einerseits und Spanien und Polen andererseits, der im Dezember 2003 den Verfassungsgipfel zunächst noch zum Scheitern brachte. Die Antwort der imperialistischen Führungskräfte der EU war sodann wieder die Bildung einer „Kern-EU“, womit „demokratischer" Ballast abgeworfen werden soll und die Handlungs- und Durchgreifungsspielräume Deutschlands und Frankreichs erweitert werden sollen. Jene Staaten, die hier nicht mitziehen, würden -so zumindest der Plan v.a. Deutschlands - sodann die EU-Peripherie bilden, deren Abhängigkeit vom ökonomisch bestimmenden Kerneuropa sich freilich erstrecht verstärken würde.

Wesentlicher für die weltpolitischen Perspektiven ist aber, dass transatlantische Spannungen mit den USA natürlich programmiert sind (das ist ja auch Sinn und Zweck der Sache): „Am Anfang dieser Entwicklung, die mit dem Ende des Ost-West-Konflikts begann, stand die Absicht ,der Europäer' in der Nato zu einem gleichwertigen Partner Washingtons zu werden (...) Die dazu notwendigen Vereinbarungen zwischen Nato und WEU billigte der Nato-Gipfel in Washington. Die ,Combined Joint Task Forces' wurden Realität, Nato-Hauptquartiere übten die Abgabe von Teilen ihrer Stäbe und Führungsmittel an die WEU. Umso größer war das Befremden, als die Staats- und Regierungschefs der EU in Köln beschlossen, sich nicht allein auf Mittel der Nato zu stützen, sondern zusätzlich außerhalb des Bündnisses militärische Kapazitäten zu schaffen.[9] Klar ist, dass trotz wiederholter Bekenntnisse der westeuropäischen NATO-Staaten zur transatlantischen Partnerschaft mit den USA die langsame Emanzipation der EU in Washington zu Irritationen fuhren muss, so „schätzt Washington die den Aufbau der Europa-Armee begleitenden Kommentare westeuropäischer Politiker als Versuch ein, die sicherheitspolitische Abhängigkeit von den USA künftighin zu relativieren und damit gewisse Ansätze einer Multipolarität auszubauen. Der ehemalige stellvertretende US-Außenminister Talbot befürchtete, dass das EU-Geschöpf, erst innerhalb der Nato zu existieren beginnt und dann zum Konkurrenten der Nato' werde. Vorwurfsvoll war vom ,Aufbau einer Mini-NATO' die Rede. (...) Außenminister Powell bejaht die Umrüstungsmaßnahmen der EU ..., so lange dies zur Stärkung der Nato beiträgt, nicht zu deren Schwächung'. In gleicher Weise äußerte sich Verteidigungsminister Rumsfeld. Deutlicher wurde Bush-Berater Scowcroft: ,Dass die Euro-Armee noch während des Kosovo-Krieges aus der Taufe gehoben wurde, habe ich als Schlag ins Gesicht der USA empfunden.' Und er fügte hinzu: .Sollten die Europäer darauf setzen, dass Antiamerikanismus der heimliche Motor für eine engere Zusammenarbeit der Gemeinschaft ist, wird das neue Kontingent zum Zankapfel der Allianz werden.' (...) Damit sind für Washington substanzielle Fragen ihres .Sanktuariums' NATO angesprochen. Die USA sind entschlossen, die NATO als ihre Ordnungsmacht in Europa, als ihr Herrschaftsinstrument in Eurasien und als ihr globales Interventionsbündnis von niemanden antasten zu lassen."[10]

Wir sehen, es ist offenkundig, dass die USA kein Interesse an einer eigenständigen EU-Armee und an einer ihrem Einfluss entzogenen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU haben. Das ist vollkommen klar, wird hier für die USA doch unmittelbar sichtbar, dass im nun deutlicher werdenden imperialistischen Konkurrenzkampf ihre eigenen Interessen nicht mehr zwingend mit jenen der europäischen Staaten, v.a. Deutschlands, zusammenfallen - im Gegenteil: in der Auseinandersetzung gerade mit den schier allmächtigen USA muss die EU sogar zwingend ihre Integrationsmaßnahmen verstärken und eigene Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen, ökonomischen und auch militärischen Ziele entwickeln. „Wirtschaftlich sind die EU und die USA Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Der Euro wurde schließlich auch als Gegengewicht zum Dollar eingeführt. (...) Werte und Interessen der EU und USA sind nicht identisch — wobei Großbritannien seine Rolle wahrscheinlich mehr als amerikanischer Repräsentant in Europa sieht, um dadurch bevorzugt an der US-Hegemonie partizipieren zu können. Doch die so oft beschworene und behauptete Identität amerikanischer und kontinentaleuropäischer Sicherheitspolitik ist ein politischer Selbstbetrug. Die NATO ist nicht Staatsräson der Deutschen oder anderer Europäer. Staatsräson der EU-Mitgliedsländer muss eine eigenständige EU-Sicherheits- und Außenpolitik sein. (...). Adernfalls riskiert die EU, von der US-dominierten NATO weit über sicherheitspolitische Fragen hinaus ferngesteuert und in Konflikte als Akteur wider die eigenen Interessen hineingezogen zu werden.“[11]

Nur logisch, dass die USA um ihre Vormachtstellung als imperialistische Führungsmacht und als autoritärer „Weltpolizist" besorgt sind. Bislang steckt die Entwicklung eines einheitlichen imperialistischen Machtzentrums im Rahmen der EU noch in den Kinderschuhen, es kann weder politisch noch militärisch die Rede von einem umfassend handlungsfähigen und homogenen Apparat sein, der autonom und unabhängig von den USA und der durch sie dominierten NATO agieren könnte - das beweisen z.B. die Ereignisse auf dem Balkan rund um den Zerfall Jugoslawiens oder auch die Unfähigkeit, im Palästinakonflikt eine seriöse, eigenständige Rolle zu spielen, sowie nicht zuletzt die Differenzen vor dem Irakkrieg 2003 zwischen Großbritannien und Spanien einerseits und Deutschland und Frankreich andererseits. Aber es ist klar, wohin die Reise geht - die Bekenntnisse der führenden EU-PolitikerInnen sind eindeutig, die bereits gesetzten Schritte sind unmissverständlich, die eigenen Interessen der (vor allem kontinental-)europäischen Monopole können nicht ignoriert werden und die Angst der USA um ihre Position - wie sie in ihren eigene strategischen Konzepten geäußert wird - ist nicht auf Paranoia zurückzuführen. Und tatsächlich manifestieren sich die beginnenden Auseinandersetzungen zwischen USA und EU bereits seit einiger Zeit. Es geht zwar noch um kleinere „Meinungsverschiedenheiten" (z.B. wegen der US-Stahlzölle oder zwischen Spanien und Kanada wegen Fischereirechten), die zwischenimperialistische Auseinandersetzung der beiden großen kapitalistischen Machtzentren und ihrer jeweiligen Monopolen wird hinkünftig jedoch zwangsläufig an Intensität gewinnen. Zwar „sind die zwischenimperialistischen Widersprüche zeitweilig hinter gemeinsamen Interessen gegenüber dem Weltsozialismus und den nationalen Befreiungsbewegungen zurückgetreten. Nach dem Zusammenbruch und der Zerschlagung des Sozialismus in der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern in Europa treten sie immer deutlicher hervor. Als Beispiele dafür genügt es das Bestreben der EU zu nennen, neben der von den USA dominierten NATO eine eigene EU-Armee mit schnellen Eingreiftruppen aufzubauen, die auf der WTO-Konferenz zutage getretenen Differenzen zwischen den USA und den EU-Ländern, den Kampf um das kaspische Öl und um die Führungsrolle auf dem Balkan, aber auch solche scheinbar zweitrangigen Auseinandersetzungen wie das Gerangel um die Besetzung des Chefsessels beim IWF."[12] Zuletzt verlagerte sich die Auseinandersetzung in den UNO-Sicherheitsrat, wo aus Sicht der USA eine Resolution, die ihnen einen Freibrief für die Aggression gegen den Irak erteilt hätte, aufgrund des deutschen und v.a. französischen Widerstandes nicht durchgesetzt werden konnte.

Wie stehen hernach MarxistInnen zur EU? Faktum ist: die EU ist konzeptionell ein imperialistisches Bündnis europäischer Staaten zum Zweck der Optimierung der Handlungsspielräume und der gesicherten Kapitalakkumulation der großen transnationalen Konzerne, zur zweckmäßigen Bündelung politischer, ökonomischer und militärischer Macht in der zwischenimperialistischen Auseinandersetzung mit den außereuropäischen Großmächten, v.a. mit den USA und Japan, zur kollektiven imperialistischen Unterdrückung und Ausbeutung der abhängigen Länder der Peripherie und der Semiperipherie sowie zur Niederhaltung jeglicher progressiver, emanzipatorischer Bewegungen und Bestrebungen der Mehrheit der Menschen innerhalb und außerhalb der EU. In diesem letzten Sinne war und ist die EU (bzw. die EG) auch immer eine wesentliche Bastion des Großkapitals im Kampf gegen den Sozialismus und die Aufklärung und Organisierung der ArbeiterInnenklasse. Daher sind zwei Erkenntnisse zur „EU-Frage" für MarxistInnen von immenser Bedeutung: erstens wäre es töricht, darauf zu setzen, dass eine erstarkte EU ein wirksames friedenspolitisches und stabilisierendes Gegengewicht zur imperialistischen Hauptmacht USA sein könnte - dagegen sprechen der Charakter der EU als imperialistisches Bündnis und das Wesen des Imperialismus überhaupt. Der EU-Imperialismus ist ebenso wenig friedliebend und friedensfähig wie der US-Imperialismus - das zeigen nicht zuletzt der mitgetragene und durchgeführte völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 sowie die kontinuierlich gesetzten Schritte der Militarisierung der EU, die diese militärisch schneller handlungsfähig machen sollen. Zweitens muss klar sein, dass die EU niemals den Ansprüchen eines integrativen und progressiven Einigungsprozesses gerecht werden kann, sie wird niemals für sozialistische Ziele und Zwecke instrumentalisiert werden können. Genauso wie es nicht möglich ist, dem bürgerlichen Staat sozialistische Aufgaben anzuvertrauen, d.h. ihn stetig mit sozialistischen Inhalten zu füllen, bis er in den Sozialismus hineinwächst, ist es unmöglich, ähnliches im Rahmen eines Bündnisses bürgerlicher Staaten zu machen. Die EU ist in diesem Sinne weder re- noch transformierbar. Für MarxistInnen muss daher außer Frage stehen, dass die EU keinerlei sozialistische Perspektive bieten kann. Das war vor der Abstimmung über Österreichs Beitritt klar und seit 1995 haben sich jene ausschlaggebenden Gründe, deretwegen es damals richtig war, sich klar und deutlich gegen den EU-Beitritt auszusprechen, nicht reduziert, aufgeweicht oder als Fehleinschätzungen erwiesen, sondern im Gegenteil zweifellos verstärkt und verschärft. Sozialabbau, Privatisierungen, Marktliberalisierungen, Deregulierung, Flexibilisierung der Arbeit, aber eben auch nicht zuletzt die Militarisierung, wie wir sie in diesem Abschnitt nachvollzogen haben, und die schleichende Neutralitätsaushöhlung sind auf das Engste und unweigerlich mit den Bedürfnissen des in der EU konzentrierten und organisierten europäischen Monopolkapitals verknüpft. Das bedeutet, dass es für Marxistinnen auch keinen Grund geben kann, Positionen „pragmatisch" anzupassen, da heute der menschenfeindliche, undemokratische und kriegerische Charakter der EU deutlicher denn je zutage tritt.

Insofern ist es wesentlich, politische Positionierung konsequent weiterzuentwickeln und marxistischen Grundlagen treu zu bleiben. Daher kann es in jedem Fall nach wie vor nur das Ziel einer Nicht-Teilnahme Österreichs an der Union des europäischen Großkapitals geben. Das kann nicht heißen, dass das Gegenkonzept kleinstaatliche Abschottung oder gar nationalistische Regression sein kann. Ebenso wie klar sein muss, dass ein EU-Austritt Österreichs sicher nicht von heute auf morgen durchführbar ist, kann ein derartiger Schritt darüber hinaus auch nur eine Etappe einer längerfristigen Bewegung darstellen, die die Perspektive für eine soziale, demokratische und friedliche Zukunft Europas eröffnet, wie sie diese EU sicher nicht ermöglicht. Und natürlich kann Österreich nicht der einzige EU-Staat sein, der sich der Union der Konzerne widersetzt und sich von ihr abwendet. Es wird - ohne hier zu sehr dem Kapitel 5 vorzugreifen - unerlässlich sein, dass in mehreren und zwischen mehreren Ländern Bündnisse entstehen, die sich v.a. aus sozialen Bewegungen und Gewerkschaften zusammensetzen und die Macht des Großkapitals und seiner Organisationsformen in Frage stellen, herausfordern, Widerstand leisten und sie schließlich zurückdrängen. Es wird hierbei ebenfalls notwendig sein, dass diese kritischen Bewegungen innerhalb der EU auch die Kooperation mit den ausgebeuteten Ländern in europäischen Randgebieten, Afrika, Asien und Lateinamerika suchen und mit diesen solidarisch sind. Das Potenzial für eine Bewegung gegen die Union der Konzerne ist gegeben, das zeigen einerseits die riesigen Demonstrationen und Protestaktionen bei den Gipfeltreffen der EU-Staaten, andererseits werden von breiten Bevölkerungsschichten neoliberale Zielsetzungen, Dogmen und Projekte wie die Maastricht-Kriterien oder die Einführung des Euro (so z.B. im September 2003 in Schweden) vermehrt kritisch hinterfragt und sogar abgelehnt. Die Aufgabe von Marxistinnen muss es sein, die Menschen im nationalen wie im internationalen Rahmen für die hintergründigen Interessen des EU-Imperialismus und des Monopolkapitals zu sensibilisieren, aufzuklären und für eine Bewusstseinsbildung zu wirken, die es erlaubt, tatsächlich ein große Anzahl von Menschen in einem klar antikapitalistischen Bündnis gegen die „neoliberale" Politik und sodann gegen die EU selbst zu mobilisieren. In einem solchen Bündnis müssen die marxistischen Kräfte an vorderster Front zu finden sein, sie müssen klare Klassenpositionen beziehen und sozialistische Perspektiven einbringen sowie gleichzeitig jedem chauvinistischen und nationalistischen Missbrauch berechtigter EU-Kritik durch rechte Organisationen erst gar keinen Raum zur Betätigung überlassen. Denn zu guter letzt kann ein klarer Gegenstandpunkt zum kapitalistischen Klassenprojekt der EU der Klassenstandpunkt des proletarischen, sozialistischen Internationalismus sein. Die globale Vernetzung und das zielbewusste Zusammenwirken der Arbeiterinnen aller Länder innerhalb und außerhalb Europas, internationale Solidarität und transnationale Kooperation der Gewerkschaften sind unerlässliche Bedingungen für jeden Erfolg der Arbeiterinnenklasse, im tagtäglichen Kampf um Löhne und Arbeitsbedingungen genauso wie im Kampf gegen die EU und den Imperialismus überhaupt sowie um das längerfristige Ziel der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Der Klassenkampf des Proletariats muss international und solidarisch geführt werden. Nur das kann eine Erfolg versprechende Basis in der Auseinandersetzung mit dem Großkapital und seinen Organisationsformen, wie auch die EU oder die EZB neben WTO, IWF und NATO welche darstellen, sein.

Fassen wir zusammen: es wird zunächst also wichtig sein, für die Schaffung EU-kritischer Bündnisstrukturen einzutreten, denen eine klare antimilitaristische und sodann antikapitalistische Ausrichtung gegeben werden muss. Die Perspektive muss der Austritt Österreichs aus der EU sein. Da die EU als imperialistische Organisationsform des europäischen Monopolkapitals zu verstehen ist, muss sie in ihrer Gesamtheit als System überwunden, d.h. zerschlagen werden. Als einziges Gegenkonzept und Gegenmacht zu den supranationalen Organisationsformen des Großkapitals ist der proletarische Internationalismus zu verstehen, daher sind der Widerstand und die Kämpfe gegen die Macht des Monopolkapitals und den Imperialismus weltweit und solidarisch zu unterstützen. „Die wichtigste der Tendenzen gegen den Imperialismus", schreibt Karl Liebknecht, „ist die vom Proletariat getragene der Solidarisierung aller Völker, des Klassenkampfes, den die Arbeiterklasse innerhalb der einzelnen Länder und in der Internationale führt gegen diejenigen Kreise, deren Geschäft der Imperialismus ist."[13]

Tibor Zenker, Österreich


Herwig Lerouge: Klassenkämpfe in Europa

(Es handelt sich um einen Vortrag, den der Genosse Lerouge in Prag anlässlich der Konferenz „Sozialismus – wissenschaftlicher oder surrealistischer?“ hielt. Die Konferenz wurde veranstaltet vom Kommunistischen Jugendverband der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens sowie ihren Prager Distrikten 1 und 7.)

Redaktion Offensiv

Liebe Genossen, erlaubt mir, das heutige Thema mit den Klassenkämpfen einzuleiten, die derzeit in meinem Land und in vielen europäischen Ländern stattfinden.

Am 27. Oktober [2005] wurde Belgien Schauplatz eines zweiten Generalstreiktags innerhalb von zwei Wochen. An diesem Tag marschierten mehr als 100.000 Arbeiter mit unterschiedlichem politischen Hintergrund durch Brüssels Straßen. Seit zwei Monaten organisieren hier Arbeiter Streiks, Demonstrationen und Versammlungen. Objekt ihres einmütigen Ärgers ist der Plan der sozialdemokratischen Koalition zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit. In Belgien liegt das offizielle Rentenalter bei 65 Jahren, wobei Arbeiter bereits mit 58 in Rente gehen können, sofern sie mindestens 25 Jahre lang gearbeitet haben. Diese Bestimmung wurde im Kampf durchgesetzt, außerdem zur Vermeidung von Klassenkämpfen im Zuge von Betriebsschließungen und Massenentlassungen. Die Regierung möchte diese Rechte jetzt abschaffen und Frühverrentung erst ab 60 Jahren zulassen - nach 38 oder gar 40 Jahren Lebensarbeitszeit. Argumentiert wird mit der angeblichen Notwendigkeit, die sozialen Sicherungssysteme gegenüber einer alternden Bevölkerung zu verteidigen.

Die Arbeiter wehren sich kategorisch gegen diese Pläne aus drei maßgeblichen Gründen.

Erstens sind ältere Arbeiter schlicht nicht in der Lage, länger zu arbeiten. Seit Jahren verlangen die Kapitalisten größere Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten und Fertigkeiten. Das erfordert permanente Neuanpassung. Jahr um Jahr müssen die Arbeiter schneller arbeiten, unter erhöhtem Stress. Natürlich können Kapitalisten damit angeben, dass die belgische Produktivität 20% über dem europäischen Durchschnitt liegt. Doch die andere Seite der Medaille ist, dass viele Arbeiter nicht mehr funktionstüchtig sind, weder physisch noch psychisch. Die Mehrheit sagt, sie sei erschöpft, ausgebrannt mit 55 Jahren, in manchen Branchen sogar mit 50.

Die Arbeiter wehren sich gegen das Regierungsvorhaben auch, weil sie die Logik darin nicht einsehen. Ältere, erschöpfte Arbeiter sollen länger arbeiten, während 600.000 arbeitslos sind, darunter 145.000 unter 25 Jahren. Warum enthält die Regierung Arbeitslosen, vor allem jungen, die Möglichkeit vor, eine Arbeit mit vernünftigem Einkommen zu finden, indem sie sie durch ihre Väter und Mütter ersetzt, die sich nach wohlverdientem Ruhestand sehnen?

Und der dritte Grund für die Ablehnung des Vorhabens: Die Arbeiter können nicht verstehen, warum die Regierung einerseits die Sozialbeiträge der Kapitalisten um über eine Milliarde Euro kürzt und auf der anderen Seite die Arbeiter länger arbeiten lässt, um die Kluft, die durch diese Steuergeschenke an die Kapitalisten entsteht, zu schließen.

Die ganze Situation führt dazu, dass viele Arbeiter das kapitalistische System in Frage stellen. Sie mögen noch nicht vom Sozialismus als realistischer Alternative überzeugt sein, aber sie beginnen zu verstehen, dass das kapitalistische System ein surrealistisches, absurdes und inhumanes System ist.

Unsere Partei verfügt über viele Gesundheitszentren in verschiedenen Industriestädten. Zusammen bilden sie die Vereinigung "Ärzte für die Menschen". Diese Ärzte haben die Gesundheitsakten von 1.250 ihrer Patienten untersucht, von Arbeitern zwischen 50 und 55 Jahren. Zwei von drei leiden an einer oder mehreren chronischen Krankheiten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden von unzähligen akademischen Studien bestätigt. Eine amerikanische Studie hat untersucht, ob private Pensionsfonds in der Lage sind, ihre Rentner in den kommenden Jahren abzusichern. Sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass dies kein Problem sein dürfte. Bei Boeing aber haben Arbeiter, die bis 65 Jahren gearbeitet hatten, lediglich 18 Monate lang etwas von ihrer Rente. Bei Lockheed waren es nur 17 Monate. Die Studie zieht die Schlussfolgerung, dass "Arbeiter, die mit 65 Jahren oder später in Rente gehen, tendenziell innerhalb von zwei Jahren sterben. Jene, die mit 50 Jahren aufhören, werden im allgemeinen 80 Jahre alt." Sie haben Recht, vor 50 Jahren starben mehr als die Hälfte der Arbeiter, bevor sie das gesetzliche Pensionsalter erreichten. Sie bezahlten ihr ganzes Leben lang, ohne etwas dafür zu bekommen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwang der medizinische Fortschritt, aber besonders der soziale Kampf und die Drohung der Arbeiter mit der Sympathie für die sozialen Errungenschaften des realen Sozialismus die Kapitalisten, einige soziale Zugeständnisse zu machen. Heutzutage erfreuen sich Arbeiter einer Lebenszeit von 10-20 Jahren nach der Pensionierung. Aber für den Kapitalismus in der Krise ist ein solcher Fortschritt unannehmbar geworden. Auf dem Lisabonner Gipfel 2000 begannen europäische Führer, gestützt auf Weltbankstudien, von einer alternden Gesellschaft zu reden, als handele es sich um eine Naturkatastrophe, ein Tsunami älterer Menschen, der uns überspülen würde, unseren Wohlstand wegnehmen und Renten wie Gesundheitsfürsorge unbezahlbar machen. Der Lisabonner Gipfel setzte das Ziel, 70% der Bevölkerung über 55 Jahre in Arbeit zu halten. In Belgien sind das kaum 25% [der Bevölkerung]. In allen europäischen Ländern werden dieselben Maßnahmen ergriffen.

Natürlich wissen wir, dass das wahre Ziel von Lissabon nicht die Bezahlbarkeit der sozialen Systeme ist. Lisabon hat sich zum Ziel gesetzt, die europäische Ökonomie zur konkurrenzfähigsten in der Welt zu machen, den amerikanischen Konkurrenten von Platz 1 zu verdrängen. Aber um erfolgreich zu sein, müssen europäische Imperialisten ihr wichtigstes Handicap überwinden: Sie müssen die sozialen Zugeständnisse der vergangenen Jahrzehnte beseitigen. Sie müssen das amerikanische Modell einführen, wonach Kapitalisten lediglich die Hälfte der sozialen Sicherung im Vergleich zu den europäischen Rivalen bezahlen. Aus diesem Grund wollen sie die Menschen länger arbeiten lassen, damit die Kapitalisten weniger für die soziale Absicherung zahlen müssen.

Was wir hier sehen ist nicht ein Zusammenprall der Zivilisationen, sondern der gesellschaftlichen Visionen. Kann oder muss eine Gesellschaft ein erträgliches Leben bis ins hohe Alter garantieren? Kann oder muss eine Gesellschaft eine sinnvolle Arbeit für alle jungen Menschen sicherstellen?

Die europäische Bevölkerung wird älter. Das ist eine Tatsache. Warum aber sollte dies ein Problem sein? Es wäre ein Problem für eine Gesellschaft, in der nicht genügend Geld vorhanden ist. Dies ist aber nicht der Fall. Es ist durchaus möglich in Europa, dass weniger Menschen arbeiten, ohne ihren Lebensstandard zu senken. Heutzutage produzieren Arbeiter 17mal so viele Waren wie vor hundert Jahren. Jahr um Jahr produzieren sie mehr. Die Frage ist: Wer hat Zugriff auf die Reichtümer, die sie produzieren?

Das Problem ist, dass in dieser Gesellschaft die belgischen Arbeiter beispielsweise keinen Zugriff auf die 30 Milliarden Euro jener Erträge haben, die sie für die Anteilseigner der belgischen Unternehmen und Banken erwirtschaftet haben. Das Problem ist, dass diese Gesellschaft die kollektive Versicherung der Arbeiter für den Fall von Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter zerstören muss, um Milliarden für ihre Anteilseigner zu sichern.

Die Bevölkerung wird älter. Als Folge davon wird es in Belgien 200.000 bis 300.000 weniger potentiell Arbeitsfähige im Jahre 2030 geben, sofern es keine Änderung in den Rentenbestimmungen gibt. Wiederum, das sollte kein Problem sein. Es könnte sogar helfen, die Arbeitslosigkeit zu senken, und sei es nur um die Hälfte. Aber in diesem System ist das offensichtlich ein Problem. Belgische Kapitalisten schreiben, dass "früher Ruhestand zu Spannungen auf dem Arbeitsmarkt führen wird, da weniger junge Menschen auf diesen Markt kommen, mit inflationären Lohntendenzen als Folge." Mit anderen Worten, dieses System betrachtet Vollbeschäftigung als Gefahr. Es benötigt eine Arbeitslosenarmee, in der Konkurrenz herrscht, da diese Konkurrenz die Löhne und Arbeitsbedingungen drückt und die Profite erhält. Das Problem ist, dass "Prekarität" (Unsicherheit) dem System immanent ist und nur mit ihm verschwinden wird.

Belgien ist eines der reichsten Länder der Welt. Wie ich schon sagte, könnte es mit Leichtigkeit seine derzeitige soziale Absicherung beibehalten. Zur Finanzierung der alternden Bevölkerung müsste der Sozialhaushalt im Jahre 2030 um 3,8% des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden. Dies könnte leicht von den wachsenden Einkommen der Kapitaleigner finanziert werden. In den letzten 25 Jahren wuchs der Anteil der Einkommen von Kapitaleignern am Bruttoinlandsprodukt um 10%. Der Anteil der Einkommen aus Lohnarbeit sank hingegen um diese 10%. Während das Realeinkommen der Arbeiter in dieser Zeit lediglich um 6% stieg, erhöhte sich das Einkommen in Form von Kapitalerträgen um 125%. Dies wurde erreicht durch Regierungsmaßnahmen, die auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene beschlossen wurden: auf der einen Seite Steuersenkungen für Unternehmensprofite und Sozialversicherungsbeiträge von Unternehmen – heute bezahlen belgische Kapitalisten 4,5 Milliarden Euro weniger im Vergleich zu 1993, auf der anderen Seite Steuererhöhungen für Arbeiter, weniger öffentliche und soziale Leistungen, die darüber hinaus zunehmend teuer werden. Warum nicht diese Tendenz umdrehen und von den Reichen nehmen, um den Armen zu geben? Das Problem ist, dass in Belgien wie in allen kapitalistischen Ländern der Staat die Anteilseigner schützt und seine Politik in ihrem Interesse entwickelt. Heute können die Arbeiter die wissenschaftliche Wahrheit in dem erkennen, was Marx in seinen "Klassenkämpfen in Frankreich" schrieb: "Der Staat ist nichts anderes als eine Maschinerie zur Unterdrückung der einen Klasse durch die andere."

Die Wahrheit kam ebenso ans Licht, als beim ersten Generalstreik am 7. Oktober 2005 die Streikenden Picket Lines bildeten und den Zugang zu Industriegebieten versperrten. Diese Picket Lines helfen den Arbeitern der vielen kleinen Betriebe, in denen keine Gewerkschaften erlaubt sind, am Streik teilzunehmen. Der Innenminister befahl der Polizei sofort, diese Picket Lines zu beseitigen. Überall setzten die Kapitalisten die Gerichte unter Druck zu intervenieren, damit die Picket Lines Streikbrecher durchzulassen. Und die Gerichte gehorchten und verhängten horrende Strafen bei Zuwiderhandlungen. Auf diese Weise wurde das Streikrecht praktisch außer Kraft gesetzt. Und all dies geschah im Namen der Prinzipien von "Freiheit und Gleichheit". "Freiheit zu streiken, ja, aber auch Freiheit zu arbeiten", so schrieen unisono Kapitalisten, Regierung und Gerichte sowie die gleichgeschalteten Medien. Aber wie kann es die Freiheit zu streiken geben in Betrieben, in denen keine Gewerkschaften erlaubt sind und in denen Streiken die Kündigung bedeutet? Was bedeutet die Freiheit zu streiken für jene mit befristeten Verträgen, die Kredite zurückzahlen müssen?

Es kann keine Gleichheit geben zwischen den Kapitaleignern, den Eigentümern der Betriebe, und den Arbeitern, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Arbeiterorganisationen können ihre Stärke nicht nur auf Überzeugung aufbauen in einer Gesellschaft, in der Kapitaleigner Streikende aushungern können, in der die Kapitaleigner auch die Zeitungen und die TV-Sender besitzen. Sobald sich der Klassenkampf etwas entwickelt, zerplatzt der Mythos vom neutralen Staat. Die Streikenden können seine wahre Rolle erkennen, wie die wissenschaftliche Analyse von Marx beschreibt: Seine wesentliche Funktion besteht darin, unter dem Deckmantel einer abstrakten Freiheitsformel die Freiheit des Kapitaleigners gegen alles und jeden, der sich ihm widersetzt, abzusichern. Er hat die Freiheit, seinen Betrieb zu schließen und Zehntausende Arbeiter durch Aussperrung zur Armut zu verdammen. Er hat die Freiheit, Tausende Tonnen von Milch und Butter zu vernichten, um die Preise hoch zu halten. Er hat die Freiheit, in einem Schloss mit 20 Zimmern zu leben, während Familien in heruntergekommenen Blocks überleben müssen, in denen Ratten zwischen spielenden Kindern umherhuschen, wie wir es jetzt in Frankreich gesehen haben. Wir haben noch nie erlebt, dass sich ein Polizist oder ein Gericht im Kapitalismus auf die Seite des Arbeiters gegen den Kapitalisten gestellt hätte.

Wie kann jemand die wissenschaftliche Schlussfolgerung von Marx in der gleichen Arbeit  anzweifeln: "Die Arbeiterklasse muss die alte staatliche Unterdrückungsmaschinerie gegen sie beseitigen."

Wie kann jemand die Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution anzweifeln angesichts des völligen Bankrotts des sogenannten demokratischen Sozialismus? In Belgien ist die Sozialdemokratie der Vater dieser Angriffe auf die älteren Arbeiter. Heute spielt sie ihre Rolle der Spaltung der Arbeiterklasse, indem sie die jüngeren gegen die älteren Arbeiter hetzt. Sie klagt jene Gewerkschaften der "Verantwortungslosigkeit" und des "Egoismus" an, die auf ihre Basis hören. Ganz auf der Linie Bernsteins, ihres ideologischen Vaters, predigt sie den bedingungslosen Gehorsam gegenüber den unveränderlichen Gesetzen der Konkurrenz. Bernstein befahl, "nicht die Gans zu töten, die goldene Eier legt", nicht den Kapitalismus zu zerstören, aber so viele Krümel wie möglich einzuheimsen, wie vom Tisch des Kapitalisten fallen. Der Kolonialismus beging Massaker und Plünderungen, aber, so sagte er, er habe auch seine gute Seite: Die riesigen Profite der Plünderer kam in einem gewissen Umfang auch einem Teil der Arbeiterklasse zugute. Aber heutzutage vertieft sich die kapitalistische Krise, die Schlacht zwischen den Monopolen verschärft sich und trifft zunehmend nicht nur die Menschen in den unterdrückten Ländern, sondern auch in den imperialistischen Zentren. Daher verlieren die dominierenden Teile der Sozialdemokratie die Kontrolle über ihre traditionellen Wähler. In Frankreich und Holland besiegte eine linke Opposition die Sozialdemokratie in den europäischen Referenden. In Deutschland wendeten sich Millionen von der sozialdemokratischen Politik ab und wählten die neue Linkspartei. In Belgien drehten viele Gewerkschafter offen der Sozialdemokratie den Rücken und kamen unserer Partei näher. Es gibt einen wachsenden Wunsch nach einer antikapitalistischen Opposition, nach einer Alternative, in der kollektive Werte im Zentrum der Gesellschaft stehen.

Der entfesselte Kapitalismus bringt Chaos, Krieg, Sozialabbau, Hunger, Rassismus, Verbrechen, Armut und die epidemische Verbreitung von an sich leicht heilbaren Krankheiten in die Welt. Die Menschen sehnen sich mehr und mehr nach einer Welt, in der die ökonomische Planung in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen der Mehrheit erfolgt, in der die Reichtümer von wenigen dazu verwendet werden, die Probleme der überragenden Mehrheit zu lösen, in der junge Menschen ihr Leben planen können, einen Job haben, und in der ältere Menschen ein Recht auf Ruhestand haben. Eine Welt, in der der Mensch an erster Stelle steht, nicht der Profit.

Mit diesen Sehnsüchten konfrontiert, intensivieren die reaktionärsten Kreise der Bourgeoisie ihre Gehirnwäsche. Die Menschen müssen glauben, dass dieses System "Demokratie, Freiheit und Menschenrechte" vertritt und darüber hinaus dass der Kommunismus keine Alternative ist. Der Kommunismus widerspricht der Idee, dass die Herrschaft des Kapitals ewig währt. Daher versuchen sie, den Kommunismus zu kriminalisieren. Bereits die Idee eines revolutionären Kampfes gegen den Imperialismus soll als Verbrechen gelten. Sie versuchten, entsprechende Abstimmungen im Europäischen Parlament und im Europarat zu erzwingen, in Eurem Land [Tschechische Republik] verbieten sie kommunistische Symbole.

Ich denke nicht, dass wir am Beginn einer neuen sozialistischen Revolution stehen, aber in den Augen der reaktionären Bourgeoisie in Europa ist es offensichtlich höchste Zeit, das Undenkbare mit allen Mitteln zu verhindern. Niemals wieder dürfen die Arbeiter die Kontrolle über die Reichtümer gewinnen, die sie selbst produzieren. Was sie Nostalgie für den Sozialismus nennen, wächst in den ehemals sozialistischen Ländern. In der Agenda des parlamentarischen Ausschusses des Europäischen Rates zu den sogenannten Verbrechen des Kommunismus im Dezember 2004 lesen wir, dass der Kommunismus gleichermaßen geächtet werden soll wie der Nazismus, "um eine Wiederholung der Geschichte zu verhindern sowie die Verbreitung einer illusionären Nostalgie in der Vorstellung junger Leute, die ein kommunistisches Regime als Alternative zur liberalen Demokratie betrachten könnten."

Unglücklicherweise haben diese Angriffe auch Einfluss auf die Basis der antikapitalistischen Kräfte und sogar in der kommunistischen Bewegung. In dem Moment, in dem die Klassenkämpfe und die reaktionären Kräfte die Propagierung der sozialistischen Revolution auf die Tagesordnung setzen, präsentieren sich einige in der internationalen kommunistischen Bewegung, um die Rolle der diskreditierten Sozialdemokratie zu übernehmen. Sich hinter Worten über die Transformation des Kapitalismus und einer Gesellschaft, "die über die kapitalistische und patriarchalische Logik hinausweist", versteckend, bieten sie ein reformistisches Projekt an. Der sozialistischen Revolution stellen sie "die Transformation des Kapitalismus" gegenüber. Anstelle des Gemeineigentums der Produktionsmittel reden sie davon, "über die kapitalistische Logik hinaus zu gehen". Kein Wort über den Ursprung der Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter: das Privateigentum an Produktionsmitteln und seine Anarchie, die zu ökonomischen Krisen führt, die dem System immanent sind. Sie reden von der Bekämpfung der Monopole ohne zu sagen, dass sie die unvermeidliche Konsequenz der heftigen Konkurrenz zwischen den Kapitalisten sind, dass sie zum Imperialismus führen, in dem die imperialistischen Mächte, wie die EU, die Welt mittels Krieg aufteilen.

Sie nennen sich Kommunisten, wobei sie ihr Projekt einer alternativen Gesellschaft auf der Ebene der Transformierung der EU ansiedeln. Kein Wort wird verloren über die Europäische Union als einer imperialistischen Konstruktion, entwickelt von den mächtigsten und aggressivsten Monopolen des Kontinents, vereinigt unter anderem am Europäischen Runden Tisch der Industriellen. Sie versprechen kein sozialistisches Europa, aber "ein anderes Europa", eine "radikale Transformation" der EU, beginnend mit ihren Institutionen. "Wir wollen, dass die gewählten Institutionen, das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente mehr Macht und Kontrolle erhalten." Das ist die Wiederbelebung der alten sozialdemokratischen Illusion, dass man durch die Entwicklung der Demokratie eine Allianz schmieden könne, die in der Lage wäre, eine andere Politik durchzusetzen, einen "neuen Gesellschaftsvertrag".

Sicherlich kämpfen wir Kommunisten für die Verteidigung und Erweiterung der demokratischen Rechte für das Volk, aber wir tun das mit dem Ziel, den revolutionären Klassenkampf zu entwickeln. Wir wissen aber, dass solange die Monopole die Staatsgewalt innehaben – sowohl auf nationaler Ebene wie auf der Ebene der EU –sie sich niemals einer anderen Politik als der Suche nach Maximalprofit beugen werden. Sozialismus, die einzige Alternative der arbeitenden Massen, ist nicht möglich, ohne mit der politischen und ökonomischen Macht der Monopole zu brechen.

Einige innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung erklären, dass "sie nicht dieselben Wege gehen werden wie die im 20. Jahrhundert". Kurz, die sozialistische Revolution wird nicht mehr nötig sein, um die Macht der Monopole zu brechen. Es wird genügen, die "Politik der Transformation" zu verfolgen, um die europäische Supermacht in einen Motor für sozialen Fortschritt, Demokratie und Frieden zu verwandeln.

Wenn sie sagen, "eine andere Welt ist möglich", propagieren sie nichts anderes als den Traum eines "humanisierten" Kapitalismus ohne die "Exzesse" der "Globalisierung". Sie sagen, "sie können nicht dieselben Wege gehen wie die im 20. Jahrhundert". Das heißt, sie folgen nicht den Wegen von Lenin und Stalin, den kommunistischen Wegen des 20. Jahrhunderts. Aber sie folgen definitiv den Wegen von Kautsky und Bernstein, die unseres Wissens auch Wege des 20. Jahrhunderts waren.

Die Arbeiterklasse und die Völker der Welt erholen sich von den Schlägen, die sie nach der Konterrevolution 1989-91 hinnehmen mussten. Sie wehren sich gegen imperialistische Kriege, sie lehnen imperialistische europäische Politik ab, sie führen Kämpfe gegen antisoziale Maßnahmen. Um in der Lage zu sein, ihnen eine Orientierung zu geben, müssen wir ausdrücklich unser Ziel bestätigen, das Sozialismus heißt, die Macht der Arbeiterklasse über das Kapital. Wir müssen unsere Parteien als Avantgarde der Arbeiterklasse stärken, tief verwurzeln in den Massen und vor allem unter den in den Gewerkschaften organisierten Arbeitern. Wir müssen sie in ihrem Kampf führen. Wir müssen innerhalb der kapitalistischen Institutionen wie dem Parlament kämpfen, wir müssen die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiter bewahren, aber wir müssen es tun mit dem Ziel, die Arbeiter über den repressiven Charakter dieser Institutionen aufzuklären sowie die Notwendigkeit, mit ihnen zu brechen und die Arbeitermacht zu errichten: die Diktatur des Proletariats.

Das steht auf der Tagesordnung. Die reaktionären antikommunistischen Kräfte wissen das. Sogar die intelligenten Sozialdemokraten wie Oscar Lafontaine, der kein Surrealist ist, sondern ein ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Sozialdemokratischen Partei und Führer der neuen deutschen Linkspartei, scheinen es besser zu wissen als viele Genossen in der kommunistischen Bewegung. Im Vorwort seines jüngsten Buches zitiert er die deutschen Bischöfe, die warnen, dass die wachsende soziale Ungleichheit "nicht erträglich ist und zu einem vorrevolutionären Klima führen könnte, falls dies über kurz oder lange so weitergeht." Und wie wir wissen, geht es so weiter.

Vielen Dank!                                                                                                             Herwig Lerouge/PTB

                                                                                    (Übersetzung aus dem Englischen: Andrea Schön)

China

Prof. Dr. Zbigniew Wiktor[14]:
Über die Widersprüche in der Volksrepublik China

Vor kurzem sind in der Volksrepublik China die Direktiven des neuen Fünfjahresplans für die Zeit von 2006 – 2010 veröffentlicht worden. Darüber wird eine große und breite nationale Diskussion in der Partei und in den Gewerkschaften geführt. Die Bürger der VR China äußern ihre Ansichten und die Experten führen ökonomische und politische Diskussionen. Der neue Fünfjahresplan ist sehr wichtig für die jeweiligen Provinzen, die einzelnen wirtschaftlichen Branchen, für die Familien, für jeden einzelnen Chinesen, also für das ganze Volk.

Die Regierung und die staatliche Plankommission deklarieren eine Fortsetzung der gegenwärtigen dynamischen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung – cirka 9 % jährliches Wachstum des Bruttoinlandsproduktes. Der neue Fünfjahresplan ist selbstverständlich ein großes Ereignis für das innere wie auch für das internationale Leben der Volksrepublik China. Gemäß des Parteiprogrammes, angenommen auf dem 16. Parteitag der KPCh im November 2002, geht es um den „umfassenden Aufbau einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand“. Mittels relativ schneller wirtschaftlicher Entwicklung soll die Ökonomie der VR China in den Jahren 2001 bis 2010 auf die doppelte Größe wachsen. Das führt unweigerlich zu beträchtlichen Konsequenzen in den internationalen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen. China festigt Schritt für Schritt seine Weltstellung und soll sich am Ende der Periode, im Jahr 2010, auf dem zweiten Platz in der Welt befinden. Experten der Weltbank schätzen das chinesische Potenzial schon heute auf 60 % des us-amerikanischen. Diese Entwicklung beunruhigt schon heute den Herrscher der imperialistischen Hauptmacht der „Neuen Weltordnung“, den Präsidenten der USA, G. W. Bush.

In der Diskussion um den neuen Fünfjahrplan werden in China Gedanken, Ideen und Akzente sichtbar, die die alten und neuen Widersprüche in der Volksrepublik China widerspiegeln. Der sozialistische Staat selbst setzt seit rund 25 Jahren neue Prinzipien und Mechanismen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und der inneren und äußeren Politik in Gang. Die Öffnung nach außen, die Errichtung „Besonderer ökonomischer Zonen“, das Zulassen großer ausländischer Kapitalinvestitionen, die Privatisierung von zahlreichen Seiten des öffentlichen Lebens in China und der Übergang zu einer sozialistischen Marktwirtschaft sind die wichtigsten Eckpfeiler der neuen Periode. Die Parteileitung unter Deng Xiaoping hat regelmäßig erklärt, dass die Volksrepublik China zwar ein sozialistisches, aber noch sehr rückständiges Land der so genannten „Dritten Welt“ sei und es deshalb vor allem in ökonomischer Hinsicht nicht die fortschrittlichen Prinzipien und die hohen Erwartungen des Sozialismus erfüllen könne. Deshalb müssten die Partei, der Staat, die Wirtschaft, die ganze Gesellschaft einen Schritt zurückgehen, um schneller vorwärts zu kommen. Für die Leitung der Partei galt die Einschätzung, dass die Volksrepublik China sich zwar im Sozialismus befinde, dass dieser Sozialismus aber wenig entwickelt sei, kein reifer Sozialismus sei, sondern sich am Anfang, in der primären Etappe, in der Übergangsform vom Kapitalismus zum Sozialismus befände.

Das hatte wichtige Folgen für die praktische Politik sowie die Entwicklung der Theorie in der chinesischen Gesellschaft und rief ideologische und theoretische Diskussionen unter den Marxisten sowie innerhalb der internationalen Arbeiter- und kommunistischen Bewegung hervor. Es wurde oft die Frage gestellt, in welche Richtung sich die Volksrepublik China entwickelt und ob die KPCh wirklich die Interessen der Arbeiterklasse und der anderen werktätigen Schichten Chinas vertritt.

Die derzeitige Politik der KPCh ist nichts anderes als eine Fortsetzung der Leninschen NEP-Politik, aber in einem sehr langjährigen und gigantischen Ausmaß. Allerdings ist die internationale Lage eine andere als damals, eine eher günstigere für die VR China. Zwar ist der Weltimperialismus nach wie vor ungezügelt und deshalb eine Bedrohung für die Werktätigen und die friedliebenden Völker der Welt, zwar hat der Imperialismus seine Positionen ausbauen können, insbesondere nach der Niederlage der Sowjetunion und der sozialistischen Gemeinschaft in Europa, trotzdem aber droht dem Sozialismus in China zu Beginn des 21. Jahrhunderts die größte Gefahr nicht von außen, so wie es in der Sowjetunion in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts der Fall war. Heute kommen die Bedrohungen für den Sozialismus in der VR China von innen.

Über dieses Problem wurde bei einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz in der Universität von Wuhan, die vom 13. bis zum 15. Oktober 2005 stattfand, breit und mit großem Engagement diskutiert. Das Hauptthema der Konferenz lautete: „Der gegenwärtige Marxismus“. Diese Konferenz wurde von der Universität Wuhan, besonders von ihrer Fakultät der politischen Wissenschaften, aus Anlass des 110. Todestages von Friedrich Engels organisiert worden. Es kamen ungefähr 100 Wissenschaftler von den führenden Universitäten Chinas und aus aller Welt zusammen, so waren auch Vertreter aus Japan, den USA, England, Deutschland, Frankreich, Russland und Belgien anwesend.

Die Hauptprobleme: „Der Marxismus in der gegenwärtigen Welt“, „Der Marxismus in der VR China“, „Der Beitrag von F. Engels zum Marxismus“, „Die Entwicklung des Marxismus in der Politik der KPCh“, hier insbesondere im Denken von Mao Zedong, Deng Xiaoping und in der Theorie des „dreifachen Vertretens“. Es wurden ungefähr 20 Hauptbeiträge und über 40 Diskussionsbeiträge gehalten, alle veröffentlicht in den Materialien der Konferenz – in englischer und chinesischer Sprache. Die Resultate sollen auch zweisprachig als Buch herauskommen.

Beim Aufbau des Sozialismus „mit chinesischer Prägung“ vergrößern sich alte und entstehen neue Widersprüche. Insbesondere von der Führungskraft, der KPCh und vom ganzen politischen System hängt ab, ob diese Widersprüche regelmäßig und erfolgreich diagnostiziert und aufgelöst werden. Da gibt es traditionelle und historisch neue Widersprüche zwischen Stadt und Land, zwischen dem sich rasch entwickelnden Osten und den eher maroden West- und Nordprovinzen. Alte Klassenwidersprüche sind noch nicht überwunden, neue kommen hinzu und haben in den letzten Jahrzehnten große Nahrung gefunden.

Inzwischen gibt es chinesische Millionäre und sogar Milliardäre, die ihr Vermögen nicht mehr in Yuan, sondern in US-Dollar zählen. Diese Vermögen gehören sowohl den Repräsentanten des in China tätigen internationalen Kapitals als auch den Besitzern des sich neu entwickelnden inneren, chinesischen Kapitals, das auf Grund der riesigen Privatisierungen in der Wirtschaft entstand. Und es gibt Widersprüche durch die Differenziertheit der Arbeitslöhne. Während die erstgenannten Widersprüche die Aufmerksamkeit des Staatsapparates und der Partei in hohem Maße erregen (was man in den Dokumenten des 16. Parteitages der KPCh nachlesen kann), werden die zweitgenannten weniger wahrgenommen. Warum? Es kann sein, dass die politische Leitung wegen der großen ökonomischen Erfolge „den Kopf verloren“ hat, es kann auch sein, dass sie meint, die Probleme würden sich schon durch die Prinzipien und Mechanismen der sozialistischen Markwirtschaft, die ständige Kontrolle durch den staatlichen Finanzapparat, durch die Justizorgane sowie durch die Partei-Kontrollorgane von selbst lösen.

Doch die Widersprüche wachsen und sie wecken große Unzufriedenheit bei den werktätigen Massen. Gleichzeitig entwickelt sich auch hier im Proletariat eine widersprüchliche Differenzierung: die Kluft zwischen denen, die von der neuen Entwicklung profitieren und der großen Mehrzahl vergrößert sich. In den Diskussionen auf dem Kongress wurde deutlich, dass sich diese Spaltungen - sowohl in neue Kapitalbesitzer und Werktätige einerseits als auch in besser und schlechter Gestellte innerhalb der Klasse der Werktätigen andererseits - in den letzten Jahren nicht nur verfestigt, sondern auch vergrößert hat. Anders gesagt: die Reichen wurden reicher, die Armen wurden ärmer.

In diesem Zusammenhang veränderte sich in der letzten Zeit auch das Ansehen der Kommunistischen Partei in der Bevölkerung. Viele äußern inzwischen kritische Bedenken gegenüber der staatlichen Politik und gegenüber der Partei und erwarten ungeduldig eine Verbesserung ihrer sozialökonomischen Lage. Die Chinesen sind dank der modernen Telekommunikationsmittel, also der Zeitungen, besonders aber des Fernsehens, dieses auch via Sattelt, der Verbreitung des Internets und der Mobiltelefone zumeist gut informiert über die staatliche Innen- und Außenpolitik sowie über die soziale Lage im Lande. Dementsprechend erwarten sie von der Leitung konkrete Maßnahme.

Von vielen Chinesen wird eine erhöhte Mobilität verlangt. Die Vorschriften, die  Wanderbewegungen der Bürger früher eher behinderten, sind verändert worden. Diese erhöhte Mobilität ist eine Folge der modernen Entwicklung der chinesischen Ökonomie: Sie dringt zur Zeit neue riesige Baukomplexe und unermesslich wachsende Industriebranchen hervor, die wie Magneten Millionen von Chinesen aus den rückständigeren Regionen des Nordens und des Ostens des Landes anziehen. Diese Wanderarbeiter sind sehr bescheiden, haben keine neu geweckten breiten Bedürfnisse und geben sich mit billigstem Lohn zufrieden, ja sie nehmen die Arbeit auch unter Bruch der Normen der Arbeitsgesetzgebung an und sind in der Regel nicht versichert. An dieser Stelle muss verdeutlicht werden, dass von den 1,3 Mrd. Chinesen rund eine Milliarde keine Krankenversicherung hat, die Mehrzahl dieser Nichtversicherten lebt auf dem Lande.

Das alles vermindert die Kosten der Arbeitskräfte sehr stark, zusätzlich herrscht unter den Arbeitssuchenden eine große Konkurrenz. Vor allem gilt dies in dem weiten Grenzgebiet zum russischen Weiten Osten, wo nicht mehr nur traditionelle Landwirtschaft betrieben wird, sondern auch mehr und mehr Fabriken entstehen, die das Bauhandwerk und den Handel stark fordern.

Erst in den letzten zwei Jahren haben die chinesischen Behörden diese Fakten und Tendenzen überhaupt zur Kenntnis genommen. Sie wollen eine stärkere Kontrolle der einheimischen Kapitalisten durch ein klareres und effektiveres Handeln der staatlichen Fiskalbehörden, durch bessere Kontrollen der Justizbehörden und im parteipolitischen Maßstab durch Mitgliedschaft dieser denn „roten Kapitalisten“ in der KPCh durchsetzen.

Wenn Kapitalisten bereit sind, die Prinzipien, die Ziele und das Statut der KPCh anzuerkennen, können sie Mitglieder werden. Damit entsteht eine große Gefahr für die soziale Homogenität und die Klassenbindung der kommunistischen Partei. Perspektivisch kann das Sprengstoff im Innern der Partei werden. Die chinesischen Kommunisten erklären allerdings, dass sie zur Zeit eine effektive Form der Kontrolle der Kapitalisten gefunden hätten. Aber nicht alle chinesischen Kapitalisten drängen in die KPCh. Es gibt noch acht weitere, demokratische Parteien, sie können also auch in anderer Form am politischen Leben teilnehmen. Die Klassenbrüder der chinesischen Kapitalisten im Ausland drängen natürlich auf eine reine Oppositionspolitik dieser Parteien, da sie eine Änderung der Staatsform hin zur bürgerlichen Demokratie anstreben. Aber die KPCh gibt dazu bisher keine Zustimmung.

Die neuen Kapitalisten in China haben aber noch eine andere gefährliche Waffe in der Hand: das Geld. Dies setzen sie zur Korruption ein. Sie ist inzwischen weit verbreitet und sehr gefährlich. Der 16. Parteitag der KPC h erklärte die Korruption zur „größten Gefahr“, die mit allen Kräften bekämpft und überwunden werden müsse. Die Massenmedien informieren systematisch über diese kriminellen Tatsachen und über die Gegenmaßnahme. Das Problem aber ist, dass die Korruption nachwächst wie ein Drache mit sieben Köpfen. Die Verhältnisse um das private „Business“, die Verhältnisse in der staatlichen Ökonomie und vor allem in den staatlichen Finanz-Verwaltungsapparaten sind stark von Korruption durchsetzt. Dazu kommen Alarmsignale auch aus den großen wirtschaftlichen Zentren.

Die UNO warnte inzwischen vor der sich vergrößernden sozio-ökonomischen Schere in China.

Im Jahre 1985 betrug das Verhältnis der Einkommen in der Stadt und auf dem Land 2:1, heute liegt es bei 3:1. In den Städten liegt die Arbeitslosigkeit bei rund 4 Prozent. Der Anteil der Arbeiter- und Bauernkinder an den Universitäten fällt.

Die chinesischen privaten Betriebe bringen weitere Widersprüche hervor. In der Regel waren es im kapitalistischen Sinne „schwache“, wenig effektive staatliche Betriebe, die privatisiert wurden. Hier wird die Produktion nach den Bedingungen der Schattenwirtschaft organisiert. Die Grundnormen der Arbeitssicherheit werden verletzt. Die Gewerkschaften sind in diesen bereichen schwach, der Organisationsgrad der Belegschaften ist gering, da die „Businessmen“ keine Mitgliedschaft ihrer Angestellten in der Gewerkschaft wünschen. Das Hauptziel dieser „Businessmen“, also der neuen Kapitalisten ist das gleiche wie das aller Kapitalisten: Erzielen von Maximalprofit u.a. durch Senken der Löhne, der Standards, der Sicherheitsvorkehrungen und durch verschärftes Ausbeuten der Belegschaft.

Vor kurzem gingen schockierende Nachrichten durch die chinesischen Medien über die zahlreichen Arbeitsunfälle vor allem in den privatisierten Kohlegruben. Die Frage war, wie es sein konnte, das sich Bedingungen der Arbeit wie eben skizziert hier durchsetzen konnten. Die Antwort war wie so oft: Korruption. Private Betriebe können nicht arbeiten ohne offizielle Genehmigung der Provinzbeamten und der schwachen Gewerkschaftsführer. Eine Untersuchung mehrerer Fälle zeigte, dass diese Provinzbeamten erhebliche Zuwendungen aus den Bergwerken bekamen. Die Anordnungen und Gesetze der Zentralregierung kommen teilweise in den Regionen nicht an oder werden abgemildert oder auf später verschoben, wobei unklar ist, ob die Strukturen ungenügend entwickelt sind oder ob das große Ausmaß der Korruption die Ursache dafür ist. Und die regionalen Behörden stehen inzwischen vor dramatischen Entscheidungen: Schließen sie die Gruben, bedeutete das eine Vergrößerung der Arbeitslosigkeit, was noch schlimmer wäre als die hohe Unfallrate.

In der Provinz Henan gab es kürzlich eine juristische Untersuchung, die ans Tageslicht brachte, dass 356 Beamte Schmiergelder von insgesamt 31,6 Mrd. Yuan (das sind 3,9 Mrd. US-Dollar) erhalten haben, pro Person im Durchschnitt also mehr als 80.000 Yuan (das sind rund 10.600 US-Dollar) pro Person. Das ist nur ein Beispiel, - und der Stellvertreter des Grubenmeisters, der die Sache ins Rollen gebracht hatte, erhielt postwendend anonyme Drohungen. In der Provinz Xinjiang (an der Grenze zu Kasachstan) ergab eine Untersuchung, dass dort nicht nur ein Beamter seine Profite aus den privatisierten Gruben bezieht. Und in der Provinz Shanxi, in der das größte Kohlebecken Chinas liegt, wurde festgestellt, dass nicht weniger als 900 Staatsbedienstete von den Grubenbossen in verschiedensten Formen insgesamt 900 Mr. Yuan an Schmier- und Bestechungsgeldern erhalten hatte (das sind rund 11,1 Mrd. US-Dollar). Nach der Eröffnung der Untersuchung haben sich 830 dieser Beamten von ihrer eigenen Praxis distanziert, die übrigen 70 waren der Ansicht, dass sie ein Recht darauf hätten, dass Profitanteile in ihre Taschen fließen. Noch schlimmer geht es in der Provinz Guizhon zu - hier erreichen die Bestechungsgelder Rekordhöhe, was besonders deshalb interessant ist, weil diese Region eine der ärmsten Chinas ist und hier die Lohnunterschiede besonders drastisch sind.

Was die juristischen Untersuchungen und die politischen Maßnahmen der Partei erreichen werden, wird die Zukunft zeigen. Die Korruption ist in der Volksrepublik China eine großes Problem, eine zerstörerische Krankheit – und das ist nicht nur ein juristisches Problem! Es geht vielmehr darum, die aktuellen Probleme als Formen des gegenwärtigen Klassenkampfes in der Volksrepublik China und in der KPCh zu begreifen.

Die Volksrepublik China entwickelt sich sehr dynamisch, aber nicht frei von Widersprüchen. Diese dynamische Entwicklung ist eine große Chance für das ganze Volk und auch für die Sache des Sozialismus auf der ganzen Welt. Die entstehenden Widersprüche aber stellen eine große Gefahr dar.

Zur Überwindung der pathologischen Erscheinungen in der Volksrepublik China ist vor allem das politische System und insbesondere die KPCh gefordert.

Wir wünschen der KPCh die Kraft, die Lage regelmäßig zu analysieren und die Ursachen der Widersprüche regelmäßig zu diagnostizieren, um sie schließlich auflösen zu können zum Wohle der Interessen der Arbeiterklasse, der anderen Werktätigen in der Volksrepublik China und der Sache des Sozialismus in der ganzen Welt.

                                                   Prof. Dr. Zbigniew Wiktor, Wuhan-Universität, VR China, 31. 10. 05

Zur Geschichte des Sozialismus

Hans Fischer:
Der Herbst `89 und die Realität heute;
oder: Am Ende verstehen Sie es (doch nicht)

Es ist ein Verdienst der Regionalgruppe Berlin des RotFuchs-Fördervereins, eine Veranstaltung mit dem letzten Generalsekretär der SED, dem Staatsratsvorsitzenden und Vorsitzenden des nationalen Verteidigungsrates der DDR, Genossen Egon Krenz, organisiert zu haben. Das Interesse am Thema und an der Person war groß, der Hörsaal 208 in der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Karlshorst war am 18. 11. 2005 überfüllt.

Egon Krenz gehört zu jenen ranghohen Parteifunktionären und Militärs, die die Rache Bonns in vollem Umfang zu spüren bekamen. Die aktive und bedeutsame Mitwirkung am Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft in einem Teil Deutschlands wurde und wird bis zum heutigen Tag nicht verziehen. Zwar kann man ein 16-Millionen-Volk nicht vor Gericht stellen, aber doch seine Repräsentanten. Einige der Anwesenden hatten schon im Gerichtssaal Moabit Egon Krenz und den anderen angeklagten Genossen ihre Solidarität bekundet. Von diesem Geist war auch die ganze Veranstaltung getragen. Genosse Dr. Steiniger, der als Chefredakteur des RotFuchs die Veranstaltung leitete, würdigte das Auftraten des Genossen Krenz vor Gericht, was mit anhaltendem Beifall der Teilnehmer unterstrichen wurde.

Ich denke, dass viele Teilnehmer auch eine Antwort erwarteten auf die Frage: Wie konnte es geschehen, dass sang- und klanglos, ohne erkennbaren Widerstand, die „größte Errungenschaft in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ aufgegeben wurde?

In Vorbereitung auf diese Veranstaltung hatte ich mir noch einmal das Buch von Egon Krenz „Herbst `89“ vorgenommen. Wem das zu zeitaufwändig ist, dem empfehle ich de messerscharfe Analyse von Peter Hacks, erschienen im Eulenspiegel-Verlag als „Politische Schriften 1988 bis 2003“, Seite 80 – 93, unter der bemerkenswerten Überschrift „Egon Krenz – Herbst `89“.  An Stelle einer Rezension, behutsam gekürzt, mit Zwischenüberschriften versehen und tiefer gehängt. Außerdem nahm ich mir noch einmal das weniger bekannte Buch von A. Tschernjaew[15] „Mein deutsches Tagebuch (1972 bis 1991)“ vor und las seine Aufzeichnungen aus den Jahren 1989 und 1990.

Genosse Krenz begann bei seinen einführenden Gedanken mit der Gegenwart und jüngeren Geschichte. Bezugnehmend auf das Wahlverhalten des Bundestages solidarisierte er sich mit dem Vorsitzenden der Linkspartei.PDS, Lothar Bisky, und distanzierte sich zugleich von Linke, die dort ankommen wollen, wo man sie offensichtlich nicht sehen will. Egon Krenz unterstützte die Auffassung Putins, dass die Niederlage des Sozialismus in Europa eine globale Katastrophe und ein bedeutender Sieg der USA sei und ergänzte mit der Bemerkung, dass nicht nur die Gründung der DDR ein Wendepunkt in der Geschichte Europas gewesen sei (Stalin-Telegramm), sondern auch ihr Untergang.

Dann wandte er sich dem Thema zu: Warum sind wir schließlich zu Verlierern der Klassenauseinandersetzung geworden?

Genosse Krenz nannte eine Reihe von Gründen, so den unerbittlichen internationalen Klassenkampf, die Folgen des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges. Die Startbedingungen für Ostdeutschland waren extrem schlecht, wir zahlten bis 1953 Reparationen an die Sowjetunion für ganz Deutschland in einer Höhe, die über der Hilfeleistung des Marshall-Planes für Westdeutschland lag. Hinzu kam ein permanenter Mangel an Rohstoffen (Eisen, Stahl, Buntmetalle) und hochwertiger Energieträger (Öl, Gas, Steinkohle)! Nach der Explosion des Erdölpreises reduzierte die Sowjetunion die Erdöllieferungen an die DDR von 21 Mio. Tonnen auf 17 Mio Tonnen. Der Abfluss von ausgebildeten Akademikern, Ingenieuren und Facharbeitern durch Republikflucht hinterließ einen ständigen Mangel an Arbeitskräften und reduzierte die Produktivität der Wirtschaft. Und dennoch, am Ende der DDR hatten wir Außenverpflichtungen von 9,8 Mrd. $ (Abschlussbilanz der Bundesbank). Im Vergleich zum heutigen Berlin – 55 Mrd. € Schulden – eine lächerliche Summe!

Schließlich kam es zum Kernpunkt des Abends. Ich stellte die Frage, was ihn als für die Sicherheit der DDR zuständigen Parteifunktionär daran gehindert hätte, wirksamen Widerstand zu organisieren. Wir hatten doch 2,4 Millionen SED-Mitglieder, wir hatten die Kampfgruppen der Arbeiterklasse, einen funktionstüchtigen Staatsapparat und die Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte im eigenen Lande usw.

Der Kern der Antwort war, dass er, Egon Krenz, als Kommunist dem Humanismus verpflichtet sei und niemals die Erlaubnis zum Waffeneinsatz erteilt hätte. Die Staatsführung habe sogar dafür gesorgt, dass die Rote Armee die planmäßigen, jährlichen Herbstmanöver verschob. Er ergänzte, dass es keinen befehl Gorbatschows gegeben habe, der den sowjetischen Truppen etwa verboten hätte, die Kasernen zu verlassen. Der oberkommandierende Armeegeneral Luschew habe ihm, Egon Krenz, vielmehr mehrfach die Bündnistreue der Roten Armee versichert und hinzugefügt, dass die Rote Armee jederzeit zur Hilfeleistung bereit sei. Auf nachfrage erklärte Genosse Krenz, dass eine solche Bitte um Hilfeleistung der Roten Armee von niemandem ausgesprochen wurde.

Als weitere Ursachen für Handlungsunfähigkeit wurden genannt bzw. diskutiert:

Weitere Themen waren noch die Leipziger Montagsdemonstrationen und die Maueröffnung in Berlin. Ein besonderer Befehl verbot den Sicherheitskräften den Einsatz von Schusswaffen. Genosse Krenz persönlich flog mit führenden Vertretern des ZK der SED, des Ministeriums für Staatssicherheit, des Ministeriums des Innern und dem Sekretär des Verteidigungsrats nach Leipzig, um vor Ort die notwendigen Entscheidungen zu treffen.

Zur Maueröffnung sagte Genosse Krenz, dass er vom sowjetischen Botschafter Kotschemassow zunächst gerügt wurde, weil Berlin Angelegenheit des Kontrollrats sei, kurze Zeit danach aber von Gorbatschow für diese mutige Entscheidung gelobt wurde.

Noch unter dem Träume der bedingungslosen Kapitulation stehend, wurden noch weitere Ursachen unserer schweren Niederlage diskutiert.

Resümee der Veranstaltung:

Zum Abschluss ein Zitat aus dem Buch „Herbst `89“ von Egon Krenz, S. 89:

„Es ist die schicksalsschwere Entscheidung zu treffen: Handelt es sich um eine Konter-revolution oder um eine Volksbewegung? Von der Antwort auf diese Frage hängt viel ab.“

Da verschlägt es Unsereinem doch die Sprache!!!

Die Suche nach den entscheidenden Ursachen unserer strategischen Niederlage muss weiter gehen.

                                                                                                                     Prof. Dr. Hans Fischer, Berlin

Gespräch mit Kurt Gossweiler

(Dieses Gespräch wurde am 25. Februar 2005 in Berlin-Grünau von den türkischen Genossinnen und Genossen der Zeitung „Özgürlük Dünyasi“ geführt und aufgezeichnet. Sie brachten die türkische Übersetzung in der Nr. 161 ihrer Zeitung. Wir freuen uns, das Gespräch nachdrucken zu dürfen. In dieser Ausgabe erscheint der erste Teil, die Fortsetzung folgt in der Ausgabe Januar-Februar 2006.) Redaktion Offensiv

Özgürlük Dünyasi (in der Folge: ÖD): Fangen wir doch mit einer allgemeinen Feststellung an. Das letzte Jahrhundert war ein Jahrhundert der großen Siege der Arbeiterklasse. Das letzte Jahrhundert war aber auch das Jahrhundert der größten Niederlage der Arbeiterklasse; der Sozialismus ist zusammengebrochen; die Weltreaktion hat die Oberhand gewonnen; alle historischen Errungenschaften der Arbeiterklasse wurden und werden weiterhin eine nach der anderen liquidiert. Wie Sie auch in Ihrem Buch („Die Taubenfuß-Chronik“) schreiben, sind wir nun durch diese Niederlage mit einer „Menschheitskatastrophe“ konfrontiert. Bevor wir auf die Hintergründe zu sprechen kommen, würde ich Doch gern zuerst von Ihnen als einem Mensch, der seit seinem 14. Lebensjahr für den Sozialismus kämpft, erfahren, wieso Sie immer noch daran festhalten, dass der Sozialismus keine Utopie ist? Woher schöpfen Sie Ihre Zuversicht bezüglich einer sozialistischen Zukunft?

Kurt Gossweiler: Es ist ja nicht so, dass ich als Kommunist zum erstenmal eine schwere Niederlage erlebe. Zum ersten Mal musste ich 1933, mit dem Machtantritt der Nazis in Deutschland, mit einer lange nicht für möglich gehaltenen Niederlage fertig werden. Damals war ich gerade 15 Jahre alt, also von Festhalten an meiner kommunistischen Überzeugung aus „Altersstarrsinn“ konnte damals keine Rede sein. Aber für uns Jungkommunisten kam eine Kapitulation vor dem Faschismus ebenso wenig in Frage, wie ich heute, 70 Jahre älter als damals, mich denen anschließen könnte, die aus dem zeitweiligen Sieg der Konterrevolution die Schlußfolgerung ziehen, wir hätten für die falsche Sache gekämpft. Was uns damals weiter-kämpfen ließ, hatte den gleichen Grund wie heute. Wir hatten im Jugendverband - vor 1933 und nachher, in der Illegalität -, gründlich Marx, Engels und Lenin studiert- wie das Kommunistischen Manifest, Engels‘ Ursprung der Familie und des Privateigentums“, Lenins Imperialismusanalyse, „Staat und Revolution“ und „Der Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus“, und wir hatten das begeisternde Vorbild der Sowjetunion vor uns. Wenn man begriffen hat, dass der Marxismus-Leninismus wirklich eine Wissenschaft ist, die die Geschichte nicht als eine Anhäufung von Zufälligkeiten betrachtet, sondern als einen  Prozess, dem Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung zugrunde liegen, und wenn man um die Widersprüche weiß, die den Kapitalismus in immer tiefere Krisen und schließlich seinem Ende entgegentreiben, dann können einen auch Rückschläge nicht umwerfen. 1916 schrieb Lenin in seiner Arbeit über die Junius-Broschüre - und das immer im Kopfe zu haben, ist gerade für Revolutionäre ganz wichtig -: „Zu glauben, die Weltgeschichte ginge glatt und gleichmäßig vorwärts, ohne manchmal Riesensprünge rückwärts zu machen, ist undialektisch, unwissenschaftlich, theoretisch unrichtig."“ (Lenin, Werke, Bd. 21,Berlin 1960, S. 315). Aber solch ein Riesensprung rückwärts, wie wir ihn 1989/90 erlebten, führt letzten Endes dazu, - wie wir es gerade jetzt  sehen - daß sich die Widersprüche gewaltig verstärken und der Kapitalismus seine Menschenfeindlichkeit noch brutaler offenbart, bis es schließlich keinen anderen Ausweg, keine Überlebenschance für die große Mehrheit der Gesellschaft gibt, als mit diesem kapitalistischen System Schluß zu machen.

ÖD: Gibt es im heutigen Alltag Ereignisse, die Sie zuversichtlich stimmen?

Kurt Gossweiler: Ja, durchaus. Die Schröder-Regierung vertritt doch so offensichtlich die Interessen der „Reichen“, des Großkapitals, dass selbst in Schröders eigener Partei, der SPD, nicht nur die Unzufriedenheit und der Widerspruch wachsen, sondern Teile der Mitgliedschaft schon die Partei verlassen, um eine eigene Partei links von der SPD zu gründen. Sicherlich, von einer revolutionären Stimmung ist das alles noch weit entfernt, aber die Meinung: „So kann es nicht weitergehen!“ ist schon eine Mehrheitsmeinung. Und in Ostdeutschland antwortet bereits eine Mehrheit der Menschen in Umfragen, welche Ordnung sozial gerechter sei- die jetzige in der BRD oder die vergangene der DDR ohne Zögern: Die der DDR. Das ist ein deutlicher Fortschritt im Denken der Menschen. Allerdings ein Fortschritt, der viel zu langsam ist. Ich würde sehr gerne zu meinen Lebzeiten noch eine neue revolutionäre Situation erleben, aber bei meinem Alter kann ich realistischerweise nur darauf hoffen, noch zu erleben, wie die Ent-wicklung in diese Richtung  beginnt und sich verstärkt. Das aber werde ich sicher noch. Wir Kommunisten sind unserer Natur nach Optimisten.

ÖD: Nun, Tatsache bleibt aber, dass der Sozialismus eine große Niederlage erlitten hat. Wie kam es dazu? Gab es dafür objektive Gründe, die eine Niederlage unausweichlich machten? Oder haben da unfähige Führer am falschen Ort und zur falschen Zeit unglückliche Entscheidungen getroffen? Oder spielten da objektive und subjektive Gründe zusammen eine Rolle?

Kurt Gossweiler: Diese Fragen sind mit einem Wort nicht zu beantworten und die Niederlage ist nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen. Aber eins ist sicher: sie war keineswegs unausweichlich.

Viele Leute meinen, die Niederlage sei wegen der ökonomischen Rückständigkeit der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder unvermeidlich gewesen. Aber die Sowjet-union ging nicht zu dem Zeitpunkt unter, da sie ökonomisch gegenüber dem Kapitalismus am rückständigsten war, sondern zu einem Zeitpunkt, da sie zur ökonomisch zweitstärksten Macht in der Welt herangewachsen war. Diese Ursachenerklärung geht deshalb fehl.

Stalin hat nach dem Sieg über den Faschismus zu recht gesagt: Die sowjetische Gesellschafts-ordnung hat sich als lebensfähiger und stabiler erwiesen, als die nichtsowjetische Gesellschaftsordnung, als eine bessere Organisationsform der Gesellschaft als jegliche andere. Diese Tatsache lag nach dem Sieg über das faschistische Deutschland so offenkundig jedermann vor Augen, dass, wer damals eine These von der Unvermeidlichkeit des Unterganges der Sowjetunion vertreten hätte, sich der Lächerlichkeit preisgegeben hätte. Hatte doch die Sowjetunion eine Härteprüfung triumphal bestanden, wie sie kein anderer Staat in der Geschichte jemals zu bestehen hatte.

Aber wenige Jahre später erlebte das Sowjetland und das Sowjetvolk einen Bruch in seiner Entwicklung, nämlich statt weiterem Aufstieg einen Umbruch der Kurve zum Abstieg, zum Niedergang. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass nach dem Tode von Stalin etwas passiert sein muss, das die Ursachen und die Triebkräfte des bisherigen Wachstums beschädigt wenn nicht gar beseitigt hat.

Bei genauer Betrachtung der Politik der neuen Führung ist nicht zu übersehen, was da passiert ist: Der neue Generalsekretär der Partei, Chruschtschow, setzte durch, dass von der bisherigen wissenschaftlich begründeten leninistischen Generallinie der Partei abgewichen wurde. Das war zwar zunächst kaum zu erkennen, und ich selbst habe lange, bis zu den Ungarn-Ereignissen im Herbst 1956, gebraucht, um mir darüber klar zu werden. Den schweren Weg zu dieser Erkenntnis habe ich im ersten Teil meines politischen Tagebuchs, das unter dem Titel „Die Taubenfußchronik oder die Chruschtschowiade“ veröffentlicht ist, geschildert. Der Kernsatz dieser Erkenntnis, niedergeschrieben am 19. Januar 1957, lautete: „Kein Zweifel: an der Spitze der Partei Lenins und Stalins steht zur Zeit ein Feind, ein Vertrauensmann der imperialistischen Geheimdienste, allen voran des us-amerikanischen, ein Komplize des seit langem zum Agenten des Secret Service und des CIA gewordenen Tito.“ (S.209 der Taubenfußchronik)

Wie konnte das passieren? Chruschtschow und sein engster Komplize Mikojan waren doch keine neuen, unbekannten Leute, sie gehörten doch seit Jahren dem Zentralkomitee und dem Stalinschen Politbüro an?

Eines muß man Chruschtschow offensichtlich zugestehen – er hatte es geschafft, das Vertrauen Stalins zu erringen. Sonst wäre er nicht in die höchste Position in der Ukraine und in Moskau gekommen. Wie aber konnte ein Mann, der nach Stalins Tod eine solch üble Rolle spielte, überhaupt zu solchen Positionen aufsteigen?

Gewiß, er war bauernschlau und verschlagen, aber das reichte nicht für einen Aufstieg in solche Positionen. Er hat eine solide marxistisch-leninistische Schulung erfahren, kannte den Parteiapparat von Grund auf, und er verfügte offensichtlich auch über die Fähigkeit, ihm übertragene Aufgaben erfolgreich zu erfüllen.

Wann wurde er zum Gegner Stalins, wann begann seine Feindarbeit? Darüber kann ich nur Vermutungen anstellen, aus Mangel an dokumentarischen Unterlagen. Die wahrscheinlichste Erklärung ist für mich, dass Chruschtschow – wie auch Mikojan - schon seit längerem zu einer oder auch mehreren der parteifeindlichen Gruppierungen gehört hatten, aber – wie auch Mikojan – bewußt in Reserve gehalten wurden, damit bei einem Fehlschlag sie als „Unbelastete“ weiterhin im „Apparat“ verbleiben und die „Arbeit“ weiterführen konnten, um in einer günstigen Situation die Macht zu übernehmen. Auf diese Weise haben sie als "„Schläfer“ die Moskauer Prozesse nicht nur überlebt, sondern konnten ihre Positionen halten und ausbauen.

ÖD: Chruschtschow und seine Clique mussten nicht unbedingt Agenten sein, damit sie das machen konnten, was sie auch gemacht haben. Meinen Sie nicht, dass Deine These, Chruschtschow sei ein ferngelenkter Langzeitagent des Imperialismus, eine zu kurz gegriffene Feststellung ist? Enver Hoxha macht z.B. in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass zu Lebzeiten Stalins schon eine schädliche Denkweise innerhalb der Kader der Partei – selbst bei alten Kadern mit guter Vergangenheit und proletarischer Herkunft – Fuß fasste, selbst bei den Mitgliedern des Präsidiums des Zentralkomitees, die sich bewährt haben. Hoxha spricht auch davon, dass sich in diesem Prozess in der „KPdSU eine Arbeiteraristokratie aus bürgerlichen Kadern herausbildete“.

Kurt Gossweiler: Mir reicht das nicht aus, um Chruschtschows und Mikojans Handlungen zu erklären Was Hoxha ausführt, mag für andere zutreffen, aber nicht für diese beiden, denn die haben eine zielstrebige Schädlingsarbeit geleistet.

ÖD: Auf die beiden macht ja auch Enver Hoxha aufmerksam.

Kurt Gossweiler: Ja, dass diese beiden mit besonderer Feindseligkeit gegen Stalin auftraten, das zeigte sich schon auf dem XX.Parteitag.

Im übrigen: es ist auffällig, wie hoffnungsfroh man auf imperialistischer Seite auf die neue Führung nach Stalins Tod (5. März 1953)  reagierte. Ich zitiere als zwei Beispiele Eisenhower und Churchill. Schon am 16. April 1953 führte der neue USA-Präsident Eisenhower aus: „Die Welt weiß, daß mit dem Tode Stalins eine Epoche zu Ende ging. ... Jetzt ist eine neue Führergeneration in der Sowjetunion an die Macht gekommen. Die sie mit der Vergangenheit verknüpfenden Bande mögen auch noch so stark sein, sie bedeuten keine feste Bindung für sie. ... Die Gestaltung der Zukunft hängt weitgehend von ihrem Willen ab ... Die neuen sowjetischen Führer haben somit eine einmalige Gelegenheit, sich ... darüber klar zu werden, welchen Grad der allgemeinen Gefährdung wir erreicht haben, und daß sie das ihre tun müssen, den Lauf der Geschichte zu wenden.“

Keinen Monat später, am 11. Mai 1953 wurde Premierminister Churchill im Unterhaus noch deutlicher; er führte aus: „Das wichtigste Ereignis ist natürlich die Änderung der Haltung und, wie wir alle hoffen, des Geistes, die im Sowjetbereich und insbesondere im Kreml seit dem Tode Stalins stattgefunden hat. ... Es ist die Politik der (britischen) Regierung, es durch jedes Mittel in ihrer Macht zu vermeiden, etwas zu tun oder zu sagen, das irgendeine günstige Reaktion hemmen könnte, die sich ergeben könnte, sowie jedes Zeichen einer Verbesserung in unseren Beziehungen zu Rußland zu begrüßen.“[16]

Diese beiden Äußerungen machen deutlich, daß man in Washington wie in London zumindest Signale - wenn nicht mehr, z. B. über ihren V-Mann Tito -, - erhalten hatte, dass in Moskau nicht nur ein Personenwechsel stattgefunden hatte, sondern daß damit verbunden auch auf einen Kurswechsel gehofft werden konnte. Und sie hatten dazu allen Grund, was sich schon in der ersten Hälfte des Jahres 1953 zeigte, als nämlich die neue Führung, d.h. vor allem Chruschtschow, sogleich eine Vorstoß unternahmen, um die erprobten Parteiführer Ulbricht in der DDR und Rakosi in Ungarn zu stürzen und an ihre Stelle ihre Vertrauensleute zu setzen – Herrnstadt und Zaisser in der DDR, Imre Nagy in Ungarn. (Näheres dazu habe ich in der „Taubenfußchronik ausgeführt).

ÖD: Aber was die Informationen zum Zustand des Landes betrifft, da kann man ja auch auf dem von Malenkow vorgetragenen Bericht des 19. Parteitages, auf die verschiedenen Artikel Stalins aufmerksam machen; also, dass in der Sowjetunion einiges nicht gut lief, dass der Schaden des Krieges – wirtschaftlich, aber auch von Parteikadern her – zu groß war, dass in der Gesellschaft sich allmählich eine Tendenz zur Erschöpfung zu bilden begann. Das alles war ja auch den Imperialisten nicht unbekannt. Zumal: Reflexe dieser Art nach großen Kriegen waren ja auch nichts Unerwartetes. Erinnern wir uns doch nur an die so genannten „wilden 20er Jahre“ in den westeuropäischen Ländern nach dem Ersten Weltkrieg. In dieser Hinsicht war es mehr als normal, dass auch die sowjetische Gesellschaft ähnliche Reflexe zeigte, vor allen Dingen jenes Volk, das seit der Oktoberrevolution von der Weltreaktion nicht in Ruhe gelassen und immer wieder unter Druck gesetzt wurde. Das alles wussten die Imperialisten, aber auch Stalin und die sowjetische Parteiführung. Und jeder zog für sich die notwendigen Schlussfolgerungen aus dieser einmaligen und besonderen Situation. Der Imperialismus sah die Lösung in der Organisierung des Kalten Krieges; Stalin und die Partei in der Erneuerung der ideologisch-politischen und moralischen Plattform usw. Ist es unter diesen Verhältnissen nicht möglich, dass nach dem Tod einer so großen Persönlichkeit wie Stalin die übrig gebliebene Führung nicht die Weitsicht besaß, aber auch nicht den Mut aufbrachte, den weiter notwendigen Kampf fortzuführen, sondern statt dessen den vorhandenen und auch sie umgebenden Tendenzen nachgaben und den Weg der Konzessionen dem Weg des Kampfes vorzogen, weil es einfacher war und auch von den Imperialisten besonders gefördert wurde?

Kurt Gossweiler: Sie schneiden damit mehrere Fragen an: erstens – wie war die innere Situation und die Stimmung der Massen im Lande nach den erschöpfenden Kriegsjahren?

Zweitens, wie reagierte die Stalinsche Führung darauf?

Und drittens: Ist der Kurs der Chruschtschow-Führung nicht einfach dadurch zu erklären, dass es ihr an Weitsicht und Mut fehlte und sie deshalb „den sie umgebenden Tendenzen nachgab“?

Über die Stimmung in den Massen spreche ich noch. Aber zuerst möchte ich doch mit allem Nachdruck der Ansicht widersprechen, dass  Chruschtschows Handeln aus fehlender Weitsicht und fehlendem Mut, der allgemeinen Stimmung zu widerstehen, zu erklären sei.

Ich muß mich immer wieder erneut darüber wundern, wenn mir gesagt wird: Ja, daß Gorbatschow ein Agent des Imperialismus war und ist, - damit hast Du ja recht. Aber bei Chruschtschow – da verhält es sich doch anders, bei dem handelt es sich nur um Fehler aus Dummheit oder opportunistische Anpassung an die Massenstimmung.

Um die Unhaltbarkeit dieser Chruschtschow-Exkulpation im Rahmen dieses Interviews nachzuweisen, führe ich nur einen einzigen Punkt an: Chruschtschows Verhalten und Verhältnis zu Tito. Dass der ein Agent des Imperialismus war, darüber dürfte es doch wohl keine Meinungsverschiedenheiten geben. Also:

Erstens: Wie bekannt, fand in der zweiten Junihälfte 1948 eine Beratung des Informationsbüros der Kommunistischen Parteien statt zur Erörterung der Lage in der Kommunistischen Partei Jugoslawiens. Im Ergebnis dieser Beratung nahmen die teilnehmenden Parteien – die KPdSU war durch Shdanow, Malenkow und Suslow vertreten – eine Resolution an, deren Grundgedanken natürlich vorher schon in Moskau vom gesamten Politbüro der KPdSU, also auch von Chruschtschow, beraten und gebilligt worden waren

In dieser Resolution wird gesagt: „Das Informbüro kommt einmütig zu der Schlußfolgerung, daß die Führer der KPJ durch ihre parteifeindlichen und antisowjetischen Ansichten, die mit  Marxismus-Leninismus unvereinbar sind, durch ihr ganzes Verhalten und durch die Weigerung, auf der Sitzung des Informbüros zu erscheinen, sich den dem Informbüro angehörenden kommunistischen Parteien entgegengestellt und den Weg der Abspaltung von der sozialistischen Einheitsfront gegen den Imperialismus, den Weg des Verrats an der internationalen Solidarität der Werktätigen und des Übergangs zu den Positionen des Nationalismus eingeschlagen haben... Das Informbüro stellt fest, daß das ZK der KPJ sich und die jugoslawische Kommunistische Partei dadurch außerhalb der Familie der brüderlichen kommunistischen Parteien, außerhalb der kommunistischen Einheitsfront und folglich auch außerhalb der Reihen des Informbüros stellt.“

Unterschrieben wurde diese Resolution von allen Vertretern der Mitgliederparteien des Informbüros, also der bulgarischen, rumänischen, ungarischen, polnischen, sowjetischen, französischen, tschechoslowakischen und italienischen Partei. Das war eine sehr wichtige Information für die gesamte kommunistische Bewegung, gewissermaßen eine notwendige Schutzimpfung gegen einen gefährlichen Virus.

Zweitens: Was aber tat Chruschtschow? Er hob die heilsame Wirkung dieser Schutzimpfung auf mit einer durch und durch verlogenen Erklärung. Im Mai 1955 reiste eine sowjetische Delegation unter Chruschtschows Führung nach Belgrad mit dem Auftrag, zwischen beiden Ländern wieder normale Beziehungen wiederherzustellen. Chruschtschow benutzte aber diese Gelegenheit, um schon gleich bei der Ankunft auf dem Flugplatz selbstherrlich eine Erklärung abzugeben, die vorher nicht abgesprochen war und die, wie sich später zeigte, niemals gebilligt worden wäre. Er sagte nämlich unter anderem – was Sie ja ganz gewiß auch kennen:

„Teurer Genosse Tito! ... Wir bedauern aufrichtig, was geschehen ist und fegen entschlossen alles beiseite, was sich in dieser Periode abgelagert hat. Unsererseits rechnen wir zu diesen Ablagerungen ohne Zweifel die provokatorische Rolle, die die nunmehr entlarvten Volksfeinde Berija , Abakumow und andere in den Beziehungen zwischen Jugoslawien und der UdSSR gespielt haben. Wir haben eingehend die Materialien überprüft , auf denen die schweren Anschuldigungen und Beleidigungen beruhten, die damals gegen die Führer Jugoslawiens erhoben wurden. Die Tatsachen zeigen, daß diese Materialien von Volksfeinden, niederträchtigen Agenten des Imperialismus, fabriziert waren, die sich durch Betrug in die Reihen unserer Partei eingeschlichen hatten.“

Drittens: Während der Konterrevolution in Ungarn im Oktober 1956 war Titos Rolle als Inspirator der konterrevolutionären Kräfte offen zutage getreten. Dadurch war natürlich auch Chruschtschows Stellung – gerade wegen seiner Totalrehabilitierung Titos – höchst gefährdet. Was macht ein Agent in einer solchen Situation? Nun eben das, was Chruschtschow jetzt machte: Er wechselte flugs von der Position des Verteidigers Titos auf die des Kämpfers gegen den Tito-Revisionismus.

Er widersprach nicht, sondern unterschrieb die Erklärung der Moskauer Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien von 1957, in der es u.a. hieß: „Der moderne Revisionismus ist bemüht, die große Lehre des Marxismus-Leninismus in Verruf zu bringen, er erklärt sie für ‚veraltet‘, behauptet, sie habe heute ihre Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung verloren. Die Revisionisten sind bestrebt, die revolutionäre Seele des Marxismus auszumerzen und den Glauben der Arbeiterklasse und des schaffenden Volkes an den Sozialismus zu erschüttern. Sie wenden sich gegen die historische Notwendigkeit der proletarischen Revolution und der Diktatur des Proletariats beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus, sie leugnen die führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei, sie lehnen die Prinzipien des proletarischen Internationalismus ab, sie fordern den Verzicht auf die grundlegenden Leninschen  Prinzipien des Parteiaufbaus und vor allem auf den demokratischen Zentralismus, sie fordern, dass die kommunistischen Partei aus einer revolutionären Kampforganisation in eine Art Diskutierklub verwandelt wird.“

Auf dem VII. Parteitag der Bulgarischen Kommunistischen Partei im Juni 1958 trat Chruschtschow sogar mit einer Rede auf, in der er unter anderem auch das Folgende ausführte:

„Der zeitgenössische Revisionismus ist eine Art trojanisches Pferd. Die Revisionisten versuchen, die revolutionären Parteien von innen zu zersetzen, die Einheit zu unterminieren und Verwirrung und Durcheinander in die marxistisch-leninistische Ideologie zu tragen. ... Im Jahre 1948 nahm die Konferenz des Informationsbüros eine Resolution über die Lage in der KP Jugoslawiens an, die eine berechtigte Kritik an der Tätigkeit der KP Jugoslawiens in einer Reihe von Frage enthielt. Diese Resolution war im Wesentlichen richtig und entsprach den Interessen der revolutionären Bewegung. (Unterstreichung von mir, K.G.)

Einen besonders großen Schaden fügten die jugoslawischen Führer der Sache des Sozialismus durch ihre öffentlichen Reden und ihre Handlungen in der Zeit der Ereignisse in Ungarn zu. Während des konterrevolutionären Aufstandes in Budapest wurde die jugoslawische Botschaft im Grunde genommen ein Zentrum für diejenigen, die den Kampf gegen die volksdemokratische Ordnung in Ungarn aufnahmen, und ein Zufluchtsort für die verräterische Kapitulationsgruppe Nagy-Losonczy.“[17]

Das sagt der gleiche Chruschtschow, der wenige Wochen zuvor mit Tito in Brioni und auf der Krim beraten, beschlossen und danach durchgesetzt hat, Rakosis Nachfolger Gerö in Ungarn von der Führung zu beseitigen und Imre Nagy an seine Stelle zu setzen – zur großen Freude der Freunde der beiden in Washington und London! Aber Chruschtschow ging noch viel weiter. Er stimmte auf der Moskauer Beratung der Kommunistischen und Arbeiterparteien im November 1960 der Resolution zu, in welcher der Tito-Revisionismus beim Namen genannt und aufs Schärfste verurteilt wurde:

„Die kommunistischen und Arbeiterparteien haben die jugoslawische Spielart des internationalen Opportunismus, die einen konzentrierten Ausdruck der ‚Theorien‘ der modernen Revisionisten darstellt, einmütig verurteilt. Die Führer des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, die den Marxismus-Leninismus verrieten, indem sie ihn für veraltet erklärten, haben der Erklärung von 1957 ihr antileninistisches, revisionistisches Programm (das Programm des Ljubljanaer Parteitages von 1958, K.G.) entgegengestellt.

Sie haben den BdKJ der gesamten kommunistischen Weltbewegung entgegengestellt, ihr Land vom sozialistischen Lager losgerissen, es von der sogenannten Hilfe der amerikanischen und anderen Imperialisten abhängig gemacht und damit die Gefahr heraufbeschworen, daß das jugoslawische Volk seiner im heroischen Kampf erzielten revolutionären Errungenschaften verlustig geht. Die jugoslawischen Revisionisten betreiben eine Wühlarbeit gegen das sozialistische Lager und die kommunistische Weltbewegung. Unter dem Vorwand einer blockfreien Politik entfalten sie eine Tätigkeit, die der Einheit aller friedliebenden Kräfte und Staaten Abbruch tut. Die weitere Entlarvung der Führer der jugoslawischen Revisionisten und der aktive Kampf dafür, die kommunistische Bewegung wie auch die Arbeiterbewegung gegen die antileninistischen Ideen der jugoslawischen Revisionisten abzuschirmen, ist nach wie vor eine unerläßliche Aufgabe der marxistischen Parteien.“

Was aber tat Chruschtschow? Er wiederholte, was er schon 1955 getan hatte: Hatte er damals - statt die von den Parteien des Informationsbüro 1948 ausgesprochene Warnung der kommu-nistischen Bewegung vor dem Revisionismus der Tito-Partei tiefer in das Bewußtsein aller Kommunisten zu senken -, diese Warnung mit seiner Flugplatzerklärung ihrer Wirkung beraubt, so tat er jetzt alles, um die wiederholte und verstärkte Aufforderung, die Entlarvung der jugoslawischen Revisionisten und den Kampf gegen sie fortzuführen, schleunigst vergessen zu machen.

In seinem politischen Tagebuch, veröffentlicht unter dem Titel: „Die Supermächte“ (Tirana 1986), notierte Enver Hoxha unter dem13. Dezember 1962:

„Auf der gestrigen Sitzung des Obersten Sowjets der Sowjetunion hielt Chruschtschow eine Rede über die internationale Lage und die Außenpolitik der Sowjetunion. Auf dem Präsidium der Versammlung saß ihm zur Seite sein Bruder und enger Genosse, der Verräter Tito. ...

Die zweite Absicht seiner Rede war, offiziell und in einer auf öffentliches Aufsehen berechneten Weise die titoistischen Renegaten in staatlicher, besonders jedoch in ideologischer Hinsicht zu rehabilitieren. ... Die Voraussagen der Partei der Arbeit Albaniens haben sich bestätigt. ... Jeden Tag kommt das verräterische Ziel der revisionistischen Chruschtschowgruppe klarer ans Licht: die Spaltung des Lagers, die Formierung eines internationalen revisionistischen Blocks, die fieberhafte, offensichtliche Annäherung an den amerikanischen Imperialismus.“

Wer so zielstrebig trotz gegenteiliger Beschlüsse der eigenen Partei und aller anderen kommunistischen Parteien das trojanische Pferd des Imperialismus Tito als einen „teuren Genossen“ immer wieder in die eigene Festung hereinholt – der soll nicht selber ein bewußter Helfer des Imperialismus, sondern nur ein „Fehlender aus Irrtum“ sein? Nein, allein diese hartnäckige Einschleusung eines imperialistischen Agenten in die eigene Festung ist Beweis genug: Chruschtschow hat ganz bewusst das begonnen, was in seinem Geiste Gorbatschow zum bösen, von beiden gewollten Ende gebracht hat. Er hat offenbar auf seine Art die Schluß-folgerung aus Stalins Warnung vor feindlichen Umtrieben gezogen: „Unzugängliche Festungen werden am leichtesten von innen eingenommen.“[18]

ÖD: Sie wollten noch zur Haltung und Stimmung der Massen etwas sagen?

Kurt Gossweiler: Da möchte ich zuerst von persönlichen Eindrücken erzählen. Als ich mit anderen im Sommer 1947 von der Antifa-Schule entlassen und auf Transport in die Heimat kam, hatte ich unterwegs auch Gespräche mit den unseren Transport begleitenden Rotarmisten. Das war gerade in der Zeit, als die Engländer und Amerikaner begannen, auf den „kalten Krieg“ umzuschalten. Die Rotarmisten, mit denen ich über die feindseligen Töne aus den USA sprach, meinten dazu: „Wenn die Amis mit uns Streit suchen, sollen sie nur, wir sind bereit!“

Bei ihnen war nichts von einer Stimmung wie etwa: „Dazu darf es nicht kommen, wir wollen endlich Frieden haben!“, sondern sie waren erfüllt von der Gewißheit, dass sie jeden, der es mit der Sowjetunion aufnehmen würde, genau so schlagen würden, wie die Deutschen.

Aber das bedeutete nicht, dass man nicht endlich Frieden haben wollte.

Das Sowjetvolk hatte schon vor dem Kriege wie in einer vom Imperialismus bedrohten und belagerten Festung gelebt und unter Anspannung aller Kräfte das Land zu einer uneinnehmbaren Festung ausgebaut. Und dann kam der faschistische Überfall mit den fünfundzwanzig Millionen Menschenopfern und der Verwüstung der zeitweilig okkupierten Gebiete.

Kein Wunder, dass der Wunsch, jetzt in Frieden die Früchte des Aufbaus und des Sieges über den Faschismus ernten zu können, stark und allgemein war.

Der Krieg hatte für die Führung auch ein ganz neues Problem im Gefolge.

Millionen Sowjetbürger waren als Angehörige der Roten Armee bis nach Deutschland gekommen. Sie waren erfüllt vom Stolz auf die Kraft ihres Landes und seine Überlegenheit über den deutsch-faschistischen Feind. Aber zugleich erlitt ihr bisheriges Bild über den kapitalistischen Westen, in dem die arbeitenden Menschen schlechter lebten als im Sozialismus, einen empfindlichen Stoß. Denn sie hatten mit dieser prinzipiell richtigen Feststellung auch die Vorstellung von materiellem Elend, schlechten Wohnverhältnissen und kultureller Rück-ständigkeit verbunden. Jetzt aber mußten sie, als sie die Städte und Dörfer kennen lernten, durch die sie auf ihrem Weg nach Deutschland kamen, besonders aber in Deutschland selbst, zu ihrer großen Verwunderung feststellen, dass im kapitalistischen Deutschland offenbar auch die Arbeiter in besseren Wohnungen und in größerem Wohlstand lebten als sie bei sich zu Hause. Das hat sicherlich auch an der Gewißheit, Bürger des in jeder Hinsicht fortgeschrittensten Landes des zu sein, genagt.

Ich erinnere mich, dass ich als Zwangssoldat der Wehrmacht nach dem Überfall auf die Sowjet-union eine ähnliche Überraschung erlebte, aber mit umgekehrtem Vorzeichen.

Mein Bild der Sowjetunion war in den Jahren der Weimarer Republik geprägt worden vor allem von den Berichten in Wort und Bild, die in der „AIZ“, der „Arbeiter illustrierten Zeitung“ über den sozialistischen Aufbau in der Sowjetunion in jeder Nummer gebracht wurden. Verständ-licherweise wurde in diesen Berichten das neue Rußland gezeigt, die ungeheuren Aufbauleistungen, die neuen Wohnviertel, die neuen, großen, modernen Betriebe, der Massen-enthusiasmus, mit dem das Wunder des ersten Fünfjahrplanes geschafft wurde.

Was in der AIZ nicht oder wenn, dann nur als Randerscheinung gezeigt wurde, war das, was im äußeren Bild Rußlands noch weit überwog, also das, was vom alten Rußland noch an Rückständigkeit, an materiellen Mangelerscheinungen, an Erbschaft einer barbarischen Vergan-genheit hinterlassen war, und wovon wir Kommunisten „im Westen“ trotz Kenntnis der Romane von Tolstoi, Dostojewski und Maxim Gorki keine rechte Vorstellung hatten, obwohl uns darauf ja sogar Stalin mit der Nase gestoßen hatte, als er 1931 gesagt hatte, dass die Sowjetunion hinter den entwickelten kapitalistische Ländern noch 50 bis 100 Jahre zurück sei.

Jetzt lernte ich nicht in der Theorie, sondern in der Praxis kennen, was der Satz bedeutet, dass nach einer Revolution noch für lange Zeit das Alte sich neben dem zunächst noch schwächeren Neuen behauptet. Das Alte – das traf ich z. B. in der im Vergleich zum Westen primitiven Bauweise der Häuser in den meisten Dörfern an, in vernachlässigtem Gerät in mancher Maschinen-Traktoren-Station und ähnlichem. Das Neue, das traf ich in den gleichen „primi-tiven“ Dörfern in Schulbüchern der Kinder an, die davon zeugten, dass die Sowjetmacht ihre Jugend selbst in den kleinsten Dörfern mit einem Wissen einschließlich Fremdsprachen – wovon Deutsch-Lehrbücher zeugten – versorgt, wovon die Kinder im deutschen Ostelbien nicht einmal träumen konnten.

Für die Sowjetführung ergab sich die Aufgabe, den negativen Auswirkungen des Kennenlernens des kapitalistischen Westens auf das sozialistische Selbstbewußtsein mancher Sowjetbürger entgegenzuwirken. Sie tat das, indem sie erstens über eine längere Zeit hinweg die wissenschaftlichen und technischen Erst-Leistungen russischer Wissenschaftler und Erfinder breit popularisierte, zweitens einen Damm gegen die Ausbreitung von Bewunderung und Übernahme vom Westen propagierter und infiltrierter bürgerlich-imperalistischer Ideologie und Modeströmungen zu errichten suchte mit einer Kampagne des Kampfes gegen den „Kosmo-politismus“.

Nach Stalins Tod tat die Chruschtschow-Führung das Gegenteil dessen: sie nutzte den Friedenswunsch und den berechtigten Wunsch der Sowjetmenschen dazu aus, das Vertrauen in die antiimperialistische Politik unter der Führung Stalins, die angeblich künstlich zu gefähr-lichen Zuspitzungen und Konflikten geführt habe, zu unterminieren, und statt dessen unter der Losung einer „Politik der Entspannung“ überzugehen zu einer Politik der Propagierung von Vertrauen in die Zusammenarbeit mit den imperialistischen Mächten, besonders mit den USA, weil nur gemeinsam mit ihnen die Gefahr eines Atomkrieges gebannt werden könne.

Mit dieser demagogischen Argumentation erschlich sich Chruschtschow das Vertrauen, der Mann zu sein, der die Wünsche und Sehnsüchte des Volkes kennt und sie zur Leitlinie seiner Politik gemacht habe.

ÖD: Das ist ja das Bezeichnende! Chruschtschow und Co haben ja genau auf diese in der Bevölkerung bestehenden Tendenzen angespielt und haben sie auch ausgenutzt.

Kurt Gossweiler: Ja, genau. Es war eben nicht so, dass Chruschtschow durch „Druck von unten“ auf einen revisionistischen Kurs gedrängt worden wäre: sondern er betrog bewußt die Massen, indem er ihnen vorlog, dieser neue Kurs sei nötig zur raschesten Erfüllung ihrer Wünsche. Dabei ging er sehr geschickt vor. Bis zum XX. Parteitag gab er sich- die im Volke noch unerhört große, ungebrochene Verehrung Stalins in Rechnung stellend - als treuer Gefolgsmann Stalins aus; und selbst nach dem XX. Parteitag trug er in seinen Reden zu 90 bis 99 Prozent solche Thesen und Grundgedanken vor, die dem Volk bekannt und vertraut waren. Die abweichenden, revisionistischen, feindlichen Gedanken machten zumeist nur einen Bruchteil seiner Ausführungen aus, und waren zudem mit einleuchtend erscheinenden Argu-menten begründet, wie etwa auf dem XX. Parteitag die sozialdemokratische These vom parlamentarischen, „friedlichen“ Weg zum Sozialismus mit der These, dieser früher nicht mögliche Weg sei jetzt dank der ungeheuer angewachsenen Stärke der Sowjetunion und der kommunistischen Weltbewegung möglich geworden.

Oder er begründete die Wendung in der Wirtschaftspolitik von der vorrangigen Entwicklung der Abteilung I, der Produktionsgüter-Industrie zur vorrangigen Entwicklung der Abteilung II, der Konsumgüter-Industrie, - in Wahrheit eine Wendung zum Weg in eine wirtschaftliche Katastrophe, – ebenfalls mit der  erreichten wirtschaftlichen Stärke, die es erlaube, nunmehr vorrangig die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.

ÖD: Das Werk von Stalin über die ökonomischen Probleme des Sozialismus behandelt ja diese Frage der Vorrangigkeitsverhältnisse zwischen der Produktionsgüterindustrie und Konsumgüterindustrie. Und er warnt ja auch dort, dass eine Änderung dieses Verhältnisses zur Restaurierung des Kapitalismus führen würde. D.h. diese These, die Chruschtschow später ausgesprochen und umgesetzt hat, war ja bekannt und ausdiskutiert.

Kurt Gossweiler: Ja, es war ausdiskutiert, und gerade das ist ein weiterer Beweis dafür, dass Chruschtschows Kursänderung zur vorrangigen Entwicklung der Konsumgüterindustrie eine bewusste Schädlingstätigkeit war. Denn er hatte ja eine gründliche Schulung in Marxismus-Leninismus durchlaufen und wußte sehr gut, dass die vorrangige Entwicklung der Produktions-güterindustrie eine bereits von Marx im Kapital festgestellte und von Lenin mit Nachdruck unterstrichene ökonomische Gesetzmäßigkeit für die Sicherung der erweiterten Reproduktion und damit für den erfolgreichen Aufbau der sozialistischen Wirtschaft ist.

ÖD: Nun gut, was die Agentenargumentation betrifft, so scheint es, dass wir da nicht zu einer übereinstimmenden Meinung kommen werden. Belassen wir es dabei. Ich möchte zu einer weiteren Frage kommen: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der opportunistischen Umdeutung der Koexistenzpolitik und der Umkehrung des Vorrangigkeitsverhältnisses zwischen der Produktionsgüter- und Konsumgüterindustrie?

Kurt Gossweiler: Ja, natürlich. Beides sind Bestandteile ein und der gleichen Strategie der Unterminierung der ökonomischen und politischen Grundlagen der Sowjetmacht. Das Wesent-liche dieser Strategie habe ich vor etwa 15 Jahren in einem Brief  an einen Redakteur der MLPD-Zeitung „Rote Fahne“ so beschrieben:  

Rund vier Jahrzehnte Verteidigung der Sowjetmacht und sozialistischer Aufbau seit 1917 durch die Volksmassen hatten dazu geführt, dass der Sozialismus und die sozialistische Lebensweise fest und tief im Sowjetvolk verwurzelt waren. Wer sich offen als Feind dieser Ordnung und als Befürworter einer Rückkehr zum Kapitalismus zu erkennen gegeben hätte, den hätten die einfachen Menschen sofort den Sicherheitsorganen übergeben.

Vor allem durfte die Rückkehr zum Kapitalismus in keiner Phase als Weg zurück zum Kapitalismus erkennbar werden, sondern musste bis zum Schluss als Weg zur notwendigen Verbesserung des Sozialismus hingestellt werden. Zweitens war es nötig, die Verbundenheit der Massen mit ihrer Sowjetordnung zu untergraben und ihre Bereitschaft, diese Ordnung zu ver-teidigen, allmählich zum Erlöschen zu bringen. Drittens musste das Volk und mussten die Parteimitglieder dazu gebracht werden, im Imperialismus nicht mehr die Grundursache des Krieges, sondern einen Partner bei der Erhaltung des Friedens zu sehen, um auf diese Weise in der Ersetzung der Ideologie des Klassenkampfes durch die Ideologie der Klassenversöhnung nicht den grundsätzlichen Bruch mit dem Marxismus-Leninismus zu erkennen.

Um das Erste zu erreichen, wurde die Illusion erzeugt, alles, was in der Gegenwart geschehe, diene der raschen Herbeiführung des Kommunismus. Dabei waren sich die Demagogen vom Schlage Chruschtschow nicht nur darüber klar, dass die anfänglichen euphorischen Hoffnungen, die ihre Verheißungen von den bald erreichten „lichten Höhen des Kommunismus“ bei den Menschen erweckten, unvermeidlich in ihr Gegenteil, in tiefe Enttäuschung, in Hoffnungs-losigkeit, Gleichgültigkeit und sogar Feindschaft gegen die Partei und die Sowjetmacht umschlagen mussten, sondern sie arbeiteten nach Kräften darauf hin, dass dieser Umschlag möglichst früh und möglichst radikal eintrat; denn dies war der Weg, um das Zweite zu erreichen: Die Abtötung der Verbundenheit der Menschen mit ihrer Sowjetmacht. Die Chruschtschowschen „Reformen“ auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik erweisen sich bei genauem Hinsehen als eine gezielt gewählte Serie von Schädlingsmaßnahmen, deren Ergebnis nur die Desorganisation, die Produktion von Engpässen in der Versorgung der Bevölkerung und die wachsende Abhängigkeit der sowjetischen Wirtschaft vom imperialistischen Ausland sein konnte und tatsächlich auch war.

Das ist also meiner Meinung nach der Zusammenhang, nach dem Sie fragen.

ÖD: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, bleiben Sie Ihrer These treu und erklären diesen Zusammenhang aus dem Ziel der Agenten Chruschtschow und Co, die Mängel des Systems weiter zu verschärfen und somit die Bedingungen für einen offenen Übergang zum Kapitalismus zu schaffen. Wie erklären Sie aber, dass diese Diskussion über das Vorrangigkeitsverhältnis in fast allen ehemals sozialistischen Staaten stattgefunden hat? Warum immer diese Diskussion?

Kurt Gossweiler: Wie wir alle wissen, brach die Kette des Imperialismus nicht zuerst in den entwickelten kapitalistischen Ländern, sondern dort, wo sich ihr schwächsten Glieder befanden, und das war 1917 aus den bekannten Gründen Rußland, und das waren danach und sind bis zum heutigen Tage nicht die ökonomisch am weitesten entwickelten kapitalistischen Länder, sondern Länder der 3. Welt – China, Kuba, Vietnam, Korea. Und in der Gegenwart sind es vor allem lateinamerikanische Länder – wir brauchen nur an Venezuela denken.

Wie jeder weiß, ist das der Grund dafür, dass die Produktivität in Rußland und später in den anderen sozialistischen Ländern hinter der der entwickelten kapitalistischen weit zurück war, und damit auch die Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern chronisch hinter den Bedürfnissen zurückblieb. Deshalb stand immer die Frage auf der Tagesordnung, wie man rasch und dauerhaft die Versorgung mit Konsumgütern verbessern und sie in Übereinstimmung mit dem Bedarf der Bevölkerung bringen könnte. Und das natürlich auch in der DDR, deren Bevölkerung den Mangel besonders krass empfand, war doch alles, was bei uns begehrt, aber knapp war, auf der anderen Seite, der kapitalistischen Bundesrepublik, im Überfluss vorhanden, dank deren Reichtum an Bodenschätzen - wie Steinkohle - und hochentwickelten Industrie-regionen im Rhein- und Ruhrgebiet, an der Saar, in Hessen, in Württemberg-Baden usw.

Es ist unter diesen Bedingungen nur natürlich, dass die Frage, wie man schnell aus der Mangel-wirtschaft herauskommen und zu einer besseren Versorgung der Bevölkerung mit Konsum-gütern kommen kann, die Führung ebenso wie die ganze Bevölkerung in den sozialistischen Ländern ständig beschäftigte. Und es ist auch nicht verwunderlich, dass dabei auch immer das Argument vorgebracht wurde, wenn man das Angebot an Konsumgütern rasch vergrößern wolle, dann müsse man eben vor allem die Kapazität der Konsumgüterindustrie erweitern. Wer eine solche Forderung aufstellt, braucht  deshalb noch lange kein Feind zu sein, sondern nur einer, dem es an der ausreichenden Kenntnis der ökonomischen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten fehlt, und dem deshalb eine solche Forderung als ganz folgerichtig erscheint.

Aber gerade das macht es Feinden wie Chruschtschow so leicht, diese Forderung aufzugreifen und ihre Befolgung, von der sie genau wissen, dass sie die Wirtschaft des sozialistischen Staates untergräbt, den Massen glaubwürdig als Ausdruck ihrer ständigen und unermüdliche Sorge um die Hebung des Lebensstandard des Volkes, ja, als Schritt zum schnelleren Erreichen des großen Zieles des Kommunismus darzustellen.

Eben deswegen wurde eine solche Politik nicht nur von Chruschtschow, sondern auch von Gomulka in Polen und von Kadar in Ungarn – wofür sie im Westen Lob und Wohlwollen ernteten – praktiziert. Nicht aber bei uns – so lange Walter Ulbricht an der Spitze der Partei stand.

(Den zweiten Teil des Gespräches, in dem es u.a. um die Geschichte der DDR geht, bringen wir in der Januar-Februar-Ausgabe 2006.)                                                                                                             

Redaktion Offensiv

Programmdebatte der DKP

Grundorganisationen der DKP des Landes Sachsen: Antrag an die 2. Tagung des 17. Parteitages - Antrag zum Programm -

- eingereicht an den Parteivorstand der DKP -

Am 08.10.2005 fand in Dresden eine Mitgliederversammlung der Grundorganisationen des Landes Sachsens statt. Es wurde nachfolgender Beschluss mit Vorschlägen zur Überarbeitung des Programmentwurfs der DKP gefasst. In der Mitgliederversammlung waren 21 Genossen/-innen anwesend, 20 stimmten für den Beschluss, einer dagegen. Als Gast war Gen. Robert Steigerwald gekommen.

 Beschluss der Mitgliederversammlung der Grundorganisationen der DKP des Landes Sachsen vom 08.10.2005 zum Programmentwurf der DKP

Die Erarbeitung und die laufende umfassende Diskussion eines neuen, der aktuellen Situation nach der Niederlage des Sozialismus in Europa entsprechenden, Programms der DKP ist ein komplizierter Prozess kollektiver Erkenntnis.

Die in der Gesamtpartei geführte Diskussion zum Entwurf des Parteiprogramms der Autorengruppe zu befördern und ihr eine klare marxistisch-leninistische Ausrichtung zu geben, sehen wir gegenwärtig als eine unserer wichtigsten Aufgaben.

 1. Wir unterstützen:

 2. Wir haben von unserem zukünftigen DKP-Programm die Vorstellung, dass es:

3. Wir sehen die Erfordernisse zur weiteren Verbesserung des Programmentwurfs darin, dass:

                                                                                                                             Dresden, den 08.10.2005

Solidarität mit dem Irakischen Widerstand

Solidarität mit dem irakischen Volk und seinem legitimen Widerstand!

Das irakische Volk ist tagtäglich das Opfer einer so genannten „Neuen Weltordnung“, die durch die wachsende Aggressivität des Imperialismus charakterisiert wird. Die Konkurrenz der imperialistischen Hauptmächte verschärft sich, sie ringen immer aggressiver um eine Neuaufteilung der Welt, ihrer Absatzmärkte und Rohstoffe, die reaktionäre Formierung bis hin zur Faschisierung ihrer Gesellschaften und staatlichen Strukturen schreitet dementsprechend voran und jeder Widerstand gegen diese so genannte „Neue Weltordnung“ soll mit allen Mitteln ausgetreten werden. Insbesondere in der rohstoffreichen Region des Nahen und Mittleren Ostens strebt der US-Imperialismus danach, seine absolute Dominanz gegen alle Konkurrenten zu erhalten und auszubauen. In diesem Sinne soll diese Region neu „geordnet“ werden. Für das irakische Volk bedeutet dies: brutalste Besatzung nach einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, Zerstörung des Landes und Ausplünderung seiner Ressourcen, Folter, Mord und Terror durch die Besatzer.

Hiergegen hat sich das irakische Volk seit der völkerrechtswidrigen Besatzung seines Landes von Beginn an erhoben. Sein Widerstand entwickelt sich dynamisch und auf allen Ebenen. Dies schließt den legitimen bewaffneten Widerstand ein, der u.a. auch durch Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen gedeckt wird.

Um den wachsenden Widerstand des irakischen Volkes zu brechen, setzen die von den USA geführten Besatzer immer brutalere Methoden ein: willkürliche Massenverhaftungen und Folter, die Einrichtung von Konzentrationslagern, eine Kriegführung gegen den Widerstand, die darauf abzielt, den Irak in Schutt und Asche zu bomben, der Einsatz international geächteter Massenvernichtungswaffen einschließlich von Giftgas wie in Falludscha oder die Ausschaltung von politischen Führern des irakischen Widerstandes wie durch die Verhaftung des Vorsitzenden der „Irakischen Patriotischen Allianz“, Abduljabbar al-Kubaysi, am 2. September 2004. Inzwischen schmachten Tausende politischer Gefangener in den Folterkammern der Besatzer.

Ein Element der Unterdrückung des wachsenden irakischen Volkswiderstandes ist auch eine gezielte Diffamierungskampagne, die darauf abzielt, diesen als „terroristisch“ oder „islamistisch“ abzustempeln und international zu isolieren. Diese Kampagnen, unterfüttert von Desinformationen der CIA, des israelischen MOSSAD und anderer westlicher Geheimdienste, werden nicht nur von Medien und politischen Kräften geführt, die die Besatzung des Irak offen unterstützen, sondern zum Teil auch „unter linker Flagge“ vorgetragen, um insbesondere jene Menschen negativ zu beeinflussen, die sich aufrichtig gegen die Besatzung des Irak und für eine Solidarität mit dem Widerstand des irakischen Volkes engagieren möchten.

Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die so genannte „Irakische Kommunistische Partei“ (wie auch ihre Vorfeldorganisationen), die einen Minister in der von den USA eingesetzten, von ihr komplett abhängigen und mit direkten CIA-Agenten durchsetzten so genannten „Übergangsregierung“ stellt und bisher alle Terrormaßnahmen der Besatzer und ihrer Marionetten gegen das irakische Volk mitgetragen hat.

Gerade nach dem Massaker von Falludscha erklären die Unterzeichner ihre Solidarität mit dem irakischen Volk und seinem legitimen Widerstand und fordern:

Bisherige Unterzeichner:

Günter Ackermann, Duisburg; Hanna Ackermann, Duisburg; B. Albrecht, Leipzig; M. Albrecht, Leipzig; Tülin Arslan, Saarbrücken; Kerstin Bader, Leipzig; Dr. Alexander Bahar, Heilbronn; Jens Baier, Leipzig; Günther Bandel, Berlin; Keith Barlow, Leipzig; B. Baumgarten, Zeitz; Lothar Becht, Berlin; Bernhard Becker, Leipzig; Joachim Becker, Eilenburg; Maral Becker, Eilenburg; M. Beckmann, Jena; Bärbel Bedenthal, Wandlitz; Horst Bedenthal, Wandlitz; Chr. Behse, Leipzig; Erika Beltz, Gießen; Michael Beltz, Gießen; Harry Below, Schwedt; Steffen Benecke, Leipzig; Jürgen Berghof, Alerheim; Michael Berres, Bernau; Heinz Berg, Prenzlau; Gischa Biedermann, Pirna; Helfried Biedermann, Pirna; Hans-Ulrich Bierhahn, Winsen; Heinz Blöth, Jena; Michael Blöth, Petra Blume, Leipzig; Kayna; H. Böhme, Jena; John Böhme, Gera; Helmut Bohn, Jena; Dieter Bohse, Leipzig; Gabriele Brandt, Grünow; Regina Brechein, Wandlitz; Erich Buchholz, Berlin; Armin Bull, Leipzig; Dieter Chitralla, Leipzig; Achim Churs, Wunstorf; Sophia Deeg, München; Wilhelm Deistel, Bernburg; Deutsches Solidaritätskomitee Freier Irak; Monika Deweß, Leipzig; Georg Dittrich, Strausberg; DKP-Jena; Stefan Eilers, Raesfeld; Werner Eitner, Berlin; Elli Elberg, Prenzlau; Hermann Elberg, Prenzlau; Harry Elle, Kretzschau; Marie Elle, Kretzschau;Gerhard Feldbauer, Poppenhausen; Hans Fischer, Berlin; Wiethold Fischer, Jena; Frank Flegel, Hannover; Michael Forbrig, Strausberg; Peter Franz, Weimar; M. Frenzel, Leipzig; Dieter Frielinghaus, Brüssow; Gisela Frielinghaus, Brüssow; A. Fricke, Leipzig; Günter Fuchs, Möttingen; Ch. Führer, Leipzig; Rolf Garten, Stolzenhagen; Ursula Garten, Stolzenhagen; Gerhard Gasenzer, Leipzig; Ina Gasenzer, Leipzig; Hannes Gelenk, Friedberg; Heinz Gelschläger, Strausberg; Dirk Gilbers, Borken; Sven Görbing, Salomonsborn; Dieter Golze, Leipzig; Friedrich Goslar, Strausberg; Rotraut Goslar, Strausberg; Kurt Gossweiler, Berlin; Christian Grothe, Löbau; M. Günther, Leipzig; W. Günther, Leipzig; Astrid Guericke, Prenzlau; Jochen Gutendorf, Leipzig; Guthmann, Leipzig; Albrecht Haase, Wandlitz; Christen Haase, Wandlitz; H. Hässelbart, Leipzig; Dieter Hainke, Magdeburg; Heinz W. Hammer, Essen; Joachim Hauk, Berein; Ewald Harmeling, Borken; Iris Harnack, Halle; Klaus Hartmann, Offenbach; Erich Hartwig, Schwedt; Steffen Heinke, Munschwitz; Anna C. Heinrich, Hannover; Lutz Helm, Leipzig; H. Herling, Altenburg; Wolfgang Herrmann, Grünow; Wolf-Jürgen Herzog, Frankfurt/M; Hans Dieter Hesse, Recklinghausen; Gerhard Hesse, Leipzig; Rosl Hesse, Recklinghausen; Gudrun Himmele, Leipzig; Ronny Hirsch, Hermsdorf; Volker Höber, Leipzig; Ulrich Höna, Leipzig; Lothar Hoffhaus, Strausberg; Adolf Hoffmann, Schwedt; Gerald Hoffmann, Berlin; Thea Hoffmann, Leipzig; Heiner Holl, Nördlingen; Ulrich Huar, Berlin; Thomas Huck, Jena; Peggy Hromada, Schkeuditz; Ingo Imhof, Dresden; Brigitta Jäckel, Leipzig; Michael Junghans, Rosenthal; Daniel Junker, Nordhausen; Lydia Just, Berlin; Kerstin Kaeding, Strausberg; J. Kasper, Leipzig; Rolf Kasper, Leipzig; Ines Keil, Markkleeberg; Bernd Kettendorf, Duisburg; Riko Kerndl, Leipzig; Ute Kießling, Leipzig; Bernd Klagge, Bonn; Wolfgang Klein, Strausberg; Berhard Knüwer, Raesfeld; René Köhler, Jena; Bernd Koenitz, Leipzig; Dr. Reimund Kokott, Strausberg; Rudi Körner, Leipzig; Bernhadt Köster, Prenzlau; Axel Kohlsmann, Barth; Tanja Kohlsmann, Rostock; Jörg Kogel, Leipzig;  Michael Kommol, Halle; Hans Kopistocki, Frankfurt/O; Dirk Kottwitz, Berlin; Jana Kottwitz, Berlin; Heinz Krause, Strausberg; Gerhard Kreißig, Strausberg; Erika Krenz, Ribnitz; Reinhard Kreusel, Prenzlau; Monika Krotter-Hartmann, Offenbach; C. Krüger, Harburg; Klaus Kuhmann, Borken; Christian Kunz, Saarbrücken; Gerhard Kunze, Strausberg; S. Kutschik, Zeitz; Brigitte Lagodeki, Leipzig; J. Landgraf, Leipzig; Günther Lange, Neuenhagen; Langhammer, Leipzig; Ilse Lauter, Leipzig; H.-J. Lieske, Leipzig; Luise Link, Leipheim; H. Linke, Geußnitz; Helmut Linke, Leipzig; R. Linke, Greußnitz; Brigitte Niebling, GroßDölln; Volker Lobing, Jena; Fritz Lohse, Weißwasser; K.-H. Lolgodzki, Leipzig; Gunnar Lorenz, Görlitz; Jörg Lorenz, Hannover; Helmut Lucas, Bremen; Rainer Marchke, Gartz; J. Märker, Leipzig; Florian Malessar, Dresden; Sofie Markgraf, Leipzig; Vera Merkgraf, Leipzig; Gerhard Matthei, Weida; Necati Mert, Saarbrücken; Horst Mette, Palingen; Lisa Meyer, Leipzig; Annaliese Miksch, Berlin Wartenberg; Manfred Miksch, Berlin Wartenberg; Helga Möller, Jena; Klaus Möller, Jena; Elisabeth Monsig, Hohenfelde; Friedrich Morche, Vietmannsdorf; Regina Morche, Vietmannsdorf; Arthur Müller, Hannover; Bernd Müller, Cottbus; Kai Müller, Jena; Stefan Mundt, Görlitz; Wilfried Mundt, Leipzig; Peter Moser, Zeitz; Ali Nadji; Ursula Nikusch, Strausberg; Sonja Opitz, Potsdam; Willi Opitz, Potsdam; Michael Opperskalski, Köln; Dr. J. Orenkto, Strausberg; Organisation of Iranian Peoples Fedaii Guerillas; K.-H. Otto, Zeitz;V. Parche, Leipzig; Constanze Parsiegel, Raesfeld; André Peyes-Suarez; S. Pohl, Leipzig; Herbert Polifka; Heinz Plöger, Brigitte Queck, Potsdam; Melchow; Preiß, Eilenburg; Silvia Preuß, Halle; Klaus von Raussendorff, Bonn; Steffen Reinherdt, Schkeuditz; Revolutionäre Kommunistische Liga Thüringen; Margot Richter, Templin; Uwe Ridder, Raesfeld; Bernd Rohde, Prenzlau; Dieter Rolle, Zeitz; Karin Rolle, Zeitz; Gerhard Roth, Dresden; Kerstin Rüdiger, Leipzig; Rudloff, Leipzig; Eva Ruppert, Bad Homburg; Karl-Heinz Sabelleck, Essen; Prof.Dr. Ekkehard Sauermann, Halle; Rosmarie Scherb, Nähermemmingen; Gerd Schimang, Leipzig; Ute Schindlmeier, Prötzel; Wolfgang Schindlmeier, Prötzel; Torsten Schleip, Markkleeberg; Heinz Schmidt, Petershagen; Karin Schmidt, Nördlingen; P. 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Stende, Leipzig; Rolf Stoll, Eckolstädt; Hartwig Strohschein, Berlin; Francis Stusche, Leipzig; Günter Süplig, Strausberg; Johanna Tamme, Strausberg; Arne Taube, Mahlow; Adelheid Teichmann, Fredersdorf; Arnd Tertucha, Thieme, Großlehna; Raesfeld; H. Torres, Jena; Dimitri Tsalos, Duisburg; Michael Uhlig, Leipzig; Helmut Ullrich, Leipzig; Adolf Viehmann, Lindhardt; Petra R. Völcker, Leipzig; André Vogt, Dresden; Andrea Vogt, Dresden; Boris Vojvodic, Reutlingen; Reinhard Voß, Raesfeld; G. Wagenbrecht, Leipzig; H. Wagenbrecht, Leipzig; Oliver Wagner, Trier; Werner Wagner, Bernburg; Ilse Walther; Kurt Walther; Bernhard Wartke, Strausberg; H. Wechsung, Kahla; H. Weber, Suhl; Weber, Leipzig; K. Werner, Leipzig; H.-J. Wienhold, Leipzig; Jushua Wilbur, Leipzig; Fam. Zetsche, Leipzig; Petra Zill, Leipzig; Gisela Zillmann, Leipzig; Gunther Zillmann, Leipzig; Lydia Zimmermann, Augsburg.

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Anmerkungen

  1. Europäischer Rat in Köln: Schlussfolgerungen des Vorsitzes, 4.6.1999 (Press Release Nr. 150/99)
  2. DaimlerChrysler Aerospace: Dokumente der Luft- und Raumfahrtindustrie 3/2000. Zitiert nach: Guernica 4/2002, S. 4
  3. Liebknecht, Karl: Der Teufelstrust der internationalen Rüstungsindustrie. In: Liebknecht — Reden und Aufsätze in zwei Bänden, Frankfurt am Main 1971, Bd. 1,S. 314
  4. Frankfurter Rundschau, 22.11.2000
  5. Neue Zürcher Zeitung, 23. November 2004
  6. Presseerklärung des Generalsekretariats des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Brüssel, 18.10.1999
  7. Der Standard, 1.4.2003
  8. Süddeutsche Zeitung, 15.11.2000
  9. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2000
  10. Grasnick, Georg: USA und EU im Clinch. In: Pax Report 3/2002
  11. Scheer, Hermann: Schall unter amerikanischem Rauch. In: Freitag 23/99, 4.6.1999
  12. Gerns, Willi: Lenins Imperialismustheorie und heutiger Kapitalismus. In: Marxistische Blätter 3/2000
  13. Liebknecht, Karl: Zum Problem des Imperialismus. In: Liebknecht – Reden und Aufsätze in zwei Bänden, Frankfurt am Main 1971, Bd.1, S. 271
  14. Unser Autor, Genosse Zbigniew Wiktor, lebt in Wroclaw, Polen. Seit drei Monaten hält er sich in der Volksrepublik China auf. Er arbeitet dort an der Universität in Wuhan. Den vorliegenden Artikel hat er am 31. Oktober 2005 in Wuhan fertiggestellt und uns zugesandt. Wir haben den Artikel sprachlich und grammatikalisch leicht überarbeitet. (D. Red.)
  15. A. Tschernjaew war seit 1986 Berater Gorbatschows für internationale Fragen. Zu seinen Aufgaben gehörte die Vorbereitung Gorbatschows auf internationale Treffen, die Ausarbeitung seiner Referate und Interviews und die Mitwirkung an politischen Konzeptionen.
  16. Beide Zitate aus: Keesings Archiv der Gegenwart 1953, unter den angegebenen Daten.
  17. Neues Deutschland v. 5. Juni 1958, S. 4 f.
  18. Zit. aus: Saul Livshiz,Über das Buch Robert Steigerwalds „Kommuistische Stand- und Streitpunkte“, in Heft 213  der Schriftenreihe für marxistisch-leninistische Bildung der KPD, Berlin Januar 2005, S.48.