Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 10/06

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)

Spendenempfehlung: 1,60 €


September / Oktober 2006


Inhalt


Redaktionsnotiz

Deutsche Kriegsschiffe auf internationaler Fahrt. Die Abfahrt und der Zwischenstop werden live im Fernsehen übertragen. Zwei neue U-Boote werden bestellt, Kosten: mehr als 800 Millionen Euro. Weitere U-Boote werden an Israel verkauft. Unterstützung dieses Verkaufs durch die Bundesregierung: rund 300 Millionen Euro. Das sind nur einige kleine Beispiele dafür, wie die Verhältnisse sind, bzw. in welchem Maße und mit welcher Geschwindigkeit sie immer ekelhafter werden. Die Bourgeoisie rüstet - sie stellt sich international und im Inneren auf Auseinandersetzungen und Krieg ein.

Wir dokumentieren in diesem Heft die helfende Rolle der Kirche früher - mit der Gewissheit, dass es heute nicht anders ist.

Die Kommunistische Partei Griechenlands hat eine Resolution zur internationalen Lage verabschiedet. Da die Einschätzung der aktuellen Kämpfe nicht wenigen Linken große Probleme bereitet, dokumentieren wir hier sehr gern das Papier der griechischen Partei.

Im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Vorgenannten steht auch die Arbeit von Erich Buchholz zum 50. Jahrestag des KPD-Verbotes.

Aus Polen erreichte uns eine umfagreiche Arbeit zur Entwicklung Volkspolens, deren ersten Teil wir in diesem Heft bringen. Wir setzen den Abruck im nächsten Heft fort.

Und außerdem werfen wir einen Blick auf die Gründung der SED, auf das Programm der DKP, auf zwei neu erschienene Bücher - und wir dokumentieren einige Leserbriefe.

Dies ist das 10. Heft, das wir in diesem Jahr machen. Wir können  das alles nur, weil Ihr und vor allem wenn Ihr uns mit Spenden die nötige finanzielle Grundlage dafür verschafft.

Spendenkonto Offensiv: Konto Frank Flegel, Nr.: 30 90 180 146, bei Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort Offensiv (Auslandsüberweisungen: siehe im Impressum!)

Frank Flegel,
Hannover

Kirche, Faschismus und Konterrevolution

Brandenburger Anzeiger:

Artikel vom 3. April 1933 - Generalsuperintendent Dibelius an die amerikanische Öffentlichkeit

Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius, Berlin wird sich heute (gemeint ist der 3.4.1933; d. Red.) um 23.00 Uhr in einem Rundfunkvortrag, der durch den deutschen Kurzwellensender nach Amerika geleitet wird, an die amerikanische Öffentlichkeit wenden, um gegen die Greuel-propaganda Stellung zu nehmen und die Christenheit jenseits des Ozeans über die wahre Lage in Deutschland aufzuklären.

Die Einführungsworte spricht der Seniorbischof der bischöflichen Methodistenkirche, D. Dr. Nuelsen, der seit einigen Tagen in Deutschland weilt und sich nach Empfangen bei den Reichsministern Dr. Neurath und Dr. Goebbels über die Verhältnisse in Deutschland eingehend informiert hat. Dr. Nuelsen ist ein in der ganzen christlichen Welt bekannter und besonders in Amerika hochangesehener Kirchenführer.

Die beiden Redner haben sich am Sonnabend über die Behandlung der politischen Gefangenen durch persönlichen Augenschein unterrichten können.

Beglaubigte Abschrift des Artikels vom 3. 4. 1933 incl. Handvermerk: „für Hitler“, Beglaubigung: 24. Oktober 1947, Deutsche Verwaltung des Inneren in der sowjetischen Besatzungszone: gez. Schulz; für die Richtigkeit der Angaben: gez. Goral.


Die sächsische Kirchenregierung. Der Landesbischof Coch. Der Präsident des Landeskirchenamts Dr. Schneider:

Aufruf zur Kundgebung der Sächsischen Kirchenregierung zum 10. und 12. November 1933 (Öffentliches Plakat)

Der 10. November sollte ein Tag des machtvollen Beken-nens des deutschen evangel.-lutherischen Kirchenvolkes zu sei-nem Reformator Mar tin Luther sein. Die außenpolitische Lage unseres Volkes hat in diesem Jahre neben den geschichtlichen Tag, den 10. Novem-ber, den Tag der Zu-kunft, den 12. No-vember, gestellt. Am 12. November soll unser deutsches Volk ein klares und un-missverständliches Ja zum Führer des Rei-ches und zur Außen-politik seiner Reichs-regierung abgeben.

Die evangelisch-lutherische Kirche Sachsens mit ihren 4,5 Millionen Lu-theranern sagt heu-te schon ihr klares und unmissverständ liches „Ja“.

Erfüllt von einer tiefen und für sie selbstverständlichen Verbundenheit mit Volkstum und Staat verzichtet sie daher auf die besondere

Feier des 450. Geburtstages ihres Martin Luther am 10. November und erwartet, daß alle Männer und Frauen unserer Kirche diesen Schritt verstehen und sich mit allen Kräften dafür einsetzen, daß am 12. November unser deutsches Volk in einer außenpolitischen Schicksalsstunde ein überwältigendes Ja des Vertrauens zu Adolf Hitlers Staatsführung sagt.

Die Kirchenregierung erwartet daher, dass alle Kirchengemeinden des Landes sich bis zum 12. November ganz und gar in den Dienst der Sache des deutschen Volkes stellen, die ebenso sehr eine Sache unserer Kirche ist. Der Sinn der Feier des Geburtstages des Reformators sollte nicht die Festlichkeit sein, sondern den Geist Luthers in unserem Volk immer lebendiger werden lassen.

Lutherischer Geist will in Freiheit wachsen. Er kann nie in der Knechtschaft gedeihen.

Die Kirchenregierung wünscht deshalb, daß in den Gottesdiensten und in den Schulfeiern am

Reformationsfest, dem 31. Oktober 1933,

nicht nur unseres Reformators Martin Luther gedacht wird, sondern daß die Gottesdienste gleichzeitig Feststunden werden, in denen die Zusammengehörigkeit von Volkstum, Staat und Kirche in entscheidenden Tagen der deutschen Schicksalswende allen Gläubigen fühlbar wird.

Sollte die Durchführung des Luthertages von Reichs wegen noch ermöglicht werden, so geloben wir, dafür zu sorgen, daß alle kirchlichen Kundgebungen im Sinne und im Geiste Martin Luthers ein gewaltiges Bekenntnis dazu werden, dass die Kirche des Protestantismus mit ihrem deutschen Volk in einer geeinten, großen, nationalsozialistischen Front steht.

Mit Gott für Deutschland!

Die Sächsische Kircheregierung.
Der Landesbischof: gez. Coch
Der Präsident des Landeskirchenamtes: gez. Dr. Schneider.
Dresden, 20. Oktober 1933


Dr. Dibelius, evang. Bischof von Berlin:

Hirtenbrief vom 1. Juni 1949

Liebe Brüder und Schwestern!

An der Schwelle des Pfingstfestes grüße ich die Glieder der Gemeinden mit dem Bekenntnis des Apostels: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht. 2. Timotheus I, 7.

Fünfzehn Jahre sind in diesen tagen vergangen, seit in Barmen die erste evangelische Bekenntnissynode zusammentrat und jene Erklärung beschloss, mit der der gemeinsame Widerstand der deutschen Christenheit gegen das System des Nationalsozialismus begann. Es war damals eine pfingstliche Stunde und oft ist seither zu Pfingsten die Frage aufgestanden, ob unserer Kirche auch heute noch die Kraft geschenkt sei, vor aller Welt zu bezeugen, was sie damals bezeugt hat: dass sie nur dem Herrn Christus und keinen anderen Nächsten und Gestalten dieser Erde gehorsam ist.

In den vier Jahren, die jetzt hinter uns liegen, haben sich alle deutschen Kirchenleitungen Zurückhaltungen auferlegt. Das hatte darin seinen Grund, dass unser öffentliches Leben bisher unter der alleinigen Herrschaft und Verantwortung der Besatzungsmächte stand. Nach allem aber, was andere Völker in sechs Kriegsjahren durch Deutsche erlitten haben, hatte die Kirche nicht die innere Freiheit, Anklage nach außen zu erheben. Wir haben für die Entrechteten, für die Gefangenen und die Internierten in Ost und West in aller Stille getan, was wir konnten. Öffentlich haben wir nur in einzelnen, ganz besonderen Fällen geredet, so schwer es auch war, zu schweigen, wenn Zehntausende Männer und Frauen, alte und ganz junge, auch Pastoren, plötzlich verschwanden, oder wenn, um ein Beispiel herauszugreifen, ein theologischer Lehrer wie Prof. Lohmeyer in Greifswald, hoch angesehen im Inland und Ausland, verhaftet wurde und wir bis auf diesen Tag nicht wissen, ob er noch am Leben ist.

Nunmehr aber wird die Verantwortung für das, was in Deutschland geschieht, mehr und mehr wieder auf deutsche Schultern gelegt. Deutsche Staatsgewalt ist wieder im Werden. Damit ist für unsere Kirche die Stunde gekommen zu reden, wo sie bisher hat schweigen müssen. Denn an das deutsche Volk ist sie mit ihrem Auftrag gewiesen.

Es ist viel zu sagen, zu bitten und zu warnen, nach allen Seiten hin, nach Westen und nach Oste.

Dabei darf kein Ansehen der Partei gelten. Die Kirche ist das Evangelium allen Menschen schuldig, auch allen Parteien. Wo immer Raum und Anlass sich bietet, ein Wort vom Evangelium her zu sagen, da soll es gesagt sein, auch wenn das bald dieser und bald jener Seite unbequem ist. Wer das Evangelium zu verkünden hat, muss großzügig sein, so wie der Sämann im Gleichnis.

Gegenwärtig bedrückt uns mehr als alles andere die Sorge, dass das Staatsgebilde, das um uns her entsteht, so viel von den Zügen zeigt, denen in der nationalsozialistischen Zeit unser Widerstand um Gottes Willen gegolten hat. Gewalt, die über alles Recht hinweggeht, innere Unwahrhaftigkeit und Feindschaft gegen das christliche Evangelium.

In der Abteilung  K 5  der so genannten Volkspolizei ist die Gestapo unseligen Andenkens wieder erstanden. Es wird mit denselben Methoden gearbeitet wie damals. Es tut nicht Not, das im einzelnen zu schildern. Dies Sammeln von Material durch Spitzel und Denunzianten, die nächtlichen Verhaftungen, die Zermürbung von Menschen in Gefängnisräumen, die oft der Beschreibung spotten, die Verhöre, bei denen die Angeschuldigten keine Möglichkeit haben, sich wirksam zu verteidigen, die unbestimmte Dauer der Haft, die Ungewissheit über das, was aus den Angehörigen wird - wir kennen das aus zwölfjähriger bitterer Erfahrung. Niemand ist vor solchem Schicksal sicher. Gegenwärtig sind es besonders Gewerbetreibende, deren Betrieb man zu enteignen wünscht und die auf diese Weise aus dem Wege geräumt werden. Hier ist alles beseitigt, was Recht genannt werden kann und was dem Christen ein unaufgebbarer Bestandteil der göttlichen Offenbarung ist. Und nicht nur hier! Die neuen „Volksrichter“ sind ausdrücklich angewiesen, „politisches Recht“ zu sprechen, was doch nichts anderes bedeutet als dass politische Gewalt an Stelle des Rechtes tritt.

Wo das Recht nicht mehr gilt, da ist auch keine Wahrhaftigkeit. Jener Landrat, der dem Pfarrer sein Ehrenwort gab, um es in der nächsten Minute zu brechen und triumphierend sagte: „Ich habe sie überlistet“ - ist ein typischer Repräsentant jenes Geistes, der schon unter den Nationalsozialisten alle moralischen Bindungen aufzulösen drohte. Wo die Staatsgewalt ihre Aufgabe darin sieht, die Glieder ihres Volkes zu überlisten, da ist der Staat keine sittliche Gemeinschaft mehr.

Man sage nicht, das seien Entgleisungen einzelner! Waren nicht selbst bei der Wahl zum Volkskongress die Stimmzettel genau nach dem Muster der nationalsozialistischen Wahlen gemacht? Eine vorgedruckte Frage, auf die es schwer war, anders als mit Ja zu antworten: Mit diesem Ja aber hatte man eine vorgeschriebene Liste von Abgeordneten gewählt, es bedurfte nicht erst der Anweisung an die Bürgermeister, Zettel, die nach allgemeinem Gebrauch ungültig waren, als Ja-Stimmen zu zählen, um die innere Unwahrhaftigkeit eines solchen Vorganges deutlich zu machen.

All dies und vieles andere, was hier nicht aufgezählt werden kann, ist nur möglich, wo man dem christlichen Evangelium den Abschied gegeben hat.

Die Leitung der evangelischen Kirche bezeugt offen und gern, dass sie für manche ihrer Anliegen bei leitenden politischen Stellen des Ostens Verständnis und Entgegenkommen gefunden hat. Sie kann nur hoffen, dass es dabei auch in Zukunft bleibt. Sie hat sich auch immer verpflichtet gefühlt, den Gerüchten entgegen zu treten, als gebe es im Osten unseres Vaterlandes so etwas wie eine organisierte Christenverfolgung. Aber dass in zahllosen Dörfern und Städten dem kirchlichen Leben durch Maßnahmen der politischen Gewalt aller möglicher Abbruch geschieht, ist eine Tatsache. Nur zweierlei erwähnt: Immer wieder werden die arbeitsfähigen Dorfbewohner, oft auch die Fabrikarbeiter in der Stadt, am Sonntag zur Arbeit kommandiert. Die Jugend muss am Sonntag Vormittag zu Vorführungen und zu Arbeiten antreten, obwohl dies alles genau so gut an einem Wochentag erledigt werden könnte. Der Gottesdienst der Gemeinde wird auf diese Weise zwar nicht verboten, aber praktisch unmöglich gemacht.

Dem Religionsunterricht in den Schulen werden dauernd Schwierigkeiten bereitet von den Schulräten und von anderen, so dass allen Zusicherungen zum Trotz an vielen Orten die Kinder, die die Kirche getauft hat, ohne jeglichen christlichen Unterricht heranwachsen, gleichzeitig aber im Schulunterricht dauernd in antichristlichem Sinne beeinflusst werden.

Hier muss die Kirche ihre warnende Stimme erheben. Sie klagt nicht an. Denn daran, dass es abermals zu diesem allen gekommen ist, trägt jeder von uns eine Mitschuld, ob er in der westlichen oder östlichen Zone Deutschlands seine Heimat hat. Wir haben uns alle unter die Gerichte Gottes nicht so gebeugt, wie wir es hätten tun müssen. Wir klagen nicht an, aber wir warnen und wir bitten.

Wir bitten alle, die es angeht: Verliert Euch nicht in dem Wahn, als sei ein Regiment der Gewalt und der Unwahrhaftigkeit der notwendige Ausfluss einer wissenschaftlichen Weltanschauung, der die Zukunft gehöre. Eine solche Zukunft könnte nur eine Zukunft sein, in der der Mensch nicht mehr Mensch sein darf.

Wir bitten jeden, in dessen Brust ein Gewissen schlägt, sich zu nichts herzugeben, was den Geist der Gewalt und der Lüge atmet. Ein tapferes Nein zu dem, was wider Gottes Gebot ist, macht frei, auch wenn es zunächst Not und Gefahr bringen mag.

Wir bitten aber vor allem die, die mit uns Christen sein wollen, die Wahrheit des Evangeliums immer entschlossener zu bezeugen. Wir bitten sie, nicht müde zu werden in der Fürbitte, insbesondere für die Gefangenen und Internierten, aber auch für die, die in unserem Staat eine Verantwortung tragen. Auch wo wir um Gottes Willen warnen müssen, hören wir nicht auf, in dem anderen den Bruder zu sehen, mit dem wir gemeinsam vor Gott stehen und mit dem wir Frieden zu halten bestrebt sind.

Die Stunde ist sehr ernst und niemand weiß, wie viel Zeit Gott uns noch lässt, in dieser Welt einen neuen Anfang zu machen. Unser Heiland Jesus Christus aber spricht: „Wenn Du doch erkenntest zu dieser Deiner Zeit, was zu Deinem Frieden dient! Friede wird nicht durch Gewalt, sondern durch Gerechtigkeit, nicht durch Lüge, sondern durch Wahrheit, nicht durch Abkehr, sondern durch entschlossene Einkehr zu dem lebendigen Gott.“

Er, dieser lebendige Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christi, er schenke uns solchen echten Frieden!

Gez. D. Dr. Dibelius

Quelle: Nachlass Wilhelm Pieck,
für die Richtigkeit der Abschrift gez: Pol.Meister Seifert.


Kleines Sekretariat des Politbüros der SED:

Auszug aus dem Protokoll der Sitzung vom 9. Juni 1949;
behandelt: Hirtenbrief von Dibelius

Beschlossen:

  1. Dem Politbüro wird vorgeschlagen, dass unverzüglich Briefe und Artikel von evangelisch gesinnten Teilen der Bevölkerung veröffentlicht werden, die sich gegen den Hirtenbrief des Bischofs Dibelius wenden.
  2. Angehörige der unteren Geistlichkeit sollen veranlasst werden, ihre Meinung zu äußern im Sinne des Kampfes um die Einheit Deutschlands und den Friedensvertrag und gegen das Auftreten der Kirchenführung im Sinne der antinationalen und spalterischen Kräfte in Westdeutschland, den Vereinigten Staaten und England.
  3. Das Dokument über das Verhalten des Bischofs Dibelius während der Hitlerzeit ist mit entsprechendem Kommentar in der Presse zu veröffentlichen; außerdem ein Artikel, der alle Argumente des Hirtenbriefes von Dibelius widerlegt. In diesem Artikel ist zu betonen, dass die Kirchen in der Ostzone die Möglichkeit der freien Ausübung ihrer seelsorgerischen Tätigkeit haben, wie dies in den Verfassungen der Länder gewährleistet ist.
  4. Die fortschrittlichen Lehrer, insbesondere die Mitglieder der Lehrergewerkschaft, sollen gegen die Einmischung des Bischofs in die schulischen Angelegenheiten Stellung nehmen. Wenn der Hirtenbrief irgendwo in Schulen verbreitet wird, sollen Versammlungen der Lehrer, der Eltern und der Schüler stattfinden, in denen gegen diese Verhetzung durch Propagandamaterial des Bischofs Dibelius Stellung genommen wird.

Quelle: Nachlass Wilhelm Pieck,
für die Richtigkeit der Abschrift gez: Pol.Meister Seifert.

Zur Einschätzung der internationalen Lage

Kommunistisch Partei Griechenlands (KKE):

Aspekte der internationalen Entwicklung

Auszüge aus einer Resolution des ZK der Kommunistischen Partei Griechenlands (19. Mai 2006)

Grundsätzliche Ziele der imperialistischen Zentren

Die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Interessen der USA erfordern in der gegenwärtigen Etappe eine Anpassung und Konkretisierung ihrer grundsätzlichen Ziele, die - etwas schematisch dargestellt - in die folgende Richtung gehen.

A) Versuche einer Ausweitung ihres Bündnisses mit dem Ziel, weitere “willige” Partner auf allen Kontinenten zu gewinnen. Hauptinstrument zur Erreichung dieses Ziels soll die „Neue NATO“ sein, und zwar in ihrer bereits aufgewerteten und erweiterten Rolle. Der Verlauf des NATO-Außenminister-Treffens in Sofia/Bulgarien bewegte sich in diese Richtung, und weitere Treffen dürften diesem Muster folgen.

B) Bestrebungen, die darauf hinwirken, dass die Zusammenarbeit zwischen China, Russland und Indien (Schanghai-Gruppe) nicht voran kommt und hoffentlich am Ende auseinander fällt, zusammen mit ähnlichen Bestrebungen im Hinblick auf die Annäherungen der EU an Russland und China etc. 

C) Gewinnung weiterer Erdöl- und Erdgasquellen im Rahmen der Politik der so genannten “Energiesicherheit” der USA und der „Unabhängigkeit“ der Staaten von Russland sowie Blockierung der „Expansion“ von China, das seine Energie-Beziehungen zu Russland und in Richtung Afrika ausbaut.

D) Bestrebungen, mit allen verfügbaren Mitteln die Kräfte niederzuhalten, die Widerstandstand leisten, d.h. die revolutionäre Bewegung und die kommunistischen Parteien, in Form eines politisch-ideologischen Angriffs aber auch mit militärischen Mitteln, einschließlich Mordversuchen, gemäß dem neuen Dogma der „Strategie der Nationalen Sicherheit“ der USA. Dies betrifft alle Regionen der Welt aber mit besonderem Vorrang Lateinamerika und Eurasien, einschließlich der Entsendung verschiedener „Todesschwadronen“ an US-Botschaften in „unstabilen Regionen“ zur Durchführung von Morden, Entführungen von politischen Persönlichkeiten und anderen Anschlägen.

Dies alles ergibt sich als „logische“ Folge aus dem Dogma der „internationalen Bedrohung durch den Terrorismus“, einen schattenhaften Feind, der überall lauert und „vorbeugend“ angegriffen werden muss. Mit dieser Rechtfertigung behalten sich die USA und ihre Verbündeten das Recht vor, zu intervenieren, Länder und Regierungen zu erpressen und zu bedrohen, die aus ihrer Sicht, auch wenn sie sich ihnen gegenüber durchaus freundlich verhalten, sich nicht allen ihren Wünschen fügen, und die sie zu ersetzen wünschen. Dafür gibt es viele Beispiele, insbesondere nach 2001

Die USA sind nicht die einzige Macht, die bestrebt ist, mit militärischen, politischen und wirtschaftlichen Drohungen ihre Hegemonie über die Völker und andere rivalisierende imperialistische Mächte auszubauen. Die meisten kapitalistischen Staaten reihen sich ein in die so genannte „Anti-Terrorismus-Politik“, trotz der Widersprüche und Konkurrenz zwischen den imperialistischen Zentren wie USA, EU und Russland.

Der einheitliche Charakter der Strategie des internationalen imperialistischen Systems gegen die Völker ergibt sich auch aus den Entscheidungen der NATO. Er tritt in der gleichzeitigen Erweiterung von EU und NATO in Erscheinung. Natürlich beseitigt die gleichzeitige Erweiterung nicht die zwischen-imperialistischen Widersprüche sondern reproduziert und verstärkt sie, wie sie auch die Widersprüche zwischen den führenden Mitgliedsstaaten der imperialistischen Zentren intensiviert.

Zugleich mit der Durchsetzung einer vereinheitlichten imperialistischen Strategie erhalten die Beziehungen zwischen den stärksten imperialistischen Zentren, USA und EU einen noch mehr antagonistischen und noch komplexeren Charakter. Die Gegensätze innerhalb der EU bezüglich der Beziehungen zu den USA verschärfen sich. Die vereinigte Strategie des Imperialismus übergreifend, entwickeln sich die Widersprüche und der Kampf um die Hegemonie über die Kontrolle der Märkte und Einflusszonen in Asien, dem Mittleren Osten und Afrika und über die Kontrolle der Rohstoffquellen. An diesem Konkurrenzkampf beteiligen sich, abgesehen von den imperialistischen Zentren und imperialistischen Hauptmächten, auch einige sich entwickelnde

kapitalistische Länder.

Es sind Entwicklungen im Gange, welche die Tendenz haben könnten, die Kräfteverhältnisse innerhalb des internationalen imperialistischen Systems neuzuordnen. Zweifellos bedarf es einer gründlicheren Untersuchung der „Gruppen“ von Widersprüchen, die auf der internationalen Bühne in Erscheinung treten, sowie einer systematischeren Einschätzung der internationalen Lage, der Widersprüche (vor allem der sozial-ökonomischen im Falle einer kommenden kapitalistischen Wirtschaftskrise), die in jedem kapitalistischen Land gegenwärtig sind, insbesondere in den USA und den stärkeren Mitgliedsstaaten der EU.

Natürlich führen diese Entwicklungen, d.h. die Verschärfung der zwischen-imperialistischen Angriffe und Widersprüche und derjenigen innerhalb des kapitalistischen Systems, nicht zu für die Völker positiven Entwicklungen. Damit es zu einer umfassenden Veränderung der Kräfteverhältnisse kommt, müssten die Völker an der vordersten Front dieser Entwicklungen stehen.

Entscheidend ist hierbei die Rolle der Volksbewegungen, und am wichtigsten der Arbeiterbewegung. Täglich bestätigt sich die Einschätzung des 17. Kongresses der KKE, dass in den letzten Jahren eine klarere Opposition gegen die Politik der EU, NATO und anderer imperialistischer Zentren in Erscheinung getreten ist, und dass Losungen gegen diese „Einbahnstraße“ und Forderungen nach einer allgemeinen sozialen Veränderung laut geworden sind.

Der Niedergang der „Anti-Globalisierungsbewegungen“, der „Sozialforen“ der Sozialdemokraten und umherziehenden „Aktivisten“ zeigt, dass eine radikale klassenorientierte Linie des anti-imperialistischen Kampfes an Boden gewinnt. Diese Kräfte und ihre Fähigkeiten dürfen jedoch wegen der Unterstützung durch starke Zentren und internationale Monopole nicht unterschätzt werden. Das Weltsozialforum und seine Ableger zielen darauf ab, die radikalen Kräfte einzufangen und zu vereinnahmen.

Die Losung “Eine andere Welt ist möglich” geht Hand in Hand mit einem Programm der „Selbstbeschränkung“ im Bezug auf die Forderungen der Arbeiter. Wir müssen unsere ideologisch-politische Opposition weiter verfolgen und gleichzeitig die Position für ein breites anti-imperialistisches und anti-monopolistisches Bündnis vertreten. Das geschieht durch die Intensivierung der Mobilisierungen und die Wachsamkeit der Bewegungen der Menschen gegen die Gefahren, die in dieser Region und darüber hinaus lauern. Die Volks- Massenmobilisierung gegen imperialistische Kriege, gegen die Beteiligung Griechenlands in welcher Form auch immer an aggressiven Militäroperationen und imperialistischen Kriegen muss heute eine unserer Prioritäten des Kampfes sein.

Wie beim 17. Kongress der Partei eingeschätzt, ist der anti-imperialistische, anti-monopolistische Kampf organisch mit dem Kampf für die Überwindung des Kapitalismus verbunden. Er beinhaltet von seiner Natur aus einen solchen Bruch, der die Grundlagen der kapitalistischen Herrschaft untergräbt. Er würde Bedingungen für die Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten schaffen.

Die grundlegende Voraussetzung hierfür ist jedoch die Rolle der kommunistischen Parteien. Die Überwindung von Schwächen und Rückschlägen in Ländern, wo kommunistische Parteien aktiv sind, und der Wiederaufbau von kommunistischen Bewegungen in anderen Ländern, wo die kommunistischen Parteien degeneriert sind, von korrupten Opportunisten und bürgerlichen Kräften korrumpiert wurden, und keine revolutionäre Rolle mehr spielen, ist eine elementare Pflicht von Kommunisten in jedem Land sowie der internationalen kommunistischen Bewegung. Der ideologische Gegenangriff kommunistischer Parteien, die an die Notwendigkeit und Möglichkeit des Kampfes für die Überwindung des Kapitalismus und für den Sozialismus glauben, ist heute von lebenswichtiger Bedeutung.

Die Internationalisierung des Kampfes gegen den Imperialismus kann keinen stabilen Massencharakter annehmen, wenn er sich nicht auf ein breites, starkes anti-imperialistisches in der Bevölkerung verankertes Bündnis und einen diskreten und starken kommunistischen Pol stützt, der wie ein Hebel für einen positiven Einfluss der Völker auf die internationalen Entwicklungen wirken kann. Die von uns bisher unternommenen Schritte waren positiv aber bleiben hinter dem zurück, was heute erforderlich ist. (…)

Aspekte einzelner Entwicklungen

A. Die “Neue NATO”

Beim Treffen der Außenminister am 27./28. April in Sofia wurden konkrete Maßnahmen für eine organisatorische und politische Stärkung der NATO vereinbart, um diese in die Lage zu versetzen, ihre neue Mission als Weltgendarm zu erfüllen.

Parallel zum Zeitplan für diese Maßnahmen, der auf dem NATO-Gipfel kommenden November in Riga/Lettland festgesetzt werden wird, trafen die Außenminister Entscheidungen zur Verstärkung der Militärinterventionen im Irak, in Afghanistan und in Sudan. Die Fortsetzung der militärischen Präsenz im Kosovo wurde bestätigt.

Das grundlegende Ziel ist, dass die NATO stärker  - und nicht nur oder nicht einmal überwiegend mit US-Streitkräften - für Militärinterventionen im Mittleren Osten und der kaspischen Region eingesetzt wird und dabei eine energischere Rolle bei den Plänen für die Kontrolle der strategisch wichtigen Erdöl- und Erdgasfelder und der Transportstrecken übernimmt. Wie der Vertreter des (griechischen) Außenministeriums am 26. April diesen Jahres sagte, wurde nicht ausgeschlossen, dass die NATO die „Sicherheit der Transportwege und Energiequellen“ übernimmt.

Die neue Rolle der NATO wird durch „strategische Allianzen“ mit weit entfernten Ländern wie Neuseeland, Australien und Japan verstärkt, und zwar entsprechend dem Prototyp der Beziehungen mit Mitteleuropa, was schließlich zu einer Eingliederung in die einst „Atlantische“ Gemeinschaft führte. Die Botschafter der NATO-Mitgliedsstaaten haben sich in Brüssel bereits über die Schaffung „einer Koalition im globalen Maßstab“ verständigt. Der NATO-Sprecher erklärte kürzlich, dass „wir so viele neue Länder wie möglich brauchen, die dieselben Werte wie wir teilen und militärische Kräfte haben, um Herausforderung wie die in Afghanistan anzunehmen.“

Gleichzeitig werden Reformen vorgeschlagen, die diese Todesmaschine flexibler und effektiver machen, wie die Abschaffung des (nach NATO-Vertrag möglichen) Vetos (einzelner Länder), damit die NATO innerhalb weniger Tage überall auf dem Globus intervenieren kann. Ferner warb Condoleezza Rice beim Außenminister-Treffen weiter für die Schaffung einer „Koalition der Willigen “ für eine Militärintervention im Iran.

In Sofia diskutierte man Fragen der militärischen Reform der NATO aber auch die Politik der “Offenen Türen” und die Beziehungen der Allianz zur Ukraine und zu Georgien. Zwischen den USA und Bulgarien wurde ein Militärabkommen unterzeichnet, welches die Einrichtung von 3 US-Militärstützpunkten und den Zugang zum Hafen von Bourgas für mindestens zehn Jahre regelt. Dieses bilaterale Abkommen erfolgte zur Ergänzung des entsprechenden bilateralen Abkommens zwischen den USA und Rumänien, das am 6. Dezember 2005 in Bukarest unterzeichnet wurde. Die jüngsten Abkommen sind zweiseitige Staatsverträge, die allerdings für andere Partner des NATO-Bündnisses von Bedeutung sind.

Die Verstärkung der NATO-Truppen in Afghanistan von gegenwärtig 9000 auf 15000 im Laufe des Jahres 2006 mit der Möglichkeit der Aufstockung auf 19000 im Jahr 2007 wurde ebenfalls beschlossen. Die Teilnahme Australiens und Neuseelands an NATO-Operationen in Afghanistan wurde erstmals bei einem NATO-Treffen verkündet. Der NATO-Generalsekretär erklärte, dass „die NATO zu einer Allianz mit globalen Partnern wird - wie diese beiden Länder - da die Bedrohungen und Herausforderungen von globaler Natur sind.“ Am 4. Mai traf der Außenminister von Japan mit dem Nordatlantikrat in Brüssel zusammen, und ein entsprechendes Treffen mit Südkorea folgte später.

Verschiedene Berichte legen nahe, dass einige lateinamerikanische Staaten die Möglichkeit haben, sich der NATO entweder als Mitglieder oder „Partner“ anzuschließen wie Brasilien und Kolumbien. Die kolumbianische Kommunistische Partei gab dazu eine in Rizospastis (dem Organ der KP Griechenlands) veröffentlichte Erklärung ab.

Dies sind sehr ernste Entwicklungen im Bezug auf die Rolle der NATO sowohl global wie auch besonders in unserer Region.

Im griechischen Parlament erfolgte eine Abstimmung über ein so genanntes Protokoll “gegenseitigen Einvernehmens, zwischen Griechenland und der NATO“. Es lag dem Permanenten Ausschuss des Parlaments am 14. Februar 2006 vor. Die Neue Demokratie stimmte dafür, die anderen Parteien dagegen. Die PASOK jedoch hat, noch in der Regierung, über diesen Antrag verhandelt, war daran beteiligt und hat seine Vorbereitung betrieben. Als provozierende Zugeständnisse an die NATO sieht das Protokoll unter anderem vor: - Generelle Bewegungsfreiheit für Flugzeuge, Hubschrauber und Schiffe während militärischer Operationen ohne Vorlage von Flugplänen etc.

- Zuständigkeit des NATO-Militärkommandanten für die Schlichtung von Streitigkeiten während der Dauer seiner Operationen.

- Recht auf Enteignung sogar privater Bestände, wenn für NATO-Operationen erforderlich.

- Vereinfachung von Verfahren zur massiven wirtschaftlichen Unterstützung von NATO-Operationen in Griechenland.

- Obligatorische Bereitstellung des Staatsapparates (Polizei, öffentlicher Dienst, Krankenhäuser) unter dem generellen Kommando des NATO-Befehlshabers.

Ergänzend dazu fand am 3./4. Mai der Balkan-Gipfel in Thessaloniki statt. Die triumphierenden Erklärungen, die danach von der griechischen Regierung und den anderen Regierungen der Balkan-Staaten abgegeben wurden, können der Arbeiterklasse und den Völkern des Balkan nur Angst machen.

Die Herstellung eines Einheitlichen Balkan-Marktes (Freihandelszone) mit einer entsprechenden Infrastruktur, welche die ungehinderte Betätigung des Kapitals im Zuge der vollen Eingliederung der Staaten der Region in die Strukturen der NATO und EU sicherstellt, bedeutet intensive Ausbeutung, weitere Erosion von Rechten, neue Interventionen und Kriegsdrohung.

Die Gesamtlage auf dem Balkan bereitet Sorge (Serbien, Montenegro, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina etc. ), insbesondere die Lage im Kosovo, wo die Frage der Unabhängigkeit auf der Grundlage der imperialistischen Pläne zu weiterer Destabilisierung in der Region führen wird.

B. Russland - China - Indien und die imperialistischen Mechanismen

Zu den Regionen, die durch eine besonders schnelle Entwicklung gekennzeichnet sind, gehören die ehemalige Sowjetunion und Südostasien. Im Jahre 2005 erfolgte eine Welle so genannter „Bunter Revolutionen“ wie die „orangefarbene“ in Kiew, während zugleich in Kirgisistan eine „Wachablösung“ erfolgte sowie gescheiterte blutige Versuche eines Machtwechsels in Kasachstan und Usbekistan. Große Bedeutung erhält die Region Mittelasiens, wo riesige Naturschätze konzentriert sind, und auch weil diese Region sowohl für Russland als auch die anderen Großstaaten der Region, vor allem China und Indien, eine Schlüsselstellung einnimmt.

Vergangenes Jahr hat die Schanghai Zusammenarbeitsorganisation (SCO), die in der Region aktiv ist, bestimmte neue Charakterzüge angenommen. Einer davon war die Erweiterung durch Teilnahme von Beobachterstaaten. So wurden neben den Mitgliedsstaaten der SCO (China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan) Indien, Iran und Pakistan als Beobachter eingeladen. Belarus erwägt ernsthaft seinen Beitritt zur SCO mit Beobachterstatus.

Beachtung verdient, dass die USA keine Einladung zum Gipfeltreffen im Sommer 2005 erhielten, ungeachtet des starken Interesses der USA ihren Einfluss auch auf diese periphere Staaten-Kooperation auszuüben.

Ein für die Entwicklung der SCO bedeutsames Ereignis war das Ultimatum, das diese wegen der Notwendigkeit des Rückzugs der amerikanischen Basen aus Zentralasien an die USA richtete. Auf dieser Grundlage machte Usbekistan gegenüber den USA seine Forderung nach Rückzug ihrer Basis auf dem Flughafen Hanabad noch entschiedener geltend.

Zugleich wurde deutlich, dass die SCO selbst sich an einem Scheideweg befindet. Nicht wenige Stimmen verlangen die Einbeziehung einer Reihe von regionalen Formen der Zusammenarbeit, die in den letzten Jahren in der Region entstanden sind, in den einheitlichen Rahmen der SCO.

Es ist bisher noch nicht klar, wie sich die Beziehungen zwischen der NATO und der SCO, die von einigen Analysten bereits als „OST-NATO“ bezeichnet wird, gestalten werden.

Die treibende Kraft dieser Entwicklungen scheinen die größten Staaten in der Region zu sein: Russland, Indien und China. Ein mögliches Triumvirat der strategischen Zusammenarbeit dieser Staaten mit riesigen Bevölkerungen und Territorien hätte Einfluss nicht nur auf die Kräfteverhältnisse in der Region sondern weltweit.

Sowohl China wie Indien bekunden ein massives Interesse am Bezug von Energie aus Russland durch günstige Handels- und Investitionsabkommen auf Regierungsebene. Ferner ist Russland an Handels- und Produktionsvorhaben mit Indien und Russland über den Energiesektor hinaus auch in anderen Sektoren interessiert. Beispielsweise hat Russland in den letzten Jahren riesige Rüstungsverkäufe an diese beiden Staaten getätigt und gemeinsame Initiativen auf dem Gebiete der Atomenergie, neuer Technologien, des Raumfahrtprogramms wie auch in anderen Sektoren entwickelt. Allein in der Grenzregion zwischen China und Russland besteht heute eine wirtschaftliche Zusammenarbeit in Form von 1.500 gemeinsamen Unternehmen.

Letztes Jahr fanden zum ersten Mal in der Geschichte gemeinsame Militärmanöver Russlands mit China und Russlands mit Indien statt. Dies sollte nicht überschätzt aber auch nicht unterschätzt werden, insbesondere weil die gemeinsame russisch-chinesische Übung in einer Phase angespannter Beziehungen zwischen China und den USA stattfand, nachdem sich US-Militärs in aufhetzerischen Kommentaren über die „potentielle Weltgefahr“ der chinesischen Armee geäußert hatten. Weitere gemeinsame Militärübungen wurden beschlossen und sind für 2007 in Russland geplant.

Man sollte betonen, dass die Idee eines russisch-indisch-chinesischen „Triumvirats“ aus russischem Munde öffentlich zum ersten Mal im Jahre 1998 zu vernehmen war, kurz vor dem Krieg gegen Jugoslawien, und damals eine eher vorsichtige Reaktion in China und Indien hervorrief. Doch ein Jahr später, 1999, unmittelbar nach der NATO-Intervention in Jugoslawien zeitigte der russische Vorschlag in Beijing und Delhi größere Wirkung. Seitdem nun inzwischen die Intervention USA in Afghanistan und Zentralasien sowie die Besetzung des Irak erfolgt sind, haben die drei Staaten ihre Waffen zusammen in gemeinsamen Übungen getestet.

Die Erklärungen der Außenminister dieser drei Staaten, dass ihnen eine „unipolare“ Welt, d.h. eine Welt mit einem „Boss“, den USA, unbefriedigend erscheint, sind sehr bezeichnend. Ihre Haltung zu Iran ist ein charakteristisches Beispiel, wie sie ihre Opposition zur politischen Richtung der USA „handhaben“. Selbstverständlich schauen die USA sowie die anderen imperialistischen Zentren wie die EU bei diesen Entwicklungen nicht einfach zu sondern sind aktiv, um eine derartige Allianz zu blockieren. Sie intervenieren mit Ankündigungen und Aufforderungen an die Adresse Russlands und Chinas, sich nicht auf das „Große Spiel“ einer Konfrontation mit den USA einzulassen und stattdessen mit den USA in ihrem Krieg gegen die Gefahren des „islamischen Terrorismus“ zusammenzuarbeiten.

In diesen Kampf sind nahezu alle imperialistischen Kräfte involviert und verfolgen ihre Strategien und Taktiken.

Kürzlich wurde eine “neue” regionale Staatenvereinigung unter der Überschrift „Gemeinschaft der Demokratischen Wahl“ geschaffen, und zwar mit den GUAM-Staaten (Georgien, Ukraine, Aserbaidschan, Moldawien) sowie Lettland, Litauen, Estland, Rumänien, Slowenien und FYROM (Mazedonien), mit dem angeblichen Ziel, „Demokratie“ von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer zu fördern. Eine solche Union mit einem „Demokratie“-Verständnis in der Definition des Pentagon hat einen klar anti-russischen Charakter.

Einige Analysten stellen eine Verbindung zwischen der kürzlich erfolgten Verabschiedung der anti-kommunistischen Resolution durch den Politischen Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und dem Versuch her, Russland als Feindbild zu stigmatisieren. Die Staaten, die bei der letzten EU-Erweiterung aufgenommen wurden, könnten eines Tages in die Lage versetzt werden, von Russland unter dem Vorwand, dass sie in der Vergangenheit unter der Drohung des „militärischen Bären“ Sowjetunion gewaltsam in den „Sowjetblock“ hineingezogen wurden, gewaltige Reparationsleistungen verlangen. Hier handelt es sich um ein tiefgründiges Manöver; einige sprechen von dem langen Arm der USA, der bestimmte Staaten der EU, wie die baltischen Staaten, dirigiert, um die Stärkung der Beziehungen zwischen Russland und der EU, besonders mit der deutsch-französischen Achse, zu blockieren

Gleichzeitig versuchen die USA das “Zuckerbrot” ins Spiel zu bringen, um die drei Staaten (Russland, Indien, China) davon zu überzeugen, dass sie größeren Nutzen davon hätten, eine Politik der Zusammenarbeit mit den USA, nicht der Opposition gegen sie, zu verfolgen. Gleichzeitig führen sie Russland und Indien die Gefahren einer engeren Zusammenarbeit mit China vor Augen. Diese Linie kam in der Warnung Brzezinskis (des ehemaligen Sicherheitsberaters von US-Präsident Carter) an die russische Adresse zum Ausdruck, dass „Konkurrenz gegen USA aussichtslos ist, wobei ein Zusammenschluss mit China die Unterwerfung Russlands bedeutet.“

Sicher ist auch die jüngste Atomzusammenarbeit zwischen USA und Indien ein weiteres Stück in dem Puzzle der Einmischung der USA. Einigen Analysten zufolge hätten die USA damit ihre Interessen im Bezug auf Indien auf viele Jahre abgesichert.

Bei dem jüngsten Treffen der Außenminister der Mitgliedsstaaten der SCO in Shanghai wurden 15 Dokumente angenommen, die beim Gipfeltreffen der Organisation am 15. Juni 2006 unterzeichnet werden sollen. Diese betreffen Handels- und Wirtschaftsabkommen und den weltweiten Einsatz von Wahlbeobachtern der SCO etc. Es wurde angekündigt, dass die SCO interessiert ist, die Zusammenarbeit mit Indien, Iran, Pakistan und der Mongolei, die als Beobachter an der SCO teilnehmen, weiter zu entwickeln.

Die Entwicklungen in der SCO erfordern Wachsamkeit, denn die Mitgliedsstaaten der SCO sehen sich bereits mit neuen Herausforderungen in der internationalen Arena konfrontiert wie beispielsweise einer möglichen Intervention der USA im Iran sowie den Entwicklungen in Lateinamerika, Afrika, im Kaukasus, in Zentralasien und anderswo.

C. Afrika

Es könnte sein, dass die USA in Afrika weiterhin dominieren, ohne dass Rivalen anderer imperialistischer Blöcke oder eine andere Macht auf dem afrikanischen Kontinent in Erscheinung treten. Das bedeutet jedoch nicht das Fehlen zwischenimperialistischer Widersprüche und Konflikte, insbesondere zwischen den USA und Frankreich, wie bei den Massakern in Ruanda im Jahre 1995 deutlich wurde, und auch kürzlich noch im Kongo und in Westafrika. Die Tatsache, dass zwischenimperialistische Rivalitäten in Afrika nicht mit derselben Intensität in Erscheinung treten wie auf anderen Kontinenten, ist möglicherweise auf die Verzögerung der kapitalistischen Entwicklung auf dem Kontinent - mit Ausnahme von Nordafrika und Südafrika - und auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Bewegungen noch ziemlich schwach sind.

Nichtsdestoweniger stellen die Erörterung und die intensivierte Ausbeute Hunderter neuer Ölquellen sowie die in letzter Zeit in Betrieb genommenen Öltransportwege im westlichen Afrika südlich der Sahara (nach dem Atlantik) und in Zentralafrika (nach dem Roten Meer) einen Faktor dar, der zu einer noch komplexeren Entwicklung in der Region insgesamt beiträgt.

Aufgrund des intensiven internationalen Konflikts um die Kontrolle neuer Erdöl- und Erdgasquellen stehen die jüngsten Konflikte zwischen Rebellen und der regulären Armee im Tschad wie auch die damit verbundene Destabilisierung der westsudanesischen Provinz Darfur nicht nur im Zusammenhang mit dem geopolitischen Puzzle sondern bilden darin sogar eines der wichtigsten Teilstücke. Die Krise in Darfur mit Angriffen paramilitärischer arabischer Gruppen, die von der sudanesischen Regierung unterstützt werden, gegen die einheimischen Stammesgemeinschaften der Region hat nicht erst vor drei Jahren begonnen. Sie schwelte seit vielen Jahren, bevor die USA den „Völkermord“ im Jahre 2003 nach einem „allgemeinen Angriff“ auf die einheimische Bevölkerung in Darfur „entdeckten“. Drei Jahre später dauern die entschlossenen Bemühungen der USA und Großbritanniens um „internationale Sanktionen“ gegen offizielle Vertreter des Sudan und der Rebellen weiter an, und zwar mit dem vorrangigen Ziel nicht einer „Herabstufung“ der Gewalt sondern der Sicherung des Löwenanteils an den riesigen Ressourcen an Öl, Kupfer und anderen Mineralien in dieser Region des Sudan.

Ein weiteres Ziel der USA und Großbritanniens betrifft die Beschränkung der intensiven Aktivitäten chinesischer Ölgesellschaften im Sudan, die in der Zeit erfolgten, als die USA den Sudan als eines der Länder brandmarkten, das den Terrorismus fördert und zur „Achse des Bösen“ gehört. Das Streben Londons und Washingtons nach internationalen Sanktionen und einer stärkeren aktiven Präsenz der NATO unter dem Vorwand einer Verstärkung der UN-Friedenstruppen entweder in Kombination mit den 7000 Soldaten der Afrikanischen Union oder als Ersatz für diese blieb bisher erfolglos. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie auf die erklärte Opposition Chinas und Russlands stoßen, die ihre eigenen Energieinteressen zu schützen beabsichtigen und eine für sie selbst befriedigende Lösung bei den Marathonverhandlungen der Afrikanischen Union in Abuja in Nigeria anstreben, die nach der jüngsten Resolution des UN-Sicherheitsrates bis Ende April abgeschlossen sein sollten.

Mit anderen Worten, die Bush-Regierung agiert, um mit den Komplikationen fertig zu werden, die durch das Vorhaben der transnationalen Ölkonzerne in der zentralafrikanischen Region entstanden sind, wobei sie vorgibt, das Phänomen der Korruption überwinden und zu einer schnellen Verbesserung des Lebensstandards der leidenden Bevölkerung eines Entwicklungslandes beitragen zu wollen. Dieses Vorhaben, die 1.070 Kilometer lange Tschad-Kamerun-Ölpipeline, die im Jahre 2003 zu Investitionskosten von 4,7 Mrd. US-Dollar fertig gestellt wurde, dient dem Ziel, die Erdölressourcen Zentralafrikas auszubeuten und ungehindert über Häfen in Kamerun Richtung Westatlantik zu exportieren.

Mitte Mai beschloss der von den USA dominierte UNO-Sicherheitsrat einstimmig, den Einsatz einer UNO-Friedenstruppe in Darfur zu beschleunigen; diese soll bis spätestens Dezember 2006 das Kommando von der 7.500 Mann starken dort bereits eingesetzten Truppe der Afrikanischen Union übernehmen.

D. Zum Iran im Einzelnen

Mit Ablauf der 30-Tage-Frist, die der UN-Sicherheitsrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) gesetzt hatte, um einen Bericht über Irans Atomprogramm fertig zu stellen, damit der UN-Sicherheitsrat verschiedene Maßnahmen gegen die Regierung des Iran diskutieren und beschließen könne, begannen die Verhandlungen zwischen den Ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates und Deutschland. Dieser Prozess wird von der US-Regierung mit Nachdruck betrieben, da sie den Iran zur „Achse des Bösen“ rechnet und bei jeder Gelegenheit ihre feindselige Haltung gegenüber der iranischen Regierung zum Ausdruck bringt. Bush drohte kürzlich, er schließe den Einsatz von Atomwaffen gegen den Iran nicht aus, und dies angesichts der Tatsache, dass Iran solche Waffen nicht hat. Gewiss gab es auf Seiten des Iran Erklärungen wie diejenige zu Israel und den Juden sowie der Leugnung des Holocaust, welche geeignet sind, die Stimmung anzuheizen. 

Die Verhandlungen und Pressionen der Mitglieder des Sicherheitsrates unter einander sind intensiver geworden. Die USA drängen auf die Aktivierung des Kapitels 7 (der UNO-Charta, das im Falle der Bedrohung des internationalen Friedens auch militärische Zwangsmaßnahmen erlaubt), um freie Hand zu bekommen und den Weg einer Intervention zu öffnen. Bis zu diesem Punkt unterstützt Großbritannien die Linie der USA, wie auch Frankreich und Deutschland. Dagegen sträuben sich Russland und China. Die Angelegenheit ist im Fluss und verlangt Wachsamkeit. Die EU bezog bei dem Treffen der Außenminister eine Position, mit der sie - trotz ihrer Aussagen über eine „diplomatische Lösung“ - in Wirklichkeit dahin wirkt, Iran unter Druck zu setzen, und gleichzeitig versucht, die Rolle der EU als Vermittler zu stärken. Die Position der EU enthält einerseits den Vorschlag für technologische Unterstützung des Iran bei der Erzeugung von Atomenergie für friedliche Zwecke andererseits Sanktionen gegen den Iran wegen Bruchs des Nichtverbreitungsvertrags.

Für die USA ist von strategischer Bedeutung, möglichst viele Energiequellen und -Transportwege zu kontrollieren, um ihre Stellung aufrecht zu erhalten. Ebenso logisch ist, dass die anderen imperialistischen Mächte wie die EU (als ganze wie ihre einzelnen Mitgliedsstaaten) oder Russland versuchen, ihre eigenen Interessen zu wahren und ihre Stellung international zu stärken. In Wirklichkeit hat die Krise mit dem Iran kaum eine oder gar keine Beziehung zu seinem Atomprogramm. Andere Staaten wie Israel und Pakistan besitzen nicht nur Atomenergie sondern auch Atomwaffen und haben nie eine Inspektion ihrer Einrichtungen zugelassen. Iran ist in die Schusslinie geraten wegen seiner großen geostrategischen Bedeutung und seiner Energieressourcen. Aufgrund seiner geographische Lage hat Iran eine Schlüsselstellung im Mittelpunkt von Routen, welche die schnellste und billigste Möglichkeit des Transports von Energierohstoffen von Russland und der Kaspischen Region nach Ländern im Osten, z.B. China, Indien, Pakistan, aber auch nach Europa bieten. Besonders beunruhigt sind die USA über die erhöhte Bedeutung der Rolle Chinas, das wegen seines wachsenden Bedarfs zu den Energiequellen des Iran einen Zugang hergestellt hat, welchen die USA zu beschränken versuchen. Dies versuchen sie auch im Verhältnis zu Russland. Das Ziel der USA ist die vollständige Kontrolle von Staaten, die entweder Energiequellen besitzen, z.B. Irak, oder für Erdöl und Erdgas als Transportwege nach Indien in Frage kommen wie Afghanistan

Am 19. Februar 2006 veröffentlichte „Rizospastis“ (die Tageszeitung der KP Griechenlands) in ganzer Länge einen Artikel von Navid Shomali vom Büro für internationale Beziehungen der Tudeh Partei zur Position der Tudeh Partei zur Iran-Frage:

“Die Mehrheit des iranischen Volkes ist mit Recht der Auffassung, dass nach internationalem Recht unsere Nation das Recht hat, Atomenergie für friedliche Zwecke zu entwickeln und zu nutzen. Technisch gesehen, befindet sich die Atomindustrie des Iran gegenwärtig in Übereinstimmung mit dem Nichtverbreitungsvertrag (NPT) und den Anforderungen der IAEA, und es gibt keine greifbaren Anhaltspunkte für Aktivitäten, die mit der Produktion von Atomwaffen in Übereinstimmung ständen. Das gilt unabhängig von den verdächtigen, fragwürdigen „geheimen Dokumenten“, „Dateien auf einem gestohlenen Laptop“ und „Presseinformationen“, die im Wesentlichen von diskreditierten monarchistischen und anderen politisch gescheiterten USA-freundlichen Gruppen geliefert werden, in der Absicht, ein Militärabenteuer der USA zu provozieren, als beste Möglichkeit ihrer Machtübernahme in Teheran. Die Beweise für die Beschuldigungen der USA gegen den Iran sind so „zuverlässig“ wie die für das Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen im Irak unter Saddam Hussein. Die USA schaffen künstlich Bedingungen für die internationale Isolierung des Iran durch den UN-Sicherheitsrat. Dies verschafft der Bush-Regierung eine Reihe von Optionen, darunter anhaltender politischer Druck und diplomatische Isolierung, Wirtschaftssanktionen und die Androhung irgendeiner Form offener oder verdeckter Militäraktion. Wir sollten hinzufügen, dass unter den gegenwärtig in der Region herrschenden Bedingungen militärische Optionen als nicht plausible erscheinen, jedenfalls im Hinblick auf die Gesamtinteressen des Westens. Das zentrale Ziel des laufenden Spiels ist selbstverständlich, die Zukunft nach den strategischen Interessen der USA zu gestalten.

Während die USA die atomare Bedrohung durch den Iran übertreiben, spielt das Regime in Teheran ein gefährliches “Chicken”-Spiel und liefert der Bush-Regierung damit die gewünschten Vorwände. Die demokratische Opposition im Iran ist überzeugt, dass die unflexible Haltung des Regimes nicht darauf beruht, die nationalen Interessen des Iran zu schützen sondern vielmehr das eigene Überleben um jeden Preis zu sichern, wobei es die Gelegenheit nutzt, unter dem Vorwand der äußeren Bedrohung die demokratischen Forderungen des iranischen Volkes zu missachten ….“(…)

E. Palästina

Die Entwicklungen bestätigen die Einschätzungen und Befürchtungen unserer Partei im Bezug auf den weiterhin betriebenen imperialistischen Plan für den größeren Mittleren Osten, der als Plan für die „Demokratisierung der arabischen Regime“ präsentiert wird. Dadurch wurde der Weg für neue Bedrohungen der Völker und des Friedens geöffnet; damit erfolgte der Auftakt zu neuen Militärinterventionen, zum Schüren von Bürgerkriegen, zu Provokationen und zur Ausnutzung von Spannungen und Konflikten. Es geht um eine Spaltungen provozierende Politik, um die Durchsetzung der Hegemonie der USA und der führenden EU-Mächte zu erleichtern.

Die Wahlergebnisse in Palästina reflektieren bis zu einem gewissen Grade die Erregung und Besorgnis des palästinensischen Volkes darüber, dass die so genannte Friedenslösung des palästinensischen Problems und die Schaffung eines neuen palästinensischen Staates weit hinter seinen Erwartungen und Rechten zurückbleiben. Hat man doch die Erfahrungen mit Oslo und der „Road Map“. Insofern ist es Hamas gelungen, die Stimmung der Bevölkerung für einen mehr gefestigten Widerstand zum Ausdruck zu bringen. Das will allerdings nicht heißen, dass Hamas zu wirklichem Widerstand gegen die imperialistischen Pressionen fähig ist.

Hinzu kam die Rolle der im Laufe der Jahre gewachsenen Korruption innerhalb des Apparats der Palästinensischen Behörde, deren Vertreter vorwiegend hohe Fattah-Funktionäre sind, und die offenkundige Schwäche der - insbesondere in den letzten Monaten - zersplitterten ebenfalls von Fattah geführten Sicherheitskräfte, die zur Aufgabe haben, Ordnung unter den verschiedenen bewaffneten Gruppen zu schaffen, von denen niemand sagen genau sagen kann, welchen Charakter sie haben. Dies waren, allgemein gesprochen, die grundlegenden Gegebenheiten, welche die palästinensischen Wähler als Kriterien berücksichtigten.

Die Stimmabgabe vom 25. Januar war mehr eine Protestabstimmung gegen Fattah als eine Zustimmung zu den politischen Positionen von Hamas.

Hamas betonte im Wahlkampf hauptsächlich ihre karikativen und sozialen Aktivitäten. Tatsächlich haben ihre Aktivitäten, die von Spenden islamischer Institutionen unterstützt werden, die Form einer Wohlfahrtspolitik angenommen, praktisch ein Ersatz für die nicht vorhandene Wohlfahrtspolitik der palästinensischen Behörde. Parallel dazu betonte Hamas die eigene Fähigkeit, ihre gesamten militärischen Kräfte direkt und vollständig zu kontrollieren, sodass Ruhe und Ordnung einkehren würden im Gegensatz zu dem Chaos und der Rechtlosigkeit, mit denen Fattah anscheinend nicht fertig wurde.

Einer der vielen Umstände, die am deutlichsten zeigen, dass das Oslo-Abkommen verfehlt war, ist die Tatsache, dass die Palästinensische Behörde eine Struktur ist, die als solche allein auf der Grundlage des Oslo-Abkommens besteht, eines Abkommens, das dem guten Willen jeweiliger israelischer Regierungen anheim stellte, die Zugeständnisse zu machen, zu denen sie bereit waren, und dies, während gleichzeitig die eindeutigen und nicht verhandelbaren Resolutionen der UNO, die eine bedingungslose Beendigung der Besatzung fordern, beiseite geschoben wurden.

Hamas hatte ebenso wie bestimmte andere Organisation diese Abkommen abgelehnt. Doch heute wird von der islamischen Organisation verlangt, dass sie ihre Regierungstätigkeit in Form einer Administration aufnimmt, die allein aus diesem Abkommen hervorgegangen ist. Man sollte nicht vergessen, dass es - welche Erklärungen auch immer abgegeben werden - in Wirklichkeit aufgrund der Kontrolle, die Israel direkt oder indirekt (z.B. im Falle des Gaza-Streifens nach dem Rückzug) behält, kein wirklich freies Stück palästinensischen Landes gibt. Hamas findet sich in einer Reihe von Widersprüchen vor, welche sie aufgrund der Sackgassen von Oslo geerbt hat, und die später sogar in der noch üblerer Form der „Road Map“ wieder aufgelegt wurden, bei der sogar die höchst beschränkten Verpflichtungen auf der israelischen Seite außer Acht gelassen und allein Forderungen an die Palästinenser gerichtet werden.

Im Hinblick auf dies alles wie auch die wirtschaftliche Schuldenabhängigkeit, die auf den palästinensischen Gebieten lastet, werden wahrscheinlich in den kommenden Monaten ernste Entwicklungen eintreten werden. Es ist nicht sicher, dass die gewaltigen Betriebskosten der palästinensischen Behörde, die heute durch mehrere hundert Millionen Euro von der EU und mehrere zehn Millionen Dollar aus den USA gedeckt werden, von den Gebern der Hamas weiter getragen werden. Daher wird dieser wunde Punkt von USA/EU, gefolgt von Israel, benutzt, um Hamas bis zur gewünschten Unterwerfung zu drangsalieren.

Wenn all diese Faktoren in Betracht gezogen werden, wird klar, dass die Lage, die nach der Wahl von Hamas in den palästinensischen Gebieten geschaffen wurde, in der gesamten Region zu einer sehr turbulenten und unsicheren Periode führen wird, während niemand vorhersehen kann, welche Haltung Hamas in ihrer neuen Rolle einnehmen wird. Schon jetzt lässt die Verschlechterung der Lage und der Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen Hamas und Fattah die weitere Entwicklung als sehr besorgniserregend erscheinen. Einmal mehr erscheint der Kern des palästinensischen Problems in aller Deutlichkeit. Es kann nicht angegangen werden, es sei denn durch die bedingungslose Anwendung der UNO-Resolutionen und die Schaffung eines unabhängigen, lebensfähigen palästinensischen Staates mit Ostjerusalem als Hauptstadt.

Die jüngsten Entwicklungen verdeutlichen erneut die Notwendigkeit politischer Kräfte, die eine revolutionäre Volksbewegung anführen, um eine umfassende wirkliche Alternative voran zu bringen, gegen die israelische Besatzung und die imperialistische Intervention wie auch gegen eine die palästinensische politische Szene durchdringende kapitalistische Ausbeutung.(…)

Übersetzung aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff in Zusammenarbeit mit Georgios Mantikos

Polen

Zbigniew Wiktor:

Die Geschichte der kommunistischen Bewegung in Polen - als Beispiel für die Länder Osteuropas

Teil 1: Die revolutionären Umgestaltungen

1. Historische Einführung

Das Thema „Sozialismus in Osteuropa“ stellt eine vielschichtige und komplizierte Frage dar, weil in vielen Ländern dieses Gebiets unterschiedliche historische, ökonomische, soziale, nationale, religiöse und politische Bedingungen dominiert haben. Polen war in der Zeit vom Wiener Kongress (1815) bis zum 1. Weltkrieg (1914) der politischen Herrschaft des preußischen Königtums, des österreich-ungarischen Kaisertums und des zaristischen Russlands unterworfen. Denn der polnische Feudalstaat ist am Ende des 18. Jahrhunderts unter Preußen, Österreich und Russland aufgeteilt worden. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts, dem so genannten „Völkerfrühling“, herrschte so der Absolutismus in Polen, der in Russland bis zu seiner Niederlage im 1. Weltkrieg überdauerte. Für die damaligen preußisch-deutschen Eroberer hatten die gewonnenen polnischen Ländereien den Nutzen eines landwirtschaftlichen Hinterlandes. Trotzdem aber entwickelte sich in den polnischen Gebieten - verglichen mit dem damaligen Russland - neben der Landwirtschaft besonders nach 1863 in hohem Tempo der Kapitalismus. Die Abschaffung der Leibeigenschaft der Bauern, deren persönliche Freiheit und Freizügigkeit und die Proletarisierung der Landbevölkerung waren die Voraussetzungen für eine rapide Entwicklung kapitalistischer Produktion. Es gab im polnischen Gebiet vier Zentren der kapitalistischen Entwicklung: Warschau, das polnische Oberschlesien, Lodz und den so genannten altpolnischen Industriebereich im Zentrum. Hierher flossen große in- und ausländische Kapitalströme, hier formierten sich die Zentren des polnischen Proletariats.

Mit der kapitalistischen Produktion entwickelte sich auch die revolutionäre Arbeiterbewegung. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass die erste Übersetzung des „Kommunistischen Manifests“ diejenige in polnische Sprache war, denn viele polnische Emigranten/Aufständische arbeiteten in der I. sowie der II. Internationale. Zwei polnische Generäle, Jaroslaw Dabrowski und Walery Wroblewski, waren die letzten Befehlshaber der Pariser Kommune 1871. Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts ist auch der 1. Band von Marxens „Kapital“ von Ludwik Krcywicki ins Polnische übersetzt worden. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts waren die Arbeitergewerkschaften, in den 80er Jahren die ersten Arbeiterparteien entstanden: Das „Große Proletariat“ von Ludwik Warynski, das trotz harter zaristischer Repression bis 1886 aktiv war, dann ab 1888 das „Zweite Proletariat“ und seit demselben Jahr die „Polnische Sozialistische Partei“, gegründet von Boreslaw Limanowski. Seit 1893 entstand die „Sozialdemokratie des Königreichs Polen“, die ab 1900 als „Sozialdemokratie des Königreichs Polens und Litauens“ figurierte. In der Regel waren dies Kaderorganisationen, die ihre Mitglieder sowohl in Polen als auch in der Emigration im Ausland gruppiert hatten. Diese Vielfalt der Arbeiterparteien war ein Zeichen der politisch-ideologischen Zersplitterung der polnischen Arbeiterbewegung, die leider auch durch den Reformismus und den Opportunismus der II. Internationalen stark geschwächt wurde.  Trotz dieser Probleme wuchs die polnische Arbeiterbewegung sehr schnell, es gab Massenstreiks und vor allem die revolutionären Kämpfe 1905 - 1907.

Nach dem 1. Weltkrieg (1914 - 1918) entstand in Osteuropa eine neue Situation, die von zwei wichtigen historischen Entwicklungen geprägt war: den imperialistischen Widersprüchen des Kapitalismus incl. des Bankrotts der II. Internationale und den Kriegfolgen von Leid und Zerstörung und der revolutionären Situation in Russland: im Februar bracht dort die antizaristische Revolution aus, die die Bolschewiki im Oktober zur sozialistischen Revolution umgestalteten. Es entstand der erste Arbeiter- und Bauernstaat (seit der Pariser Kommune), der sich 1922 zu einem großen Staatenbund, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, formierte.

In der Kriegszeit hatten sich in ganz Europa die revolutionären Kräfte der Arbeiterbewegung vereinigt, sie drängten zur Umgestaltung des imperialistischen Krieges in einen revolutionären. Ende 1918/Anfang 1919 entstanden revolutionäre Arbeiterparteien wie die Kommunistische Arbeiterpartei Polens, die Kommunistische Partei Deutschlands, etwas später die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei und andere. Anfang 1919 wurde in Moskau und Leningrad die III. - auch „Kommunistische“ genannte - Internationale gegründet, die bis 1943 eine bedeutende Rolle bei der Stärkung des Sozialismus in der UdSSR und in der Begründung der jeweiligen kommunistischen Parteien in der ganzen Welt gespielt hat. Sie verbreitete die Hauptwerke des Marxismus-Leninismus in der ganzen Welt, vertrat die kommunistischen Ideale und organisierte den proletarischen Widerstand gegen den Kapitalismus und hat beispiellos für den Frieden, den sozialen Fortschritt und den Sozialismus als Staat der Diktatur des Proletariats gekämpft.

Als Resultat des I. Weltkrieges entstanden in Osteuropa viele neuen Nationalstaaten, z.B. Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, die Baltischen Staaten, und es war eine Zeit der revolutionären Situationen z.B. in Ungarn, in Deutschland (Novemberrevolution, Bayerische Räterepublik usw.). Letztendlich wurden die revolutionären Kräfte aber besiegt und schließlich herrschten fast überall autoritäre Regimes der Diktatur der Bourgeoisie und der Großgrundbesitzer. Die kommunistischen Parteien befanden sich fast überall im Untergrund und ihre Mitglieder, vor allem ihre Führer, wurden brutal verfolgt.

In Polen war die Situation besonders kompliziert. Zwar organisierte die KP Polens ihre eigenen Machtorgane, die Räte der Arbeiter und Bauern, doch die politische Initiative lag einerseits bei den Revisionisten und Opportunisten, und andererseits beim Großkapital und bei den Nationalisten, die sämtlichst von den großen kapitalistischen Staaten und Zentren unterstützt wurden. Sie haben Polen gegen die junge Sowjetunion in den Krieg gehetzt, was zusätzlich eine Welle des polnischen Nationalismus und Chauvinismus auslöste. 1926 fand dann der Staatsstreich von J. Pilsudski statt, der ein halbfaschistisches Regime einführte und die bürgerlichen Freiheiten und demokratischen Rechte radikal beschnitt. Polen strebte eine freundliche Politik gegenüber Hitlerdeutschland an, suchte dessen politische Unterstützung gegen die Sowjetunion. Diese Politik führte Polen in die Katastrophe von 1939.

Die innere Situation Polens war von Problemen geprägt. Der wiedergeborene polnische Staat war von wirtschaftlichen, nationalen, sozialen, politischen und religiösen Widersprüche zerrissen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung gehörte unterschiedlichen nationalen Minderheiten an (insbesondere Ukrainer, Weißrussen, Juden, Deutsche). Der neue Staat hatte ständige wirtschaftliche Probleme, natürlich am gravierendsten während der Krisen Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre. Die Arbeitslosigkeit war riesengroß, besonders auf dem Lande. Der überwiegende Teil der Ländereien gehörte der kleinen Klasse der Grundbesitzer, der polnischen Junker, die sowohl die Kleinbauern als auch das Landproletariat brutal ausbeuteten - und der überwiegende Teil der polnischen Industrie befand sich in den Händen ausländischer Kapitalgesellschaften, die, was die Ausbeutung des städtischen Proletariats anging, den polnischen Junkern in nichts nachstanden. Die Klassenwidersprüche wuchsen. Arbeiter- und Bauernaufstände, Massenstreiks, Polizeiterror und hunderte von Todesopfer durch den Polizeiterror waren die Folge.

Die KP Polens hat, obwohl sie illegal war, große Aktivitäten entfaltet und auch einen parlamentarischen Kampf geführt: in den 20er Jahren war sie als Wahlsubjekt „Das Proletariat der Städte und der Dörfer“ sehr erfolgreich, hat fast eine Million Stimmen bekommen, eine 10-köpfige Parlamentsfraktion gestellt und auch bei lokalen Wahlen z.T. im Bündnis mit anderen progressiven Kräften gute Ergebnisse erzielt.

Die KP Polens arbeitete bis 1938. Dann wurde sie vom Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationalen aufgelöst. Bis heute sind die Ursachen und die Bedingungen der Auflösung nicht endgültig geklärt. Aber immerhin hat die KP Polens über einen Zeitraum von 20 Jahren das polnische Proletariat zum Klassenkampf geführt, hat große Erfolge in der Unterstützung der Sowjetunion erzielt und sich große Verdienste für die Verbreitung des Marxismus-Leninismus erworben. Ihre politische und ideologische Arbeit schuf eine gute Grundlage für die Wiedergeburt der Polnischen Arbeiterpartei während der faschistischen Okkupation und danach für die Gründung der Volksrepublik Polen und für den Aufbau des Sozialismus.

2. Die Gründung der Volksrepublik Polen

Im September 1939 erfolgte der Angriff Hitlerdeutschlands auf Polen und nach einem Monat hatte der polnische Staat eine große Niederlage erlitten. 1940 hat Hitlerdeutschland dann Frankreich und danach andere Staaten Europas erobert. Im Juni 1941 überfiel das faschistische Deutschland die Sowjetunion, der Krieg wurde spätestens ab jetzt ein Weltkrieg. Es entstand eine neue historische Situation, die Antihitlerkoalition wurde gebildet und sowohl durch den Krieg gegen die Sowjetunion als auch durch die Existenz der Antihitlerkoalition veränderten sich die Bedingungen für die internationale Arbeiterbewegung. Anfang des Jahres 1942 entstand im vom faschistischen Deutschland besetzten Polen unter der Führung von Marceli Nowotko die Polnische Arbeiterpartei (PPR). Diese Partei nahm das Banner des Sozialismus und der Unabhängigkeit des polnischen Volkes wieder auf. Die Partei wuchs um ein mehrfaches bis zum Jahr 1945 und wurde zu einem Zentrum des politischen und militärischen Widerstandes gegen die faschistische Besatzung. Obwohl sie durch die Verfolgung viele Kader verlor, gab es einen noch größeren Zustrom neuer Kräfte, so dass sie immer stärker wurde. Anfang 1944 war sie eine starke, mit Grundorganisationen und Partisaneneinheiten weit verbreitete und fest verankerte Partei, die auch illegale Machtorgane organisierte. Zu dieser Zeit war Wladyslaw Gomulka Generalsekretär der PPR.

Am 21. 7. 1944 wurde in den von der Roten Armee und den Einheiten der polnischen Armee befreiten Gebieten das Komitee für die Nationalen Befreiung Polens gegründet, das als die provisorische Regierung Volkspolens verstanden wurde. Einen Tag später, am 22. 7. 1944, verabschiedetet das Komitee ein Manifest, das das Programm von volksdemokratischen Reformen enthielt, die später zur sozialistischen Umgestaltung führten. Einige Tage später bezog das Komitee seinen Sitz in Lublin. Die Volksrepublik Polen entstand als Negation des  Staates des bürgerlichen Kapital- und Großgrundbesitzes. Die führende Kraft dieser Veränderung wurde die Arbeiterklasse, die im Bündnis mit anderen Klassen und Schichten des polnischen Volkes zu den revolutionären Änderungen drängte.

In Polen hatte sich die kapitalistische Entwicklung im Vergleich zu Westeuropa verspätet vollzogen, deswegen hatte die Revolution zwei Seiten: eine volksdemokratische und eine sozialistische.

Vielschichtige Widersprüche verkomplizierten die Situation, auf die zu reagieren das neue politische System sich nicht immer verstand. Man muss in diesem Zusammenhang feststellen, dass am Anfang Volkspolens die politisch aktive Mehrheit der polnischen Gesellschaft unter dem Einfluss der Großgrundbesitzer und der Großbourgeoisie stand. Dazu kam deren Unterstützung durch die katholischen Kirche, die großen religiösen und ideologischen Einfluss auf die Massen hatte. Der entscheidende Faktor für die Entstehung Volkspolens war nicht eine revolutionäre Massenbewegung, sondern die Niederlage der faschistischen Okkupation in Polen und der Sieg der Roten Armee, deren Anwesenheit auf polnischen Territorium die Aktivitäten der polnischen Konterrevolution paralysierte. Man muss sich darüber klar sein, dass Volkspolen von Anfang an formiert wurde als Staat der bewussten revolutionären Minderheit. Zusätzlich zu diesem Problem wurde die Situation verschärft durch den halb-offenen Bürgerkrieg, der bis Ende der 40er Jahre mehr als 20.000 Opfer unter den polnischen Kommunisten und deren Verbündeten forderte. Natürlich wurde dieser Bürgerkrieg von den imperialistischen Kräften des Westens unterstützt. 

Eine Revolution kann aber nicht von einer kleinen Minderheit vollzogen werden, die revolutionären Kräfte mussten sich Verbündete suchen, um die Unterstützung der Mehrheit des politisch aktiven Bevölkerungsteils zu gewinnen. Die Kommunisten und ihre Verbündeten (Sozialisten, Demokraten, radikale Bauernbewegung) mussten, um diese Mehrheit zu erreichen, den Kampf auch nach der Begründung der Volksmacht und während der revolutionären Umgestaltungen weiter führen und beweisen, dass im Resultat die Lebensumstände der Werktätigen verbesserten würden. Erschwert wurde die Lage dadurch, dass es in Polen keine revolutionäre Situation gab: die volksdemokratische Revolution war nur möglich durch die allseitige Unterstützung und Hilfe durch das sozialistische Lager vor allem durch dessen Hauptkraft, die UdSSR. Die Sowjetunion, ihre Entwicklung, ihre Hilfe hatte entscheidende Bedeutung für die Entwicklung einer jeden antikapitalistischen Revolution. Das bestimmten die internationalen Kräfteverhältnisse. Die intensive Verbindung der polnischen Revolution mit der Sowjetunion war eine historische Notwendigkeit, sie resultierte aus der Aufbauidentität, den gleichen Zielen und Interessen - genau so wie die heutige pro-imperialistische Orientierung der heutigen - sich leider an der Macht befindlichen - polnischen Bourgeoisie von ihren Aufbauzielen und Interessen ausgeht.

Die Integration Volkspolens in das sozialistische Lager und das Bündnis mit der Sowjetunion bedeutete nicht - so wie es uns die aktuelle bürgerliche Propaganda glauben machen will - eine Begrenzung oder gar Liquidierung der polnischen Souveränität, sondern sie war eine bewusste Entscheidung der polnischen revolutionären Kräfte und eine Entwicklungsgesetzmäßigkeit des revolutionären Weltprozesses. Die polnische Revolution musste gegen die historischen Lasten, den Antikommunismus und die verwurzelte Feindschaft gegen die Sowjetunion, beweisen, dass das Bündnis mit den sozialistischen Ländern und besonders mit der Sowjetunion die entscheidende Bedingung für den revolutionären Prozess war und den Interessen der Werktätigen diente, dass sie der Garant für die Liquidierung der Ursachen und Quellen von Armut und Ausbeutung war, - um so dem Antikommunismus die Grundlage zu entziehen und ein neues gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen.

Aber auch im weiteren Prozess der Revolution blieb es schwierig, denn die westeuropäischen imperialistischen Länder gingen sehr bald nach dem 2. Weltkrieg zur Sozialstaatspolitik über, die die Klassenwidersprüche vernebelte und den inneren Klassenkampf dieser Länder verflachen ließ bzw. in den Zielen beschnitt.

Die Haupt- und Grundfrage der ersten Etappe der polnischen Revolution bestand darin, das Vertrauen der Werktätigen zu gewinnen, sie dazu zu bewegen, sich an den revolutionären Umgestaltungen bewusst zu beteiligen. Die Lage war schwierig. Erstens litt Polen unter einer großen wirtschaftlichen und technologischen Rückständigkeit, ein Problem, das durch die faschistische Besatzung während des 2. Weltkrieges noch verschärft worden war. Diese Rückständigkeit spielte im Wettbewerb mit den entwickelten kapitalistischen Ländern eine große Rolle. Zweitens begannen die imperialistischen Länder sehr bald nach dem 2. Weltkrieg eine aktive militärische konterrevolutionäre Politik, denn sie hatten nie ihr Ziel aufgegeben, den Sozialismus zu liquidieren. Die unverholenen Kriegsdrohungen zwangen die sozialistischen Länder und so auch Polen dazu, die Ausgaben für die Verteidigung stark zu erhöhen, was die inneren Schwierigkeiten und Probleme verschärfte. Drittens waren die konterrevolutionären Kräfte sehr gut in der Lage, sich den neuen Bedingungen abzupassen und ihre antisozialistischen Bestrebungen im Untergrund - oft unter Mithilfe der katholischen Kirche - auszuweiten. Dabei konnten sie auch von theoretischen, programmatischen und organisatorischen Schwächen der revolutionären Kräfte profitieren, denn es gab in Polen stark verankerte reaktionäre bürgerliche und reaktionäre spätfeudale Tendenzen, die ihre Spuren auch innerhalb der revolutionären Kräfte hinterließen, ja die tatsächlich politisch aktiv waren in den Reihen der Revolution, in den Reihen der Polnischen Arbeiterpartei bzw. nach 1948 in den Reihen der Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei.

3. Historische Veränderungen Volkspolens in den 40-er Jahren

Die volksdemokratische Revolution musste zunächst bürgerlich-demokratische Aufgaben vollbringen, weil die Reste des Feudalismus eine sozialistische Umgestaltung vollständig gehemmt hätten. So musste eine radikale Bodenreform durchgeführt werden, womit schon ab Herbst 1944 in den von der Volksmacht befreiten Gebieten begonnen wurde. Während dieser Zeit wurden rund 212.000 Hektar Land an rund 110.000 Bauernfamilien aufgeteilt. Weiter vorangetrieben wurde diese Reform durch die Landverteilung in den neu gewonnenen Gebieten Polens. Die Verschuldung der Bauern und ihr ewiger Bodenhunger wurden so aufgehoben, und es entstanden gute Bedingungen für eine ökonomischere landwirtschaftliche Produktion. Der Großgrundbesitz wurde liquidiert. Bis 1949 wurden durch die Bodenreform in den alten Gebieten Polens mehr als zwei Millionen Hektar Land und in den neu dazugewonnenen Gebieten mehr als vier Millionen Hektar Land neu verteilt. Die Bodenreform zeitigte wichtige politische Resultate, denn sie neutralisierte die antisozialistischen Kräfte auf dem Lande und verbreiterte die Bündnismöglichkeiten der Kommunisten. Und sie veränderte die Eigentumsverhältnisse im Westen und Norden des Landes, in den neu gewonnenen Gebieten.

Der nächste Schritt war die Nationalisierung der großen und mittleren Industrie, die auf der Grundlage der Januargesetze von 1946 durchgeführt wurde. Die Nationalisierung der Industrie war eine entscheidende Voraussetzung für die Konzentration der Produktionsmittel beim polnischen Staat und die Einführung der zentral verwalteten Wirtschaft als Grundlage der Planwirtschaft. Die Nationalisierung schuf gleichzeitig die Möglichkeit, die materiellen Potentiale für die Interessen der Werktätigen zu nutzen, für eine allseitige Entwicklung der polnischen Gesellschaft, für die Gründung des allseitigen Volkskontrollsystems - ausgeübt durch die Arbeiterklasse - in der Produktion sowie bei der Verteilung der Güter. Das bedeutete, dass sich die polnische Wirtschaft, ja die gesamte polnische Gesellschaft, schrittweise zum Sozialismus entwickelte. Die Nationalisierung bedeutet auch die Liquidierung der materiellen Basis und des Vermögenspotentials der Bourgeoisie und der ökonomischen Potenz des Auslandskapitals, das in Polen vor dem II. Weltkrieg mehr als 60 % der Industrie kontrollierte. Diese Entwicklung wurde von harten Klassenkämpfen und herausragenden politischen Erfolgen begleitet, so der Volksentscheid von 1946 und die Parlamentswahlen vom Januar 1947, wo die konterrevolutionären Kräfte tiefe Niederlagen erlitten.

Volkspolen hat in den Jahren von 1945 bis 1948 Großes vollbracht und wichtige Errungenschaften erreicht. Die polnische Wirtschaft hatte durch den II. Weltkrieg 40 % ihres Potentials verloren, 66 % der Industriebetriebe waren vernichtet. Mehr als 6 Millionen polnische Bürger waren an den Fronten oder in den Lagern umgekommen. Besonders hohe Verluste waren in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, überhaupt der Produktion der Intelligenz zu verzeichnen. Nun wurde die Volkswirtschaft nach diesen barbarischen Kriegszerstörungen wieder aufgebaut. Schon 1948 waren die Industrieproduktion und das Inlandsprodukt größer als 1938.

Nach dem Potsdamer Abkommen bekam Polen die gerechte Grenze entlang der Flüsse Oder und Lausitzer Neiße und im Norden die breite baltische Küste. Diese Grenzen wurden von der DDR im Görlitzer Vertrag 1950 anerkannt. Polen entwickelte gute Beziehungen zur Sowjetunion und zur Tschechoslowakei. Die Regierung Volkspolens wurde 1945 von den Großmächten und der entscheidenden Mehrheit der Staaten der Welt anerkannt. Das war eine der Grundlagen für die Stabilisierung der Verhältnisse nach außen, aber auch im Inneren des Landes.

In dieser Zeit wurde die Arbeitslosigkeit, die in der Vorkriegszeit eine chronische Massenplage gewesen war, schnell beseitigt. Die ökonomische Entwicklung und die Verbesserung der Lebensbedingungen waren wirkliche politische Argumente im Kampf gegen die konterrevolutionären Kräfte, gegen ihre Pläne zur Vorbereitung eines antisozialistischen Aufstandes und führten zur weiteren Stabilisierung und Verstärkung der Volksmacht. Auch hatte Volkspolen Kirche und Staat juristisch getrennt, was eine neue Grundlage der konfessionellen Verhältnisse mit sich brachte. Im September 1948 haben sich die beiden polnischen Arbeiterparteien, die „Polnische Arbeiterpartei“ und die „Polnische Sozialistische Partei“ nach langjähriger Zusammenarbeit auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus vereinigt. Es entstand die „Polnische Vereinigte Arbeiterpartei“ unter Leitung des Vorsitzenden Boleslaw Bierut.

4. Die Bedeutung des Sechs-Jahres-Plans

Dank der guten Resultate der Wiederaufbauphase konnte Volkspolen in den Jahren 1949 - 1955 an die Realisierung neuer Aufgaben im Rahmen des Sechs-Jahres-Planes gehen. Dieser Plan hatte, obwohl nicht alle Ziele - besonders in der Landwirtschaft und in der Nahrungs- und Lebensmittelproduktion - erfüllt werden konnten, großen Einfluss auf die weitere Entwicklung Polens, denn er veränderte die sozial-ökonomische Struktur der polnischen Gesellschaft. Im Resultat wurde Polen von einem Agrar-Industrieland zu einem Industrie-Agrarland umgestaltet. Es wurden tausende neue Betriebe und ganze neue Industriezweige aufgebaut. Der Anteil des sozialistischen Sektors der polnischen Produktion stieg von 1/3 im Jahr 1947 auf 2/3 nach Vollendung des Sechs-Jahres-Planes. So wurde die gesellschaftliche Wirtschaft und insbesondere die staatliche Industrie die hauptsächliche und entscheidende materielle Basis des Landes.

In dieser Zeit wurden die Grundlagen des ökonomischen Potentials Volkspolens errichtet, sind neue Industrien entstanden, wurde die industrielle Basis der Landwirtschaft geschaffen, entwickelte sich die Bauwirtschaft und der Wohnungsbau mit großer Schnelligkeit („Warschauer Tempo“). Es folgte die Urbanisierung des Landes und Millionen Menschen fanden bessere Lebensbedingungen in den Städten. Diese Entwicklung wurde begleitet vom Ausbau des Volksbildungssystems und der Ausbildung neuer, hochqualifizierter Kader für alle gesellschaftlichen Bereichen. Diese schnelle Industrialisierung liquidierte, wie oben schon erwähnt, die Massenarbeitslosigkeit - vor allem auf dem Lande -, von der im Vorkriegspolen zwischen fünf und neuen Millionen Menschen betroffen waren.

Der Sechs-Jahres-Plan war das größte ökonomische Ereignis dieser Zeit und seine Resultate bildeten die stabile Grundlage der weiteren sozialistischen Umgestaltungen. Die Planrealisierung erforderte maximale Kraftanstrengungen aller Klassen und Schichten Volkspolens und einen ungeheuren Mut der Kommunisten. So kam es durch die Notwendigkeit von Rüstungsbelastungen wegen der von den Imperialisten mit dem Korea-Krieg endgültig durchgesetzten Politik des „Kalten Krieges“ (für Polen besonders bedrohlich: die Remilitarisierung der Bundesrepublik) zu negativen Erscheinungen wie der Verminderung des Lebensstandards der Werktätigen. Doch die Errungenschaften des Sechs-Jahres-Planes waren trotzdem so gigantisch und sie unterstützten so offensichtlich die Wahrheit, dass der gute und verlässliche sozialistische Weg, den das Volk und die politische Führung des Landes unter Leitung von Boleslaw Bierut eingeschlagen hatten, den aktuellen und zukünftigen Interessen der Arbeiterklasse und allen Werktätigen diente. Das erleichterte den Kampf um das Bewusstsein der Werktätigen und um die Unterstützung der Volksmacht in Polen.

Zbigniew Wiktor,
Wrocslaw

(Der Artikel wird in der nächsten Ausgabe fortgesetzt;
Redaktion Offensiv)

50 Jahre KPD-Verbot

Erich Buchholz:

Das Damoklesschwert.
Ein Geheimprozess, seine Hintergründe und Folgen

Das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands vor 50 Jahren am 17. August 1956 war das Ergebnis eines generalstabsmäßig betriebenen Unternehmens der Adenauerleute und ihrer us-amerikanischen Herren auf allen politischen und juristischen Ebenen. Dabei kam den Medien mit ihrem reaktionären Antikommunismus, den ich bereits 1946 in Westberlin anschaulich erlebte, eine außerordentliche Rolle zu, die nach wie vor bestimmend ist.

Warum wurde in dem soeben gegründeten westdeutschen Separatstaat BRD ein solcher umfassender Plan zur Vernichtung des Kommunismus in Angriff genommen?

Aufgrund des Sieges über den Hitlerfaschismus erlangte nicht nur die UdSSR, die, wie damals allgemein bekannt war, die Hauptlast der Niederringung Hitlers mit hohem Blutzoll getragen hatte, weltweit hohes Ansehen und vielfältige Sympathie.

Auch die Kommunisten in aller Welt, von denen bekannt war, dass sie als entschiedenste Gegner des Naziregimes im Lande die meisten Opfer gebracht und in der Emigration wirksam gegen die Nazis gekämpft hatten, wurden allgemein geachtet und anerkannt. In Italien und Frankreich wurde ihr Einfluss auf die Staatspolitik sichtbar. In Ostdeutschland vereinigten sich Kommunisten und Sozialdemokraten; die westlichen Alliierten verhinderten in Westdeutschland den auch dort begehrten Zusammenschluss.

In Ostdeutschland wurde die Einheitspartei zur maßgeblichen politischen Kraft

Die KPD wurde zum Feind Nr. 1

Diese politische Entwicklung im Gefolge der Niederschlagung des Hitlerfaschismus traf die deutsche Reaktion ins Mark und schwächte sie wie nie zuvor. Das war für Adenauer und die Kräfte hinter ihm unerträglich und gefährlich. Die KPD wurde zum Feind Nr. 1. Gemeinsam mit allen antikommunistischen Kräften, auch jenen jenseits des großen Teichs, den Mc Carty-Leuten, mit alten und neuen Nazis und ihren Verbündeten bliesen sie zum Generalangriff gegen den Kommunismus.

Dass die Kommunisten als entscheidende Kraft in dem von breiten Kreisen der bundesdeutschen Öffentlichkeit unterstützten Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands, gegen die Spaltung Deutschlands und die Gefahr eines Bruderkrieges auftraten und in einer urdemokratischen plebiszitären Form für eine Volksbefragung für Frieden und Einheit Deutschlands und für den Abschluss eines Friedensvertrages eintraten, erschien der politischen Reaktion in Westdeutschland besonders bedrohlich.

Die mit der nach Art. 20 Abs. 2 GG grundsätzlich zulässige Volksbefragung den Deutschen in Ost und West vorzulegende Frage lautet schlicht: „Sind Sie gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland im Jahre 1951?“ Allein das Vorlegen dieser Frage soll den Bestand der Bundesrepublik gefährdet haben!

In der DDR konnte der Wille des Volkes aufgrund eines Beschlusses der Volkskammer vom 9.5.1951 in gehöriger Form zum Ausdruck kommen: bei einer Wahlbeteiligung von 99,53 % in der DDR und 97,25 in Berlin-Ost bejahten in der Zeit vom 23.5. - 13.6.1951 in der DDR 95,93 % und in Berlin-Ost 97,45 % die ihnen vorgelegte Frage.

In der BRD wurde solche Volksbefragung am 24. 4. 1951 durch die Regierung verboten - aus Angst vor einem auch von dort zu erwartenden eindeutigen Ergebnis.

Verboten wurden auch Vereinigungen, die sich diesem Anliegen besonders annahmen, so die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und verschiedene Friedenskomitees. Nach einem Beschluss der Adenauer- Regierung vom 19. September 1950 waren zuvor Kommunisten aus dem öffentlichen Dienst entfernt worden.

Im „Vorlauf“ wurde die FDJ verboten

Der die FDJ betreffende Verbotsbeschluss der Bundesregierung mit der Unterschrift des Bundeskanzlers Adenauer und des Bundesministers des Innern Dr. Lehr vom 26.Juni.1951 - 1335 C 1547/51 - gründet das Verbot auf Art. 9 Abs. 2 GG: Die Tätigkeit der FDJ stelle einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes dar. Die FDJ sei daher „kraft Gesetzes“ verboten. (GMBl. Nr.17 v. 29.06.1951) Diesen „Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes“ sah man darin, dass die FDJ sich sehr aktiv gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und die dahingehende Volksbefragung einsetzte und an der Vorbereitung der Weltjugendfestspiele 1951 teilnahm! Unterstützung der Volksbefragung und der Weltjugendfestspiele als Grund für das Verbot einer demokratischen Jugendorganisation!

Im Verfahren gegen Angehörige des „Hauptausschusses für Volksbefragung“ vom 2.08.1954 - StE 68/52 und StE 11/54 musste der 3. Strafsenat des BGH einräumen: „In fast allen Kreisen der Bevölkerung zeigten sich unabhängig von der parteipolitischen Überzeugung...erhebliche Abneigung und Widerstand gegen die von der Bundesregierung vertretene Außenpolitik.“ „In das ’Nein zur Wiederbewaffnung’ mündeten zahlreiche Stimmen aus den verschiedensten politischen oder weltanschaulichen oder sonstigen Beweggründen.“

Um auf strafrechtlichem Gebiet den Schlag gegen die Kommunisten führen zu können, musste zunächst ein besonderes Strafgesetz gegen Kommunisten geschaffen und erlassen werden.(1)  Die Alliierten hatten die früheren nazistischen Staatsschutzbestimmungen für Hochverrat und anderes, völlig zu Recht, außer Kraft gesetzt. Daher gab es zunächst weder in Ost- noch in Westdeutschland Staatsschutzbestimmungen.

Indessen enthielt der ursprüngliche Text des Grundgesetzes in Art. 143 eine völlig ausformulierte Hochverratsbestimmung. Aber Adenauer genügte ein solches - normales - Strafgesetz gegen Hochverrat nicht.

Deshalb erwirkte er das 1. StrÄG vom 30. August 1951, das nicht nur an die Stelle des Art. 143 GG trat, sondern mit der „Staatsgefährdung“ (§§ 88 ff) eine völlig neue Staatsschutzbestimmung enthielt, die erklärtermaßen gegen die Kommunisten gerichtet war und den gewaltlosen, so genannten schleichenden Hochverrat erfasste.

An der Ausarbeitung dieses Gesetzes war maßgeblich Herr Schafheutle beteiligt, der bereits im nazistischen Justizministerium derartige Strafbestimmungen ausgearbeitet bzw. vorbereitet hatte.

Über die weit gefassten, auf zu unterstellende Absichten der Täter abstellenden Straftatbestände hinaus wurde auch eine - an sich von Art. 101 GG ausgeschlossene - Sonderjustiz geschaffen. Durch einen neuen § 74 a GVG wurde bei jedem LG, in dessen Bezirk das OLG seinen Sitz hat, eine besondere Strafkammer errichtet, die über bestimmte, in dieser Vorschrift aufgelistete politische Strafsachen zu entscheiden hat, so namentlich Delikte der Staatsgefährdung.

Die Rolle der Nazi-Richter

Über diesen 17 Sonder-Strafkammern, die mit besonders erlesenen Richtern besetzt wurden, nämlich übernommene Nazi-Richter, stand als Revisionsinstanz damals der 3. mit Präsidenten Dr. Geier als Senatsvorsitzenden, später der 6. - politische - Senat des BGH. Bei ihm angeklagte Strafsachen, so Hochverrat, Verfassungsverrat und Landesverrat, entschied er in erster und letzter Instanz.

Adenauer und seine Leute wollten in diesen politischen Strafkammern und im politischen Senat des BGH „besonders hochwertige Richter für diese Aufgabe… finden, die nicht jedem liege.“

Diese Sonderjustiz brachte das 1. StrÄG in den fünfziger Jahren gegen Personen zur Geltung, die die Einheit Deutschland wollten und sich gegen die Adenauer-Politik wandten, welche darauf gerichtet war, Westdeutschland zum „Bollwerk gegen den Bolschewismus“ zu machen und in das westliche Militärbündnis zu integrieren. Auf diese Weise lebte die Strafverfolgung der nazistischen Justiz in modifizierter Form wieder auf.

Um ganz sicher zu gehen, bereitete die Adenauer-Justiz ein besonderes Urteil, das so genannte Fünf-Broschüren-Urteil (2)  vor, das die von ihrer Einstellung her ohnehin genügend antikommunistischen Richter der Sondergerichte als Richtschnur für ihre strafrechtliche Verfolgung von Kommunisten und Sympathisanten dienen sollte.

Das dazu erforderliche Verfahren vor dem 3. Strafsenat des BGH wurde in einem Geheimprozess durchgeführt, das am 8.4.1952 (StE 3/52) - in erster und letzter Instanz! - zu dem berüchtigten Urteil führte, dessen juristische Substanz umgekehrt proportional zu seiner tatsächlichen Auswirkung in der politischen Strafjustiz der damaligen Bundesrepublik war.

Kaum jemand weiß heute noch etwas von diesem Urteil - wie überhaupt über die seit Beginn der 50er Jahre in der BRD betriebene politische Strafjustiz der Mantel des Schweigens gebreitet wird. Gemäß der ausdrücklichen Festlegung auf dem Vorblatt der Urteilsausfertigung findet sich dieses Urteil nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des BGH; es wurde auch sonst nicht in der umfangreichen bundesdeutschen Fachpresse veröffentlicht oder auch nur besprochen. Eine gewisse Publizität erlangte dieses Urteil durch einen späteren Aufsatz Müller-Meiningens in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 22.11. 1953 unter der Überschrift „Hexenprozesse 1953 - ein bedenklicher Ausweg“, also zu einer Zeit, als die justiziellen Auswirkungen dieses BGH-Urteils nicht mehr zu übersehen waren.

Hintergründe des Geheimprozesses

Was hat es mit diesem in einem Geheimprozess ergangenen Urteil auf sich? Das Verfahren an sich war banal. In einem sog. objektiven, einem selbstständigen Verfahren gern. §§ 430 StPO, wurden fünf Broschüren durch unangreifbares, sogleich rechtskräftig gewordenes Urteil eingezogen.

In diesen war gegen die auf Remilitarisierung und Spaltung Deutschlands gerichtete Politik der Adenauerregierung Front gemacht worden.

Warum wurde der BGH bemüht? Hätte nicht die sonst übliche polizeiliche Beschlagnahme pp etwaiger unerwünschter Schriftstücke genügt? Wäre nicht, worauf der BGH in seinem Urteil selbst hinweist, eine Einziehung dieser Schriften auf der Grundlage des durch das „Blitzgesetz“ eigens für solchen Zweck geschaffenen § 93 des damaligen StGB über §§ 98 und 86 StGB ausreichend gewesen? Warum wurde das höchste Strafgericht für eine Einziehung von fünf Broschüren bemüht?

Gemäß dem Antrag des Generalbundesanwalts fand jene Verhandlung vor dem 3. Strafsenat des BGH unter Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Möricke mit weiteren vier Bundesrichtern in Anwesenheit des Vertreters der Bundesanwaltschaft Bundesanwalt Schrübbers statt. Abgesehen vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als Protokollführer waren die Herren ganz unter sich im Sitzungssaal des Justizpalastes in Karlsruhe - nur die fünf sichergestellten Broschüren und die Akten vor sich auf dem Richtertisch liegend. Einen Verteidiger bzw. sonst Betroffenen, die etwas gegen den Antrag der Bundesanwaltschaft hätten vortragen können, gab es in diesem Verfahren nicht, obzwar § 431 Abs. 2 und 3 StPO ausdrücklich deren Beteiligung vorsah - ein gespenstiges Bild!

Wozu das? Dieses Geheimverfahren wurde nur zu dem Zweck inszeniert, um insgeheim Richtlinien für eine einheitliche und schlagkräftige Strafverfolgung von Gegnern der Adenauerpolitik wegen Hochverrats bzw. Vorbereitung zum Hochverrat, also des schwerwiegendsten Tatvorwurfs im politischen Strafrecht, zu gewährleisten.

Alsbald nach dem Fällen dieses Urteils wurde es hektographiert und auf dem Dienstweg an die „Sonderstaatsanwaltschaften“ der politischen Strafjustiz der Bundesrepublik verteilt. In der Folgezeit genügte es, unter Verweis auf dieses BGH-Urteil wortgleich zu erkennen: „Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 8. April 1952 ..,“ „Folglich ist der Angeklagte schuldig im Sinne der Anklage“

Als die Verteidiger in derartigen politischen Prozessen wiederholt nach diesem Urteil nachgefragt hatten, „schenkte“ man sich den ausdrücklichen Verweis auf dieses BGH-Urteil. Es hieß jetzt nur noch: Es ist „gerichtsbekannt“, „dass ...“ und deshalb ist der Angeklagte schuldig im Sinne der Anklage. Müller-Martens nannte dieses Vorgehen der bundesdeutschen politischen Strafjustiz (eines Staates, der sich rühmt, ein Rechtsstaat zu sein!) „das Hexeneinmaleins der Kollektivschuldvermutung“ und meinte, das habe nicht einmal der Volksgerichtshof der Nazis geschafft.

Im Urteil wird der Inhalt der fünf Broschüren weitgehend zutreffend wiedergegeben. In ihnen wurde gefordert: Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands; Verhinderung der Einbindung der Bundesrepublik in die NATO; Einheit Deutschlands; gesamtdeutsche Wahlen; Friedensvertrag; Abzug aller Besatzungstruppen. Solche Forderungen wurden damals - gerichtsbekannt - in ganz Deutschland erhoben.

Vieles, was in diesen Broschüren damals als Besorgnis ausgesprochen wurde, so die Remilitarisierung, die Einbindung der Bundesrepublik in die NATO, die definitive Spaltung Deutschlands, hat sich, zum Schaden des deutschen Volkes, alsbald danach in schlimmster Weise realisiert, einschließlich der vielen Toten beiderseits der „Mauer“. So hat die nachfolgende Geschichte die historische Wahrheit der Aussagen und Besorgnisse in den fünf Broschüren bestätigt.

Da dem Wortlaut der Broschüren nichts Hochverräterisches zu entnehmen war, zog sich der 3. Strafsenat auf Stalin zurück, der in seinem Buch „Fragen des Leninismus“ auf Lenin verwiesen hatte, der die Diktatur des Proletariats am 10. November 1918 in seiner Arbeit „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky“ als „die durch kein Gesetz beschränkte ... Herrschaft des Proletariats über die Bourgeoisie“ kennzeichnete. Um den Eindruck von Aktualität derartiger Thesen zu erzeugen, wurde statt jener allseits bekannten Arbeit aus dem Jahr 1925 eine aktuelle Neu-Auflage (1951) angezogen. Wenn dann noch Lenins Erkenntnis der Notwendigkeit der „Zerstörung der bürgerlichen Staatsmaschine“ (Werke, Bd. XXII, S. 434) bemüht wurde, dann wird dem Leser heute unwillkürlich bewusst, dass die politische Klasse in Bonn Lenin sorgfältig studierte, als es 1990 darum ging, die „Staatsmaschine“ des DDR-Staates gewaltsam zu zerstören.

.Jedenfalls genügte den Richtern des 3. Strafsenats dieses bei Stalin gefundene Zitat , um fast schulmäßig, wieder auf die gesetzlichen Voraussetzungen des § 81 StGB zurückzukommen: „Gegenstand ihres“ - der DDR-Politiker - „Angriffs ist ... die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik, ihr Ziel die bolschewistische Herrschaft im Bundesgebiet. Sie rechnen damit, ihren Plan möglichst bald durchführen zu können.“ Denn „innerhalb eines Jahres nach Friedensschluss“ (!!!) „rechnen sie mit dem Abzug der Besatzungstruppen“ - eine von der DDR nicht beeinflussbare Bedingung!

Und was wird danach sein? Auch das wissen die fünf Bundesrichter; sie wissen nämlich, dass die DDR-Politiker „wissen ..., dass, wenn es ihnen gelingt, die Eingliederung Westdeutschlands in die Verteidigungsfront der Westmächte zu verhindern, und beide Teile Deutschlands unter ihrem Einfluss wiedervereinigt sein sollten, allein schon von der militärischen Stärke der kommunistischen Staaten, „auch ohne unmittelbares Eingreifen eine seelische Bedrohung auf die Bevölkerung auch Westdeutschlands ausgehen würde.“

Wer dieses Urteil als Jurist sine ira et studio liest, kann gut nachvollziehen, dass es in camera unter Ausschluss der Öffentlichkeit produziert wurde; juristischer und beweisrechtlicher Prüfung hält es nicht stand.

Aber nun war ein solches rechtkräftiges Urteil des höchsten bundesdeutschen Strafgerichts in mundo, in der Welt - und nun konnte es als höchstrichterlicher Spruch seine angezielten verheerenden Wirkungen entfalten.

Massenhafte Verfolgungen

In der Folgezeit wurde unter Verweis auf dieses Urteil nach dem Modell der „Tarnorganisationen“, der „Kontakt- und Konsensschuld“, missliebige (d. h. die Adenauerpolitik kritisierende) Personen, die mit Kommunisten kontaktierten oder sympathisierten, strafrechtlich verfolgt. Nach dem in diesem Urteil vorgeführten Muster der Unterstellung und Umdeutung, also der Verdrehung der Wahrheit, wurden die zahlreichen Strafprozesse gegen Gegner der Adenauerpolitik durchgezogen.

Nun lief alles wie am Schnürchen. Gestützt auf das BGH-Urteil vom 8.4.1952 wurden Unrechtsurteile am laufenden Band am Fließband gefällt.

Gegen viele Hunderttausend Bundesbürger wurde die bereits erwähnte breite politische Strafverfolgung betrieben. Auch soweit sie nicht - nach Verurteilung durch Richter, die in der NS-Zeit Karriere gemacht hatten - in die bundesdeutschen Zuchthäuser und Gefängnisse geworfen wurden, wurden sie zu politischem Wohlverhalten gezwungen und mit z, T. erheblichen Verfahrenskosten belastet; andere wurden sichtlich (vom Verfassungsschutz) observiert; den Verurteilten, vielfach Opfer der Hitlerdiktatur, wurde ihre Verfolgten-Rente gestrichen und sie blieben Vorbestrafte.

Sie wurden und auch ihre Angehörigen wurden vielfältigen weiteren Diskriminierungen ausgesetzt. Es folgten der Radikalenerlass mit seinen Berufsverboten und andere Pressionen. Bis heute gibt es trotz später Einsicht in die Rechtswidrigkeit der damaligen Gesinnungsjustiz und trotz vieler Forderungen keine Rehabilitierung oder sonstige Wiedergutmachung.

Nach 1990 ging nach dem gleichen Muster der Unterstellung und Umdeutung die nächste politisch-ideologisch ebenso indoktrinierte Generation bundesdeutscher Staatsanwälte und Strafrichter gegen ehemalige DDR-Bürger, namentlich DDR-Hoheitsträger’, strafrechtlich vor. DDR-Richtern und -Staatsanwälten wurde ohne jeden Beweis unterstellt, wissentlich die Gesetze ihres eigenen Staates verletzt zu haben. Auch diesmal gab der BGH, jetzt sein 5. Strafsenat, die entsprechenden Orientierungen.

Die angeblich völlig unabhängigen bundesdeutschen Richter entschieden dank der ihnen vom Gesetz (§ 261 StPO) eingeräumten freien richterlichen Beweiswürdigung: Den (zur „Tatzeit“ meist noch ganz jung gewesenen) Grenzsoldaten wurde - anders als schießwütige bundesdeutsche Beamte beurteilt werden - unterstellt, sie hätten als „Mauerschützen“ auf Flüchtlinge „wie auf Hasen“ geschossen, also vorsätzlich Menschen getötet. Ihren Vorgesetzten wird der gleiche Tötungsvorsatz unterstellt.

Die unbestreitbare Tatsache, dass all diejenigen, die versuchten, über die stark gesicherte DDR-Westgrenze zu gelangen, oder die in anderer gesetzwidriger Weise ihre Ausreise erzwingen wollten, auf die verschiedenste Weise seitens der BRD zu derartigen Handlungen aufgestachelt worden waren und überdies (wie Zeugenvernehmungen bewiesen) genau wussten, welches Risiko sie eingingen, wird ausgeblendet - ganz so, wie im 5- Broschüren-Urteil die Tatsache, dass die Adenauerregierung eine auf Remilitarisierung und Spaltung Deutschlands gerichtete Politik betrieb, weggelassen wurde.

Auf diese Weise wird die causa, die Ursache der Antwort auf die Adenauerpolitik und dann später der staatlichen Reaktionen der DDR auf Gefährdungen ihrer Sicherheit und ihrer Existenz wegretuschiert.

Wenn man im Strafrecht das Verbrechen leugnet, wird die Strafe, die ja nur die Konsequenz des Verbrechens ist, zur Willkür!

In der Tradition der bundesdeutschen politischen Strafjustiz, die nun seit 1991 vorgibt, die DDR-Geschichte „aufarbeiten“ zu wollen, paart sich als ihr Markenzeichen Rechtsbruch mit Geschichts- und Sachverhaltsfälschung.

Rechtsbruch mit Geschichts- und Sachverhaltsfälschung

Damals, in den 50er Jahren wurde zunehmend ersichtlich, dass all die vorgenannten verwaltungsrechtlichen Verbote und die polizeiliche Unterdrückung der vorgenannten Organisationen sowie die strafrechtliche Verfolgung von Personen der Vorbereitung des vom Bundesverfassungsgericht auf Antrag der Adenauerregierung, ausgesprochenen verfassungswidrigen Verbots der KPD am 17. August 1956 diente.

Am 21. November 1951 hatte die Bundesregierung beim BVerfG den Antrag auf Verbot der KPD wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit gem. Art. 21 GG gestellt.

Gleichzeitig hatte die Bundesregierung auch das Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) beantragt, um in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass die Bundesregierung und auch das BVerfG sich gleichermaßen gegen rechts- wie linksextreme politische Parteien wenden In dem SRP-Verfahren entschied das BVerfG am 23. Oktober 1952 durch seinen Ersten Senat - 1 BvB 1/51 - (BVerf- GE Bd. 2,1.) erstmalig über ein Parteiverbot. So konnte sich das BVerfG zugleich juristische Grundlagen für das KPD-Verbot beschaffen; demgemäß wird im KPD-Verbotsurteil auf das Urteil vom 23.10.1952 verwiesen, so die Erkenntnis, dass Art. 21 Abs. 2 GG unmittelbar anwendbares Recht sei.

Im November 1954 hatte Adenauer in einem Gespräch mit dem Präsidenten des Ersten Senats des BVerfG Herrn Wintrich, einen beschleunigten Fortgang des Prozesses verlangt und angedroht, über den Weg einer Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes diese Sache dem Zweiten Senat zu übertragen.

Am 17. August 1956 wird das Verbot verkündet

Unter dem 17. August 1956 wurde das Urteil des Ersten Senats - 1 BvB 2/51 - verkündet. Der Tenor der Entscheidung lautete:

1. Die Kommunistische Partei Deutschlands ist verfassungswidrig.

2. Die Kommunistische Partei Deutschlands wird aufgelöst.

3. Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Kommunistische Partei Deutschlands zu schaf-fen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisation fortzusetzen.

4. Das Vermögen der Kommunistischen Partei Deutschlands wird zu Gunsten der Bundesrepu-blik Deutschland zu gemeinnützigen Zwecken eingezogen.

In den Urteilsgründen selbst wurden mehrere bemerkenswerte Aussagen getroffen: So meint das Gericht, dass es nur unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs des politischen Ermessens juristisch nachprüfen könne, ob die Bundesregierung nach Erwägung aller Umstände dem Gebot des Verfassungsschutzes folgend ein Antrag nach § 43 BVerfGG stellen oder die zulässige Maßnahme wegen einer Gefährdung der Wiedervereinigung zurückstellen will. Das BVerfG will nicht als politische Instanz dastehen.

Erklärt wurde weiterhin, dass ein Verbot der KPD der Wiederzulassung einer kommunistischen Partei im Falle gesamtdeutscher Wahlen rechtlich nicht entgegenstehe. Dabei wurden gesamtdeutsche Wahlen ins Auge gefasst, die die Wiedervereinigung - gemäß Art. 146 GG - herbeiführen würden. Die Kohlregierung wusste 1990 davon nichts mehr.

Bemerkenswert sind weiterhin solche Aussagen wie:

  1. Eine Partei ist nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. BVerf- GE Bd. 2, S.1,S. 12 folgende) nicht anerkennt, es muss vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen.
  2. Artikel 21 Abs. 2 Grundgesetz verlangt nicht wie § 81 StGB ein konkretes Unternehmen; es genügt, wenn der politische Kurs der Partei durch eine Absicht bestimmt ist, die grundsätzlich und tendenziell auf die Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet ist.
  3. Die eindeutig bestimmte Grenze zwischen wissenschaftlicher Theorie, die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt ist, und politischen Zielen einer Partei, die der Beurteilung nach Art. 21 Abs. 2 GG unterliegen, liege dort, wo die „betrachtend gewonnenen Erkenntnisse“ von einer politischen Partei in ihren Willen aufgenommen und zu Bestimmungsgründen ihres politischen Handelns gemacht werden.
  4. Eine Partei ist schon dann verfassungswidrig, wenn sie eine andere soziale und politische Ausprägung der freiheitlichen Demokratie als die heutige in der Bundesrepublik deshalb erstrebt, um sie als Durchgangsstadium zur leichteren Beseitigung jeder feindlichen demokratischen Grundordnung überhaupt zu benutzen, - mag diese Beseitigung auch erst im Zusammenhang mit oder nach der Wiedervereinigung stattfinden sollen.
  5. Zu den Absichten, die eine Partei verfassungswidrig im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz machen, gehören nicht nur diejenigen, die sie auf jeden Fall auszuführen gedenkt, sondern auch diejenigen, die sie nur verwirklichen will, wenn die Situation dafür günstig ist.

Auch dem juristisch nicht vorgebildeten Leser erschließt sich, in welchem Masse ständig von Absichten, Tendenzen und Willen die Rede ist, also von subjektiven Vorgängen,, die - wie der Strafrechtler weiß - nur zu gern unterstellt, statt bewiesen werden.

Die Verfassungsrichter sollten, mussten und wollten aus politischen Gründen so entscheiden. Gemäß diesen wurden scheinjuristische Begründungen nachgeschoben. Jedenfalls kann man mit solchem juristischen Vokabular nach Belieben jede missliebige Partei verbieten. Mit Rechtssicherheit hat solches nichts zu tun.

Die juristische Reichweite, der räumliche Geltungsbereich des KPDVerbots beschränkt sich auf den damaligen räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes. Die Erstreckung des Geltungsbereichs des GG auf das Beitrittsgebiet, das ehemalige Staatsgebiet der DDR per 3.10.1990, berührt nicht die hier gegründete KPD; diese unterfällt nicht dem KPD-Verbot von 1956 und ist daher in Ostdeutschland eine legale Partei. Übrigens betrifft das Verbot der FDJ von 1951 in der BRD nicht die in der DDR gegründete und auch nach 1990 im Beitrittsgebiet bestehende FDJ; sie ist, jedenfalls im Beitrittsgebiet, - weiterhin - legal.

Der zeitliche Geltungsbereich des KPD-Verbots ist verbal nicht begrenzt, also endlos. Indessen wollten die Richter des BVerfG solches aus ihrer Sicht nicht um jeden Preis. Sie erklärten, dass der Bundesregierung nicht verwehrt sei, eine Neugründung oder Wiederzulassung der KPD, insbesondere im Zusammenhang mit der „Wiedervereinigung“, zu tolerieren, wobei sie dabei im Sinne des Art. 146 GG an gesamtdeutsche Wahlen dachten. Jedenfalls aus Rechtsgründen, meinten die Richter, sei solches nicht ausgeschlossen.

Unmittelbare juristische Wirkung

Die unmittelbare juristische Wirkung des Verbots der KPD besteht in ihrer Auflösung, in der Konfiszierung ihres Vermögens und im Verbot von Ersatzorganisationen. Den Kommunisten wurde damit ihre Betätigung in ihrer politischen Partei de jure und kraft der Staatsmacht der BRD - wie schon bei den Nazis - auch de facto unmöglich gemacht.

Politisch stellt dies einen beispiellosen, nur an die Praxis der Nazis erinnernden Schlag gegen all diejenigen und eine akute Bedrohung all derjenigen dar, die soziale Gerechtigkeit und dazu eine andere, eine soziale oder eine sozialistische Republik wünschen und sich dafür einsetzen.

So trifft dieses KPD-Verbot politisch nicht nur die Kommunisten.

Die Aussagen im Verbots-Urteil sind außerordentlich weit reichend: Wenngleich - um dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5) Genüge zu tun - das Vertreten von philosophischen, ökonomischen und sozialen, auch marxistischen Auffassungen vom KPD-Verbot nicht berührt wird, solange nur theoretisch gedacht wird, so kommt das KPDVerbot, zumindest mit seiner Drohwirkung, sofort zur Geltung, wenn aus derartigen Einsichten und Erkenntnissen - was an sich selbstverständlich ist - praktische Schlussfolgerungen gezogen, wenn aus diesen Erkenntnissen praktische Aktivitäten erwachsen oder zum Handeln aufgerufen wird.

In Übereinstimmung mit dem „Ewigkeitsgebot“ des Art. 79 Abs.3 GG der für das GG maßgeblichen Bestimmungen will das KPD-Verbot so jeden gesellschaftlichen Fortschritt verbieten.

Auswirkungen und Konsequenzen bis heute

Es ist der offen reaktionäre Versuch, in die Speichen des Rades Geschichte zu greifen und dieses Rad anzuhalten, die zunehmend unmenschlichen Verhältnisse in der BRD zu verewigen, zu betonieren!

Dass die gesamte Menschheitsgeschichte darin besteht, neue über die jeweiligen Verhältnisse hinausgehende Gedanken und Erkenntnisse zu entwickeln und diese in die Tat umzusetzen - wie das in Gestalt der Reformation und der französischen Revolution von 1789 für das heutige Europa maßgebend wurde -, wollen die Richter des BVerfG nicht wissen.

Das KPD-Verbot stellt eine Bedrohung jeglichen Bemühens um eine Alternative zu den derzeitigen politischen und ökonomischen Verhältnissen in der BRD dar, weil solches als „Durchgangsstation“ zu einer anderen Republik aufgefasst werden kann, was den Aussagen des KPD-Verbotsurteils unterfiele.

So erfasst der wiederbelebte Antikommunismus keineswegs nur Kommunisten, sondern auch andere, die über die derzeitigen Zustände hinaus denken und eine dem Gebot der Menschenwürde (Art.1 GG) gemäße Veränderung dieser Zustände wollen.

Wenn kürzlich in einem Aufruf zur Gründung einer neuen Linken von einer „Veränderung der Zustände und des Denkens“ die Rede ist und in „ökonomisch-sozialen Regulierungen, kollektiv-sozialstaatlichen Strukturen sowie... Errungenschaften der bürgerlichen Demokratie“ - also sämtlich die freiheitliche demokratische Grundordnung dieser Republik wahrlich nicht gefährdende Vorgänge - ein „Ausgangspunkt für weitergehende Veränderungen dieser Gesellschaft“ gesehen wird, dann könnte ein findiger reaktionärer bundesdeutscher Verfassungsrechtler, angelehnt an das KPD-Verbotsurteil solches als Planung einer „Durchgangsstation“ zu einer anderen Republik auffassen.

Die neue Linke wird zu besorgen haben, dass sie den Maßstäben des KPDVerbotsurteils unterfällt. Solange das KPD-Verbot nicht beseitigt ist, wirkt es in Gegenwart und Zukunft als ein Maulkorb-Urteil, als Fessel jeglichen Fortschritts.

Prof. Dr. habil. Erich Buchholz,
Berlin

Artikel danken Übernommen aus: „Geheim“ Nr. 21, Ausgabe 3 /2006.

Geheim-Magazin,
Michael Opperskalski,
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Anmerkungen:

1. Näheres hierzu siehe u.a. in „Staat ohne Recht; des Bonner Staates strafrechtliche Sonderjustiz“, Gerats, Kühlig, Pfannenschwarz, Berlin VEB Deutscher Zentralverlag, 1959.

2. Siehe dazu Erich Buchholz. Das Fünf-Broschüren-Urteil; Weissenseer Blätter, 1/2000, S. 54

Die DKP nach dem Programmparteitag

Michael Opperskalski:

„The proof of the pudding is in the eating“[1]

Winston Churchill

Theoretische Positionen oder Ziele werden auf dem Prüfstand gesellschaftlicher Realitäten deutlich, oft entkleiden diese den objektiven Kern vom wohl formulieren, manchmal schillernden Überbau. Dies ist es, was der erzreaktionäre Stratege des britischen Imperialismus, Winston Churchill, mit seinem Zitat ausdrücken wollte.

Nun hat also die DKP „ihren Pudding“: das neue Programm wurde nach jahrelangen, quälenden Diskussionen verabschiedet  und - neben der nur wenig Monate zuvor durchgepeitschten „Politischen Erklärung“ - zur ideologisch-programmatischen Grundlage der Partei. Wie schmeckt nun, um im Rahmen des Churchill-Zitates zu bleiben, der „DKP-Pudding“?

Als Antwort auf diese Frage greife ich vier Aspekte heraus, die die tatsächliche Rolle des Parteiprogramms und seines Charakters beleuchten sollen:

  1. im langen, widersprüchlichen Diskussionsverlauf wurde nicht nur das ideologisch-politische Niveau der DKP des Jahres 2006 erstmals seit dem zeitweiligen Sieg der Konterrevolution (1989/1991) klar aufgezeichnet, sondern zudem für jeden sichtbar, dass es zum Teil gravierende Meinungsunterschiede innerhalb der Partei gibt;
  2. (spätestens) der 17. Parteitag hat während beider Tagungen sowohl bei der Verabschiedung der „Politischen Erklärung“ als auch des neuen Parteiprogramms deutlich gemacht, dass es Ansätze für politische Strömungen innerhalb der DKP gibt, die sich analog der Positionierung einzelner Mitglieder oder Gliederungen der Partei zu den umstrittenen ideologisch-politischen Grundfragen herausschälen und entwickeln. Diese Problematik wird zudem noch teilweise von der Tatsache überlagert, dass die DKP es nach wie vor und sehr offensichtlich nicht geschafft hat, beide historisch gewachsenen Strömungen der kommunistischen Bewegung - nämlich jener, die in der BRD im Klassenkampf gegen eine der ausgekochtesten, brutalsten und erfahrensten Bourgeoisien stand und den Genossen aus der DDR, die dort den Sozialismus als größter Errungenschaft der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung aufbauten - wirklich organisch sowie politisch-ideologisch zusammenzuführen. Zugespitzt formuliert: die DKP ist immer noch und zugleich in JEDER Hinsicht eine „West-Partei“! Das schafft zusätzliche organisatorische, politische und ideologische Probleme, hindert aber auch die Partei daran, diese einmalige historische Situation schöpferisch zu nutzen;
  3. vor allem der 17. Parteitag hat die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse innerhalb der Partei (im wesentlichen) unverhüllt von parteidiplomatischen Ränkespielen und Worthülsen offen gelegt, aber auch recht deutlich in ihrer Strategie und Taktik (was entsprechende Beschränktheiten durchaus einschließt) dargestellt. In Konsequenz daraus zeigten sich die objektive Rolle, Strategie und Taktik  sowie die tatsächlichen ideologisch-politischen Positionierungen der Protagonisten unterschiedlicher Positionen innerhalb der DKP;
  4. all dies zusammengenommen erlaubt klare Aussagen zum Charakter der DKP. Daraus lassen sich, zumindest theoretisch und unter Berücksichtigung der derzeitigen gesellschaftlichen Situation, der Entwicklung der Klassenkämpfe, aber vor allem der anhaltenden konterrevolutionären Situation in der imperialistischen BRD, einige Konsequenzen für die Kommunisten in Deutschland ableiten.

Zuspitzungen im Vorfeld des Parteitages

Nach jahrelangen, teilweise sehr heftigen Diskussionen hat sich die DKP nun auf dem 17. Parteitag in diesem Jahr ein neues Programm gegeben. Zwar wurde das Programm mit einer überwältigenden Mehrheit der Parteitagsdelegierten verabschiedet, dennoch waren ein rundes Drittel der anwesenden Genossinnen und Genossen - sicherlich aus unterschiedlichen Gründen - nicht bereit, mit „Ja“ zu stimmen, votierten damit entweder gegen das Programm oder enthielten sich der Stimme. Die Abstimmung über das Parteiprogramm lies damit zugleich deutlich werden, dass auch der letzte Entwurf, der zur Abstimmung stand, die Auseinandersetzungen über grundsätzliche Fragen des Marxismus-Leninismus sowie daraus resultierend der Strategie und Taktik der DKP, nicht wirklich klären, sondern eigentlich nur erneut vertagen konnte, aber auch, dass das Kräfteverhältnis zwischen jenen Genossinnen und Genossen, die im wesentlichem der Parteiführung folgen und ihren Kritikern recht eindeutig zu Ungunsten letzterer ausgefallen ist und recht gut die GESAMTsituation der DKP widerspiegelt (was regionale Unterschiede nicht ausschließt). In dieser Hinsicht setzte die 2. Tagung des 17. Parteitages, die über das Programm zu entscheiden hatte, das fort, was bereits während der 1. Tagung einige Monate zuvor (vor allem bei der Abstimmung über die so genannte „Politische Erklärung“) sichtbar geworden war.

Bis zum 17. Parteitag konnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Auseinandersetzungen innerhalb der DKP um Grundfragen auf eine Art und Weise eskalierten, die in einer Art Eigendynamik durchaus zur - in welcher Form auch immer wahrzunehmenden - Formierung von Strömungen, der Abspaltung einzelner Untergliederungen oder öffentlich wahrnehmbarerer Austritte hätte führen können. Geschuldet war diese Eskalation im wesentlichen dem Agieren der Parteiführung und einzelner ihrer Protagonisten, die, um ihre Positionen ziemlich kompromisslos durchzuziehen und wohl auch zuweilen unsicher geworden um die tatsächlichen Kräfteverhältnisse innerhalb der Partei, ständig „Benzin ins Feuer“ der Auseinandersetzungen schütteten:

Wir streiten uns. Das ist gut, denn in einer Epoche tief greifender weltpolitischer Veränderungen, erfüllt von widersprüchlichen Prozessen, sind unterschiedliche Einschätzungen auf Grund der unterschiedlichen Erfahrungen der Einzelnen selbstverständlich. (...)

Was geschieht statt dessen? Argumente werden nicht als Ratschlag und Diskussionsbeitrag aufgenommen, sondern als Opposition bekämpft. Was der Perspektive, die gerade die einiger Sekretariatsmitglieder ist, nicht entspricht, wird verketzert, an den Rand gedrängt, ausgegrenzt. Der Parteivorsitzende stellt jene, die abweichender Meinung sind, mit den ‚Erneuerern’ von 1988, mit der Gruppe Rosenberg/Kröll auf eine Stufe, als hätten sie eine Spaltung der Partei im Sinn. Er verlangt von den Kritikern, sie ‚sollen offen darlegen, für welches Konzept sie politisch und personell stehen’ und behauptet wahrheitswidrig: ‚dies fehlt bislang in allen Debatten’. (...) Das ist nackte Demagogie, kein solidarischer Diskussionsstil unter Genossen.

Was für eine Partei sind wir, deren Organ, die UZ, unserem früheren Parteivorsitzenden Herbert Mies den Abdruck eines Briefes verweigert, der eine milde Kritik am Sekretariat enthielt? (...)

Genossinnen und Genossen, der 16. Parteitag hatte dem PV für die nächst Arbeitsperiode den unmissverständlichen Auftrag erteilt, nach weiterer gründlicher Diskussion den Entwurf zu einem Parteiprogramm zu veröffentlichen. Jetzt erklärt Heinz Stehr im UZ-Interview, es sei notwendig gewesen, ‚den Zünder aus einer polarisierenden und lähmenden Programmdebatte herauszudrehen’. Darf ein PV so mit Parteitagsbeschlüssen umgehen? Ich zitiere aus dem Brief von Herbert Mies an mich: ‚Die Vorgehensweise ist für mich und viele andere unverständlich, arrogant und von Macht und personaler Rechthaberei geprägt. Das ist schlimm.’ Das sagt ein erfahrener Parteiführer. Und ich füge hinzu: so polarisiert man. (...)[2]

Die Zündschnur glimmt nur noch leicht rauchend vor sich hin

Von dieser durchaus explosiven Atmosphäre spürt man heute nur noch wenig, obwohl die grundsätzlichen Fragen eben nicht geklärt wurden. Was ist passiert? Zunächst stärkte das sehr deutlich zu Tage getretene Kräfteverhältnis während der 1. Tagung des 17. Parteitages ganz offensichtlich das Selbstbewusstsein der Parteiführung, ihre Positionen in den wesentlichen Kernaussagen mit allerdings weniger eskalierendem „Benzin in den Kanistern“ sowie damit einhergehend stärkerer Kompromissbereitschaft in einzelnen Formulierungsfragen durchzusetzen: „Der Parteitag hatte sich ja konkrete Ziele gesteckt mit dem Parteitag. Unterm Strich sind diese Ziele erreicht worden. Etwas besseres konnte uns nicht passieren. Die politische Erklärung wurde verabschiedet. Das Referat mit seiner politischen Linie fand große Zustimmung. Die Diskussion deckte sich weitgehend damit. (...)“ [3]

Die wahrnehmbare Pazifisierung der Atmosphäre in der DKP ist jedoch nicht nur aus dem veränderten Verhalten der Parteiführung und ihrer Protagonisten zu erklären. Beides trifft auf Kritiker, deren Minderheitenposition inzwischen nicht nur eindeutig dokumentiert wurde, die zudem weder über eine klare ideologisch-politische Linie verfügen noch auch nur ansatzweise organisatorisch abgestimmt aufgetreten sind. Gepaart ist dies mit einem politisch defensiven Herangehen an die Auseinandersetzungen um Grundfragen marxistisch-leninistischer Politik und Ideologie, was dann immer mehr in ein Zurückweichen und Einknicken vor den Positionierungen der Parteiführung einmündete. Manche Kritiker wurden im Verlauf dieses Prozesses gar zu „Ehemaligen“, wechselten die Seiten und exekutieren inzwischen im Großen und Ganzen die politische Linie der Parteiführung. Als personelles Beispiel für so eine Entwicklung mag die DKP-Landesvorsitzende von Brandenburg Brigitte Müller gelten.

Viele Kritiker begaben sich allerdings bereits schon im längeren Vorfeld in die politische Defensive, weil sie aus politischen, ideologischen oder taktisch gemeinten Gründen nicht bereit oder willens waren, die ausgebrochenen Auseinandersetzungen um essentielle Grundfragen des Marxismus-Leninismus als Auseinandersetzungen mit dem Revisionismus und seinen Trägern in der kommunistischen Bewegung zu begreifen und dementsprechend auch zu führen. Damit blieb immer unwidersprochener, was der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr bereits 2003 wie folgt formulierte: „Eine wesentliche Kontroverse ergibt sich aus der Fragestellung: 1. Sind wir alle der Meinung, dass alle bisher beteiligten Standpunkte von der Grundlage des Marxismus ausgehen oder nicht? Ich sehe es so, was die bisherigen Diskussionen in der Programmkommission anbelangt. Es ist kein Streit zwischen Marxisten und Revisionisten, wie es teilweise in Publikationen (Rotfuchs, offen-siv usw.) dargestellt wird. Es ist ein Streit im ‚normalen’ Spannungsfeld der Meinungsvielfalt einer kommunistischen Partei (auch international so). (...)“[4] Auf dieser Ebene trifft sich Stehr dann eben und gerade auch mit Hans Heinz Holz, der vielen Kritikern als Leit- und Orientierungsfigur galt und gilt: „In vielen Einzelfragen mag und wird es auch unterschiedliche Vorstellungen bei Genossinnen und Genossen geben. Sie verdienen Beachtung und Respekt. (...) Der Ausdruck unserer politischen und weltanschaulichen Einheit ist das Programm, das sich die Partei gibt. Darum ist es richtig, dass um die Inhalte des Programms mit höchstem Ernst gerungen wird. (...) Wo Differenzen auftauchen, müssen diese in gegenseitiger Achtung und ohne Rechthaberei ausgetragen werden. (...) Es gibt keine Alternative zur Partei.[5] An anderer wurde Holz jedoch noch deutlicher: „Unleugbar ist, dass unter Kommunisten heute konzeptionelle Differenzen bestehen, die auch in kontroversen Publikationen zutage treten. Nicht ideologische Verdammungsurteile schaffen diese Situation aus der Welt, sondern nur eine konsequente und solide  theoretische Arbeit, die sich mit der Praxis des Klassenkampfes vermittelt. Damit muss die Einheit aller kommunistisch Denkenden das Ziel sein; Zersplitterung der Kommunisten nutzt nur der herrschenden Klasse. Eine polemische Kritik von ‚links’ schwächt den ohnehin schwierigen Konsolidierungsprozess der kommunistischen Partei, der DKP, die die Kerntruppe der ‚Linken’ in Deutschland bildet. Wie wir aus der Geschichte der Arbeiterbewegung wissen, haben sich antikommunistische Geheimdienste sich dies immer wieder zunutze gemacht.“[6]

Auf diese Weise wird jedoch die (notwendige!) Auseinandersetzung um Grundpositionen der Kommunisten, um die Pfeiler des Marxismus-Leninismus, beliebig. Jeder solle eben als Marxist und Kommunist bezeichnet werden, solange er sich selbst als solchen bezeichnet, fast völlig losgelöst von Positionen, die er oder sie in theoretischen oder aktuellen Fragen des Klassenkampfes und Grundfragen des wissenschaftlichen Sozialismus vertritt. Damit wird verständlich, warum sich Stehr und Holz letztlich in (nicht nur) einer entscheidenden Frage, die jedoch jederzeit zu einer Kardinalfrage der kommunistischen Bewegung wird, einig sind: es geht eben angeblich bei den Auseinandersetzungen in der DKP eben nicht um eine Auseinandersetzung mit dem Revisionismus und seinen Vertretern innerhalb der kommunistischen Bewegung. Das ist in Konsequenz mehr als eine Unterschätzung des Revisionismus - trotz seiner Rolle als notwendige Voraussetzung für den Sieg der Konterrevolution in den ehemals sozialistischen Ländern -, es Bedeutet die Anerkenntnis der Berechtigung revisionistischer Positionen innerhalb der kommunistischen Bewegung....

Diese, diplomatisch formuliert, Defensivposition vieler Kritiker in der DKP, sicherlich auch der entsprechende Einfluss einer ihrer Leitfigur, von Hans Heinz Holz eben, geschuldet, macht erklärlich, wieso es zu keinem gemeinsamen strategischen und taktischen Auftreten kommen konnte und fast in allen politischen wie ideologischen Fragen ein mehr oder weniger billiger Kompromiss an die Parteiführung den nächsten jagte.[7]

Und nun wird die politische und ideologische Niederlage schön geredet

In seinem langen Grundsatzartikel in der Tageszeitung „junge Welt“ vom 20. April 2006 formuliert Hans Heinz Holz unter der Überschrift „Aufbau von Gegenmach“ euphorisch über das gerade auf der 2. Tagung des 17. Parteitages verabschiedete Programm: „Das Programm jedenfalls zeichnet meiner Meinung nach im Grundsätzlichen ein klares Profil. Es wird klar ausgesprochen, wie die Partei ihr politisches Ziel versteht. (...) < hier folgt jetzt die kurze Aufzählung von angeblich im Programm festgelegten marxistisch-leninistischen Grundpositionen > Die DKP ist die Partei der deutschen Kommunisten[8]. (...) Dem Programm fehlt noch dieser Fanfarenton des Aufbruchs. Es ist im ganzen zu beschreibend, und manche Beschreibungen halte ich für fraglich. Es ist mir zu wenig kämpferisch im Ton. Die Partei profiliert sich nicht genug gegenüber den pluralistischen ‚Kräften des Widerstands’. Darum bleibt die Darstellung des Weges zum Sozialismus blass.

Aber das Programm hält die Voraussetzungen fest, von denen aus dieser Aufbruch erfolgen kann. Es setzt eine Schranke gegen Revisionismus und Opportunismus.“ Wenn denn der letzte Teil der Aussage zutrifft, dann möge uns Hans Heinz Holz einmal verständlich und fern vom Philosophenturm ohne Bodenhaftung einmal erklären, warum denn sich die DKP dann auf Seiten der mit dem US-Imperialismus kollaborierenden, verräterischen so genannten „KP des Irak“ engagiert, während des zionistisch-imperialistischen Aggressionskrieges gegen den Libanon die Umsetzung der UN-Resolutionen forderte, was eine Durchsetzung der nordamerikanischen imperialistischen Neuordnung der Region des Nahen Ostens bedeutet und die DKP in krassen Widerspruch zu den meisten kämpferischen Bruderparteien des Nahen Ostens bringt[9] oder auf unterschiedlichen Ebenen mit konterrevolutionären trotzkistischen Elementen à la SAV oder „Linksruck“ zusammenarbeitet, die offen für den Sturz der revolutionären Führung des sozialistischen Kuba eintreten. Das sind nur einige aktuelle Beispiele für die sehr konkrete Aufgabe kämpferischer antiimperialistischer Positionen.  Wo blieb da „die Schranke gegen Revisionismus und Opportunismus“, die uns Hans Heinz Holz so euphorisch sehen lassen möchte? Wo bleibt aber auch seine eigene, klare und eindeutige Positionierung zum Beispiel in den von mir angesprochenen Fragen?

Zu der von Holz im Programm gesehenen „Anerkennung für die Leistungen beim Aufbau des Sozialismus in der DDR“ (dies ist ein Punkt aus seiner in seinem bereits zitierten jW-Artikel herausgestrichenen Aufzählung angeblich im DKP-Programm festgezurrten marxistisch-leninistischen Grundpositionen, d. Verf.). Es ist richtig: an einer Stelle des Programms wird formuliert, dass die „DDR, ihr konsequenter Antifaschismus, ihr Eintreten für Frieden, Entspannung und Abrüstung sowie  die Verwirklichung elementarer sozialer Grundrechte gehören zu den größten Errungenschaften der deutschen Arbeiterbewegung.“[10] Doch nur wenige Absätze weiter wird das „administrativ-zentralistische ‚Sozialismusmodell’“ (ja, tatsächlich in Anführungszeichen geschrieben, was durchaus den Eindruck erwecken kann, dass die Autoren den real existierenden Sozialismus nicht als wirklichen, echten Sozialismus ansehen, d. Verf.) abgelehnt. Das geht doch einfach nicht zusammen. Was denn nun? Eindeutig ist nur, dass eine zunächst richtige und wichtige Aussage wieder zurückgenommen wird. Das will uns Hans Heinz Holz allerdings anders verkaufen. Ich schlage ihm deshalb einfach einmal vor, in ein Restaurant seiner Wahl zu gehen, ein Essen nach seinem Gusto zu bestellen, dieses dann vor dem Koch und der Bedienung des Lokals überschwänglich zu loben, es jedoch bereits kurz nach dem Nachtisch in aller Öffentlichkeit wieder auszukotzen. Was wird dann bei den anwesenden Gästen wohl eher wahrgenommen und als wirkliche „Aussage“ zur Qualität des Essens angenommen werden: die wohlformulierten Worte des Lobes oder das Erbrechen?

Die Aussage(n) zum Sozialismus sind typisch für weite Teile des Programms. An einigen Stellen wird richtiges und wichtiges gesagt, was an anderen Stellen unzweideutig zurückgenommen oder zumindest relativiert wird. Vieles fehlt schlicht und einfach auch, was zu den Grundbausteinen des Marxismus-Leninismus gehört. Auch diese Aussagen lassen sich ruhig und inhaltlich am Text des Programms nachweisen, was hier und an dieser Stelle nicht meine Aufgabe ist, zumal es andere Autoren in „offen-siv“ bereits en Detail geleistet haben.

Fazit: mit dem neuen Programm hat sich die DKP ein in weiten Teilen revisionistisches Programm gegeben. Tatsache ist auch, dass die Führung der Partei zumindest revisionistisch dominiert wird und das vor dem Hintergrund der während beider Tage des 17. Parteitages deutlich gewordenen Kräfteverhältnisse innerhalb der DKP, die zu Ungunsten der Kritiker ausfallen. Kurzum: man kann nicht anders, als die DKP jetzt als revisionistische Partei zu charakterisieren. Diese Aussage bedeutet eindeutig NICHT, diese zu bekämpfen oder zu verteufeln, sondern zu versuchen, sie im antiimperialistisch-demokratischen Kampf an möglichst vielen Fronten einzubinden, gerade auch im klaren Bewusstseins ihres Charakters.

Vor diesem Hintergrund wird die schon öfters und länger in „offen-siv“ zur Diskussion vorgestellte Position aktueller, dass es im imperialistischen Deutschland derzeit an einer einheitlichen, marxistisch-leninistischen Partei fehlt. Diese aufzubauen und möglichst viele Kommunisten, vor allem auch Mitglieder der DKP, in diesen Prozess mit einzubeziehen, ist die Aufgabe ALLER Marxisten-Leninisten in der BRD.

Für die Mitglieder der DKP, die sich trotz alledem und immer noch als Marxisten-Leninisten verstehen, steht daher jetzt die Herausforderung an, sich innerhalb der Partei taktische und strategische Konzepte zu erarbeiten, die dem Aufbau einer einheitlichen kommunistischen Partei, die fest auf dem Boden des Marxismus-Leninismus steht, nutzen. Dabei bleibt die Auseinandersetzung mit dem Revisionismus in all seinen Spielarten ein unverzichtbarer Kern dieses Prozesses.

Michael Opperskalski,
Köln

60. Jahrestag der Gründung der SED - Lehren für heute?

Heinz Hoffmann:

Welträtsel oder Klassenkampf ?

(Vorbemerkung der Redaktion: Heinz Hoffmann hatte an den Vorsitzenden des RotFuchs-Fördervereins, Rolf Berthold, nach der Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Gründung der SED, die der RotFuchs gemeinsam mit Freunden und Bündnispartnern organisiert hatte, u.a. geschrieben: „Im Besitz der Rede des stellv. Vorsitzenden des RotFuchs-Fördervereins e.V. Prof. Dr. Dieckmann, welche dieser aus Anlass des 60. Jahrestages der Gründung der SED hielt, kann ich nicht umhin, dazu einige kritische Bemerkungen zu machen. Diese habe ich als Anlage beigefügt. (…) Ich halte es für legitim, der großen Leserzahl des RotFuchs nicht nur die Auffassungen von Prof. Dieckmann (oder des RotFuchs-Vorstandes?) zur Kenntnis zu geben, sondern auch meine Darlegungen auf einem Einlegeblatt der nächsten Ausgabe des „RotFuchs“ beizufügen.“ Und einige Zeit später, nämlich am 23.7.06, kündigte er gegenüber Rolf Berthold an: „Da ich bis zum heutigen Tage keine Antwort erhalten habe, gestatte ich mir, dieses Anschreiben und meine Darlegungen den RotFuchs-Lesern zur Kenntnis zu geben, - soweit mir das organisatorisch möglich ist.“  Er hat uns den Text zugeschickt, und da wir der Auffassung sind, dass die Kenntnisnahme des Textes durchaus lohnen ist, bringen wir ihn hier.  D. Red.)

„Als die Arbeitereinheit vollzogen wurde“ war die Veranstaltung anlässlich des 60. Jahrestages der Gründung der SED überschrieben. Das Hauptreferat hielt Prof. Dr. Dieckmann, stell-vertretender Vorsitzender des RotFuchs-Fördervereins e.V., veröffentlicht in „junge Welt“ und in einer Beilage zu „RotFuchs“, Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland’.

Der Schaffung der Arbeitereinheit, gipfelnd in der Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED),  zu gedenken, ist eine gute Sache. Eine solche einheitliche marxistisch-leninistische Partei wieder ins Leben zu rufen, ist dringend notwendig. Leider sind wir davon meilenweit entfernt. Ich bezweifle, dass einige Passagen des Referats diesem perspektiven Ziel dienlich sind. Nachfolgend meine Gedanken zu der einen oder anderen Aussage im Referat, teilweise unter Verwendung der o.a. Veröffentlichung.

Das Parteiprogramm der Eisenacher (1875) war theoretisch falsch. Trotzdem entwickelte sich die Sozialdemokratie zur stärksten revolutionären Kraft, bekam einen großen Stimmenzuwachs. Das Erfurter Programm von 1891 war im Sinne Lenins, - aber es hat den Zusammenbruch 1914, die Zustimmung der SPD-Fraktion zu den Kriegskrediten, nicht verhindert.

Prof. Dieckmann fügte an: „Parteiprogramme sind von großem Gewicht. Aber Programme an sich kämpfen nicht. Es sind immer Menschen, die von programmatisch gefassten Ideen erfüllt, tatkräftig in die Speichen der geschichtlichen Bewegung greifen“. Zugespitzt könnte ich schlussfolgern: ein Programm ist zwar theoretisch bedeutungsvoll, aber ob es richtig oder falsch ist, hat keinen Einfluss auf Zuwachs und Aktivitäten der Arbeiterbewegung, sie greift in die Speichen der Geschichte, ob mit oder ohne Programm, ob es richtig ist oder falsch. Höre ich da: „Die Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts?“

Wenn die Arbeiterbewegung zwischen 1875 und 1891 einen großen Aufschwung nahm, die Sozialdemokratie sich zur anerkannten revolutionären Partei entwickelte, könnten dafür nicht das Sozialistengesetz und die schnelle Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland Ursachen sein? Das Sozialistengesetz unterdrückte nicht nur die Arbeiterbewegung, es hatte auch zur Folge, dass die Sozialdemokraten vielfältige Methoden der Parteiarbeit entwickelten, die Lage der Arbeitenden richtig erkannten und ihre Interessen zu denen der Partei machten - und auf dieser Basis das neue, richtige Parteiprogramm zustande kam?

Von  1891 bis 1914 vergingen 15 Jahre bis zur Kapitulation der Sozialdemokratie. Waren das nicht die Jahre, in denen sich der deutsche Kapitalismus zum Imperialismus entwickelte? Dieser ökonomische Faktor könnte schon Einfluss auf die Haltung der Sozialdemokratie genommen haben. Hinzu kommt, dass Parlamentarier mitunter eigene Wege  gehen - wie man auch in der heutigen Politik sieht -  unabhängig vom Parteiprogramm, „nur ihrem Gewissen verpflichtet“.

An einer andern Stelle des Referats heißt es: „die Deutungshoheit über die Schwachstellen unserer Geschichte darf nicht den Gegnern überlassen werden. Das ist in mancher Hinsicht schmerzhaft. Zu schlichte Erklärungsmuster sollten wir meiden“. Der Gegner verfügt über alle Mittel der Massenbeeinflussung - und hat damit Erfolg. Um die Deutungshoheit über die Schwachstellen unserer Geschichte zu erlangen, bedarf es eines klaren Klassenstandpunktes, fußend auf dem Marxismus-Leninismus.

Der Hinweis des Dresdner Genossen auf den Revisionismus sollte Anlass sein, sich dieser Problematik zu stellen, denn eine allgemeine Erscheinung ist, dass diejenigen, die heutzutage eine revisionistische Programmatik und Politik verfechten, es gar nicht leiden können, wenn man sie Revisionisten nennt - und sich auch nicht bemühen, dazu Stellung zu nehmen.

Das Beispiel vom Sieg des vietnamesischen Volkes widerlege die These von der revisionistischen Verkommenheit - trifft das zu ? Der Kampf des vietnamesischen Volkes für seine Befreiung vom Kolonialjoch begann 1945 mit der Ausrufung der DRV, sie führte einen aufopferungsvollen heroischen Kampf gegen die französischen Kolonisten, konnte einen großen Sieg 1954 in der Schlacht um die Dschungelfestung Dien Bien Phu erringen und am 1. Mai 1975 Saigon befreien, die Truppen der USA vertreiben.

Es liegt also ein großer Zeitraum zwischen Beginn des Kampfes und dem Datum des Sieges. Das vietnamesische Volk, unterirdische Gräben bauend, in Erdhöhlen lebend, Lasten wie die Mulis schleppend, amerikanischen Entlaubungs-Gift trotzend, hätte sich auch nach 1956 von seinem Freiheitskampf nicht abbringen lassen. Auch ein Chruschtschow konnte hier nicht bremsen, denn die Prinzipien des proletarischen Internationalismus wirkten weiter - wie auch die Hilfe der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten, die DDR eingeschlossen. Chruschtschow tat immer zwei Dinge gleichzeitig: Den Revolutionär spielen und den revisionistischen Kurs mal versteckt, mal offen oder ein wenig verbrämt weiterführen.

Im Zusammenhang mit Vietnam  wäre außerdem noch in Betracht zu ziehen, wie sich die Kommunistische Partei Chinas in dieser Periode verhielt, denn sie trug den Chruschtschowschen Kurs nicht mit, was letztlich dazu führte, dass das Drittel der Erde mit kommunistischer Zielstellung unter neuen Gesichtspunkten gesehen werden musste.

 „Zu schlichte Erklärungsmuster sollten wir meiden“ - dafür bin ich auch. Nur, welche Erklärungen bietet uns der Referent an? Fast ausschließlich nur Fragen aufwerfen und vorhandene Kenntnisse über die Hauptursache unserer großen, vorläufigen Niederlage anzuzweifeln, das bringt uns keinen Schritt weiter. „Es war schon immer ein Irrtum, zu glauben, einäugig beherrsche man das räumliche Sehen besser“ - wer tut so etwas? Könnte nicht die bei Götz Dieckmann sicher vorhandene umfassende marxistisch-leninistische Bildung helfen, das räumliche Sehen zu erweitern? Seine letzte hohe Funktion im Parteiapparat der SED lässt dieses vermuten.

Wenn dann noch alle akademisch Gebildeten, die in der DDR und/oder der Sowjetunion den Marxismus-Leninismus studierten, hier lehrten oder mit dessen Anwendung befasst waren - und heute noch dazu stehen - sich der Aufgabe unterziehen würden, ihren Beitrag zur Analyse der Hauptursache des Niedergangs des Sozialismus in Europa zu leisten, dann könnten über diese hinaus die vom Revisionismus ausgehenden Wirkungen auf alle gesellschaftlichen Bereiche erklärbar werden.

Die revisionistischen Zersetzung der kommunistischen Weltbewegung beginnt mit dem Jahre 1956 als Chruschtschow am Ende des XX. Parteitages der KPdSU in Hasardmanier die Delegierten mit seiner „Geheimrede“ konfrontierte, keine Diskussion möglich war, der Text den kommunistischen Parteien vorenthalten wurde. So lange alle, die sich mit den Ursachen des Niederganges der kommunistischen Weltbewegung befassen, nicht gewillt sind, die im Rechenschaftsbericht an den Parteitag enthaltenen revisionistischen Thesen als solche wahrzunehmen, die Art und Weise der Kritik am Personenkult als parteischädlich zu erkennen, so lange wird es keine Übereinstimmung bei der Ursachenanalyse geben.

Dass es bei der Beurteilung gesellschaftlicher Vorgänge im Weltmaßstab um „Rätsel“ gehen könnte, ist mir neu. Agententätigkeit ist sicher ein vielseitiges Problem. Für unsere Betrachtung geht es nicht um kleine Fische, die irgendwo ein Objekt ausspähen, eine Brücke sprengen, einen Sendesaal in Brand setzen, in eine politische Partei eindringen, um diese zu unterwandern. Da der Revisionismus eine geistige Strömung ist und von Menschen erdacht wurde, kann er nur über Menschen wirksam werden. Folglich werden Politiker, politische Parteien, Abgeordnete in den Parlamenten, Regierungs- und Staatschefs manipuliert und sie wirken in ihren Handlungen als Agenten des Imperialismus.  Ob sie dabei aus Überzeugung, Geltungsbedürfnis, Hass oder für Dollars tätig werden, ist unerheblich. Ungeachtet dessen ist allgemein bekannt, dass die CIA weltweit als eines der Hauptinstrumente zur Destabilisierung ’ungeliebter’ politischer Systeme fungiert, die Organisation bzw. Durchführung von Morden eingeschlossen. Klaus Steiniger zitierte in „Tops und Flops“, aus der  Direktive 10/2  (1948) des ‚Nationalen Sicherheitsrates der USA’ „als geheime Aktivitäten wurden genannt: Propaganda, Wirtschaftskrieg, direkte Präventivhandlungen einschließlich Sabotage … Wühlarbeit gegen feindliche Staaten, einschließlich Hilfe für die illegalen Widerstandsbewegungen im Untergrund, für Guerillas sowie die Unterstützung von antikommunistischen Elementen in bedrohten Ländern der freien Welt“.

Wieviel Augen für das „räumliche Sehen“ erforderlich sind, müsste noch definiert werden, zumal uns ein solches Genie wie Lenin fehlt. Aber ganz so nackt stehen wir auch nicht da. So stellte bereits die „Internationale Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien 1957“ fest: „Der moderne Revisionismus ist bemüht, die große Lehre des Marxismus-Leninismus in Verruf zu bringen, er erklärt sie für ‚veraltet`, behauptet, sie habe heute ihre Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung verloren. Die Revisionisten sind bestrebt, die revolutionäre Seele des Marxismus auszumerzen und den Glauben der Arbeiterklasse und des schaffenden Volkes an den Sozialismus zu erschüttern. Sie wenden sich gegen die historische Notwendigkeit der proletarischen Revolution und der Diktatur des Proletariats beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus, sie leugnen die führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei, sie lehnen die Prinzipien des proletarischen Internationalismus ab, sie fordern Verzicht auf die grundlegenden Leninschen Prinzipien des Parteiaufbaus und vor allem auf den demokratischen Zentralismus, sie fordern, dass die kommunistische Partei aus einer revolutionären Kampf-organisation in eine Art Diskutierclub verwandelt wird“. In der Schlusserklärung der „Internationalen Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien 1960“ wurde erneut betont, dass der Revisionismus die Hauptgefahr für die kommunistische Weltbewegung darstellt - wobei der Demagoge Chruschtschow sich dieser Einschätzung nicht entziehen konnte.

Da bei diesen Beratungen eine große Anzahl Vertreter der kommunistischen und Arbeiter-parteien anwesend waren, kann wohl kaum von Einäugigkeit gesprochen werden. In der Gegenwart gibt es Kommunisten, die dem Marxismus-Leninismus treu geblieben sind, die sich noch auf der Höhe von Marx, Engels, Lenin und Stalin befinden. Ihnen ist es zu danken, dass 16 Jahre nach dem vorläufigen Sieg der Konterrevolution der `Diskutierclub` mit Tatsachen konfrontiert wird. Was auf theoretischem Gebiet für den gesellschaftlichen Fortschritt im 21. Jahrhundert zu leisten ist, wird nur dann über den `Diskutierclub` hinausreichen, wenn bei dem Höhenflug nicht nur drei Namen genannt werden und sich jeder aus ihren Werken heraussucht, was ihm gerade passt, sondern der Marxismus-Leninismus in seinem Zusammenhang zugrunde gelegt wird. Wer dabei die theoretischen Leistungen Stalins bewusst und absichtlich vergisst, ist unglaubwürdig, erweist der kommunistischen Bewegung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einen schlechten Dienst - ganz zu schweigen davon, welches Ansehen Stalin als Persönlichkeit, als Politiker, Staatsmann und militärischer Führer bis 1956 in der DDR genoss. Es gereicht keineswegs kommunistischen Parteien bzw.  Gruppierungen oder Einzelpersonen zur Ehre, wenn sie heute den Mann, der fast 30 Jahre an der Spitze der kommunistischen Weltbewegung stand, diese maßgeblich prägte und der international geachtet wurde, in die Vergessenheit verbannen wollen - Schützenhilfe dem Klassengegner und insbesondere dessen Medien leistend.

Für den gesellschaftlichen Fortschritt, insbesondere das Zusammenführen der zersplitterten kommunistischen Gruppierungen zu einer einheitlichen kommunistischen Partei  gibt es nur eine einzige Möglichkeit: das Sich-wieder-Besinnen auf die Lehre von der Partei neuen Typus - einschließlich der theoretischen Leistungen Stalins. Das ist der einzige Maßstab, an dem sich eine kommunistische Partei messen lassen muss, will sie diesen Namen zu Recht tragen - und damit endet der `Diskutierklub`. Es gibt nur eine wissenschaftliche marxistisch-leninistische Weltanschauung und nicht hundert, wie man meinen könnte, liest man so manchen ganz- oder mehrseitigen Zeitungsartikel oder Beitrag in einer Zeitschrift - bis hin zu Leserbriefen, wo jeder Verfasser mehr oder weniger für sich in Anspruch nimmt, nur er habe recht.

Was die weiteren „Problemkreise“, Beispiel Arbeitsproduktivität anbetrifft, so könnte es eine dankbare Aufgabe der Zeitschrift „RotFuchs“ sein, sich diesen zuzuwenden. Ob es jedoch notwendig ist, bezüglich der Nichtverteidigung der DDR, den Betriebsparteiorganisationen, dem Eigentümerbewusstsein … die Diskussion neu anzukurbeln, bezweifle ich.

Heinz Hoffmann,
Strausberg

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Gerhard Feldbauer:
Mussolinis Überfall auf Äthiopien. Eine Aggression am Vorabend des Zweiten Weltkrieges

So lautet der Titel der siebten Publikation Gerhard Feldbauers über Italien. Nachdem er vor einem Jahr mit seiner Frau und Journalistenkollegin Irene „Sieg in Saigon“ vorgelegt hat, wendet er sich wieder Italien zu. Wie immer zieht der Autor aktuelle Vergleiche zur Gegenwart. Mit dem Einzug der italienischen Armee am 5. Mai 1936 in die äthiopischen Hauptstadt ging der am 3. Oktober 1935 begonnene Eroberungsfeldzug zu Ende, bei dem  275.000 Äthiopier ums Leben kamen. Der Widerstand hielt an. Bis zum Einmarsch britischer Truppen 1941 fielen insgesamt 750.000 Einwohner dem Kolonialterror zum Opfer. Die Ereignisse, die in den Abgrund des Zweiten Weltkrieges führten, haben in der Gegenwart erstaunlich wenig Aufmerksamkeit gefunden, schreibt Feldbauer. Dabei müssten aktuelle Parallelen dazu geradezu herausfordern. Nach Jugoslawien und Afghanistan ist das der USA-Überfall auf Irak. Die Beschwichtigung der Öffentlichkeit, die Großbritannien und Frankreich 1935 angesichts der Aggressionsvorbereitung betrieben, ging als Appeasement in die Geschichte ein. Heute belügen die deutsche wie andere europäische Regierungen die Bevölkerung über den Charakter des Überfalls auf den Irak als eines völkerrechtswidrigen Aggressionskrieges, verharmlosen oder verschweigen die begangenen Kriegsverbrechen.

Der Autor liefert eine fundierte Recherche mit - wie bei all seinen bisherigen Büchern - vielen nicht oder auch wenig bekannten Fakten. Bereits im Januar 1935 gab Frankreich in einem Geheimvertrag mit Mussolini diesem eine „Carte blanche“ für die Aggression. Als sie im Oktober begann, verhängte der von London und Paris beherrschte Völkerbund nur wirkungslose Sanktionen. Das für den Einsatz der Panzer und der Luftwaffe entscheidende Erdöl durfte weiter an Italien geliefert werden. Der Vorschlag der UdSSR, den Suezkanal für den Nachschub an die italienischen Truppen zu sperren, wurde ignoriert. Der britische Außenminister Lord Simon befürchtete, das könnte zur Niederlage Italiens und zum Sturz Mussolinis führen. Wie im Regime Hitlers sahen die Westmächte auch in dem Mussolinis ein wirksames „Bollwerk gegen den Bolschewismus“. Hitlers Aggressionsdrang wollten sie nach Osten lenken.

In der Tat, so wird belegt, stand die 400.000 Mann starke Aggressionsarmee im November trotz ihrer großen Überlegenheit an Flugzeugen, schwerer Artillerie, Panzern und Fahrzeugen sowie massiver Luftangriffe auf Städte und Dörfer vor dem Scheitern ihrer Offensive. Daraufhin ließ Mussolini 350 Tonnen des Giftgases Yperit abwerfen. Um keine Berichte darüber an die Öffentlichkeit kommen zu lassen, ordnete der „Duce“ persönlich an, gefangen genommene Europäer, die in der äthiopischen Armee gekämpft hatten, zu erschießen. Nach dem Einmarsch in Addis Abeba erschlug Mussolinis SA Tausende Zivilisten auf brutalste Weise. Dazu wird der Bericht des damaligen Korrespondenten des Mailänder „Corriere della Sera“ zitiert, den dieser erst Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges veröffentlichen konnte. Nach einem erfolglosen Attentat gegen den Generalgouverneur Mussolinis, Marschall Graziani, ließ dieser am 19. Februar 1937 zur Vergeltung allein in der Hauptstadt 30.000 Menschen umbringen. Feldbauer, bekannt durch seine Publikation „Damals Vietnam - heute Irak“ (Sonderheft 2005 bei offen-siv) stellt dem Wüten der Sturmabteilungen Mussolinis das der USA-Soldateska in Irak gegenüber.

Nach der Okkupation Äthiopiens schloss der „Duce“ das afrikanische Kaiserreich mit dem bereits früher eroberten Eritrea und italienisch Somaliland zur Kolonie Italienisch Ostafrika zusammen. Sein Ziel war, „die Kolonialkarte Afrikas zu ändern und damit die Frage der Neuaufteilung der Welt praktisch zu stellen“, schätzte Palmiro Togliatti auf dem VII. Weltkongress der Komintern 1935 ein.

König Vittorio Emanuele setzte sich die äthiopische Kaiserkrone auf und der Missionspapst genannte Pius XI. zwang den Äthiopiern auf den Trümmern der koptischen Kirche eine ihnen fremde Religion auf.  Der „Duce“ war für den Pontifex der Mann, „mit dem uns die Vorsehung zusammenführte“. Sein Kardinal Ildefonso Schuster feierte im Dom von Mailand in einer Messe die Heldentaten des italienischen Heeres, welches das „Licht der Zivilisation nach Äthiopien getragen“ habe.

Eingebettet in den historischen Ablauf sind die Gegensätze zwischen Hitler und Mussolini. Hatte der deutsche „Führer“ Mussolini einst als sein großes Vorbild gesehen, so änderte sich das nach seinem Machtantritt 1933 schlagartig. Als Hitler bereits 1934 in Österreich ein-marschieren wollte, sah Mussolini seine Einflusssphären auf dem Balkan, einem Sprungbrett nach Afrika und den Nahen Osten, gefährdet. Er sicherte Wien Unterstützung zu und schickte vier Divisionen an die Brennergrenze. Hitler musste den Anschluss vorerst aufschieben. Der Berliner Diktator zahlte es dem römischen heim und lieferte Kaiser Haile Selassie Waffen und Munition: Panzerabwehrkanonen, Maschinengewehre, Mausergewehre, Pistolen, Munition, Handgranaten, Medikamente. Offiziell wurde Italien versichert, dass „die Reichsregierung weder Waffenlieferungen an den Negus noch die Anwerbung deutscher Freiwilliger für Abessinien“ zulasse. Erst als sich die italienische Niederlage und ein möglicher Sturz Mussolinis abzeichneten, stellte Hitler die Hilfe für Adis Abeba ein.

Der rassistischen Losung, von der „zivilisatorischen Mission“ Mussolinis in Äthiopien setzte Togliatti auf dem VII. Weltkongress die der „Vereinigung der Proletarier und unterdrückten Völker“ entgegen. „Das abessinische Volk ist der Verbündete des italienischen Proletariats gegen den Faschismus und wir versichern (... es) unserer Sympathien“. Dazu liefert Feldbauer bisher völlig unbekannte Fakten. 38 italienischen Kommunisten gelang es, nach Äthiopien durchzukommen, wo sie in der Armee Selassies gegen die Truppen Mussolinis kämpften. Unter ihnen befand sich der spätere Kommandeur der internationalen Garibaldi-Brigade in Spanien, Ilio Barontini, der nach dem Sturz Mussolinis 1943 zu den Organisatoren des bewaffneten Widerstandes gegen Hitlerdeutschland gehörte.

Der Autor setzt dass Thema bis zum Sturz Mussolinis 1943 und der Niederlage des Faschismus 1945 fort. Mit der Teilnahme Mussolinis an der Intervention zur Niederschlagung der Spanischen Republik, wähnte sich Italien auf der Siegstraße. In Wirklichkeit befand  es sich bereits auf dem Weg in die Niederlage. Bei El Alamein scheiterte der abenteuerliche Feldzug der deutsch-italienischen Afrikaarmee. Deutsche Luftlandetruppen eroberten, als die Niederlage bei Stalingrad sich bereits abzeichnete, im November 1942 Tunis und erweiterten vorgeblich den Aktionsradius des Afrikakorps, um sechs Monate später vor den überlegenen anglo-amerikanischen Truppen im selben Raum zu kapitulieren. Feldbauer fragt: “Sind die USA, die bereits jetzt mit dem irakischen und afghanischen Widerstand nicht fertig werden, heute nicht auch so verblendet, mit weiteren Aggressionskriegen gegen Iran, Syrien und andere unbotmäßige „Schurkenstaaten“ den Sieg erringen zu wollen? Noch mögen die Vergleiche hinken, aber die Lehren der Geschichte des Zweiten Weltkrieges besagen, die Aggressoren befinden sich auf dem Weg in die Niederlage, ganz gleich, wie lange es noch dauern wird.“

Summa summarum, ein sehr zu empfehlendes Buch: Erschienen bei Pahl Rugenstein, Bonn 2006 (Tel. 0228-66 23 06), ISBN 3-89144-372-2, 98 Seiten.

Hartwig Strohschein,
Berlin


F. Flegel:

Peter Hacks: Verehrter Kollege. Briefe an Schriftsteller

Es ist wie immer: was Peter Hacks schreibt, ist klar, präzise, parteilich - und exzellent in der Formulierung. Dass ich diese Vorzüge, die seine Dichtung so außergewöhnlich machen, auch in den Briefen wiederfinden würde, hatte ich vielleicht gehofft, aber eigentlich nicht erwartet. Ich wurde eines Besseren belehrt: Dieser Mann hat so wie die Dichtung auch die Wahrheit gelebt. Erkenntnisse zu gewinnen bereitet dem Menschen Vergnügen - und in diesem Sinne ist der Band „Verehrter Kollege. Briefe an Schriftsteller“ von Peter Hacks ein ausgesprochen großes Vergnügen. Um die Qualitäten deutlich zu machen, zitiere ich hier recht ausführlich aus zwei Briefen von ihm an Hans Magnus Enzensberger, bei denen es zunächst um dessen Gedicht „Verteidigung der Wölfe gegen die Lämmer“ und dann um die grundsätzliche Weltsicht geht.

„Sehr geehrter Herr enzensberger, ich habe mir Ihre Gedichte gekauft, ich habe sie alle gelesen, sie haben ihre Vorzüge. Sie sind weitgehend kontrollierbar, von menschenfreundlicher Absicht und auch von der Absicht der Tapferkeit. Ich kann mich da irren, aber ich halte sie für die besten Gedichte, die in Westdeutschland gemacht worden sind. Es ist aber leider, was sie schreiben, dummes Zeug (ich werfe Ihnen Unkenntnis vor). Und es verhält sich ja nicht so, daß Artistik Unkenntnis entschuldigt; sie macht diese vollends unentschuldbar. Was nützt poetisches Vermögen, ohne Kenntnis, im zwanzigsten Jahrhundert, wo, und Sie werden mir da beipflichten, Poesie ohne Kenntnis nicht mehr gedacht werden kann? Sie tadeln bestimmte Mißstände. Sie nennen ihre Urheber, nicht besonders genau, Wölfe, aber auch Angler oder Henker. Sie haben schon entdeckt, daß zur Unterdrückung zwei gehören, die Unterdrücker und die sich unterdrücken lassen. Sie verurteilen die letzteren, die Lämmer; Ohnmacht ist ein Charakterfehler.

„wer näht dem general
den blutstreif an seine hose? wer
zerlegt vor dem wucherer den kapaun?
wer hängt sich stolz das blechkreuz
vor den knurrenden nabel? wer
nimmt das trinkgeld, den silberling,
den schweigepfennig? Es gibt
viel bestohlene, wenig diebe, wer
applaudiert ihnen denn, wer
steckt die abzeichen an, wer
lechzt nach der lüge?
seht in den speigel: feig,
scheuend die mühsal der wahrheit,
dem lernen abgeneigt, das denken
überantwortend den wölfen…“

Wer sind die Wölfe?

„gelobt sein die räuber: ihr,
einladend zur vergewaltigung,
werft euch aufs faule bett
des gehorsams. winselnd noch
lügt ihr. zerrissen
wollt ihr werden. ihr
ändert die welt nicht.“

Wer ändert sie?

Kurz, rund, Sie wissen es nicht. Und ich werde mit Ihnen handeln. Ich werde mit Ihnen handeln; ohne Kenntnisse vorauszusetzen (also nicht auf dem vortrefflichsten Weg), simpel, bürgerlich, sozusagen mittels des gesunden Menschenverstandes (also nicht auf dem vortrefflichsten Weg). Ich werde mit Ihnen handeln, mit der Geduld, die Leuten ziemt, denen das endliche Ergebnis am Herz liegt, nicht die Selbstzufriedenheit des besseren Arguments. Wer sind die Wölfe? „belsen und hilde benjamin“? Das ist eine Nazisauerei, Herr, und wenn ich mich nicht eben meiner Geduld gerühmt…, also: ich werde mit Ihnen handeln.

Die Politik bürgerlicher Regierungen, eingeschlossen die der faschistischen, wird besorgt von den Inhabern einer bestimmten Eigentumsform, welche die Ökonomie Finanzkapital nennt. Der Kapitalismus in seinem heutigen Zustand produziert notwendig Unterdrückung und, aus Marktgründen, Kriege. Sie bestreiten beide Sätze nicht, kein ernster Mensch bestreitet sie. Aber aus ihnen folgt, daß, will man die einzige (und nota bene letzte) bestehende notwendige Ursache übler und kriegerischer Politik beseitigen, man diese Eigentumsform abschaffen muss. Das Finanzkapital, wie wir gesagt haben, verfügt über politische Gewalt. Nicht die Gewalt als solche also muß abgeschafft werden, vielmehr die Gewalt der monopolistischen Kapitalisten; es muß, um diese besondere Gewalt abzuschaffen, Gewalt angewendet werden, Revolution gemacht werden. Revolutionär ist der mit Flinten und Mitrailleusen bewaffnete Aufstand, ist der Bürgerkrieg. Revolutionär ist die demokratische Justiz, die Justiz der Arbeiterklasse, die Justiz, an der Hilde Benjamin maßgeblich mitgearbeitet hat und mitarbeitet.

Ist es schwer zu begreifen, daß die DDR ohne diese revolutionäre Justiz jetzt nicht wäre, was sie ist: ein friedfertiger Staat, ein Staat ohne Nazis, ein Staat, der heute von seiner Justiz um drei Viertel weniger Gebrauch macht als das vormals so großmütige Westdeutschland? Sehen Sie das denn nicht, daß Frau Benjamin, wäre sie in Westdeutschland zu Werke gewesen, Ihnen den Josef Strauß erspart hätte, und seinen Putzfleck, den Erler?

Sie haben was gegen die „konjunktur“

„ihr glaubt zu essen
aber das ist kein fleisch
womit sie euch füttern
das ist köder, das schmeckt süß
(vielleicht vergessen die angler
die schnur, vielleicht
haben sie ein gelübde getan,
in zukunft zu fasten?)“

Wer sind die Angler?

„sorgt euch nicht! gutes gedächtnis
ziert die angler, alte erfahrung,
sie tragen zu euch die liebe
des metzgers zu seiner sau.
sie sitzen geduldig am rhein,
am pontiac, an der beresina…“

Wo? An der Beresina? Wieso ist an der Beresina Konjunktur? Sehr viel Zeit lang war da Armut, schwere Armut; von jenen Armen wurde unlängst der Wolf (Angler, Henker) Hitler erwürgt. Heute ist da keine Armut, aber da ist keine Konjunktur. Das Wort Konjunktur hat keinen Sinn, wo es keine Krise gibt. Konjunktur ohne Krise, Unkenntnis, dummes Zeug.

Man bekommt es langsam heraus: Ihre Angler, Henker, Wölfe, das sind einfach die Ausüber staatlicher Exekutive. Ihre gefallen Ihnen nicht, mir auch nicht, sie unterdrücken die Wahrheit, sie bestehlen die Arbeiter, sie üben Gewalt aus gegen solche, die die Wahrheit über das Bestehlen der Arbeiter zu sagen und überhaupt diese Sache zu unterbinden wünschen. Aber was haben Sie gegen meine? Sie verbreiten (mit so viel Geschick als Ihnen zur Verfügung steht) die Wahrheit, sie sind außerstande, die Arbeiter zu bestehlen, denn sie besitzen keine Produktionsmittel, sie sind eingesetzt von den Arbeitern, um Gewalt auszuüben, gegen niemanden außer gegen solche, die sind wie Ihre. Es gibt keinen Topf, in den meine und Ihre hineinpassen. Was sie da also abdrehen, ist die alte spießbürgerliche Macht-verdirbt-den-Charakter-Leier, man ist sie von den nie mächtigen Spießbürgern gewohnt. Aber von Ihnen, der sie Ohnmacht als Charakterfehler erkannt haben? „ihr“, brummen Sie die Leut an, „ändert die welt nicht“. Wissen Sie, enzensberger, Sie auch nicht. (…)

Das Volk Frankreichs hat, ehe es seinen Garten kultiviern ging, es für nötig befunden, einige agrarische Besitzverhältnisse zu klären; zum entschiedenen und wirklichen Schaden einer nicht kleinen Anzahl von Wölfen (Anglern, Henkern - ich gäbe ein Königreich darum, oder doch mindestens ein Pferd, ließen Sie mich einmal ein Gedicht von Ihnen sehen, wo diese Leute schlichtweg: Großgrundbesitzer heißen.) So das Volk Russlands. So das Volk Chinas. So das Volk in einem Teil von Deutschland (Hilde Benjamin). Was schlagen Sie dem Volk des anderen Teils vor? (…)

                     Offener Brief an Hans Magnus Enzensberger, erschienen in „junge Welt“, August 1958

„Sehr geehrter Herr Enzensberger, (…) Ich finde als Ihre Hauptargumente: Es ist feiner, Fragen zu stellen, als Antworten zu geben. Es ist realistischer, ein schlechtes Gewissen zu haben als ein gutes. (…) Ich beantworte Ihre Sätze ausführlich. Ich liefere Ihnen drei für einen (und in der Gewissheit, daß der eine keinen halben wert war). Dabei sind Sie nicht auf eine meiner Fragen eingegangen. Bei allem Bestreben, Ihre Abneigung gegen Antworten zu ehren, bitte ich Sie nun doch um ein paar davon.

Frage 1: Glauben Sie, daß man die verbesserungsbedürftigen Zustände verbessern kann ohne Sturz der Bourgeoisie?  2. Glauben Sie, daß eine solche Revolution in den wichtigeren Ländern gewaltlos (durch Wahl o.ä.) durchgeführt werden kann?  3. Glauben Sie, daß jemand anderes die nötige Gewalt zu einer Revolution aufbringen kann oder wird als das mit armen Bauern verbündete und in einer nichtliberalen Partei organisierte Proletariat?  4. Halten Sie es für ausgeschlossen, daß eine Revolution, die (unter den Bedingungen des internationalen Klassenkampfes) in einigen Hinsichten die Lebensumstände verschlechtert, trotzdem die Menschheit voranbringt?   5. Glauben Sie, daß auf die Diktatur des Proletariats in dem Zeitraum bis zur erreichten klassenlosen Gesellschaft verzichtet werden kann?   Sie wissen, daß Marx und Lenin diese Fragen verneinten. Falls Sie es auch tun, worüber zanken Sie? Falls Sie eine bejahen, erwarte ich geduldig Ihre Entwürfe. Eine sechste Frage zu Ungarn: Wie, glauben Sie, sähe Ungarn heute aus, wenn die Sowjetunion nicht eingegriffen hätte? (…)

Sehen Sie, unsere Maurerlehrlinge studieren die politische Ökonomie des Kapitalismus. Warum kennen Sie nicht Marx, Lenin, Mao? Ich möchte sagen, das ist, wenn es schon nicht eine Frage des Erkenntnistriebs ist, auch eine Frage der Höflichkeit. Und es ist eine politische Stellung-nahme.

Sie teilen der Welt, nicht ohne Stolz, mit, daß sie auf keinem der beiden Stühle säßen, vielmehr zwischen denselben. Ich habe diese Behauptung von vielen Leuten gehört. Aber alle, die ich bisher traf, saßen nur mit dem halben Arsch auf dem rechten.

Peter Hacks.“                                                                Brief an Hans Magnus Enzensberger, 3. 2. 1959

So weit die Zitate. Mir bleibt nur noch zu sagen: ich empfehle dringend, dieses Buch zu lesen. Es gibt Vieles für heute. Und das Lesen macht Freude!

Peter Hacks: Verehrter Kollege. Briefe an Schriftsteller. ISBN-10: 3-359-01639-4. Eulenspiegel-Verlag, Neue Grünstraße 18, 10179 Berlin. 

Frank Flegel,
Hannover

Resonanz

Andrea und André Vogt:

Zu den „Leitsätzen des RotFuchs-Fördervereins

Liebe Redaktion, eure Anregung, die Leitsätze des RotFuchs-Fördervereins zu diskutieren, nehmen wir gern auf. Uns ist dazu folgendes eingefallen:

Zu 1.

„Wir konstatieren die Wirkung einer gewaltigen Entwicklung der Produktivkräfte, der Globalisierung und tiefgreifender Veränderungen in der Struktur der Arbeiterklasse sowie eine nie gesehene Macht der Massenmedien...“

Gewaltige Entwicklung der Produktivkräfte - entweder sprechen die Autoren hierbei von der stürmischen, weil sozialistischen, Entwicklung in der Sowjetunion der dreißiger bis fünfziger Jahre des letzten Jh’s oder sie haben Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung der Jetztzeit. Die Dekadenz des Imperialismus zeigt sich ja gerade darin, daß er die Produktivkräfte eben nicht mehr „gewaltig“ entwickeln kann, sondern daß seine auf Privateigentum fußende Wirtschaftsform zur Fessel, zum Hemmnis der Produktivkraftentwicklung geworden ist. Die Hauptproduktivkraft ist bekanntlich der Mensch. Hunderte Millionen von ihnen sind weltweit arbeitslos, das heißt, ihre schöpferischen Kräfte und Fähigkeiten bleiben weitgehend ungenutzt, weil die Kapitalisten unfähig und mit fortschreitender Automatisierung immer weniger in der Lage sind, deren Arbeitskraft gewinnbringend auszubeuten. Funktionierende Betriebe werden aus Konkurrenzgründen stillgelegt, installierte Produktionskapazitäten nicht ausgelastet, fortschrittliche Technologien nicht angewendet usw. usf. Die Produktion von Tauschwerten, die immer neue Aufschwünge erfuhr, hat mit dem Sieg über das sozialistische Weltsystem ihren wohl endgültig letzten Höhepunkt erlebt.

In diesem Zusammenhang den bürgerlichen Terminus „Globalisierung“ aufzutischen, ist keine Offenbarung wissenschaftlicher Anschauung. Dieses Modeunwort verkündet keine Neuigkeit. Sein Gebrauch sollte den bürgerlichen Ideologen vorbehalten sein.

 „…die Wirkungen tiefgreifender Veränderungen in der Struktur der Arbeiterklasse“

Diese spezielle Anschauung wird leider nicht weiter ausgeführt. Insbesondere wäre interessant zu erfahren, was das mit der Realität des Proletariats von dem, „...was es ist und was es diesem Sein gemäß geschichtlich zu tun gezwungen sein wird.“ (Marx) zu tun hat.

Daß das heutige Proletariat in großen Teilen ein notwendig falsches Bewußtsein hat, daß es vom Klassenfeind, den es nicht wahrnimmt, verhetzt und mißbraucht wird und daß die ökonomischen Zwänge noch relativ moderat ausfallen, hindern es momentan daran, seine Befreiung ernsthaft zu erwägen. Zeit also für marxistisch-leninistische Bildungsarbeit.

Dagegen hält es eine jüngst in Essen abgehaltene Expertenversammlung für geboten, Begriffe zu rochieren, indem Teile der Arbeiterklasse nun als „arbeitende Klasse“ bezeichnet werden sollen. Das Proletariat ist demnach zu differenzieren. Der Unvereinbarkeit der Einzelinteressen folgt dann die Unmöglichkeit des gemeinsamen Kampfes. Wer, bitte, braucht solche Art Klassen“analysen“?

„…eine nie gesehene Macht der Massenmedien“

Diese Macht beruht natürlich zum einen auf der Verfügungsgewalt der Eigentümer. Deshalb produzieren Presse, Funk und Fernsehen ihrem Geschäftszweck entsprechend diesen verachtenswürdigen Wort-, Ton- und Bildmüll. Allerdings braucht es, um wirksam zu sein, Käufer, Zuschauer und Zuhörer. Kein Mensch nämlich muß (West-)Fernsehen oder BILD lesen. Aber die Leute tun das. Proletarier selber produzieren und konsumieren bürgerliche Nachrichten und andere Ablenkungen. Sie geben damit den Medien erst wirklich Macht. Sie wissen es nicht besser und wollen es auch nicht besser wissen. Wäre es anders, hätte die „Junge Welt“ heute mindestens eine um den Faktor Fünfhundert höhere Auflage. Imperialistische Verhältnisse erzeugen nun mal imperialistisches Verhalten. Da hilft es wenig, „die Macht der Medien“ anzuprangern.

Zu 2.

„Wir sind Zeitgenossen und Leidtragende einer ungezügelten Offensive des Kapitals, eines Klassenkampfes „von oben“, der seinesgleichen in der Geschichte sucht. Das Kapital verschärft maßlos die Ausbeutung und setzt alle Mittel ein, um den dauernden Bestand kapitalistischer Verhältnisse zu sichern...“

Die hier ausgesprochenen Übertreibungen zeugen nicht gerade von Übersicht und klarem Blick. Weder ist die „Offensive des Kapitals“ ungezügelt, denn sie hat zum einen immer noch die Reste der bürgerlichen Demokratie zur Barriere und zum anderen eine ausreichende Anzahl williger Ausbeutungssubjekte, noch ist dieser Klassenkampf „von oben“ neuartig, wenn man mal nur an 1918, 1923 oder 1933 denkt. Auch setzt „das Kapital“ längst nicht „alle Mittel“ ein, über die es verfügt. Und wirklich „leidtragend“ sind die Damen und Herren des RotFuchs-Fördervereins ganz sicher nicht. Sie tragen nicht das Los von Flüchtlingen, von Zwangs-prostituierten, von Geduldeten, von Gefolterten.... Dafür aber haben sie sich entschlossen, Verantwortung zu übernehmen, um vorgenannte Verbrechen abschaffen zu helfen. Also nicht das Moment des Tragens am eigenen Leid gehört in den Vordergrund, sondern das Moment der bewußten Handlung, der bewußten Tat gegen das organisierte Verbrechen Imperialismus im allgemeinen und BRD im besonderen.

Außerdem ist die Loslösung des Begriffes Kapital von dem Verhältnis, in welchem es nur existiert, eine die Zusammenhänge und Mechanismen der auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruhenden waren-produzierenden Gesellschaftsformation verschleiernde Unart geworden. „...das Kapital (ist) in erster Linie ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis, das den Dingen spezifische, gesellschaftliche Eigenschaften verleiht“, heißt es beispielsweise im Kleinen Politischen Wörterbuch von Dietz 1967, S. 322. Und bei Marx: „Ein Neger ist ein Neger. In bestimmten Verhältnissen wird er erst zum Sklaven. Eine Baumwollspinnmaschine ist eine Maschine zum Baumwollspinnen. Nur in bestimmten Verhältnissen wird sie zu Kapital. Aus diesen Verhältnissen herausgerissen, ist sie so wenig Kapital, wie Gold an und für sich Geld oder der Zucker der Zuckerpreis ist.“ [Marx: Lohnarbeit und Kapital, in: MEW Bd. 6, S. 407]

Natürlich weiß man das im RotFuchs-Förderverein, nur man sagt es nicht, sondern läßt stattdessen ein Neutrum „Das Kapital“ agieren, wo da doch Kapitalisten sind mit Namen und Gesichtern, die sich das täglich neu geschaffene gesellschaftlich erzeugte Mehrprodukt privat aneignen, also das Ergebnis anderer Leute Arbeit nehmen, die Kriege anzetteln und das Volk in Dummheit, Demut und Schande halten lassen.

Dem kleinen Mann erscheint Kapital als Geldhaufen, als etwas Notwendiges und Nützliches, ohne das er sich kein Auto und keine Reise kaufen kann. Ihr aber prangert „das Kapital“ an. Ist da nicht mehr zu sagen, deutlicher zu sprechen? Entsteht Kapital etwa gar durch Lohnarbeit?

Zu 4.

„Wir richten unsere Anstrengungen auf die Bündelung eines breiten Spektrums von Kommunisten, Sozialisten und anderen Linken in Deutschland. Wir sind Gegner des Opportunismus und des Sektierertums....“

Kommunisten sind natürlich keine Linke und Linke sind keine Kommunisten. Schließlich heißt es ja nicht „Manifest der linken Partei“. Linke sind andere und nicht selten sehr spezielle Truppenteile: reformistisch, anarchistisch, verbalantikapitalistisch, pseudorevolutionär, sich fortschrittlich wähnend jedenfalls und sich auch gern sozialistisch nennend. Nimmt man davon noch die Opportunisten und Sektierer aus; wer bleibt dann eigentlich übrig als Kampfgefährte des RotFuchs-Fördervereins?

„Offen-siv“ ja bekanntermaßen nicht (mehr). Diesbezüglich glaubt man im „Fuchsbau“ weiterhin, sich und seiner Sache durch Ignorieren nützen zu können. Obgleich solche eklatanten Wissenslücken, wie sie beispielsweise ein gar nicht an Selbstunterschätzung leidender Professor Matho zuletzt in der September-Ausgabe des RotFuchs offenbarte, bei einer Teilnahme am m/l- Fernstudium von offen-siv zuverlässig geschlossen werden könnten. Aber das nur am Rande.

Eine Bündelung von nichtkommunistischen Kräften hat meistens nur dann einen revolutionären Sinn, wenn sie von der kommunistischen Partei geführt wird. (Ansonsten setzt es „friedliche“ oder „orangene Revolutionen“) Eine solche Partei, die dazu in der Lage wäre, gibt es im Jahr 2006 in Deutschland nicht. Es ist wahrscheinlich die derzeit wichtigste Aufgabe der Kommu-nisten hierzulande, diese kommunistische Partei herzustellen, respektive die dazu notwendigen Auseinandersetzungen zu führen. Das heißt nicht, daß man deswegen nicht auch andere Akteure bei Laune halten kann, wie das „RotFuchs“, „Weissenseer Blätter“, „Ossietzki“, „Junge Welt“ und weitere engagiert tun. Nur ist es eben nicht gerade klug, denen, die sich um die kommu-nistische Partei intensiver bemühen, Voluntarismus (Punkt 10) vorzuwerfen, um auf diese Weise seine eigene Zurückhaltung in der wichtigen Frage zu rechtfertigen. Diese Zurückhaltung ist aber die Folge dessen, daß man beim RotFuchs bislang außerstande war, zwei Fragen zu beantworten. Erste Frage: Warum konnte die Stalin’sche Sowjetunion den Imperialisten widerstehen, wurde immer stärker? Zweite Frage: Warum konnte das sozialistische Lager den Imperialisten nicht mehr widerstehen, wurde immer schwächer? Zutreffende Antworten sind längst erarbeitet worden. Andere haben das geleistet. Der RotFuchs-Förderverein braucht es nur noch aufzugreifen. Allerdings müßte man sich dann schon mal mit dem modernen Revi-sionismus beschäftigen, also an die Wurzel der Konterrevolution fassen.

Zu 8.

„Wir kämpfen für den Frieden und sind entschiedene Gegner imperialistischer Kriege der USA sowie ihrer offenen oder verdeckten Unterstützung durch die Regierungen der BRD und anderer kapitalistischer Staaten. Wir verurteilen den Tabubruch, ...“

Man wußte am 01. Juli 2006 im „Fuchsbau“ sicher noch nicht, daß Israel den Libanon in Kürze erneut überfallen würde. Aber daß es noch andere kriegführende Staaten auf der Erde gibt, könnte bekannt sein (siehe Fernstudium bei offen-siv). Warum man also seine Gegnerschaft ausschließlich auf Kriege der USA beschränkt, ist befremdlich und ganz sicher falsch.

Zu 10.

„...Es kann also nicht um die Gründung neuer kleiner Parteien mit lupenreinen Programmen, aber ohne Masseneinfluß gehen...“

Die KPD(B) beispielsweise hat nicht vor, eine kleine Partei ohne Masseneinfluß zu bleiben. Aber klein anzufangen ist keine Schande. Ein lupenreines Programm allerdings, das muß man erst mal schreiben. Marx und Engels haben das getan und deshalb ist das Manifest der Kommunistischen Partei noch heute das Programm aller Kommunisten. Der DKP ist ähnliches bislang  nicht gelungen, obwohl sie schon seit 38 Jahren übt und ausreichend Vorlagen dazu hat. (Wie wir aus dem jüngst veröffentlichten Briefwechsel zur Revisionismusanalyse zwischen Kurt Gossweiler und Robert Steigerwald erfahren konnten, hält sich Letztgenannter, und er dürfte in der DKP einige Hörer haben, weiterhin mit der abgeschmackten Phrase von „Stalins Ver-brechen“ auf. Mit solchen Flausen im Kopf bekommt man natürlich kein vernünftiges Programm zustande.)

Die 10 Leitsätze des RotFuchs-Fördervereins sind kein Parteiprogramm. Dennoch mangelt es schon hier an ideologischer Klarheit, die eben vor der Einheit („Einigung“) zu erreichen ist.

Fazit: Daß der RotFuchs-Förderverein von dem „Ziel, (...) sich (...) auf die Höhe von Marx und Lenin zu begeben (...) noch eine beträchtliche Strecke entfernt“ ist; wer wollte das bestreiten.

Andrea und André Vogt,
Dresden


Fritz Dittmar:

Zum Briefwechsel Steigerwald - Gossweiler, Offensiv Ausgabe 7/2006

Schön, dass die Genossen Robert S. und Kurt G. ihre Kontroverse ausgetragen haben und trotz unversöhnlicher Positionen die Achtung vor und die Zuneigung zu einander bewahrt haben. Keiner hat den anderen als Agenten des Klassenfeinds dargestellt, beide haben sich auf höfliche Art auf die Unversöhnlichkeit ihrer Positionen geeinigt.

Dennoch sind die Leser aufgefordert, zu den beiden Positionen ihren Platz zu bestimmen. Deshalb hier ein paar Anmerkungen, warum mein Platz auf der Seite von Kurt ist:

Robert, für Dich ist letztlich entscheidend, dass Stalin, im Gegensatz zu Chruschtschow, Blut an den Händen hatte, „…dass Stalin seine wirklichen oder vermeintlichen Kontrahenten umbringen ließ, und das hat Chruschtschow nicht getan…“ Entschuldige schon, Robert: Das ist kein marxistisches Herangehen an die Frage, das ist Moralismus, scheinbar klassenneutral und deshalb bürgerlich. Das haben wir, die wir in den Siebzigern den Marxismus studiert haben, anders gelernt, auch bei Lehrern wie Dir! Wenn ich heute jungen GenossInnen meine Sicht des Problems darlege, würde ich sagen: Wer Drachen tötet, hat hinterher blutige Hände!

Aber gab es Drachen? Du vermeidest es, Dich festzulegen. “Selbst wenn ich die Maßnahmen hinnehmen könnte, die mit dem Kampf gegen die fünfte Kolonne für nötig erachtet wurden,…“ Das Problem selber erkennst Du an: „Ich stimme Dir zu, dass es vielfache Aktivitäten gegeben hat, fünfte Kolonnen aufzubauen…“ Und was hätten Stalin und die Partei mit dieser Erkenntnis tun sollen? Ich finde es nicht nützlich, aus heutiger Sicht zu erörtern, wie groß die Gefahr durch die fünften Kolonnen war, ob es Drachen waren oder nur Tiger.  Am Vorabend der imperialistischen Aggression musste die Führung der SU die fünften Kolonnen zerschlagen, und zwar so, dass die Feinde der Sowjetmacht vor weiteren Versuchen abgeschreckt wurden. Das ist ihr damals gelungen, und das wäre nicht gelungen, wenn die Säuberung überwiegend die Falschen getroffen hätte, nämlich die eigenen treuen Genossen. Es kann nicht darum gehen, im Konjunktiv „Maßnahmen hinzunehmen“, die „für nötig erachtet wurden“. Wenn Du hier nicht zu einer klaren Position kommst, sehe ich nicht, wie Du an Lenin festhalten willst, unter dessen Führung die Konterrevolution auch mit Terror bekämpft wurde. Auch Lenin hatte Blut an den Händen. Peter Hacks hat schon Recht: „Als sie Stalin kippten, das war klar/ war auch Lenin nicht mehr lang zu haben.“ (Denkmal für ein Denkmal II).

Du räumst auch ein, „dass es stets auch Versuche gegeben haben dürfte, Stalin zu entmachten“. Aber „Da haben sicher andere Motive gewirkt (als die Absicht den Kapitalismus wieder herzustellen)“ Und wie war das mit Gorbatschow? Ich will hier nicht auf die Kontroverse eingehen, ob er ein Verräter ist oder im „guten Glauben“ die Sowjetunion ruiniert hat. Ich sage nur: Es hätte der Menschheit viel Elend und Blut ersparen können, wenn es gelungen wäre, ihn und seine Leute rechtzeitig zu entmachten oder noch besser, ihn an der Machtübernahme zu hindern.

Zurück zu Chruschtschow: Ebenso wie Kurt  halte ich ihn für einen Verräter, aber selbst wenn er für die SU das Gute gewollt hätte, kann sich ein marxistisches Urteil über ihn doch nicht darauf beschränken, dass er „saubere Hände“ hatte. Die Phase der tödlichen Stagnation in der SU nahm ihren Anfang mit seinen Maßnahmen. Ganz richtig hat Kurt hierzu die Bibel zitiert: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“

(Nebenbei: Es stimmt nicht einmal, das Chruschtschow saubere Hände hatte. Die Erschießung von Berija war ein Akt der „Säuberung“ wie zu Stalins Zeiten, nur dass es Chruschtschow dabei nicht um die Abwehr von Gefahr für den Sozialismus ging, sondern nur um die Ausschaltung eines anderen Revisionisten im Kampf um die eigene Macht.)

Besonders gestört hat mich Deine Aufzählung unschuldiger deutscher Opfer der Säuberung wie Eberlein u.a.. Kurt hatte in der „besseren Rede zum XX. Parteitag“ ausdrücklich besagt, „dass auch Unschuldige…in erheblichem Umfang von den Maßnahmen“ betroffen waren. Das hast Du ja wohl auch gelesen! Dann macht Deine Aufzählung nur einen möglichen Sinn: Wenn so viele unschuldige gute Genossen unter den Opfern waren, dann war die Säuberung wohl doch insgesamt unnötig und verwerflich.

Zusammenfassung: Robert, ich bin enttäuscht! Willst Du nach einem vorbildlichen Leben als Kommunist, den keine Verfolgung durch den Klassenfeind abgeschreckt hat, wirklich als Gutmensch enden? Noch einmal Hacks: „Gutsein ist wenig, richtig Handeln mehr/ Zerschmettert das Infame, rät Voltaire.“  (Praxis der Sittlichkeit)

Fritz Dittmar,
Hamburg

Austrittserklärung

Dr. Gerhard Feldbauer:

Öffentlicher Austritt aus dem Förderverein RotFuchs e.V.

Ich erkläre hiermit meinen Austritt aus dem Förderverein RotFuchs e. V.,  zu dessen Gründungsmitgliedern ich am 27. Juli 2001 zählte und dessen Vorsitz ich bis zu meinem Rücktritt am 12. März  2005  innehatte.  Zu meinen wichtigsten Gründen: [1]

Die Bildung der Zeitschrift und später die Gründung des Vereins waren im linken Spektrum begrüßte Initiativen, die Hoffnungen weckten. Viele bekannte Autoren fanden ein Betätigungsfeld und trugen und tragen noch heute durch qualifizierte Themen zur Gestaltung einer guten linken Zeitschrift bei. Besonderen Widerhall fand das im „RotFuchs“ vertretene Bekenntnis zur DDR, als der revolutionärsten Errungenschaft in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Ebenso das verkündete Ziel, Kommunisten, Sozialisten und andere linke Kräfte zusammenzuführen.

Die Gründungsversammlung beauftragte den Chefredakteur durch Beschluss, eine Redaktion zu bilden, die der Vereinsvorstand bestätigen sollte. Zwei Wahlperioden lang weigerte sich Dr. Steiniger, diesen von ihm selbst mit gefassten und in die Satzung aufgenommenen Beschluss auszuführen. Eine knappe Mehrheit des Vorstandes tolerierte diese mit sozialistisch/kommu-nistischen Mediengrundsätzen nicht zu vereinbarende Haltung, die offenbarte, dass Klaus Steiniger sich von negativen Seiten seiner früheren Tätigkeit als Starreporter des ND ganz offensichtlich nicht gelöst hatte. Enttäuschend war seine Unehrlichkeit. Nach wiederholter Kritik von mir und zahlreichen Vereinsmitgliedern versprach er immer wieder, eine Redaktion zu bilden. Um sich vom Vorstand völlig unabhängig zu machen, versuchte er jedoch, sich von der Mitgliederversammlung im Dezember 2005 direkt wählen zu lassen. Nur durch energischen Einspruch mehrerer Regionalleitungen kam das nicht zustande. Hinzu kamen Verstöße gegen allgemeine demokratische Grundsätze und Gepflogenheiten, die mit dem von Zeitschrift und Verein vertretenen Anspruch, zur Wegbereitung eines neuen sozialistischen Anlaufs bei-zutragen, unvereinbar sind. Die im Juli 2006 vom Vorstand beschlossenen Vereinsleitsätze kamen ohne eine Mitwirkung der Basis zustande. Zuvor waren vom Vorstand [2] auf der Mitgliederversammlung 2005 mehrere konkrete Vorschläge zur Verabschiedung einer Arbeits-entschließung, abgelehnt und an den neuen Vorstand verwiesen worden, der sich weigerte, sie zu behandeln. Die Problematik wurde in der Berichterstattung über die Versammlung komplett unterschlagen. Die jetzt beschlossenen Leitsätze wurden in der Zeitschrift nicht im Entwurf veröffentlicht, nicht zur Diskussion gestellt, es wurde um keine Vorschläge gebeten.[3] Ein Versuch, die Basis möglichst weitgehend von einer Mitgestaltung des Vereinslebens auszu-schließen, war der von Dr. Steiniger ausgehende Antrag an die Versammlung 2005, Mitglieder-versammlungen statt wie bisher alle zwei nur noch alle vier Jahre einzuberufen. Er scheiterte wie die Direktwahl des Chefredakteurs am Einspruch mehrerer  Regionalleitungen.

Zur schädlichen Praxis des Chefredakteurs gehört, Beiträge von Autoren zu zensieren, Kritik an seiner Arbeit zu unterdrücken, Schönfärberei, ein rüder Umgang mit Kritikern, der in einer üblen Hetz- und Verleumdungskampagne gegen sie gipfelte. Zwischen den in der Zeitschrift verkündeten Zielen, Kommunisten, Sozialisten und andere linke Kräfte zusammenzuführen, die auch in den Leitsätzen wieder propagiert werden, und dem praktischen Handeln des Chef-redakteurs und einer Mehrheit des Vorstandes gibt es bis heute gravierende Diskrepanzen.  

Im linken Spektrum betreibt Dr. Steiniger besonders, aber nicht nur, gegenüber der Zeitschrift „Offensiv“ eine Politik der Spaltung. Ich habe zunehmend bemerkt, dass er in der einfluss-reichen und angesehenen linken Zeitschrift einen unliebsamen Konkurrenten sieht, den er auszuschalten suchte. Dazu begann er eine üble Hetz- und Verleumdungskampagne. Im Gegensatz zur Wahrheit behauptete er in Schreiben, die er im angeblichen Auftrag des Vor-standes verbreitete, in verleumderischer Weise, der Vereinsvorstand habe beschlossen, mit „Offensiv“ zu brechen. [4] Den Gipfel dieser Infamie erklomm Dr. Steiniger als er den „Offen-siv“-Chefredakteur, Frank Flegel, und den Chefredakteur der Zeitschrift „Geheim“, Michael Opperskalski, die zusammen mit Peter Hacks, Prof. Erich Buchholz, Dr. sc., Dr. h. c. Kurt Gossweiler und dem General der DDR Prof. Willi Opitz, zu den Gründungsmitgliedern des „Vereines zur Förderung demokratischer Publizistik“ (Hg. von „Offensiv“) gehörten, auf übelste Weise der Praktizierung  von Operationen „geheimdienstlichen Charakters“ und der „politisch-ideologischen Diversion“, bezichtigte. „Offensiv“ wurde als „politischer Gegner“, Michael Opperskalski als ein Meister der „ideologischen Diversion“ bezeichnet. Man muss sich das einmal vorstellen. Die in der DDR hoch angesehenen Persönlichkeiten werden von Dr. Steiniger als heutige Kollaborateure von Medien diffamiert, die westlichen Geheimdiensten dienstbar seien. Wenn man dazu bedenkt, dass Klaus Steiniger in der DDR einmal als Staatsanwalt tätig war, wird deutlich, welchen Schaden er nicht nur den betreffenden Persönlichkeiten, sondern ebenso dem Ansehen der DDR zufügt. Spätestens hier muss man sich doch wohl die Frage stellen, welche Interessen der Chefredakteur damit  bedient.

Dr. Steiniger verschärfte seine Hetze, indem er Michael Opperskalski als einen britischen Geheimdienstagenten diffamierte. Andere Vorstandsmitglieder griffen diese Bezichtigungen auf und verbreiteten sie ebenfalls. Über die auf Vorstandssitzungen des Vereins offen betriebene übelste Hetze hatte Werner Hoppe, in der letzten Wahlperiode Vorstandsmitglied, Vereinsmitglieder informiert und dazu ein Gedächtnisprotokoll gefertigt. [5] Vorstandsmitglied Armin Neumann, Leiter des Vertriebs der Zeitschrift, verstieg sich auf der Versammlung am 3. Dezember 2005 zu der ungeheuerlichen Verleumdung, dazu müsse Werner Hoppe ein Abhörgerät bei sich geführt haben.

Der Vorstand lehnte es ab, Anträge von Vereinsmitgliedern zu behandeln, die forderten, sich mit dieser Hetzkampagne zu befassen, die vorgebrachten Anschuldigungen und üblen Verleum-dungen zurückzuweisen und zurückzunehmen, sich bei den betroffenen Personen zu ent-schuldigen und Maßnahmen zu ergreifen, dass derartige Verhaltensweisen in Zukunft unter-bunden werden.

Diese Spaltungspraxis hat zu einer ganzen Anzahl von Austritten aus dem Verein geführt, darunter mehrere Gründungsmitglieder. Angesehene Autoren, wie beispielsweise Dr. sc. Dr. hc. Kurt Gossweiler und Prof. Ullrich Huar haben ihre Mitarbeit an der Zeitschrift eingestellt. Die Regionalgruppe Hamburg des Vereins, aktivste Basisgruppe im Westen, trat geschlossen aus. Die Vereinsmitglieder erfahren von all dem nichts, da der Vorstand ein von der Basis abge-schottetes Dasein führt. Von raren Ausnahmen, so der Information über einen Beschluss zur Bildungsarbeit, Einladungen zu Regionalveranstaltungen oder wie jüngst über die Leitsätze des Vorstandes, erfahren die Vereinsmitglieder und die Leser in der Zeitschrift nichts über die Arbeit des Vorstandes, die behandelten Themen, gefassten Beschlüsse. Ganz zu schweigen davon, dass die für die Sitzungen unterbreiteten Tagesordnungen und das Datum des Statt-findens nicht bekannt gegeben werden. Damit haben die Mitglieder und Leser keine Möglichkeit, die Arbeit der Vereinsleitung zu verfolgen, Vorschläge zu unterbreiten oder sich kritisch zu äußern.   

Dieser Chefredakteur der Vereinszeitschrift „RotFuchs“ gehört abgesetzt. Dass sein politisch instinkt- und verantwortungsloses Verhalten von bekannten politischen Personen, wie dem langjährigen DDR-Botschafter in China, dem Vereinsvorsitzenden, Rolf Berthold, und dem letzten Rektor der Parteihochschule der SED, dem Stellvertretenden Vereinsvorsitzenden Prof. Jörg Dickmann, mitgetragen wird, macht diese Angelegenheit mit am Schlimmsten.

Ich jedenfalls kann diese von einer Mehrheit des Vereinsvorstandes und dem Chefredakteur seiner Zeitschrift betriebene Praxis als Vereinsmitglied nicht länger mittragen.

Gerhard Feldbauer,
Poppenhausen

  1. Eine grundsätzliche Begründung dieses Schrittes enthält bereits mein Beitrag in der Zeitschrift „Offensiv“, Nr. 4/2006, „Welchen Weg schlägt der ‚Rotfuchs’ ein? Zu den Auseinandersetzungen mit dem Chefredakteur Dr. Klaus Steiniger“. 

  2. Präsidium und Versammlungsleitung wurden nicht gewählt, sondern vom Vorstand eingesetzt und bestanden nur aus Vorstandsmitgliedern.

  3. Im übrigen war der Vorstand zur Verabschiedung derartiger Vereinsleitlinien (die de facto Programm-charakter haben) laut $ 5,5 der Satzung nicht zuständig, hatte dazu von der Versammlung auch keinen Auftrag erhalten.

  4. Die Schreiben sind dem Vereinsvorsitzenden Rolf Berthold übergeben worden, der dabei zugeben musste, dass sie ihm nicht bekannt waren.

  5. Vereinsmitglieder, welche dieses Protokoll einsahen, waren schockiert über die Atmosphäre der Denunziation, die in Vorstandssitzungen herrschte.


ANMERKUNGEN

  1. Dieses Zitat von Winston Churchill würde man wie folgt recht frei übersetzen: „Ob ein Pudding schmeckt, merkt man erst, wenn man ihn isst“

  2. aus: Diskussionbeitrag von Hans Heinz Holz auf der 1. Tagung des 17. Parteitages, gekürzt zitiert aus: „offen-siv“, Ausgabe März/April 2005

  3. aus: Diskussionbeitrag von Hans Heinz Holz auf der 1. Tagung des 17. Parteitages, gekürzt zitiert aus: „offen-siv“, Ausgabe März/April 2005

  4. UZ-Interview mit dem DKP-Vorsitzenden Heinz Stehr zu den Ergebnissen der 1. Tagung des 17. Parteitages in UZ vom 25. Februar 2005

  5. Aus: DKP-Informationen, Nr.5/2003

  6. Hans Heinz Holz: „Die Einheit der Partei und ihr Programm“, UZ, 16. Januar 2004

  7. Hans Heinz Holz: „Ein Brief an Rosemarie Müller-Streisand“ in „Weissenseer Blätter“, Nr. 2/2002. Aber Holz ist sich ganz offensichtlich auch in einem weiteren Aspekt mit einigen aus der DKP-Führung einig, nämlich der Verunglimpfung und Diffamierung von Genossinnen und Genossen, die von Positionen des Marxismus-Leninismus aus einer Einheit mit revisionistischen Positionen und ihren Protagonisten in einer kommunistischen Partei (!!!) höchst kritisch gegenüberstehen und den Revisionismus prinzipiell bekämpfen. Ganz allgemein rückt er sie in die Nähe von imperialistischen Geheimdiensten und ganz konkret denunziert und diffamiert er sie auch als geheimdienstliche Agenten des Klassenfeindes (so auch den Autor dieses Aufsatzes)...

  8. Dies kann sehr klar an den ungezählten Varianten von Alternativentwürfen zum Parteigrammentwurf und ihrer jeweiligen Mutation nachgewiesen werden

  9. Diese Aussage kann von vielen Kommunisten in der BRD als schlichte Provokation gewertet werden, ist es doch eine gesellschaftliche Realität, dass Kommunisten nicht nur in der DKP organisiert und viele inzwischen unorganisiert sind. Das Programm der DKP kann sich daher lediglich auf die Mitglieder der DKP beziehen (so steht es übrigens auch im DKP-Statut) und die DKP ist auch nicht DIE kommunistische Partei im imperialistischen Deutschland. Im Gegenteil, es wäre auch Aufgabe der DKP, sich für deren Schaffung einzusetzen. Davon steht nichts im Programm. Und auch Holz schweigt sich dazu aus…

  10. Vgl. dazu ausführlich: „Quo vadis“ in: „offen-siv“, Ausgabe Juli-August 2006

  11. Zitat aus dem DKP-Programm