Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 2/2002

Herausgeber: Kommunistische Plattform der PDS Hannover

Spendenempfehlung: 1,60 Euro

 

Ausgabe Januar / Februar 2002


Inhalt:

 

Redaktionsnotiz

  Lesereise Harpal Brar: Imperialismus im 21. Jahrhundert

  Red. Offensiv: Das Buch von Harpal Brar: „Imperialismus im 21. Jahrhundert –   Sozialismus oder Barbarei"

  Termine der Lesereise mit Harpal Brar

 

Zur Geschichte des Sozialismus

  Kurt Gossweiler: Vor 60 Jahren IV: Wie der Browderismus nach Europa 
  verpflanzt wurde – Teil 2

 

Abschied von Rolf Vellay

  Kurt Gossweiler: Abschied von Rolf Vellay

 

Diskussion Imperialismustheorie

  Vera Butler: Einige Bemerkungen zu den Beiträgen über den heutigen
  Imperialismus in der Offensiv November-Dezember 2001

  Kurt Gossweiler: Einige Anmerkungen zu Vera Butlers „Hegemonismus"

  Carsten Messerschmidt: Zuschrift zum Imperialismus

 

Resonanz

  Prof. Dr. Ingo Wagner: Leserbrief zu offensiv 10/2001: „Genosse Domenico
  Losurdos ‚Flucht aus der Geschichte’" von Kurt Gossweiler

  Franz Siklosi: Antimonopolistische Demokratie und Sozialfaschismus

 

Buchbesprechungen

  Frieda Hafenrichter: Biographie von Paula und Hans Rueß

  Gernot Bandur: Deutscher Freidenkerverband – Zur Geschichte der
  Demonstrationen zum Berliner Sozialistenfriedhof

  Jukka Tarka: Jürgen Elsässer - "Make Love and War. Wie Grüne und 68er die

  Republik verändern."

 

Erste Stimmen zum „Parteienheft"

  Reiner Meyer: Die KPD ist die einzige wirklich kommunistische Partei

  Helmut Lukas: Meine Lieben,

  Anton Heinrich: Bleibt, wo der Pfeffer wächst!

  Rosi und Wolfgang Nicolas: Anstelle einer Diskussion

  Helmut Lucas: Lieber Frank,

  Andrea Schön: Dieses Heft ist ein historisches Dokument

 

Jahresabschluss und Rechenschaftsbericht 2001

  Kurzes Resumee des Jahres

  Realisierte Hefte in 2001:

  Verbreitung der 'Offensiv

  Die Finanzen der Offensiv:

 


 

Redaktionsnotiz

Dieses Heft ist auf eine andere Art ungewöhnlich als es die Ausgabe November-Dezember 01 war: dort war es ein Theorieheft, fast schon ein Themenheft Imperialismus, hier ist es im Schwerpunkt ein Diskussionsheft. Wir haben Diskussionsartikel zur Imperialismusfrage, wir haben erste Anmerkungen und Kritiken zum „Parteienheft", es gibt weitere Resonanz – und wir setzen den Abdruck der Artikelfolge „Vor 60 Jahren" von Kurt Gossweiler fort. Am Ende des Heftes findet Ihr den Jahresrechenschaftsbericht 2001, aus Platzgründen müssen wir in diesem Zusammenhang auf die Veröffentlichung des Spendeneingangs verzichten – wir bringen ihn aber gewiss im nächsten Heft. Ebenso müssen wir hier aus Platzgründen auf interessante Dokumente und Diskussionen zu den Einheitsbestrebungen der Kommunisten verzichten – kommt alles ganz bestimmt im nächsten Heft!

Wir weisen eindringlich auf unsere Spendenkampagne hin: 1.500,- Euro zusätzlich für die Offensiv! Spendenkonto: Konto Frank Flegel, Kt.Nr. 21827 249 bei der Stadtsparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort „Offensiv" (Kennwort nicht vergessen!)

Wir bitten Euch um Aufmerksamkeit für die Lesereise von Harpal Brar – im Osten (bis auf Leipzig) wird Frank Flegel vor Ort sein, im Westen teilen sich Andrea Schön und Michael Opperskalski die Begleitung. Es wird also immer auch einen Büchertisch und die „Offensiv" bei den Lesungen geben – und die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch.

Und nun bekommt unsere Redaktionsnotiz einen traurigen Ausklang: Rolf Vellay ist am 22. Dezember 2001 gestorben. Die Urnenbeisetzung fand am 8. Februar 2002 in Datteln statt. Wir trauern um einen erfahrenen, standhaften Genossen. Ihm zu Ehren werden wir ein Sonderheft mit einigen seiner unserer Meinung nach wichtigsten Texte auflegen. Dies tun wir in Zusammenarbeit und mit Unterstützung von Kurt Gossweiler – worüber wir uns sehr freuen. Und deshalb legen wir Euch Kurt Gossweilers „Abschied von Rolf Vellay" in diesem Heft besonders ans Herz.

Frank Flegel, Hannover

Lesereise Harpal Brar: Imperialismus im 21. Jahrhundert

Red. Offensiv: Das Buch von Harpal Brar: „Imperialismus im 21. Jahrhundert – Sozialismus oder Barbarei"

Harpal Brar wird im März auf Rundreise durch Deutschland gehen. Er wird dabei sein Buch „Imperialismus im 21. Jahrhundert – Sozialismus oder Barbarei" vorstellen und für Fragen und Diskussionen zur Verfügung stehen.

Das Buch bringt eine Analyse über die Aktualität der von Wladimir Iljitsch Lenin im Jahre 1916 veröffentlichten Theorie über den Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Harpal Brar weist anhand vieler Quellen aus der internationalen Wirtschaftspublizistik nach, daß diese Theorie an Gültigkeit keineswegs verloren hat, sondern die von Lenin herausgearbeiteten Wesensmerkmale des Imperialismus sich heute auf allen Erscheinungsebenen von Politik und Wirtschaft unverkennbar widerspiegeln. Der Imperialismus Leninscher Definition ist somit "zu sich selbst" gekommen .

Die scharfsichtige Analyse des Autors sowie seine umfassenden Recherchen räumen zugleich mit jeglichen Verschleierungsversuchen auf, die von bürgerlichen Wirtschaftswissenschaftlern mit dem Schlagwort der "Globalisierung" und linksbürgerlichen Kräften mit dem Begriff des "Neoliberalismus" unternommen werden.

Zu Beginn der Veranstaltungen wird ein etwa 20 – 30minütiger Vortrag (in deutscher Sprache) die wesentlichen inhaltlichen Aussagen des Buches zusammenfassend darstellen, danach ist Zeit für Fragen und zur Diskussion. Bei allen Veranstaltungen steht ein/e Dolmetscher/in zur Verfügung.

Die Lesereise ist vom Verlag Pahl-Rugenstein, Andrea Schön und uns, also der Offensiv, in Kooperation organisiert worden. Wir danken hiermit allen Beteiligten. Red. Offensiv

Termine der Lesereise mit Harpal Brar

Fr. 1.3. Braunschweig, 19.30 Uhr, Guten Morgen Buchladen, Bültenweg 87

Sa. 2.3. Berlin, 11.00 Uhr, Blauer Salon, Altes ND-Gebäude, Franz-Mehring-Platz

Mo. 4.3. Potsdam, 19.00 Uhr, Volkssolidarität, Zeppelinstr. 163 A

Di. 5.3. Bernau, 19.00 Uhr, Club "Treff 23", Breitscheidtstr. 41

Mi. 6.3. Schwedt, 19.00 Uhr, Seesportclub, Am Holzhafen 11

Do. 7.3. Halle, 19.00, Melanchtorianum Hörsaal B

Sa. 9.3. Nürnberg, 14.00 Uhr, Kuno, Wurzelbauerstr. 29

Mo. 11.3. Gießen, 20.00, Kongreß-Halle, Versailles-Zimmer, Berliner Platz

Di. 12.3. Jena, 19.00 Uhr, Stadtteilzentrum Lisa, Werner-Seelenbinder Str. 28 A

Mi. 13.3. Leipzig, 19.00 Uhr, Stadtzentrum Messemagistrale, Str. d. 18. Okt. 10 A

Do. 14.3. Frankfurt, 19.00 Uhr, DGB-Haus Raum 4, Wilhelm-Leuschner-Str. 69

Fr. 15.3. Darmstadt, 19.00 Uhr, Bessunger-Knabenschule, Ludwigshöhestr. 42

Di. 19.3. Heidelberg, 19.30 Uhr, Kulturzentrum Karlstor-Bahnhof, Am Karlstor

Mi. 20.3. Luxemburg, 20.00 Uhr, Cafe teatre, Albert-Mousel-Beaumount 4 A, Luxemburg- Stadt

Do. 21.3. Bonn, 20.00 Uhr, Buchladen Le Sabot, Breite Str. 76

Fr. 22.3. Köln, 19.00 Uhr, Casa dei Popoli, Bayenstr. 15

Nähere Informationen beim Pahl-Rugenstein Verlag (Tel. 0228/632306) oder unter www.antiimperialista.net

Zur Geschichte des Sozialismus

Kurt Gossweiler: Vor 60 Jahren IV: Wie der Browderismus nach Europa verpflanzt wurde – Teil 2

III. Noel Field und die kommunistische Emigration in Frankreich und der Schweiz

Zur Beantwortung der oben gestellten Frage werde ich mich vor allem auf das Buch von Wolfgang Kießling stützen. Das macht es allerdings notwendig, vorher etwas über dessen Verfasser und darüber zu sagen, weshalb er dieses Buch geschrieben hat. Dieses Buch ist eine Verteidigungsschrift für Noel Field und alle, die wegen Kontakten zu ihm und zu seinem Bruder Hermann Field in den sozialistischen Ländern angeklagt, verurteilt oder Untersuchungsverfahren unterworfen wurden, und es ist zugleich eine Anklageschrift gegen ihre Ankläger in den Verfahren gegen sie.

 

1. Die Prozesse gegen Rajk und Slansky zur Rolle Noel und Hermann Fields

Diese Verfahren waren als erstes der Kostoff-Prozess in Bulgarien im November/Dezember 1949, als zweiter der Rajk-Prozess in Ungarn im September 1949, als dritter der Slansky-Prozess in der Tschechoslowakei vom November 1952, und die im Anschluss an diese Prozesse in der DDR durchgeführten Untersuchungsverfahren der Zentralen Partei-Kontroll-Kommission (ZPKK) der SED gegen Genossen, die in der Emigration mit Noel oder Hermann Field zu tun gehabt hatten. Zunächst also etwas zu diesen Prozessen.

Im Rajk-Prozess sagte der Angeklagte Dr. Tibor Szönyi Folgendes aus:

„Mit dem amerikanischen Geheimdienst knüpfte ich im Herbst 1944 in der Schweiz eine Verbindung an. Während des Krieges hielt ich mich als politischer Emigrant seit Ende 1938 in der Schweiz auf. In der Schweiz befand sich während des Krieges aus den mitteleuropäischen und osteuropäischen Ländern, beinahe aus jedem, eine große Anzahl von politischen Emigranten, unter ihnen auch linkseingestellte kommunistische Gruppen. Unter den links eingestellten politischen Emigranten entfalteten die geheimen Kundschafterorgane Englands und besonders der Vereinigten Staaten bereits im ersten Jahr des Krieges eine sehr aktive Tätigkeit. In der Schweiz war während des Krieges die europäische Zentrale des amerikanischen militärstrategischen Kundschafterdienstes, das sogenannte Office of Strategic Services, (OSS), dessen Leiter als europäischer Beauftragter Allan Dulles war. Offiziell war Allan Dulles Zugeteilter der Berner amerikanischen Gesandtschaft. Tatsächlich war er der europäische Leiter der OSS. Gegen Ende des Krieges, im letzten Jahr, als es im Sommer schon offenbar wurde, dass ein Teil der osteuropäischen und mitteleuropäischen Länder von den Sowjettruppen befreit wird, stellte der amerikanischen Kundtschafterdienst mit Allan Dulles an der Spitze in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit die Aufgabe, dass er aus den dortigen politischen Emigranten, besonders aus links eingestellten kommunistischen Gruppen, Spione eingliedere, mit der Zielsetzung, dass er diese in jenen Gebieten, die von den Sowjettruppen befreit werden, in die Minierarbeit gegen die kommunistischen Parteien einstelle. Im Laufe dieser Tätigkeit kam auch ich mit der amerikanischen Spionageorganisation in Verbindung. Der Hauptmithelfer und unmittelbare Mitarbeiter des Allan Dulles in dieser Arbeit, nämlich im Anwerben von Spionen unter den politischen Emigranten, war: Noel H. Field, der in der Schweiz offiziell Leiter einer amerikanischen Hilfsorganisation, der unitarischen Hilfsorganisation, Unitarian Service Comitee, tatsächlich aber unmittlbarer Mitarbeiter des Dulles in der Spionageorganisation war. Seine Aufgabe bestand darin, dass er als Leiter der Hilfsorganisation den politischen Emigranten wirtschaftliche Unterstützung und Hilfe zukommen lasse und dadurch mit letzteren eine Verbindung und Freundschaft ausbaue, sowie eine Eingliederungstätigkeit für die amerikanische Spionageorganisation entfalte."

Im Slansky-Prozess sagte der Beschuldigte Ludvik Frejka aus: „Meine Schuld besteht weiterhin darin, dass ich ...in der Zeit des zweiten Weltkrieges Verbindungen... mit dem bedeutenden amerikanischen Spion Hermann Field angeknüpft habe. Field war in dieser Zeit einer der führenden Leute des sogenannten Trust Fund in London, welchen die anglo-amerikanischen Imperialisten unter dem Vorwand der Unterstützung der Emigranten gegründet hatten. In Wirklichkeit aber war dieser Trust Fund ein wichtiges Zentrum der anglo-amerikanischen Spionageorganisationen."

 

2. Die Stellungnahmen der SED zu Noel und Hermann Field

Nach den beiden ersten Prozessen veröffentlichte das ZK der SED und ihre Zentrale Parteikontrollkomission am 24. August 1950 eine „Erklärung zu den Verbindungen ehemaliger deutscher politischer Emigranten zu dem Leiter des Unitarian Service Committee, Noel H.Field." n diesem zwanzigseitigen Dokument wird eine sehr ins Einzelne gehende Darstellung der Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen über die Verbindungen der deutschen kommunistischen Emigranten zu Noel Field gegeben. n der Erklärung wird u.a.gesagt: Die Prozesse gegen Rajk und Kostoff ...in Ungarn und Bulgarien erbrachten eine Fülle von Beweisen, dass die britischen und amerikanischen Geheimdienste bereits während des zweiten Weltkrieges eine Reihe von Agenten in die illegale Arbeiterbewegung entsandten. In Voraussicht der unvermeidlichen Niederlage Hitlerdeutschlands an der deutsch-sowjetischen Front und unter dem Eindruck des ständig wachsenden Einflusses der Sowjetunion richteten sich ihre Bemühungen vor allem auf eine Zersetzung der kommunistischen Parteien." (S.71)

An anderer Stelle wird gesagt: „In unserer Partei war es nicht unbekannt, dass eine ganze Reihe deutscher Genossen, die in der Schweiz oder in Frankreich in der Emigration lebten, mit demselben Noel H. Field Beziehungen unterhalten haben. Es war daher notwendig, den Charakter dieser Beziehungen zu untersuchen." (S.72)

Im Folgenden wird dann die Geschichte der Beziehungen Noel Fields mit deutschen Antifaschisten sehr detailliert dargestellt. Einleitend heisst es:„Der im Rajk-Prozess genannte Noel H. Field tauchte zum ersten Male gegen Ende des spanischen Bürgerkrieges auf. Als Beamter des State Department der USA gehörte er der internationalen Militärkommission des Völkerbundes an, die gegen Ende 1938 in Bisaura del Ter eine Registrierung derjenigen Angehörigen der Internationalen Brigaden vornahm, die in ihre vom Faschismus beherrschten Heimatländer nicht zurückkehren konnten. (s.a. Kießling, S. 29ff.) Offiziell wurde die Registrierung mit einer Evakuierung dieser Interbrigadisten in demokratische Länder begründet, obgleich der Völkerbund getreu seiner zur Unterstützung Francos betriebenen Nichteinmischungspolitik niemals daran dachte, dieses Versprechen zu verwirklichen. In der Tat erfolgte die Registrierung nur deshalb, um den imperialistischen Spionageorganisationen eine lückenlose Namensliste dieser Interbrigadisten zu verschaffen. Nach Beendigung der Kämpfe in Spanien setzte diese Kommission ihre Tätigkeit teilweise noch in den französischen Lagern Argelès sur Mer und St. Cyprien fort. Zu dieser Zeit hatte sie ihren Sitz in Perpignan, die Registrierungsscheine tragen die Originalunterschrift Noel H. Field.

Um die gleiche Zeit betätigte sich sein Bruder Hermann Field bei der Evakuierung der deutschen und tschechoslowakischen Emigranten von der CSR nach England. (Kießling, S. 33 ff.). Auf diese Weise verschafften sich der amerikanische OSS und der britische Intelligence Service umfangreiche personelle Unterlagen über die antifaschistische Emigration und dadurch die für ihre Tätigkeit notwendigen Voraussetzungen.

Im Herbst 1939 brachte Hermann Field seinen Bruder Noel in Zürich mit dem Mitglied der Kommunistischen Partei der Schweiz Sally Liebermann in Verbindung. (Kießling, S.-34). Im Hause des Liebermann verkehrten deutsche kommunistische Emigranten. Hier gelang Noel H. Field der erste Einbruch in die deutsche politische Emigration, indem er feste und dauernde Verbindung zu Bruno Goldhammer aufnahm.

Sein Eindringen in die verschiedensten politischen Emigrationsgruppen vollzog sich stets in der gleichen Art und Weise. Überall wo er auftauchte, verstand er es, sich den Mantel eines Freundes der verfolgten Antifaschisten umzuhängen. Einige sparsame Bemerkungen über seine angebliche große Hilfe für die Interbrigadisten verschafften ihm sofort Freunde." (S.72 f)

„Field knüpfte gleichzeitig Verbindungen zu dem später als Trotzkisten ausgeschlossenen damaligen Vorsitzenden der KP der Schweiz, Hofmayer, an. (Kießling,S.39, 43). Als neutrales Land bildete die Schweiz eine ausgezeichnete Ausgangsbasis für die zahlreichen als Wohlfahrts- und Hilfsorganisationen getarnten Spionageorgane der imperialistischen Länder. Von 1940 ab erscheint Field als Leiter des amerikanischen Unitarian Service Committee für die Schweiz und Frankreich. (Kießling, S.38). Von Februar 1941 bis zur Besetzung Südfrankreichs im November 1942 unterhielt er in Marseille, 15, Rue Fortune, ein Büro dieser Organisation. Sein Hauptsitz war bereits zu dieser Zeit in Genf im Büro des von Frau Berta Hohermut geleiteten International Emigration Service... Nach der Besetzung Südfrankreichs verlegte er seinen Sitz auch offiziell an diese Stelle." (S.74). (Kießling, S.87).

„Field hatte sich inzwischen durch seine Unterstützungszahlungen eine große Vertrauensbasis in der deutschen Emigration geschaffen. Im Herbst 1941 war er bereits so tief eingedrungen, dass die deutsche Emigrationsleitung in der Schweiz (das war Paul Bertz, K.G.) ihn als Kurier nach Südfrankreich verwandte. (Kießling, S. 59 ff.). Der inzwischen verstorbene Paul Bertz und der jetzt als langjähriger amerikanischer Agent entlarvte Leo Bauer diktierten Field parteiinterne Angelegenheiten zur Übermittlung an Paul Merker... Merker ermächtigte Paul Bertz ausdrücklich, parteiinterne Mitteilungen über Field zu geben. ... Auf diese Weise erfuhr der Chef des OSS, Allan Dulles, von den Plänen des antihitleristischen Kampfes." (S.79 f)

"Noel H. Field ...brachte Bruno Goldhammer mit dem unter dem Namen Dr. Hoffmann an der Charité in Zürich tätigen Dr. Tibor Szönyi zusammen. (Kießling, S.91). ... Tibor Szöni verbreitete in Fields Auftrag über die Gruppe der österreichischen Emigranten die Theorie ... Browder" (S.82). (Kießling, S .107.)

„Die Zusammenarbeit mit Noel H. Field und der deutschen Emigration trug gegen Ende 1944 bereits antisowjetischen Charakter. Am 19. April 1944 hatte die bereits erwähnte Verbündete Fields, Frau Berta Hohermuth, in der schweizerischen Landeskonferenz für soziale Arbeit ein Referat über „Schweizerische Nachkriegshilfe für kriegsgeschädigte Länder" gehalten. (Kießling, S. 113 ff.). Bei der Schilderung der Notlage der durch Kriegsereignisse vertriebenen Menschen bezichtigte sie die Sowjetunion der gleichen Verbrechen, wie sie der deutsche Faschismus begangen hatte. Das Referat diente der Werbung zur Teilnahme an Kursen zwecks Ausbildung sozialfürsorgerischer Kräfte. Ein solcher Kursus wurde von Field Ende 1944 organisiert und begann im Februar 1945. Obwohl das antisowjetische Programm der „Schweizerischen Nachkriegshilfe für kriegsgeschädigte Länder" bekannt war, nahmen Bruno Goldhammer und Frau sowie Hans Teubner an diesem Kursus teil." (S.84).

In dem Beschluss des ZK der SED vom 20.Dezember 1952 werden auch Versuche Fields geschildert, nach dem Sieg über den Faschismus in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone die alten Verbindungen weiterzuführen und selbst dort Fuß zu fassen. Dazu heisst es u.a.: „Er versuchte mehrmals Listen von Opfern des Faschismus zu erhalten und wandte sich deshalb an das Zentralsekretariat der SED. Da er hier jedoch abgewiesen wurde, knüpfte er durch fingierte Telefonanrufe eine Verbindung zum Berliner Hauptausschuss der Opfer des Faschisms an, wo es ihm tatsächlich gelang, nach mehreren Besprechungen eine Liste mit 25 Namen zu erhalten.

Seine persönlichen und schriftlichen Verbindungen in Berlin und anderen Orten Deutschlands liefen bis zum Frühjar 1949. Mehrmals versuchte er, Erika Glaser in der Leipziger Universität unterzubringen. Im Jahre 1948 hatte er eine längere Besprechung mit Leo Bauer, der sich in der Folge lebhaft dafür verwandte, Field, Erika Glaser und deren Mann Bob Wallach, ebenfalls ein Offizier des OSS, in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands zu einer Anstellung zu verhelfen. Auch Paul Merker bemühte sich in ähnlicher Weise und schlug im Jahre 1948 Noel H. Field als Dozenten für aussenpolitische Fragen an der Universität Leipzig vor." (S.86).

„Bei der Untersuchung ergab sich, dass eine Reihe von ehemaligen Emigranten der Partei nicht behilflich waren, die Zusammenhänge einwandfrei zu klären. ...Sie gaben nach dem Rajk-Prozess der Partei keine Mitteilung über ihre Beziehungen zu Noel H. Field, sondern mussten erst dazu aufgefordert werden." (S.. 87)

Dafür einige eindrucksvolle Bestätigungen aus dem Buche Kießlings: S.27/28: „Die im Parteiarchiv liegenden Erinnerungen (Paul Merkers) sind bezüglich Noel Fields ohne Wert. Deutlich gesagt, in den Jahren 1965 bis 1968, als Merker an seinen Memoiren für das Parteiarchiv schrieb, gab er mir das zu Protokoll, was er dort verschwieg." Kießlings entschuldigende Erklärung dafür: Merker habe „den Lügen der Vernehmer, deren Auftrag darin bestand, ihn dem Henker auszuliefern, nur die eigene Lüge entgegensetzen" können.

Es ging damals aber darum, Klarheit zu schaffen darüber, wie weit es den imperialistischen Geheimdiensten gelungen war, in die kommunistische Parteien einzudringen und sich dort Stützpunkte zu schaffen. Wer sich nicht selbst darauf eingelassen hatte, ein solcher Stützpunkt zu werden, konnte als Kommunist kein anderes Interesse als seine Befrager haben, nämlich, alle möglichen Einbruchsstellen des imperialistischen Gegners aufzudecken! Doch weiter bei Kießling. Über das Verhalten eines Genossen – Hans Teubner -, der in der Schweiz eng mit Paul Merker und Noel Field zusammengearbeitet hatte, nach Kießlings Zeugnis (S. 232) Browder bewunderte und dessen bereits zitierten revisionstischen, antisowjetischen Ansichten nicht nur voll zustimmte, sondern für deren Verbreitung unter den kommunistischen Emigranten sorgte, ist bei Kießling zu lesen: „Auffallend ist, dass Teubner nach der Rückkehr aus dem Exil in seinen Personalpapieren und auch 1975 in seinem Buch den mehr als anderthalbjährigen Aufenthalt in Brissago zu verschleiern suchte und den Eindruck erweckte, er wäre mit den anderen von Gordola nach Brassecourt gegangen. Sogar die Zentrale Parteikontrollkommision (ZPKK) bachte er am 4.Oktiober 1949 auf diese Fährte. ... Diese Falschangabe findet sich auch in der internationalen Literatur. Teubner, der von sich sagte, er habe vor der Partei niemals Geheimnisse, und der die Ehrlichkeit ihr gegenüber als das Grundgesetz eines Genossen ansah, erklärte am 8. Juni 1950 vor der ZPKK:‘Browder haben wir glatt abgelehnt. Da gab es keine lange Diskussion bei uns‘ (S.232). ... Zwischen Teubner und Field hatte es ein nützliches Zusammenspiel gegeben. ...Ihre Korrespondenz der Jahre 1943/44 ist verlorengegangen. (Verloren gegangen??): Teubner hat, als er 1949 in Bedrängnis geriet, Fields Briefe vernichtet. In seinem Schweizbuch von 1975 stehen beider Namen in keinem Zusammenhang. Der Amerikaner wird lediglich als Briefträger zwischen Bertz und Merker und in seiner karitativen Funktion benannt. (S.234).

Und schließlich noch dies: „Auf die Frage, wann er - (Teubner) - Field erstmals begegnete, antwortete er von Anfang an und blieb dabei: ‚In der Sozialen Frauenschule in Zürich, ... d.h. frühestens im Januar 1945, als die von Field vermittelte partielle Zusammenarbeit deutscher Kommunisten mit Vertretern der Berner US-Mission bereits angelaufen war – auch mit dem von Allan Dulles geleiteten Nachrichtendienst, dem Office of Strategic Service (OSS), der bis April 1945 unter Mitwirkung von Erica Glaser rund 50 deutsche Genossen, zum Teil bewaffnet und mit Funkgeräten ausgerüstet, ausFrankreich über die Schweiz oder direkt von der Schweiz nach Deutschland schleuste. Es gelang Teubner, der ZPKK zu verbergen, dass er es war, der am Lago Maggiore mit Field die Grundlinie dieser Zusammenarbeit vereinbart hatte." (S.237).

Die Genossen der Parteiführung hatten also allen Grund zu der Schlußfolgerung, dass jene Genossen, die mit der Wahrheit zurückhielten, sich Noel Field, dem Mitarbeiter von Allan Dulles, stärker verpflichtet fühlten als der Partei, zu deren Führung sie gehörten, und dass sie deshalb in Führungspositionen der Partei nicht mehr tragbar waren. Im Abschnitt „Schlussfolgerungen" des Beschlusses hiess es denn auch: „Spionageorganisationen handeln stets nach dem Grundsatz, einmal in ihre Netze geratene Menschen nicht mehr loszulassen. Daher können besonders die nach 1945 unterhaltenen Beziehungen nicht bagatellisiert werden. Die am engsten mit Field verbundenen Paul Merker, Leo Bauer,... haben dem Klassenfeind in umfangreicher Weise Hilfe geleistet und werden aus der Partei ausgeschlossen". Andere Genossen, „deren Beziehungen zu Field ebenfalls sehr eng waren, deren Tätigkeit aber nur zu einer mittelbaren Unterstützung des Klassenfeindes führte, werden aller ihrer Funktionen enthoben." (S.88)

Im Slansky-Prozess kamen zusätzlich neue Namen deutscher Emigranten zur Sprache, die mit Field in der Emigration in Verbindung gestanden hatten.

Dazu wurde in einem Beschluss des ZK der SED vom 20. Dezember 1952 über „Lehren aus dem Prozess gegen das Verschwörerzentrum Slansky" Stellung genommen. Diesem ganzen Komplex war auch ein Hauptpunkt der Tagesordnung der 13. ZK-Tagung der SED, (13.-14. Mai 1953) gewidmet. Das Referat dazu hielt Hermann Matern. Er wiederholte noch einmal, was schon im Beschluss von 1950 als Erkenntnis aus den Prozessen gewonnen worden war, - was man heute aber gar nicht oft genug wieder ins Bewusstsein heben kann, weil es offenbar bei Allzuvielen in tiefe Vergessenheit gefallen ist oder gar ungläubig als stalinistische Erfindung abgetan wird: „Die Prozesse... lehren uns, dass die feindlichen Agenturen auf lange Sicht arbeiten, um Positionen in den kommunistischen und Arbeiterparteien zu erringen. Schon lange vor Beendigung des Weltkrieges war ihnen klar, dass die von der Sowjetarmee befreiten Völker einen antiimperialistischen Weg einschlagen würden und dass die kommunistischen und Arbeiterparteien die führenden Kräfte dabei sein werden. Deshalb haben der anglo-amerikanische Imperialismus und seine Spionagedienste schon frühzeitig begonnen, geeignete Elemente zu bearbeiten und als Agenten zu werben, um sie in führende Positionen der kommunistischen und Arbeiterparteien in den Ländern der Volksdemokratie zu lancieren. Die Prozesse haben uns gezeigt, wie das den feindlichen Agenturen vorübergehend gelungen ist, wie aber auch die Feinde entdeckt und ihre Absichten zerschlagen wurden. Im Prozess gegen Rajk und Konsorten wurde damals die Rolle des amerikanischen Spions Noel H. Field aufgedeckt." (.S.10)

„Wie raffiniert der Feind seine Agenten in die Reihen der kommunistischen und Arbeiterparteien einzubauen versucht, das zeigt besonders die Methode mit dem amerikanischen Agenten Field. In Spanien tritt er als Helfer der Interbrigaden auf. In Frankreich und in der Schweiz hilft er scheinbar den Emigranten. Vorsichtig wird lanciert, dass er Kommunist ist, aber nicht öffentlich auftreten darf. Überall tritt er als Freund und Helfer auf. Um ihn in die Deutsche Demokratische Republik einzubauen, wird er wegen Unterstützung der Kommunisten von seiner amerikanischen Dienststelle entlassen. Um ihm eine Grundlage in der CSR zu schaffen, wird er vom unamerikanischen Komitee öffentlich als kommunistischer Agent angeklagt. Zur gleichen Zeit aber erhält er von Allan Dulles, dem Leiter der amerikanischen Spionage, seine konkreten Agentenaufträge." (S.27).

3.Die Verwandlung des Dulles-Vertrauten Field in ein Opfer Stalins

In den drei Prozessen wurde auch die Rolle Titos als Helfershelfer bei den imperialistischen Bemühungen zur Unterminierung der sozialistischen Staaten aufgedeckt. Das kam einer Schutzimpfung der kommunistischen Bewegung gegen den Revisionismus-Virus gleich. Die Wirkung dieser Schutzimpfung wurde jedoch 1955 zunichte gemacht durch die bereits erwähnte Aussöhnung Chruschtschows mit Tito. Im Gefolge dieser Totalrehabilitierung Titos und der mit dem XX.Parteitag der KPdSU eingeleiteten „Entstalinisierung und Liberalisierung" wurden, wie John Foster Dulles so zufrieden und zukunftsgewiss konstatiert hatte, die Kräfte freigesetzt, von denen er völlig zu recht die Zerstörung der sozialistischen Ordnung erwartete, falls ihnen nicht Einhalt geboten wurde. Zu dieser „Entstalinisierung" und „Liberalisierung" gehörte auch die Rehabilitierung der Brüder Noel und Hermann Field und aller der in den genannten Prozessen wegen ihrer Verbindung und Zusammenarbeit mit diesen beiden Verurteilten.

Dem von der Chruschtschow-Führung in dieser Richtung ausgeübten Druck nachgebend wurden auch alle in den Jahren 1949 bis 1955 in der DDR wegen ihrer Verbindungen zu Field Verurteilten oder ihrer Funktionen Enthobenen pauschal rehabilitiert. Dass diese Rehabilitierungen indessen nicht das Ergebnis durch neue Nachforschungen gewonnener Erkenntnisse, sondern der „Wünsche" aus Moskau waren, das konnte in der DDR, wer erfahren genug war, schon daran erkennen, dass die solcherart Rehabilitierten nicht in ihre alten Funktionen wiedereingesetzt wurden.

Für nicht wenige andere aber erschienen die Rehabilitierten als Kommunisten, denen böses Unrecht geschehen war, das einige sogar in den Selbstmord getrieben hatte; ein Unrecht, das aber durch die Rehabilitierung nur ungenügend wiedergutgemacht worden war, eben weil den Betreffenden offenkundig verwehrt wurde, in ihre früheren Funktionen wieder zurückzukehren. So sah das wohl auch Wolfgang Kießling.

 

IV. Wolfgang Kießling und die historische Wahrheit im Falle Merker, Browder und Field

Als er die oben erwähnte Erklärung des ZK der SED vom August 1950 in der Presse las, war Kießling ein junger Lehrer von 21 Jahren an der Schule eines Erzgebirgsdorfes. (S.9) Damals hatte er sicherlich keinen Zweifel daran, dass die Beschuldigungen gegen Field und die deutschen Kommunisten, an erster Stelle Paul Merker, die in der Emigration mit Field zusammengearbeitet hatten, zutrafen. Als er dann aber 1956 im Alter von 27 Jahren lernen musste, dass die damaligen Beschuldigungen zurückgenommen und die Beschuldigten rehabilitiert bzw. aus der Haft entlassen wurden, weil sich die Vorwürfe gegen sie als unberechtigt erwiesen hätten, wurde wahrscheinlich schon der Grund dafür gelegt, dass er später seine Aufgabe darin sah, als Anwalt der zu Unrecht verfolgten Field, Merker und anderer mit vielen Veröffentlichungen aufzutreten. Der entscheidende Anstoß dafür war aber, wie er selbst in seinem Buch berichtet, dass er 1965 die persönliche Bekanntschaft Paul Merkers machte. Er war damals als Redakteur in der zum Institut für Marxismus-Leninismus (IML) des ZK der SED gehörenden Redaktion der Zeitschrift „Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung" (BzG) tätig.

Paul Merker - im Sommer 1950 aus der SED ausgeschlossen, vom November 1952 bis März 1955 in Untersuchungshaft, am 30. März 1955 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt, - wurde im Januar 1956 aus der Haft entlassen.(S.277 f, 337)

Kießling., der an seiner Dissertation über das Thema der Bewegung „Freies Deutschland" in Mexiko arbeitete, befragte dazu die noch erreichbaren damals dort tätigen Emigranten als Zeitzeugen, also auch Paul Merker. (S.9 f.)

Kießling war tief beeindruckt von der Persönlichkeit Merkers und von dessen Berichten über seine vielseitigen Aktivitäten als Führungskader der KPD und der Komintern, vielleicht noch tiefer betroffen darüber, welches Unrecht an Merker, Field und so vielen anderen Unschuldigen - Paul Merkers Berichten zufolge - verübt worden war; Berichte, an deren Wahrheitsgehalt er nicht zweifelte - wie sollte er auch, hatte doch Chruschtschow, der erste Mann der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, „enthüllt", dass solches Unrecht die normale Praxis des „stalinistischen Systems" gewesen sei, und hatte doch die SED-Führung selbst im Falle Merkers erklärt, „dass die ihm zur Last gelegten Anschuldigungen in der Hauptsache politischer Natur" seien „die eine strafrechtliche Verfolgung nicht rechtfertigen." (S.337) Es ist deshalb nicht nur verständlich, sondern spricht durchaus für Kießling, dass er seine künftige Aufgabe darin sah, als Historiker mit seinen Veröffentlichungen den Nachweis für den verleumderischen Charakter der Beschuldigungen und Anklagen gegen die zu Unrecht Beschuldigten zu führen.

So lässt sich denn der Kerninhalt der meisten Nachwende-Veröffentlichungen Kießlings mit den Worten seines Freundes Holger Becker in der „Jungen Welt" in dessen Nachruf-Artikel für den am 1. März 1999 verstorbenen Wolfgang Kießling wiedergeben: „In einer Reihe von Veröffentlichungen arbeitete er heraus, dass es sich hier um Verfolgungen handelte, die der sowjetische Geheimdienst mit dem Ziel steuerte, die nationalen kommunistischen bzw. sozialistischen Parteien zur widerspruchslosen Befolgung des Moskauer Kurses zu disziplinieren. "

 

1. Paul Merker findet in Wolfgang Kießling einen Jünger

Die Sache hat jedoch einen fatalen Haken: diese nach dem XX. Parteitag offiziell gewordene und von Kießling unter dem dominierenden Einfluss Merkers übernommene Sicht auf die Dinge hat nichts mit der geschichtlichen Wahrheit zu tun, sondern stellt sie auf den Kopf. Das Schlimme bei Kießling ist nun aber, dass er bei dieser die Wahrheit entstellenden Deutung der Dinge auch dann noch blieb, nachdem ihm die ihr entgegenstehenden und sie widerlegenden Tatsachen bekannt geworden sind - wie aus seinem Buche zu ersehen. Die Seiten seines Buches sind voll von Beispielen des krassen Widerspruches zwischen den angeführten Tatsachen und seiner diesen direkt widersprechenden Deutungen oder aber ihrer einfachen Negierung.

An einem einzigen Musterbeispiel sei dies an dieser Stelle als ein Fall von vielen vorgeführt: „Ich (Kießling) fragte Merker, worauf sich der am 1. September 1950 im ,ND' nachzulesende Vorwurf des ZK und der ZPKK stützte, er habe <<kein Verständnis für den Abschluss des deutsch-sowjetischen Paktes 1939>> gezeigt...Merker antwortete: <<Dass ich kein Verständnis für den Pakt gehabt hätte, basiert auf einer Aussage Anton Ackermanns, die er im Mai 1940 gegenüber Pieck und Ulbricht, möglicherweise auch vor speziellen sowjetischen Dienststellen gemacht hat...>>

Weiter sagte mir Merker zu seinem angeblichen Unverständnis für den Pakt von 1939: <<Ende August 1950 ...verlangte Herta Geffke von mir umgehend eine schriftliche Stellungnahme zu der ihr vorliegenden Aussage eines Genossen,... dass ich mich in einer Sekretariatssitzung in Paris gegen den Pakt gestellt hätte. Ich gab es ihr schwarz aufweiss: `Ich habe niemals eine falsche Auffassung zum Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion gehabt. Es hat keine Besprechung in Paris stattgefunden, in der ich die mir vorgehaltenen Äußerungen getan habe.`>>"(S. 15 f.)

Also: Kießling will uns mit seiner Formulierung vom „angeblichen Unverständnis" und der anschließend zitierten Aussage Merkers zeigen, dass auch hier Merker zu Unrecht beschuldigt wurde. Auf S.57 aber gibt er uns wieder, was ihm Merker aus seiner Erinnerung über seine Einschätzung des Nichtangriffsvertrages als Leiter der Auslandsleitung der KPD in Frankreich erzählt hatte: „Die neue Phase des Krieges verlangte von uns die Klärung politischer Fragen, die wir an Wilhelm Pieck nicht stellen konnten, weil längst alle Kontakte nach Moskau abgebrochen waren, und die wir ihm nicht hätten stellen wollen, damit er selbst keinen Ärger bekam. Der Abschluss des Paktes zwischen Nazideutschland und der Sowjetunion war in seinen Folgen für alle kommunistischen Parteien verhängnisvoll. Die Kommunisten konnten nicht mehr unter ihren nationalen Bedingungen arbeiten. Sie waren, und dazu noch unvorbereitet, der höchst zweifelhaften sowjetischen Außenpolitik unterworfen. Wir vom Auslandssekretariat der KPD bekamen dies besonders zu spüren. Der sich in Frankreich verschärfende Antikommunismus -war in bestimmtem Maße der Stalinschen Politik geschuldet" (S.57 f. Unterstreichung von mir, K.G.)

Genau diese Auffassung war Merker von der ZPKK vorgehalten worden, und genau diese geäußert zu haben, hatte er entschieden abgestritten. Kießling aber scheint gar nicht zu bemerken, dass er mit der Anführung dieses Merker-Zitats ein Eigentor geschossen hat. Sein eigener als „nur Antistalinismus" verstandener Antikommunismus ließ ihn den Merkerschen Antisowjetismus als völlig normal und frei von jeder Kritikwürdigkeit erscheinen. Oder richtiger: Für ihn war Merker schon in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre in einem solchen Maße zur unanfechtbaren Quelle der Wahrheit über die Geschichte der Partei und der Emigration geworden, dass er nicht nur den Willen, sondern auch die Fähigkeit zu jeder kritischen Betrachtung und zu jeder Äußerung verlor, die auch nur den leisesten Zweifel am Wahrheitsgehalt der Darstellungen Merkers zu wecken geeignet war. So wurde nach dem Sieg der Konterrevolution nach 1989 aus dem ehemaligen Mitarbeiter des Instituts für Marxismus-Leninismus und DDR-Historiker ein gewendeter Publizist, der mit einer langen Kette von Artikeln im ebenfalls gewendeten ehemaligen Zentralorgan der SED und mit seinem hier genannten Buch über Noel Field wie kaum ein zweiter die Forderung des ehemaligen BRD-Außenministers und Verfassungsschutz-Chefs Kinkel bediente, die DDR zu delegitimieren und als „Unrechtsstaat" nachzuweisen.

2. Noel Field - Kommunist und selbstloser Helfer kommunistischer Emigranten – oder V-Mann von Allan Dulles?

Zur Beantwortung dieser Frage seien hier nochmals in Kürze wichtige Daten des Lebens und Wirkens von Noel Field, deren wichtigste bereits im Dokument der SED aufgezählt wurden, zusammengestellt. (Die Angaben nach Kießling, S.28.ff.) Noel Field wurde als Sohn seines in der Schweiz lebenden US-amerikanischen Vaters und seiner aus England stammenden Mutter 1904 in Zürich geboren. Nach dem Tod des Vaters 1921 und nach Noels Abitur 1922 zog Noels Mutter mit ihren drei Kindern in die USA.

Vom Staatsbeamten zum Leiter einer amerikanischen Hilfsorganisation in der Schweiz.

Nach einem Jura-Studium an der Harvard-Universität wurde er 1926 Mitarbeiter der Westeuropa-Abteilung des US-Außenministeriums, des State Departments. 1936 stieg er zum Vertreter der USA beim Sekretariat des Völkerbundes in Genf, wo er auch mit seiner Frau Wohnung nahm, auf.

1938 wurde er einer der Sekretäre der Völkerbundskommission, die in Spanien den Abzug der Interbrigadisten zu kontrollieren hatte. „Seine Tätigkeit begann mit der Erfassung aller ausländischen Soldaten, mit einer Aufstellung von Listen, auf denen sie entsprechend ihrer Nationalität gruppiert waren. " (S.31).

1939 nahmen die Fields die 17-jährige Erica Glaser in Pflege, weil das Mädchen, an Typhus erkrankt, nicht mit ihren Eltern, - die beide, der Vater als Arzt, die Mutter als Krankenschwester, der spanischen Republik geholfen hatten -, die Flucht nach Frankreich mit antreten konnte. (S.32). Wie sich zeigen sollte, begann mit dieser Hilfeleistung Noel Fields ein Weg, der Erica Glaser wenige Jahre später geradewegs zu Allan Dulles als dessen Mitarbeiterin im OSS führte.

„Nach der Niederlage der Spanischen Republik lebten die Fields wieder in Vandoeuvres (Vorort von Genf, K. G.). Erica ging in Genf zur Schule. Noel Field war nach wie vor beim Völkerbund beschäftigt und blieb es bis zum 13.Oktober 1940. „Faktisch hatte er für diese Liga der Nationen nichts mehr zu tun. Sein amerikanischer Pass und der Ausweis des Völkerbundes ließen ihn ungehindert die Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich passieren und ermöglichten ihm jederzeit, die Internierungslager in Südfrankreich zu besuchen, mit den Flüchtlingen zu sprechen und ihnen in zunehmendem Maße auch zu helfen. " (S. 32). „Noel Fields Reisen nach Südfrankreich -waren im Mai 1940 wegen des Krieges auf französischem Boden plötzlich zu Ende..." (S.36). Aber es fand sich bald ein ebenbürtiger Ersatz, der ihm die Möglichkeit bot, seine Kontakte mit den Emigranten verschiedener Nationalitäten nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern noch zu intensivieren. Ihm wurde die Stellung eines Direktors der Marseiller Filiale der von einer christlichen Gruppierung der Unitarier 1940 in Boston ins Leben gerufenen amerikanischen Hilfsorganisation USC -Unitarian Service Committee - angeboten. Die bereits seit dem Herbst 1940 bestehende USC-Vertretung in Lissabon wurde von einem Dr. Robert Dexter geleitet, der nun sein Chef wurde. Ihm werden wir in Bälde in anderer Eigenschaft wieder begegnen.

Wegen seiner neuen Arbeitsstelle zogen die Fields im Frühjahr von Genf nach Marseille, ließen jedoch Erica in der Schweiz zurück.

„Als sich Noel Field in Basel vom Vorsitzenden der Schweizer KP, Karl Hofmaier, verabschiedete, gab ihm dieser - (ungefragt? K.G.) - einen guten Hinweis. Zwei deutsche Genossinnen, Maria Weiterer und Hilda Maddalena, hatten Hofmaier per Postkarte kundgetan, dass sie sich nach mehr als einjähriger Internierung in dem in den Cevennen gelegenen Frauenlager Rieucros nunmehr am Mittelmeer im Hotel Bompard befinden", das jetzt eine Außenstelle des Marseiller Polizeigefängnisses war. „Sie bekämen Ausgang, um ihre noch ungewisse Ausreise zu betreiben.... Maria Weiterer und Hilda Maddalena waren sehr überrascht, als sie Noel Field im Hotel Bompard besuchte, sie von ihrem Bekannten aus Basel grüßte, sich als Vertreter des Bostoner Unitarian Service Committee in Marseille vorstellte und sie bat, sie möchten ihm behilflich sein, den notleidenden deutschen Antifaschisten in den Lagern Le Vernet, Rieucros, Gurs und anderswo Lebensmittel sowie den bedürftigen Nichtinternierten soziale und medizinische Betreuung zukommen zu lassen. Ihm ständen dafür genügend Mittel aus Spenden amerikanischer Bürger zur Verfügung. Er brauche Namen und Adressen; denn er müsse der Zentrale garantieren, dass die Solidaritätsgelder tatsächlich diejenigen erreichen, die sie dringend benötigen... Er suche mindestens zwei zuverlässige deutsche Helfer, die sich in Marseille frei bewegen können. " (S. 36-41). Die beiden Frauen gingen nicht sofort auf Fields Angebot ein, sondern erst, nachdem Hofmaier auf eine briefliche Anfrage Paul Merkers geantwortet hatte, „Field sei Kommunist, vertrauenswürdig und absolut zuverlässig. " (S.43).

„In seinem Büro sagte ihnen Field - (den Helferinnen, die er durch Vermittlung von Maria Weiterer und Hilda Maddalena bekommen hatte, K.G.) -, er sei auf Helfer verschiedener Länder angewiesen. In den Lagern haben sich die Gefangenen in Landsmannschaften zusammengeschlossen. Folglich brauche er ungarische, italienische, spanische, jugoslawische, polnische und auch deutsche Helfer, die von den Internierten ihrer Nationalität akzeptiert werden...Field erklärte, wie er sich die Arbeit der beiden deutschen Frauen dachte: Sie suchen sich, da sie persönliche Briefe in die Lager schicken können, ...jeweils eine Vertrauensperson, von der sie Namenslisten potentieller Paketempfänger erhalten... Field führte die Frauen in das dem Büro des USC angegliederte Lager. Hier stapelten sich per Schiff aus den USA eingetroffene Waren, vor allem Fleischkonserven, Milchpulver, Reis, Zucker, Teigwaren und Textilien wie Decken, Unterwäsche, Oberhemden und Jacken... Henny Stibi erinnerte sich: <<... Vier Monate waren wir noch in Marseille. Wir kauften, packten und transportierten.>> " (S.46/47).

Als die deutschen Truppen am 10. November 1942 begannen, ganz Frankreich zu besetzen, mussten die Fields fluchtartig Marseille verlassen. Sie kehrten nach Genf zurück und er eröffnete nun hier sein Büro der USC. „Die erzwungene Verlagerung der USC-Arbeit von Marseille nach Genf brachte keine großen Probleme. Die Bankkonten hatte Field sowieso in der Schweiz. Das Lager in Marseille war faktisch leer gewesen... Der tatsächliche Verlust bestand im plötzlichen Abbruch der direkten Kontakte zu seinen Helfern. Aber schon bald, wenn auch nicht im bisherigen Umfang, führte Field die Hilfsaktionen von der Schweiz aus nach Südfrankreich weiter.... Das Büro der USC eröffnete Field in den Räumen des von Berta Hohermuth geleiteten International Emigration Service. " (S. 86/87).

Just um diese Zeit erhielt Field den Besuch seines Chefs Dexter aus Lissabon. Und was der seinem Untergebenen Field erzählte, schildert uns Kießling so: „Von Robert Dexter, seinem Chefin Lissabon,... erfuhr Field, in den USA sei ein Office of Strategie Services (OSS) geschaffen worden. Es solle Grundlagenstudien für Entscheidungen der politischen und militärischen Führung erarbeiten. Zunächst habe man öffentlich zugängliche Informationen gesammelt und ausgewertet. Nunmehr sei es zentrale Aufgabe, Geheiminformationen zu beschaffen. Geschulte Agenten seien dafür nur bedingt verwendbar. Viel ergiebiger könnte es sein, in neutralen Ländern Europas wie Schweden, Portugal, der Schweiz und der Türkei, zu denen das Deutsche Reich vielfältige Beziehungen unterhält, an Nichtnazis, an Geschäftsleute, Firmenvertreter und Wissenschaftler heranzukommen. Mitarbeiter des OSS bauten unter dem Schutz der Immunität der Gesandtschaft der USA in Bern ihre Europa-Zentrale auf. Robert Dexter wurde in diese Aufsähe einbezogen. (Unterstreichung von mir, K. G.). Als Chef des OSS für Zentraleuropa war Allan Welsh Dulles vorgesehen. Field kannte ihn, wenn auch nur flüchtig, aus seiner Tätigkeit im State Department. Dulles sollte im November 1942 nach Bern kommen. " (S. 81/82).

Field nutzte seine Bekanntschaft mit dem kommunistischen Emigranten Leo Bauer dazu, Bauer mit seinem Chef, dem OSS-Mann Dexter, bekannt zu machen.. "Leo Bauer fand es nicht abwegig, als ihm Field den Vorschlag machte, sich mit Dexter zu treffen und zu sondieren, ob sie sich gegenseitig nützlich sein könnten. Warum sollte er nicht zu Vertretern der USA, dem Hauptverbündeten der Sowjetunion im Kampf gegen Hitler, in Kontakt treten. In England ließ zur gleichen Zeit die Leitung der KPD-Emigration unter ihren jungen Mitgliedern zum freiwilligen Dienst in der Armee des Gastlandes werben." (S.82). Bei einem Treffen Bauers mit Dexter brachte der einen zweiten Mann mit, der Bauer fragte, ob er bereit sei, Aufträge von ihm, also dem OSS, anzunehmen. Bauer zeigte dazu Bereitschaft. (S.82/83). Die Verbindung des OSS zu Bauer war besonders wichtig, weil, wie Paul Merker gegenüber Noel Field einmal geäußert hatte, „ der Weg zu Bertz " - dem in gut geschützter Illegalität in Basel lebenden Leiter der Schweizer Parteiorganisation der KPD - „führe nur über Leo Bauer". (S.60). Aus Kießlings Schilderung geht also klar hervor - obwohl er das selbst nicht so klar sagt -, dass Field den Kommunisten Leo Bauer dem amerikanischen Geheimdienst OSS zuführte, das ihn mit Erfolg zur Mitarbeit anwarb.

Aber nicht nur Leo Bauer, sondern offenbar auch seine, Fields, Pflegetochter Erica Glaser. Allerdings lässt uns Kießling überraschenderweise völlig im Unklaren darüber, wie der Kontakt Erica Glasers mit dem OSS zustandekam, obwohl er uns sonst mit allen wichtigen Etappen ihrer Entwicklung bekannt macht. Wir erfahren nur ganz beiläufig durch einen Hinweis Kießlings auf eine Äußerung Erica Glasers in ihrem Erinnerungsbuch (Erica Wallach, „Licht um Mitternacht", München 1969), dass sie bei dem Treffen Leo Bauers mit den OSS-Leuten, bei dem ihm, Leo Bauer, ein Fragebogen des OSS übergeben worden war, ebenfalls zugegen war; (S.83), wir dürfen daraus schlussfolgern, dass sie selbst damals auch schon etwas mit dem OSS zu tun gehabt hat. Indem Kießling uns vor dieser Passage mitteilt, Erica Glaser „war durch Noel Field mit Leo Bauer bekannt geworden. Sie nannte ihn rückblickend ihren <<politischen Lehrer und Freund>>, mit dem sie ein sehr enges, ein Liebesverhältnis hatte ", lässt er der Vermutung Raum, es sei wohl Leo Bauer gewesen - also nicht ihr Pflegevater Noel Field -, der sie dem OSS zugeführt hatte.

Einen weiteren - ebenfalls recht undeutlichen - Hinweis darauf, dass Erica Glaser eine enge Beziehung zum OSS hatte, gibt Kießling zwei Seiten weiter; nachdem er darüber berichtete, dass Leo Bauer kurz nach dem Gespräch mit den OSS-Leuten von der Genfer Geheimpolizei mitsamt dem Fragespiegel, den ihm die OSS-Leute übergeben hatten, verhaftet worden war, lesen wir bei ihm auf S.85: „ Über Erica legte das OSS Bauer nahe, auf keinen Fall die Quelle des Fragebogens zu nennen. Auf Hilfe des OSS könne er nicht rechnen. " Daraus darf geschlossen werden, dass Noels Pflegetochter schon zu dieser Zeit eine „inoffizielle Mitarbeiterin", also eine „IM" des Allan Dulles war.

Aber erst viele Seiten weiter - auf S. 121 - erfahren wir: Bei den Verhandlungen mit den Amerikanern darüber, deutschen Kommunisten dabei behilflich zu sein, bewaffnet nach Deutschland zu gelangen, um am Kampf gegen Hitler teilzunehmen, „wirkte Erica Glaser mit, die mit Zustimmung der Schweizer KPD-Leitung in den Dienst der OSS getreten war." Das aber spielte sich erst Anfang 1945 ab (s.S. 120), die Verhaftung Leo Bauers aber schon im Oktober 1942. Schon damals aber war, wie wir durch Kießling erfuhren, Erica Glaser mit dem OSS liiert; von einer Zustimmung der Schweizer KPD-Leitung dazu hat er an dieser Stelle jedoch nicht gesprochen. Er ließ also - und das sicherlich nicht „aus Versehen" - im Dunkel, wie es zum ersten Kontakt der Erica Glaser mit dem OSS und zu ihrer Übernahme in die Reihen seiner Mitarbeiter kam. Aber es wäre doch immerhin wichtig zu wissen, wer sie auf den Weg einer Spionin brachte, der dazu führte, dass sie 1950 von einem sowjetischen Militärgericht zum Tode verurteilt, dann zu 15 Jahren Lagerhaft begnadigt wurde und einige Jahre - bis zur Annullierung ihrer Strafe und ihrer Entlassung in den Westen - in Workuta zubringen musste.(S.32,238).

Helfer in zwei Richtungen

Noel Fields Tätigkeit als Chef des Genfer USC erfuhr zwei gänzlich entgegengesetzte Einschätzungen..

Seine Beurteilung in den Prozessen von Budapest und Prag und durch die Führung der SED als Helfer von Allan Dulles haben wir schon kennengelernt; erinnert sei nur an die bereits auf S. 17 wiedergegebene Feststellung Hermann Materns: „ Wie raffiniert der Feind seine Agenten in die Reihen der kommunistischen und Arbeiterparteien einzubauen versucht, das zeigt besonders die Methode mit dem amerikanischen Agenten Field. "

Kießling dagegen findet gar nicht genug Worte, um uns Field als einen der edelsten und selbstlosesten Helfer verfolgter kommunistischer Emigranten vorzustellen. In seinem Buch zitiert er - S. 26 - zustimmend einen anderen Autor, der über Field schrieb: „Zweifellos ein empfindsamer, aufrichtiger Idealist - ja, ein guter Mensch... Friede, Gerechtigkeit, Verantwortungs-gefühl, Hilfsbereitschaft... bildeten Sinn und Zweck seines Lebens... War er Kommunist? Zweifellos ja, und dabei ist es gleichgültig, ob er auch formell der Partei beigetreten ist." An anderer Stelle - S.51 - gibt Kießling als Äußerung von Paul Merker, Maria Weiterer und Georg Stibi wieder: "Field ist ein guter Mensch, eine Samariterseele. Wir alle wären ärmer ohne solche Menschen."

Und schließlich zitiert er Paul Merker aus einem Gespräch, das er in den sechziger Jahren mit diesem geführt hatte - ( S. 149) : „Wir standen tief in seiner Schuld, obwohl Menschlichkeit niemals aufzuwiegen ist... Er hätte Ehrenbürger eines demokratischen Nachkriegsdeutschland werden müssen." Welches Field-Porträt trifft zu?

Kießling führt nicht wenige Beispiele von Hilfe Fields für Emigranten an, für die diejenige, denen er sie erwiesen hatte, ihm gegenüber tiefe Dankbarkeit empfanden und oft lebenslang bewahrten. So sorgte er beispielsweise dafür, dass eine im Polizeigefängnis in Frankreich internierte deutsche Emigrantin, Sophie Marum, die im zum Polizeigefängnis umgewandelten Hotel Bompard in Marseille der Geburt eines Kindes entgegensah, aus dem Gefängnis in ein Heim der Quäker überführt wurde, wo sie ihr Kind - eine Tochter Andree - unter weniger bedrückenden Umständen zur Welt bringen konnte. (Kießling, S. 56). Zu den von Kießling angeführten Beispielen zählt auch das der internierten kommunistischen Emigrantin Maria Weiterer, die der Auslieferung an das faschistische Deutschland dadurch entging, dass ihr dank Fields Hilfe gelang, illegal über die Grenze in die Schweiz zu gelangen. (S.80). Und natürlich waren die von Fields USC geleisteten finanziellen Zuwendungen und die Lebensmittelpakete für die in den Lagern internierten Interbrigadisten eine willkommene Hilfe.

Aber: sind solche Hilfeleistungen etwa ein Beweis dafür, dass es sich bei Field keinesfalls um einen Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes gehandelt haben kann? Natürlich nicht. Davon könnte nur dann die Rede sein, wenn diesen Hilfeleistungen nicht auch andere Tatsachen zu Seite stünden, die auf eine Geheimdienst-Verbindung hinweisen. Ist es doch eine Binsenweisheit, dass, wer in eine feindliche Organisation eindringen will, dies am besten dadurch bewerkstelligt, dass er sich als deren Freund und Sympathisant ausgibt und, um Vertrauen zu erwerben, durch Taten für behauptete Freundschaft auch Beweise liefert. Und welche Taten wären mehr geeignet, solches Vertrauen zu schaffen, als Hilfeleistungen für Menschen in existenziell gefährdeten Situationen?

Im Falle Noel Field nun enthalten nicht nur die Materialien der Prozesse gegen Rajk und Slansky und der Untersuchungen der ZPKK der SED solche Tatsachen über Fields Tätigkeit als Mitarbeiter von Allan Dulles und dessen OSS; nein, auch in Kießlings Buch finden wir Hinweise auf solche Tatsachen in nicht geringer Zahl, und zudem erstaunliche Widersprüche in Kießlings Ausführungen, mit denen er alle Vorwürfe gegen Field als unbegründet und konstruiert nachzuweisen sucht..

Field und das USC. Dexter und das OSS des Allan Dulles

Wie wir sahen, war Field, von seiner Dienststelle, dem US-Außenministerium, 1936 zum Völkerbund delegiert, ab 1938 als einer der Sekretäre des Völkerbundes mit der listenmäßigen Erfassung der aus Spanien abgezogenen Interbrigadisten beschäftigt. (Kießling, S.31). Dass Zweitschriften der dabei erstellten Listen auch vom State-Department verlangt und ihm geliefert wurden, versteht sich am Rande. Klar war, dass sich unter den darin Aufgelisteten nicht wenige besonders einflussreiche Angehörige der Kommunistischen Parteien aus verschiedenen Ländern, besonders aus Deutschland, befinden mussten, über die Näheres - ihre Funktionen, ihre Verbindungen und ihre späteren Aufenthaltsorte und Tätigkeiten - zu wissen für die US-Kommunistenbekämpfer von erstrangigem Interesse war. Man brauchte dazu aber nicht nur Namenslisten, sondern persönliche Kontakte. Die zu bekommen, war unter den gegebenen Umständen ziemlich einfach, waren die Interbrigadisten doch größtenteils in französischen Lagern interniert. Den Weg zu ihnen wiesen die aus der Solidarität linker Organisationen für die Spanienkämpfer und überhaupt für die aus ihren Ländern vertriebenen Antifaschisten entstandenen Hilfskomitees, wie zum Beispiel das von den Kommunisten der USA ins Leben gerufene „North American Committee to Aid Spanish Democracy", dessen Leitung der parteilose New Yorker Chirurg Edward K. Barsky übernommen hatte, (daher auch „Barsky-Komitee").

Es lag nahe, demjenigen, der schon die ersten persönlichen Kontakte mit den Interbrigadisten bei deren listenmäßiger Erfassung gehabt hatte, auch ihre weitere Betreuung (in doppelter Hinsicht) zu übertragen. Eine solche Erklärung für Fields Wechsel seines Arbeitsplatzes ist jedenfalls sehr viel plausibler als die Erklärung, dieser Wechsel sei das Ergebnis gewesen von Fields unbändigem Wunsch, Menschen in Not zu helfen, oder gar das Ergebnis dessen, dass er Kommunist gewesen sei.

Field blieb bis Oktober 1940 als Angehöriger des State Department beim Völkerbund beschäftigt, (Kießling,S.32), danach übernahm er - wie schon erwähnt, (s.o., S.22), die Leitung des Genfer Büros der USC. Darüber, wer ihn für diesen Posten vorgeschlagen hat, stellt Kießling merkwürdigerweise Vermutungen an, ob es der Vertreter des Christlichen Vereins Junger Männer gewesen sei, wie die Field-Biografin Flora Lewis meinte, oder Dr. Edward Barsky, (S.38), obwohl doch die Lösung ziemlich nahe liegt, nämlich: dass dies der Mann war, dessen Untergebener er in der neuen Funktion wurde - Dr. Robert Dexter. Doch es ist verständlich, wenn Kießling bemüht war, nicht den Eindruck großer Nähe Fields zu Dexter aufkommen zu lassen, war der doch, wie schon erwähnt, (s.o., S. 24) ein Mitarbeiter von Allan Dulles beim Aufbau der Europa-Zentrale des USA-Geheimdienstes OSS, dem Vorläufer der CIA, in Bern. Und derselbe Dexter war es, der Field darum bat, ihm zu helfen, Leute ausfindig zu machen, die für die Aufgaben des OSS nützlich sein könnten, woraufhin Field dem Dexter Leo Bauer zuführte. (S. ebenda). Und es kann ja wohl auch nicht gegen den Willen Fields geschehen sein, dass seine Pflegetochter Erica Glaser - zuerst inoffiziell, später dann ganz offiziell - in den Apparat des OSS eingebaut wurde. Übrigens war ihr Mann, Bob Wallach, ebenfalls ein Offizier des OSS, (s. Matern, S.86). Von Kießling wird dieser Mann allerdings überhaupt nicht erwähnt.

Immerhin: Kießling kommt, wie gezeigt, nicht umhin, Tatsachen aufzuführen, die eindeutig beweisen, dass Fields christlich-wohltätiges „Unitarian Service Committee" mit dem OSS des Allan Dulles zusammenarbeitete.

Dagegen verheddert sich Kießling erheblich bei seinen Versuchen, uns Field als überzeugten Kommunisten vorzustellen.

Noel Field - Kommunist oder nicht?

Wir erfahren, dass in den dreißiger Jahren Field Bekanntschaft mit dem damaligen Vorsitzenden der KP der USA, Earl Browder, machte. Kießling dazu: „Fields Gespräche mit Browder und die Lektüre marxistischer Literatur führten dazu, dass er von sich meinte, er sei Kommunist. Eingetragenes Mitglied der KP zu werden und sich am Parteileben zu beteiligen, hätte zum baldigen Ende seiner Lau/bahn als Regierungsbeamter geführt. " (Kießling, S.30). Auf S. 132 zitiert Kießling sogar aus einer Antwort Paul Merkers auf eine Anfrage Franz Dahlems über Field vom 26. November 1946 - zu dieser Zeit waren beide, Dahlem und Merker, Mitglieder des Parteivorstandes der SED - : „Ich teile nicht die Auffassung der Genossin Änne von Fischer, dass es sich bei Field um einen amerikanischen Agenten handelt. Field gehört der KP Amerikas an. " (Unterstreichung von mir, K.G.)

In der bereits zitierten Erklärung des ZK und der ZPKK der SED vom 24.August 1950 ist zu der angeblichen KP-Mitgliedschaft Fields jedoch auf S. 85 ausgeführt: "Im Sommer 1945 begab Field sich nach Mexiko, um auch dort die bereits in Marseille angeknüpften Verbindungen wieder aufzunehmen. Paul Merker, der mit ihm dort eine längere Unterredung hatte, trifft der schwere Vorwurf, die Verbindung zu Field wieder aufgenommen zu haben, obgleich das ZK der KP der USA ihm keine Auskunft über Field erteilt hatte. Merker beruhigte sich damit, dass das der KP der USA nahestehende Barsky-Komitee ebenfalls mit Field in Verbindung stand."

Kießling ist diese Feststellung keine Beachtung wert, sie wird deshalb in seinem Buche nicht erwähnt. Dafür aber zitiert er nach der Erklärung: „Ich bin mit ihm eins" aus dem Buche „Schauprozesse" des Ungarn Georg Hermann Hodos: „War er (Field) Kommunist? Zweifellos ja, und dabei ist es gleichgültig, ob er auch formell der Partei beigetreten ist. " (Kießling, S.26). Um diese Feststellung zu untermauern, stellt uns Kießling Noel Field auch als einen naivgläubigen Verehrer der Sowjetunion vor, indem er uns erzählt, was ihm einmal Georg Stibi über ein Gespräch mit Field berichtet habe. Stibi war kommunistischer Emigrant, der in Moskau und ab 1937 in Madrid die Leitung deutschsprachiger Radiosendungen innehatte, danach in Frankreich interniert wurde und dort Field kennenlernte. Ihn fragte Field einmal nach seinen Erfahrungen in der Sowjetunion, und, so berichtete er Kießling, in seiner Antwort habe er ihm nichts von seinen dortigen negativen Erlebnissen mitgeteilt; er habe Field nichts von ihnen sagen können, denn: „Er hätte annehmen müssen, ich wolle an seinen Glauben rühren. Seine idealistisch begründete Verehrung für die Sowjetunion war eine Wurzel seiner Solidarität mit allen vom Faschismus Verfolgten. " (Kießling, S.49).

Wir werden weiter unten durch keinen anderen als Kießling Handlungen von Field kennenlernen, die mit einer von Stibi angenommenen und uns von dem gleichen Kießling präsentierten Verehrung Fields für die Sowjetunion beim besten Willen nicht in Einklang zu bringen sind.

Aber nun noch eine andere Äußerung zu Merkers Behauptung von Fields KP-Mitgliedschaft. Auf S. 145 zitiert Kießling eine Aussage der Witwe Egon Erwin Kischs, Gisl Kisch, vom September 1953. „Bei einem Besuch von Field in meiner Wohnung (im September 1948) teilte mir dieser mit, dass er mit der Aufenthaltsverlängerung in der CSR Schwierigkeiten habe und bat mich um Rat, was er in dieser Sache unternehmen soll. Konkret hat er mich gefragt, ob ihm die KPTsch nicht helfen könne. Ich habe ihm geantwortet, es wird schwer gehen, da er kein Parteigenosse ist. ". (Unterstreichung von mir, K.G.) Was der Gisl Kisch bekannt war, das war mit Sicherheit erst recht Paul Merker, der zu Field ein viel längeres und viel engeres Verhältnis hatte als sie, bekannt. Den Widerspruch zwischen den beiden von ihm zitierten Aussagen bagatellisiert Kießling mit der Erklärung, für Merker sei der Unterschied zwischen „Kommunist" und „Parteimitglied" „nur eine Nuance" gewesen, habe er doch „oft genug erfahren, dass nicht das Parteibuch einen Kommunisten ausmacht, sondern sein Verhalten ". (S.44/45). Das schafft aber die Tatsache nicht aus der Welt, dass Merker die Partei mit seiner Behauptung, Field sei Mitglied der KP der USA, bewusst belogen hat.

Die Schlüsselfrage zu Fields Hilfeleistungen: Cui bono?

Die Fragwürdigkeit oder auch „Ambivalenz" - um ausnahmsweise einmal diesen von manchen mit Vorliebe zum Ausweis von Wissenschaftlichkeit benutzten Ausdruck zu benutzen - der Hilfe von imperialistischen Geheimdiensten für Kommunisten möchte ich - exemplarisch für das Wesentliche solcher "Hilfe" - an einem Fall, der Hilfe Fields für Paul Merkers Flucht nach Mexiko, dartun. Um die Doppeldeutigkeit dieser Hilfe deutlich zu machen, werde ich zwei Fragen nachgehen:

Erstens: Wer und welche Institutionen waren an dieser Hilfe beteiligt? Das Material zur Beantwortung dieser Frage werde ich ausschließlich dem Buche Kießlings entnehmen. (S. 55, 63-65, 73-75).

Und zweitens: Wer - außer den oder dem direkt Betroffenen, in diesem Falle Paul Merker, - ist noch Nutznießer dieser Hilfe? Zur Beantwortung dieser Frage werde ich auf die Erklärung des ZK der SED zurückgreifen. (Matern, S.78-80).

Zur ersten Frage. Paul Merker war es in Frankreich gelungen, Ausreisepapiere nach Mexiko zu erhalten. Um aber ausreisen zu können, fehlte ihm das französische Ausreisevisum. Das hätte er nur gegen Vorlage eines Entlassungsscheins des Lagers Les Milles, in dem er interniert war, beantragen können. Einen solchen Schein konnte er aber nicht vorweisen, weil er das Lager illegal verlassen hatte und untergetaucht war. Sein Retter war Noel Field. Er erreichte, dass Merker von der französischen Ausländerbehörde ein Ausreisevisum erhielt. Die Einzelheiten dieser Rettung grenzen an ein Wunder. Folgen wir Kießling, vergessen wir dabei jedoch nicht, dass er die wiedergegebenen Dialoge nicht aus einem Protokolldokument zitiert, sondern sich auf Erinnerungsberichte Merkers und anderer bezieht, und dass er mit denen das Interesse gemeinsam hat, nachzuweisen, die Beschuldigung, bei Field habe es sich um einen amerikanischen Geheimdienstagenten gehandelt, sei aus der Luft gegriffen und entbehre jeder Grundlage. Dies sollte man beim Lesen des Folgenden immer im Hinterkopf haben: „Lex Ende beriet sich mit dem Anwalt Jerome Ferucci, seinem Verbindungsmann zur französischen Partei. Ferucci wusste, dass in der Ausländerbehörde der Präfektur eine Madame Esmiol die Ausreiseanträge bearbeitete. Sie sei eine Gegnerin des Vichy-Regimes und sympathisiere mit der gaullistischen Bewegung Freies Frankreich. Trotzdem wäre es... leichtfertig, darauf zu bauen. Die Ausländerbehörde unterstand dem Innenministerium und wurde offiziell vom Zweiten Büro, der Geheimpolizei, kontrolliert. Frau Esmiol war verpflichtet, sich jedes Visum vom Innenministerium in Vichy bestätigen zu lassen. Dennoch gab es keine andere Wahl. Diese Madame Esmiol musste direkt gefragt werden. Nur ein Unbeteiligter konnte, ohne sich selbst zu gefährden, zu ihr gehen und die Lage sondieren. Noel Field war dazu sofort bereit... Er brachte von der Präfektur die Nachricht, die Beamtin Esmiol werde ausnahmsweise die Anträge - (außer Merker handelte es sich dabei noch um drei weitere Genossen, die mit Merker das Lager Les Milles illegal verlassen hatten) - auch ohne Entlassungsscheine des Lagers Les Milles annehmen. Daraufhin habe er ihr die vier Namen genannt, und sie ließ durch ihn übermitteln, die Männer könnten unbesorgt zu ihr kommen. Paul Merker erinnerte sich: <<Frau Esmiol... empfing uns freundlich. Sie hatte sich bereits telefonisch vom Lager Les Mildes bestätigen lassen, dass wir dort geführt waren. Wir füllten die Anträge aus und sollten die Visa am folgenden Tag abholen. Als wir schon im Korridor waren, kam uns Frau Esmiol nach. Sie fasste mich am Ärmel und zog mich beiseite: ,Monsieur Merker, es tut mir sehr leid. Sie können das Visum nicht bekommen. Sie stehen auf der Fahndungsliste des Innenministeriums. Die deutsche Seite verlangt Ihre Auslieferung. Ich bin laut Gesetz verpflichtet, Sie verhaften zu lassen. Von mir haben Sie nichts zu befürchten. Meine Ehre als Französin verbietet es mir, einen deutschen Antinazi seinen Henkern auszuliefern. Auch wenn ich Ihren Namen übersehen haben würde, Sie haben nach meinem Ermessen keine Chance, an Bord eines Schiffes zu gelangen. Im Hafen werden alle Reisenden dreifach kontrolliert: vom Zoll, von französischer Gendarmerie und von deutschen Geheimpolizisten in Wehrmachtsuniform. Ich rate Ihnen, wieder unterzutauchen und Marseille zu meiden. Denken Sie daran, Ihr Besuch bei mir und unser Gespräch haben nie stattgefunden.'>>"

Schon bis hierher ist das eine Geschichte, die fast an ein Wunder grenzt. Gerade deshalb wirft sie schon hier einige Fragen auf, z. B.: Hätte es nicht viel näher gelegen, dass der Anwalt Ferucci, der die Dame Esmiol ja offenbar recht gut, vielleicht sogar persönlich kannte, es übernahm, bei ihr zu sondieren, als ein ihr unbekannter Ausländer?

Aber - vielleicht war Field für die Dame Esmiol gar kein Unbekannter, sondern sie war durchaus im Bilde darüber, in welcher Eigenschaft er sich in Marseille aufhielt? Denn: kann man sich vorstellen, dass die Dame Esmiol, die immerhin von Amts wegen auch mit dem französischen Geheimdienst verbandelt war, auf die Anfragen irgendeines „Unbeteiligten" hin das Risiko eingeht, sich sofort bereit zu erklären, aus ihrem Lager ausgebrochene deutsche Internierte nicht nur nicht zu verhaften, sondern ihnen überdies ohne die dazu erforderlichen Unterlagen Ausreisepapiere auszustellen?

Nein, das ist unvorstellbar. Dieses Wunder konnte nur jemand bewirken, der eine Autorität hinter sich hatte, die selbst vom französischen Zweiten Büro respektiert wurde, zum Beispiel das US-State Department oder, noch wahrscheinlicher, ein US-Geheimdienst. Und das gilt noch viel mehr für den zweiten Teil dieser Geschichte. Denn da es für Merker keine Möglichkeit gab, unter seinem richtigen Namen über die Grenze oder auf ein Schiff zu gelangen, musste er die Ausreise mit falschen Papieren auf einen anderen Namen unternehmen. Aber woher falsche Papiere bekommen? Wieder war der Retter Noel Field. Doch lassen wir wieder Wolfgang Kießling erzählen. Bei einem Abschiedsessen im Oktober 1941 für Merkers Frau, die mit dem nächsten Schiff ausreisen konnte, „stand Field plötzlich vom Tisch auf und erklärte, er werde noch einmal mit Madame Esmiol sprechen. Es müsse einen Ausweg geben. Zumindest wolle er von ihr hören, ob sie wenigstens einen Rat hat... Seine Vorsprache war nicht umsonst... Madame Esmiol versicherte: Merker erhält eine Ausreise, wenn er sie auf einen anderen Namen beantragt. Voraussetzung sei, dass die Reisedokumente echt und nicht gefälscht sind. Aber wie? Das war die Frage. Merker musste eine andere Identität erhalten. Das aber war nur möglich, wenn für dieses Vorhaben die mexikanische Regierung und ihr Konsul in Marseille als Partner gewonnen werden. Dr. Leo Zuckermann, der zu denen gehörte, die am 18. Oktober Marseille verließen, erhielt den Auftrag, in Mexiko die notwendigen Schritte einzuleiten...

Ende April, Merker hatte inzwischen von der Hicem erfahren, dass für Siegmund Ascher (das war der Name, auf den seine neuen Papiere ausgestellt waren; wer für ihn diese Papiere besorgt hat und auf welchem Wege, bleibt unerörtert. K.G.) eine Schiffspassage bezahlt ist, kam plötzlich die überraschende Nachricht, in einer Woche werde ein portugiesisches Schiff von Lissabon über Casablanca nach Veracruz fahren... Jerome Ferucci füllte einen Schein aus. Er belegte Aschers Entlassung aus einem Lager. Die Reisegesellschaft Hicem gab es am 27. April 1942 schriftlich, dass für Herrn Ascher ein Platz auf der "Guinée" bezahlt sei und er in wenigen Tagen von Marseille abfahren müsse. Jetzt stand der entscheidende Gang bevor: der Weg zur Präfektur. Sieben Monate waren seit der Zusage von Frau Esmiol vergangen, Merker das Visum bei Vorlage echter Papiere mit anderem Namen zu geben. Konnte sie jetzt dieses Versprechen einlösen?... Nicht er, nur Field vermochte ohne Risiko die Antwort einzuholen. Field nahm sein Auto und fahr zur Präfektur. Nach einer halben Stunde hatte Merker die Antwort: Madame Esmiol steht zu ihrem Wort. Er möge kommen. Sie werde ihn fraglos wiedererkennen... Dazu Merker selbst: <<Ich kam unmittelbar vor Büroschluss in die Präfektur. Mitarbeiter von ihr waren schon im Aufbruch. Zu einem von ihnen sagte sie, er solle ruhig gehen, sie werde den Antrag allein entgegennehmen. Zwischen uns fiel kaum ein Wort. Sie sah sich meine Unterlagen sehr genau an. Schließlich sagte sie, offensichtlich selbst erleichtert, ich könnte am nächsten Tag das Ausreisevisum abholen. Doch es zog sich in die Länge, weil, wie mir Madame Esmiol sagte, die Erlaubnis für die marokkanische Durchreise... noch nicht vorliege. Vier Tage hintereinander war ich in ihrem Büro. Jedes Mal sagte sie, ich solle wiederkommen. Es würde noch rechtzeitig alles da sein. Ich erhielt das Visum erst am Tage der Abreise, am 4. Mai...>> Als Siegmund Ascher verließ Paul Merker faktisch in letzter Minute Frankreich."

Als Merker von der ZPKK 1954 über seine Tätigkeit in der Emigration und seine Verbindungen zu Field befragt wurde, betraf eine der Fragen auch die Rolle Fields bei den Kontakten mit Madame Esmiol, was durchaus verständlich ist angesichts der außergewöhnlichen Bereitschaft dieser Dame, nach Unterredungen mit Field Merker in der geschilderten Weise hilfreich zu sein. Die Genossen der ZPKK dürften mit Recht davon ausgegangen sein, dass, wäre Field nur ein gewöhnlicher Leiter einer der verschiedenen amerikanischen Emigranten-Hilfsorganisationen gewesen, seine Fürsprachen nicht solche Wirkungen gezeitigt hätten. Kießling schreibt: „Eine an ihn gerichtete Frage lautete: <<Warum ließen Sie die Angelegenheit mit der Mitarbeiterin des französischen Geheimdienstes gerade durch den Agenten Noel H. Field erledigen?>> Antwort: <<Weil niemand weiter da war, der die Frau Esmiol persönlich kannte.>>" Diese Begründung steht in einem bemerkenswerten Widerspruch zu der, die wir auf S. 63 lasen; dort war es der französische Anwalt Ferucci, der die Esmiol kannte; dagegen wurde Field - so die Erklärung auf S.63 - deshalb als der richtige Mann angesehen, weil er „ein Unbeteiligter" war. Davon, dass nicht nur Ferucci, sondern auch Field diese Dame persönlich kannte, war mit keinem Wort die Rede.

Die Antwort auf die erste der eingangs gestellten Frage ist nach alledem: Die Hilfeleistung für Merker erfolgte von einem amerikanischen Beamten des US-State Departments, dessen Einfluss stark genug war, um auch eine Beamtin des französischen Geheimdienstes seinem Wunsche gemäß handeln zu lassen. Die Schlussfolgerung, dass es sich bei ihm also um einen Mann des USA-Geheimdienstes handelt, kann in keiner Weise als weit hergeholtes Konstrukt betrachtet werden.

Zur Beantwortung der zweiten Frage zitiere ich, wie angekündigt, aus dem ZK-Beschluss der SED vom August 1950, (Matern, S. 78-80):

Zwischen dem ZK der KPF und dem Genossen Walter Beling als Leiter der deutschen Emigrationsleitung in Südfrankreich wurde Ende 1940 eine Übereinkunft getroffen, die den Einsatz des größten Teiles der deutschen Emigration für die politische Agitation unter den deutschen Soldaten vorsah. Nach dem Überfall Hitlers auf die Sowjetunion erhielt dieser Kampf gegen den Faschismus eine erhöhte Bedeutung....

Es lag jedoch nicht in den Plänen des anglo-amerikanischen Imperialismus, große deutsche Truppenmassen in Frankreich zu fesseln und dadurch eine Erleichterung für die sowjetischdeutsche Front zu schaffen. Wie sie die Schaffung der zweiten Front hinauszögerten, so hemmten sie auch die Entfaltung der Widerstandsbewegung. Durch ihren Agenten Noel H. Field wirkten sie daher auf die Leitung der deutschen Emigration ein, um die Durchführung der mit dem ZK der KPF getroffenen Vereinbarungen zu hintertreiben....

Im Frühjahr 1942 waren die Voraussetzungen für einen größeren Einsatz deutscher Emigranten in der nordfranzösischen Widerstandsbewegung geschaffen. In einem besonderen Beschluss forderte das ZK der KPF die Entsendung einer größeren Zahl deutscher Emigranten nach Paris. Die deutsche Leitung in Marseille war jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits so stark unter den politischen Einfluss Fields geraten, dass sie diesen Beschluss missachtete. Obgleich Paul Merker und Lex Ende durch den Genossen Beling von der Übereinkunft mit dem ZK der KPF vollinhaltlich unterrichtet waren, bezweifelten beide die Echtheit des Beschlusses. Ohne sich um diesen Beschluss zu kümmern, floh Paul Merker nach Mexiko, während Lex Ende zum offenen Verrat überging. Mit Hilfe von Willy Kreikemeyer übergab er Noel H. Field den Text des Beschlusses des ZK der KPF zur Weitergabe an Paul Bertz. Auf diese Weise erfuhr der Chef des OSS, Allan Dulles, von den Plänen des antihitleristischen Kampfes. Die Antwort wurde mit Wissen von Leo Bauer durch Bertz und Field gemeinsam ausgearbeitet und lag in der Richtung der Ablehnung des Beschlusses des ZK der KPF. Diese Haltung entsprach der Politik des amerikanischen Imperialismus, der an der zweiten Front zu diesem Zeitpunkt nicht interessiert war. Sein Ziel war vielmehr, die Frühjahrsoffensive der deutschen Faschisten nicht zu behindern, um eine weitmöglichste Schwächung der Sowjetarmee herbeizuführen. Aus dem gleichen Grund war der USA-Imperialismus ebenfalls nicht an einer Ausbreitung der antifaschistischen Widerstandsbewegung in Frankreich interessiert." Bei diesem Sachverhalt kann auch nicht als weit hergeholt und konstruiert betrachtet werden, wenn als Antwort auf die zweite Frage festgestellt wird: Mit- und Hauptnutznießer der Hilfe Fields an Merker und seine Genossen waren jene Kräfte in der US-Außenpolitik, deren Ziel es war, die Sowjetunion im Kampf gegen das faschistische Deutschland maximal zu schwächen.

 

Der Ausbau des Beziehungsnetzes des Noel Field

Wie schon weiter oben wiedergegeben, wird in den Beschlüssen des ZK der SED ausgeführt, Field habe systematisch sich ein Stützpunkt-Netz unter den kommunistischen Emigranten in Frankreich und in der Schweiz geschaffen. Kießling hat sein Buch geschrieben, um den Nachweis zu fuhren, dass alle derartigen Beschuldigungen eine Fiktion seien: „Aus dem Mann Noel H. Field war eine Fiktion gleichen Namens geworden, eine künstliche Schöpfung, eine immaterielle sowjetische Wunderwaffe, gedacht als Garant des Sieges in der großen Schlacht des Kalten Krieges zwischen Ost und West." (Kießling, S. 21)

Schaut man sich in seinem Buch an, wie er die Entstehung der Beziehungen Fields zu den kommunistischen Emigranten schildert, dann findet man alles bestätigt, was in den SED-Beschlüssen an diesbezüglichen Fakten aufgeführt wird. Was jedoch dort als Ergebnis systematischen Vorgehens Fields zum Zwecke des Aufbaus von Stützpunkten für seine Geheimdiensttätigkeit gewertet wird, das schildert uns Kießling ganz anders, nämlich als häufig genug durch glückliche Zufalle entstandene Beziehungen, die sich einzig und allein aus Fields grenzenlosem Drang, möglichst vielen Menschen in Not zu helfen, ergaben. Aber auch wer sich an Kießlings Darstellung hält, kommt nicht umhin, die Feststellung in den SED-Beschlüssen bestätigt zu sehen, am Ende habe Field die Fäden zu so vielen Genossen, vor allem zu den führenden, in den Händen gehalten und sei von ihnen selbst über ganz interne Parteiangelegenheiten informiert worden, dass er das ganze Parteileben der kommunistischen Emigranten in der Schweiz und in Südfrankreich unter seiner Kontrolle hatte. Den ersten Kontakt zu den in der Schweiz lebenden deutschen Kommunisten erhielt Noel Field kurz vor Beginn des zweiten Weltkrieges nach seiner Ankunft in Zürich. Er machte dort einen Besuch im Hause eines Sally Liebermann, mit dem die getrennt von ihrem Mann lebende Frau seines Bruders Hermann zusammenlebte; der war wenige Monate vor ihm ebenfalls dort zu Besuch gewesen, zur „endgültigen Klärung seiner Beziehungen" zu seiner Frau. Dabei hatte er den bei den Liebermanns verkehrenden deutschen Kommunisten Bruno Goldhammer kennengelernt; für Hermann Field, der sich, wie sein Bruder Noel, mit der Hilfe für kommunistische Emigranten befasst hatte, - dies allerdings in der Tschechoslowakei -, war Bruno Goldhammer sicherlich eine hochinteressante Persönlichkeit, selbst wenn ihm nicht bekannt geworden sein sollte, dass Goldhammer zur Abschnittsleitung Süd der KPD gehörte. Anzunehmen ist jedoch, dass Hermann seinem Bruder Noel über seine Bekanntschaft mit Goldhammer hatte Nachricht zukommen lassen. Jedenfalls verkehrten die Fields - Noel, seine Frau und Erica Glaser - nach ihrer Ankunft in Zürich des öfteren bei Liebermann. „Bruno Goldhammer war der einzige deutsche Kommunist, der noch vor Kriegsbeginn beide Fields kennenlernte und der erste, der sich wiederholt mit Field unterhielt. Deswegen und mit der Begründung, er sei <<der Hauptschuldige für das Eindringen Noel H. Fields in die deutsche Emigration in der Schweiz>>, wurde er am 28. April 1954 in einem Geheimprozess vor dem Obersten Gericht der DDR zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt", aber im Zuge der Rehabilitierungen aus der Haft entlassen. Die Fields... behandelten Goldhammer, als würde er zur Familie Liebermann gehören. Erica lernte er bald näher kennen. .. Vertrauen und Akzeptanz verspürte er auch bei allen Gesprächen mit Noel Field, dem er bis Mitte 1940 mehrmals im Hause Liebermann begegnete. Im Juli wurde Goldhammer von der Kantonalpolizei festgenommen und beschuldigt, als Ausländer Schweizer Jugendliche politisch beeinflusst zu haben... Die meisten der im Lande lebenden kommunistischen Emigranten erhielten den Ausweisungsbeschluss des Bundesrates, vollstreckt in Form ihrer Internierung. Das plötzliche Ende von Bruno Goldhammers Besuchen im Hause Liebermann bedeutete nicht den Abbruch der Kontakte zu Noel Field und Erica Glaser. Sie blieben bestehen, bis Goldhammer 1945 die Schweiz in Richtung Deutschland verließ." (Kießling, S.34-36.)

In der Erklärung des ZK der SED vom 24. August 1950 wird zur Verbindung Field - Goldhammer ausgeführt: „Bruno Goldhammer ist der Hauptschuldige für das Eindringen Noel H. Fields in die deutsche Emigration in der Schweiz. Sein Verhalten veranlasste andere kommunistische Emigranten, gleichfalls mit diesem amerikanischen Agenten in Verbindung zu treten. In unverantwortlicher Weise unterließ er es, Erkundigungen über Field einzuziehen. Er beruhigte sich damit, dass Liebermann und Erika Glaser Fields lügenhafte Erzählungen über seine Tätigkeit in Spanien bestätigten, obgleich er genau wusste, dass deren einzige Informationsquelle Field selbst war. " (Matern, S. 74). In der Schweiz „hatte zunächst nur eine Verbindung zwischen Field und Bruno Goldhammer bestanden. Die Internierung fast der gesamten politischen Emigration sowie ihre geringe zahlenmäßige Stärke ließen ihre Bedeutung hinter der starken Emigration in Südfrankreich in den Hintergrund treten. Noel H. Field beschränkte sich daher in der Schweiz zunächst auf die Verbindung mit Bruno Goldhammer und baute über diesen seine Mitarbeiterin Erika Glaser - (und mit ihr eine „IM" von Allan Dulles' OSS! K.G.) - in die kommunistische Emigration ein. Über seine enge Verbindungen mit Bruno Goldhammer kam er mit dem Genossen Hans Teubner in Beziehung. Er verschaffte Bruno Goldhammer häufig Urlaub aus dem Internierungslager und brachte ihn mit dem unter dem Namen Dr. Hoffmann an der Charite in Zürich tätigen Dr. Tibor Szönyi zusammen." (Matern, S.81/82).

Wie weiter oben schon geschildert, hatte Field vor seinem Umzug nach Marseille im Frühjahr 1941 durch einen Hinweis von Hofmaler, dem damaligen Vorsitzenden der KP der Schweiz, die Adresse von zwei dort in Südfrankreich internierten deutschen Kommunistinnen, Maria Weiterer und Hilda Maddalena, erhalten, hatte mit denen den Kontakt aufgenommen und durch sie die Lebensgefährtin und spätere Frau Paul Merkers, Grete Menzel, und Henny Stibi als Mitarbeiterinnen für seine USC-Filiale in Marseille gewinnen können. Kießling: „Die Arbeit von Henny Stibi und Grete Merker für das USC <<brachte es mit sich>>, dass Field auch deren Männer kennenlernte." Welch ein Glück für ihn! Denn Merker war der wichtigste Mann der Leitung der KPD in Marseille. Er, Paul Bertz und Franz Dahlem hatten bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges zum Auslandssekretariat der KPD, das damals seinen Sitz in Paris hatte, gehört. Mit dem Vorsitzenden der KP der Schweiz, Hofmaier, war er ja schon länger gut bekannt; nun hatte er auch eine persönliche Beziehung zum Leiter der KPD in Frankreich geknüpft, die sich bald zu einem Verhältnis unbegrenzten Vertrauens Merkers zu Field entwickelte. Um aber seine Aufgabe auch unter den in der Schweiz lebenden Kommunisten leisten zu können, fehlte ihm noch der persönliche Kontakt zum Leiter der KPD-Organisation in der Schweiz. Paul Merker half ihm dabei, die persönliche Bekanntschaft mit Paul Bertz herzustellen. In Kießlings Darstellung war es allerdings nicht Merker, der Field half, sondern umgekehrt Field, der selbstlos sich bereit erklärte, Merker zu helfen, die fehlende Verbindung aus Marseille zu Bertz in der Schweiz herzustellen.. Bei Kießling liest sich das so: „Mit Bertz waren politische Probleme zu besprechen und Kaderfragen zu klären. Nur einer kam als Mittelsmann in Frage. Und dieser eine war Noel Haviland Field. Der Amerikaner reagierte auf Merkers Bitte im ersten Moment vor allem praktisch. Er sah eine gute Gelegenheit, diesmal nicht als Leiter des Marseiller USC, sondern als inoffizieller Vertreter des Barsky-Komitees in Europa tätig zu werden und illegalen deutschen Antifaschisten, die in ihr Heimatland hinüberwirken, Geld für ihren Lebensunterhalt zu geben. Als er hörte, der Weg zu Bertz fuhren nur über Leo Bauer, der unter einem französischen Namen an einem nicht bekannten Ort in Genf lebe, aber Verbindung zu Leon Nicole in Genf habe, sah Field keine besondere Schwierigkeit, Merkers Wunsch zu erfüllen. Merker konnte ihm bedenkenlos diesen zu Bertz führenden Weg aufzeigen. Zwar kannte er Nicole nicht persönlich, aber Hofmaier hatte ihn in seinem Brief an Merker als einen Mann genannt, der sich für Field verbürge. Leon Nicole, seit Jahrzehnten ein bekannter sozialdemokratischer Politiker der französischen Schweiz und Mitte der dreißiger Jahre Präsident des Staatsrates im Kanton Genf, wurde 1939 wegen seiner zunehmenden Annäherung an die Kommunisten aus der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz ausgeschlossen. Nach der 1940 durch den Bundesrat erzwungenen Auflösung der Schweizer KP gründete Nicole mit Linkssozialisten und Kommunisten die inzwischen, im Mai 1941, verbotene Föderation Socialiste Suisse. Nicole wiederzusehen reizte Field zusätzlich. Bedenken hatte er, als ihm Merker den von seinem Wesen her nicht leicht zugänglichen Paul Bertz beschrieb. Vorausgesetzt, Bertz ist überhaupt bereit, sich mit Field zu treffen, müsse er zunächst dessen Misstrauen jedem Fremden gegenüber abbauen. Gelingt es ihm, das Vertrauen von Paul Bertz zu gewinnen, werde er einen zuverlässigen Partner und auch einen liebenswerten Menschen kennenlernen. Merker habe mit ihm immer gut zusammengearbeitet. Er hoffe, Field werde schon dadurch Zugang zu Bertz finden, dass er ihm sage, er käme im Auftrag von Merker und Willi Kreikemeyer.. " (S.60). Merker hatte also Field gründlich auf die Begegnung mit dem schwierigen und misstrauischen Bertz vorbereitet, was Field sehr half, den Zugang zu Bertz zu finden.

Das hatte aber Kießling anscheinend schon vergessen, als er folgende überschwängliche Eloge auf den feinfühligen Noel Field zu Papier brachte: „Die humanitären Leistungen des Unitarien Service Committee in Europa sind ohne Noel Haviland Field undenkbar. Sie waren geprägt von seiner Persönlichkeit, von seinem feinfühligen Umgang mit den Helfern aus vielen Nationen, von seinem Einfühlungsvermögen in unterschiedliche Mentalitäten. Er besaß die Gabe, sich hineinzudenken in die Lebensumstände der ihm anvertrauten Flüchtlinge. Die Liebe zum Mitmenschen, sein Verständnis für die Not derer, zu deren Betreuung er berufen war, entsprang seiner christlichen Motivation und hatte sich seit dem Spanienkrieg mit seiner antifaschistischen Überzeugung untrennbar verbunden... Die Erinnerungen derjenigen, die mit ihm zu tun hatten, bezeugen, dass er sich auf die unterschiedlichsten Menschen einzustellen und auf sie einzugehen vermochte. Völlig problemlos hatte er den Zugang zu dem von anderen als äußerst schwierig beschriebenen Paul Bertz gefunden. ". (S.77. Unterstreichung von mir, K.G.). Doch weiter in Kießlings Bericht:

„<<Wir haben dann>>, berichtete Merker, <<alle Fragen durchgesprochen, die er mit Bertz klären sollte. Field notierte sich Stichworte in einer für andere unleserlichen Schrift. An Hand seiner Merkworte wiederholte er alles. Das war notwendig, um auch nichts in Nuancen zu verändern....>>

Mit Fields Versprechen, er werde alles versuchen, Merkers Wunsch zu erfüllen, waren beide im September 1941 in Marseille auseinandergegangen... In Genf suchte Field unverzüglich Leon Nicole auf. Dieser hatte keine Ahnung von einem Leo Bauer. Doch Nicols Sohn Pierre sagte, er könne vielleicht helfen. Die Erklärung, er käme im Auftrag von Freunden aus Marseille und habe Grüße zu bestellen, genüge nicht. Field müsse ihm Fakten nennen, die ihn als Emissär glaubhaft machen. Daraufhin erhielt Pierre exakte, obwohl unverbindliche Angaben und begab sich... zur Wohnung des Bankangestellten Paul-Eric Perret alias Leo Bauer. Nachdem dieser vernommen hatte, was ihm Pierre von Field. zu sagen wusste, schrieb er, es war Montag der 29. September, mit Geheimtinte einen Brief... (an Bertz, K.G.). Leo Bauer schickte den Brief an Arthur (Paul Fels) in Basel. Nur dieser kannte das Haus, in dem Paul Bertz wohnte. .. Paul Bertz war einverstanden, sich mit Field zu treffen... am Montag, dem 6. oder am Dienstag, dem 7. Oktober begegneten sich Field und Bertz erstmals. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie irgendwelche Schwierigkeiten hatten, sich zu verständigen, denn von nun an trafen sie sich in kürzeren oder längeren Abständen dreieinhalb Jahre lang, bis Bertz 1945 nach Deutschland zurückkehrte." (S.59-62).

Das war aber noch nicht alles. Kießling berichtet auch: „Einst hatte Field den Kontakt zwischen Merker in Marseille und Bertz in Basel hergestellt. Nunmehr half er, die Verbindungen der deutschen Kommunisten innerhalb der Schweiz zu knüpfen: Zwischen dem Illegalen Paul Bertz, den legal lebenden Schauspielern und ihrem Umfeld in Zürich und der Mehrheit der KPD-Genossen, die 1943 im Sonderlager für `Linksextremisten` in Gordola nördlich von Locarno interniert waren und mit Hans Teubner, Bruno Fuhrmann und Fritz Sperling die engere Leitung bildeten."

Diese Rolle Fields als Mittelsmann von Merker und Bertz wird in der Erklärung des ZK der SED vom August 1950 wie folgt gewertet: „Field hatte sich inzwischen durch seine Unterstützungszahlungen eine große Vertrauensbasis in der deutschen Emigration geschaffen. Im Herbst 1941 war er bereits so tief eingedrungen, dass die deutsche Emigrationsleitung in der Schweiz ihn als Kurier nach Südfrankreich verwandte. Der inzwischen verstorbene frühere Reichtagsabgeordnete Paul Bertz und der jetzt als langjähriger amerikanischer Agent entlarvte Leo Bauer diktierten Field parteiinterne Angelegenheiten zur Übermittlung an Paul Merker. Letzterer bediente sich ab Januar 1942 im Einverständnis mit Lex Ende und Maria Weiterer des gleichen Weges. Er übergab Field eine Einschätzung der Lage mit Anweisungen, 'wie man sich dementsprechend einstellen müsse'. Merker ermächtigte Paul Bertz ausdrücklich, parteiinterne Mitteilungen über Field zu geben. Von nun an wurden in der Schweiz alle internen Fragen durch den Agenten Leo Bauer an Field gegeben, während Willi Kreikemeyer dieselbe Aufgabe in Marseille erfüllte. " (Matern,S.79/80). Man wird in der Geschichte der Kommunistischen Parteien in der Zeit bis 1945 wohl kaum ein weiteres Beispiel dafür finden, dass führende Genossen einer Person, von der bekannt war, dass sie mit dem imperialistischen Geheimdienst zusammenarbeitet, freiwillig einen vollen Einblick in die Interna der Parteiarbeit gewährten und ihm erlaubten, ein Verbindungsnetz in der Parteiorganisation aufzubauen, dessen Fäden in seiner Hand lagen.

Kurt Gossweiler, Berlin

Abschied von Rolf Vellay

Kurt Gossweiler: Abschied von Rolf Vellay

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen, am 22. Dezember des vergangenen Jahres, hat die Krankheit einen Genossen aus unseren Reihen gerissen, - Rolf Vellay - , auf den in vollem Maße die Worte Bert Brechts zutreffen: „Die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Diese sind unentbehrlich.".

Sein Tod ist ein großer Verlust für die kommunistische Bewegung in Deutschland, ein unersetzlicher Verlust für deren noch viel zu schwachen konsequent antirevisionistischen Trupp, und für mich persönlich der schmerzliche Verlust eines Genossen und Freundes, dem ich eines der ermutigendsten Erlebnisse in der bedrückenden Zeit nach dem Sieg der Konterrevolution über die DDR verdanke.

Das war die Zeit, als etliche von meinen Historiker-Kollegen und Genossen, die bisher gar nicht genug ihre Treue zur kommunistischen Sache und zur Deutschen Demokratischen Republik beteuern konnten, überraschend schnell entdeckten, dass jene „demokratischen Sozialisten" Recht hatten, die erklärten, der DDR brauche man keine Träne nachweinen, und die selbst das infame Wort Gysis nicht störte, erst jetzt, nach dem Untergang der DDR, sei Sozialismus zu machen überhaupt erst möglich geworden. Solche bemühten sich - gewöhnlich durchaus erfolgreich - um das „Ankommen in der BRD" und einige von ihnen statteten und statten ihren Dank für die neu gewonnene Freiheit in zahlreichen Artikeln, - manche sogar in Büchern – ab, in denen sie auf ihre Weise den Kinkel-Auftrag zur Delegitimierung der DDR erfüllen; in der Gysi- und Zimmer-Terminologie heißt das:„Abrechnung und völliger Bruch mit der SED-Vergangenheit".

Ein anderer, größerer Teil ist – soweit ich das übersehe – diesem Aufruf zum „völligen Bruch" nicht gefolgt; die zu diesem Teil gehörige Genossen und Kollegen machen deutlich oder lassen wenigstens erkennen, dass sie sich nach wie vor als marxistische Historiker und Sozialisten im Sinne des Manifests von Marx und Engels verstehen; aber ich werde nie vergessen, dass bereits im November 1989 in der Parteiversammlung der Historiker der Akademie der Wissenschaften der DDR die Erklärung, der Marxismus-Leninismus sei die weltanschauliche Grundlage unserer Wissenschaft, erstmals zurückgewiesen und reduziert wurde auf den Marxismus. Der Leninismus als Bestandteil unserer Lehre wurde ersatzlos gestrichen. Meinem Widerspruch dagegen schloss sich niemand an.

Als Marxist-Leninist war ich - und so dürfte es überall gewesen sein - nun auch formal ein einsamer Einzelgänger. Aber faktisch war ich das schon lange: wer in einer Parteiorganisation von Chruschtschow- und Gorbatschow-Anhängern Marxist-Leninist blieb, der war – auch wenn er in allem Anderen fest im Partei- und Arbeitskollektiv verankert war - einsam in seiner Gegnerschaft zu diesen beiden Generalsekretären, die Lenin nur im Munde führten, um die Parteimitglieder und das Volk über ihre wahren Ziele zu täuschen. Er blieb umso mehr einsam, als den beiden - Chruschtschow und Gorbatschow - zu glauben ja auch bedeutete, deren Stalin-Verdammung voll zu verinnerlichen, während für mich deren Stalin-Verdammung nur eine betrügerische Verpackung war, darauf berechnet, ihre antileninistische revisionistische Konterbande als „Rückkehr zum Leninismus" in die kommunistische Bewegung einzuschmuggeln, um sie auf diese Weise reif zu machen für die „Perestroika", den Rückbau der Sowjetunion und ihrer europäischen Verbündeten in das, was sie 1990/91 als Ergebnis ihres zielstrebigen Wirkens geworden sind – „vom Kommunismus befreite".

Spielwiesen für das internationale Kapital und die sich neu bildende mafiose „eigene" Bourgeoisie. Für meine Kollegen und Genossen aber – selbst für jene, die mir besonders nahe standen und in einigen Fällen auch noch heute stehen – ist Stalin das, als was ihn Chruschtschow in seiner Geheimrede auf dem XX. Parteitag dargestellt hat, also ein Massenmörder aus niedrigsten Motiven; und einer wie ich, der nicht Stalin, sondern Chruschtschow und Gorbatschow und ihre politische Linie für die Zerstörung der europäischen sozialistischen Staatenwelt verantwortlich macht, ist ein „Stalinist", also einer, der - unbegreiflicherweise - einen Massenmörder verteidigt.

Also einer, der sich nach der Rückwärtswende mit seinen Ansichten sehr einsam und verloren fühlte in der neuen, ungewohnten Kälte, und verzweifelt Ausschau hielt nach Gleichgesinnten, denn es konnte doch nicht sein, dass es nicht auch andere gab, die sich die Augen nicht verkleben und das Gehirn nicht verkleistern ließen durch das Geschwätz von der "Humanisierung des Sozialismus" vom „Neuen Denken" und dem „Primat des Allgemeinmenschlichen". Es konnte nicht so sein und es war nicht so. Und es bestätigte sich wieder einmal eine alte Erfahrung: es gibt keinen Verlust, und sei er auch noch so groß und schmerzlich, der nicht auch einen Gewinn im Gefolge hat – und sei er im Vergleich zum Verlust zunächst auch nur klein und keineswegs ausgleichend.

Und es bestätigte sich auch etwas anderes: Gleichgesinnte finden mit Sicherheit zueinander, selbst in einem Ozean Andersgesinnter und sogar, wenn sie in unterschiedlichen Welten leben, wenn sie nur diese ihre Gesinnung nicht für sich behalten, sondern Signale dieser Gesinnung aussenden und nach gleichartigen Signalen anderer Ausschau halten.

Was ich allerdings am wenigstens erwartet hatte, war das, was eintrat: dass nämlich das erste so sehnsüchtig erwartete Signal gleicher oder ähnlicher Gesinnung, das ich auffing, von einer Pfarrerin kam, und dass ich durch ihre Vermittlung einen Kreis von Theologen kennen lernte, die sich in den Werken von Marx, Engels und Lenin nicht schlechter auskannten als meine Historiker-Kollegen und Genossen, im Unterschied zu vielen von denen aber im Sieg der Konterrevolution und was die Herrschenden aus diesem Siege machten, keine Widerlegung, sondern eine Bestätigung der Lehren des Marxismus-Leninismus erkannten. Hier fand ich vor, was ich vorher für ausgeschlossen hielt: dass nämlich Theologen nicht nur fähig waren, intellektuell die Gesellschaftslehre von Marx/Engels/Lenin aufzunehmen und zu akzeptieren, sondern dass diese Lehre in engster Verbindung mit ihrem christlichen Glauben für sie ein fester Bestandteil ihrer Weltanschauung und Anleitung zum persönliches gesellschaftlichen Handeln werden kann.

Die Entdeckung dieses Kreises und diese neue Erkenntnis waren ein unerwarteter Gewinn im Gefolge der Niederlage. Und womit ich auch nie gerechnet hatte: Ausgerechnet dieser Kreis eröffnete mir die Möglichkeit, meinerseits „Signale" auszusenden, will sagen, meine Gedanken und Auffassungen über die Ursachen unserer Niederlage zu publizieren, nachdem mir dafür keine anderen Möglichkeiten mehr zur Verfügung standen, (schon gar nicht in den Organen der PDS, deren Mitglied zu bleiben ich bis Januar 2001 aushielt).

Diese meine Signale blieben nicht unbeachtet. Sie gelangten auch bis München und zu den dort wirkenden Genossen des „Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD", deren eine Fraktion eine Zeitung, die „KAZ" (Kommunistische Arbeiterzeitung) herausgab, und führten dadurch schließlich „gesetzmäßig" dazu, dass auch Rolf Vellay in mein Blickfeld geriet, und zwar mit einem Artikel von ihm mit dem Titel: „Zurück zu Stalin!" in der Beilage zur „KAZ", Nr. 219 vom 18.Juni 1991.

Über das, was ich da aus Rolfs Feder las, konnte ich nur hocherfreut staunen: besser hätte auch ich nicht meine Position zur „Stalinfrage" in Worte fassen können: „Lächerlich und absurd ist es, heute, nahezu vierzig Jahre nach seinem Tod, Stalin, dem erfolgreichen Architekten ...des Sozialismus in der Sowjetunion und dem Sieger über den Faschismus, die Verantwortung für den heutigen kläglichen und jämmerlichen Zusammenbruch aufbürden zu wollen.

Natürlich weiß ich, welchen Widerspruch ich mit dem Rekurs auf Stalin provoziere. Doch – den klugen Theoretikern, die mir vom Wissen her zehn- oder zwanzigmal überlegen sind, gebe ich zu bedenken: Ihr seid alle gescheitert, von Titos ‚Jugoslawischem Weg zum Sozialismus’ über die ‚Eurokommunisten’ bis zu den Konstrukteuren der ‚antimonopolistischen Demokratie’, von den Quacksalbereien über den ‚Dritten Weg’ und ‚Demokratischen Sozialismus’ gar nicht zu reden. Stalin ist nicht gescheitert!

Den Moralisten gebe ich ein kluges Wort von Winston Churchill zu bedenken, zitiert in der FAZ vom 6. September 1990: `Wenn die Gegenwart über die Vergangenheit zu Gericht zu sitzen versucht, wird sie die Zukunft verlieren.’ Damit wird genau das getroffen, was den Kommunisten seit der Verdammung Stalins aus `moralischen Gründen´ auf dem XX. Parteitag der KPdSU widerfahren ist.

Und den Hochmütigen und Arroganten gebe ich zu bedenken: Vor anderthalb Jahren noch habt ihr Herrn Gorbatschow bei seinem Besuch in der Bundesrepublik als ‚Schöpfer des Neuen Denkens’ begrüßt und quasi wie einen neuen ‚Messias des Sozialismus’ gefeiert. Ich habe bereits vor drei Jahren auf der ‚Perestroika’-Konferenz des IMSF in Frankfurt erklärt: <<Gorbatschow als Generalsekretär – das ist die Konterrevolution an der Spitze der KPdSU! Gorbatschow an der Spitze der UdSSR – das ist das Ende des Sozialismus in der Sowjetunion! ‚Neues Denken’ das ist die Paralyse des revolutionären Gehalts der kommunistischen Weltbewegung.>> ...All das gebe ich den hochgelehrten Theoretikern, den unanfechtbaren Moralisten und den hochmütigen und arroganten Kritikern zu bedenken, wenn ich hier erkläre: Vorwärts in der revolutionären Weltbewegung bedeutet heute: Zurück zu Stalin - unter Vermeidung dogmatischer, jedoch sinngemäßer Anwendung seines fast seit vierzig Jahren totgeschwiegenen theoretischen Werkes auf die inzwischen veränderten Bedingungen."

Später – ich weiß nicht mehr, in welchem Jahr, aber ich empfand es als ein Glücksjahr für mich – lernten wir uns zur beiderseitigen Freude auf einer Konferenz des Marxistischen Arbeitskreises zur deutschen Arbeiterbewegung in Berlin-Kreuzberg auch persönlich kennen. Nach der Konferenz saßen wir noch Stunden in einer nahegelegenen Kneipe. Ich sagte ihm, wie glücklich ich darüber war, einen Genossen getroffen zu haben, der, weit entfernt unter den ganz anderen Bedingungen Westdeutschlands lebend, bei der Beurteilung der Entwicklungen im sozialistischen Lager und insbesondere in der Sowjetunion zu einer verblüffenden und beglückenden Übereinstimmung mit meinen eigenen Einschätzungen gekommen ist; und natürlich wollte ich wissen, wie sein Weg in der kommunistischen Bewegung verlaufen ist, der ihn zu solchen „abwegigen" und zum „Einzelgänger" stempelnden Ansichten gebracht hat.

Er erzählte also aus seinem Leben, und was ich da zu hören bekam, hat meinen Eindruck, es bei ihm mit einem ganz außergewöhnlichen Menschen zu tun zu haben, zur Gewissheit werden lassen. Seine Erzählung hat auch Antwort auf eine Frage gegeben, die sich mir beim Betrachten seiner Hände aufgedrängt hatte: Das waren nicht die Hände eines, dessen Werkzeug die Feder oder die Schreibmaschine ist – wie ich bisher wegen der auf einen Journalisten wenn nicht gar auf einen Schriftsteller schließen lassenden Sprache seiner Artikel angenommen hatte, - sondern von schwerer Maloche gezeichnete Arbeiterhände. Die aber waren ihm nicht angeboren, wie ich jetzt erfuhr, nein, die hatte er sich hart erarbeitet, nachdem er sich zum Bruch mit seiner Klasse, in die ihn seine Eltern hineingeboren hatten, entschlossen hatte. Denn er war – und das kam nun für mich völlig unerwartet – der Spross einer Offiziers- und Grundbesitzerfamilie aus dem Schlesischen. Natürlich fragte ich ihn, wie denn so einer zum Kommunisten wird.

Als Jugendlicher folgte er noch ganz der Tradition der Familie, indem er 1944 mit 17 Jahren als Freiwilliger in Hitlers Armee eintrat. Nach dem Kriege entschloss er sich dazu, Journalist zu werden und volontierte zunächst an einem bayerischen Provinzblatt und stieg dort sogar zum Redakteur auf. Dann aber drängte es ihn dazu, sich durch ein Studium eine solidere Wissensgrundlage zu verschaffen. Er begann also 1950 ein Studium an der damaligen Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft in Wilhelmshaven und hatte das Glück, dort auch Schüler von Wolfgang Abendroth sein zu können, und das gab den Anstoß dafür, dass er Marx und Engels studierte und zum überzeugten Kommunisten wurde.

Die Konsequenz, die er daraus zog, zeigt, dass dieser Rolf Vellay aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt war. „Wie aber konnte ich Kommunist sein", sagte er mir, „und den Leuten erzählen, dass die führende Rolle im Kampf um den Sozialismus der Arbeiterklasse zukommt, ohne selbst richtig zu wissen, was das ist: die Arbeiterklasse!" Um diesen Mangel zu beheben, beschloss er, selbst als Arbeiter zu arbeiten; aber wenn schon Arbeiter, dann auch gleich dort, wo das Proletariat am proletarischsten ist: als Bergarbeiter! So wurde er 1953 Bergarbeiter unter Tage im Ruhrgebiet, und blieb dem Bergbau rund 25 Jahre lang treu, bis zu seinem Ausscheiden im Jahre 1977.

Natürlich wurde der Kommunist Rolf Vellay auch Mitglied der KPD, blieb es selbstverständlich auch nach deren Verbot im Jahre 1956 und lernte durch mehrfache Verhaftungen auch die Gefängnisse der Bundesrepublik für insgesamt ein Jahr kennen. Der DKP trat er nach deren Gründung nicht bei, sondern blieb „parteiloser Bolschewik." Und zwar einer, für den es in einem ganz seltenen Grade unerträglich gewesen wäre, in seinem Leben eine Kluft zwischen Wort und Tat zuzulassen.

Von unserem Gespräch in der Kreuzberger Kneipe an blieben wir in ständigem Gedankenaustausch, zumeist schriftlich, aber wenn es sich bei seinen Berlin-Besuchen möglich machen ließ, auch wieder im persönlichen Gespräch.

Rolf schien mir über ein unerschöpfliches Kräftereservoir zu verfügen. Wo immer es eine Konferenz von Kommunisten mit der Möglichkeit gab, dort seine Positionen – stets kämpferisch, oft bewusst herausfordernd -, vorzutragen, nahm er diese Möglichkeiten wahr.

Sein Lebensinhalt war der Kampf für die Wiederherstellung einer großen, einheitlichen marxistisch-leninistischen, vom Opportunismus und Revisionismus völlig befreiten Kommunistischen Partei in Deutschland.

Er litt schwer unter der Zersplitterung und Uneinigkeit der kommunistischen Bewegung, und er litt auch unter der Diffamierung der DDR und darunter, dass dieser Diffamierung nicht von allen Kommunisten entschieden entgegengetreten wurde. Gegen beides – die Uneinigkeit und die Diffamierung der DDR – führte er einen ständigen Kampf, wobei er auch auf originelle Ideen kam, die kaum einem anderen Kopf eingefallen wären und die zu verwirklichen auch kaum einem anderen parteilosen Kommunisten ohne jede organisatorische Verankerung in einer der verschiedenen Kommunistischen Parteien und Vereinigungen gelungen wäre. Denn auch das gehörte zu den ihn auszeichnenden Besonderheiten: seine Auseinandersetzungen mit kommunistischen Genossen, so scharf sie auch in der Sache waren, überschritten nie die Grenze der genossenschaftlichen Diskussion , ließen nie den Ton einer Auseinandersetzung mit dem Feind aufkommen, ließen immer den Respekt vor der Persönlichkeit des anderen erkennen.

Nur so lässt sich erklären, dass ihm gelang, aus Anlass seines 65. Geburtstages eine Diskussionsrunde aus Vertretern von Organisationen an einem Tisch zu vereinen, die sich sonst aus dem Wege gingen, wenn die eine die anderen nicht gar wütend bekämpfte. Auf seine Einladung hin fand am 19.September 1992 in Gelsenkirchen ein Streitgespräch zum Thema „War die DDR sozialistisch?" statt, zu dem einen „Vorspruch aus der Ferne", nämlich aus Marburg, Georg Fülberth beisteuerte, und dessen Leitung kein Geringerer als Hans Heinz Holz übernommen hatte. Teilnehmer am Streitgespräch waren: Willi Gerns für die DKP, Klaus Arnecke von der MLPD, Michael Brücher für den Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, Heinz Jung , ehemals DKP, jetzt zur PDS übergewechselt, und Egon Schansker, damals für die KPD/ML-Westberlin.

Die MLPD war von Rolf eingeladen worden, weil er ihre Verurteilung des Chruschtow-Revisionismus teilte und ihn auch eine persönliche Freundschaft mit Stefan Engel, ihrem Vorsitzenden verband; aber er teilte ganz und gar nicht die von der MLPD im Unterschied etwa zum Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD stur und unbelehrt durch die Konterrevolution in der DDR beibehaltene sektiererische Position, nach der die DDR längst ein kapitalistischer Staat gewesen und ihre Annexion durch die BRD als Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu begrüßen sei.

Rolf erhoffte sich durch das von ihm arrangierte Streitgespräch wohl auch, dass die MLPD, für die er trotz allem noch immer eine vielleicht etwas sentimentale Sympathie empfand, von ihrer für ihn absolut unakzeptablen DDR-Feindschaft befreit werden könnte. Eine solche Hoffnung aber blieb unerfüllt. Das Gelsenkirchener Streitgespräch aber war eine denkwürdige Veranstaltung, und die Lektüre ihrer von Rolf im Eigenverlag herausgegebenen Dokumentation mit dem Titel: „War die DDR sozialistisch?" lohnt auch heute noch.

Wie sehr Rolf daran lag, gegen die von der MLPD bis zur PDS geübte Verleumdung der Deutschen Demokratischen Republik anzugehen, ist besonders aus dem von ihm gehaltenen Eröfnungs-Referat der Konferenz „Auferstanden aus Ruinen – über das revolutionäre Erbe der DDR" zu ersehen, die im 50. Jahr seit Gründung der DDR, im November 1999, in Berlin durchgeführt wurde. Sein Thema lautete: „Der sozialistische Charakter der DDR". Das Referat kann nachgelesen werden in dem gleichnamigen Protokollband der Konferenz. Rolf beendete dieses Referat mit den Worten:

„Die DDR war nicht das ‚bessere Deutschland’, sie war das gute Deutschland." Und dann fügte er dem noch die Worte an, die ihm Peter Hacks geschrieben hatte: „Die DDR war eine Epoche weiter, und bleibts."

Wer die Artikel und Diskussionsbeiträge von Rolf liest, dem wird vielleicht auffallen, wie oft er dort aus bürgerlichen Gazetten, vor allem aber aus dem „Zentralorgan" des deutschen Monopolkapitals, der „FAZ", der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", zitiert. Als kluger marxistisch-leninistischer Propagandist wusste er, dass eines der wirkungsvollsten Mittel der Überzeugungsarbeit darin besteht, unsere Wahrheiten durch den Gegner aussprechen zu lassen. Rolf hat seine Freunde immer wieder mit der Zusendung von Zeitungsausschnitten aus der FAZ überrascht, die in manchmal ganz erstaunlicher Offenheit die Richtigkeit unsere Kapitalismusanalysen und die Berechtigung unserer Imperialismus-Anklagen bestätigten.

Rolf war aber alles andere als ein intellektueller Stubenhocker. Er liebte vor allem das Gespräch mit den sogenannten „einfachen Leuten". Und wenn andere Leute sich ihre Erholung im Urlaub durch Ausruhen und Vermeidung von Anstrengungen suchten, dann tat er das genaue Gegenteil: er verwandelte sich für einige Wochen aus dem Bergmann in den Saisonarbeiter in den Weinbergen Frankreichs. Zur Zeit der Weinernte reiste er zu seinen französischen Winzer-Freunden und half ihnen beim Einbringen der Weintrauben. Das war für ihn eine echte Erholung, und als er in den letzten beiden Jahren infolge seiner durch die Krankheit geschwächten Kräfte dazu nicht mehr in der Lage war, fehlte ihm das sehr. Auch deshalb, weil er durch und durch Internationalist war.

Gegen jeden Anflug von deutschem Nationalismus war er hochempfindlich. Er korrigierte Dich z. B. sofort, wenn Du den Namen einer zu Polen gehörenden ehemals deutschen Stadt nicht bei ihrem polnischen, sondern mit ihrem deutschen Namen benanntest.

Aber es genügte ihm nicht, den Internationalismus zu propagieren, er musste ihn auch leben. So ging er 1985 mit einer Arbeitsbrigade für drei Monate nach Nikaragua, das nach dem Sturz der Somoza-Diktatur 1979 durch die sandinistische Revolution infolge der ständigen Angriffe der von den USA gesteuerten Contras in wachsende Schwierigkeiten geraten war und dringend solidarischer Unterstützung bedurfte.

1996 nahmen wir beide an der Internationalen Maifeier der Partei der Arbeit Belgiens und an dem anschließenden internationalen Seminar teil und waren vom Erlebnis der internationalen Gemeinschaft von Kommunisten aus aller Welt tief und freudig beeindruckt. Er hat die Verbindung zu den belgischen Genossen weiterhin aufrechterhalten.

Besonders starke solidarische Bindungen empfand er für die chilenischen Genossen. Er organisierte für Freunde in Chile Solidaritätslieferungen und unternahm in jedem seiner beiden letzten Lebensjahren eine Reise nach Chile, wobei er nicht versäumte, auch Margot Honecker zu besuchen und ihr Grüße aus der Heimat zu übermitteln.

Rolf Vellay hat uns in seinen zahlreichen Schriften und Reden einen wertvollen Schatz marxistisch—leninistischer Analysen und Wegweisungen hinterlassen. Die Arbeit, die mich am stärksten beeindruckte, hat er 1989 im Selbstverlag herausgebracht und gab ihr den Titel:

„Das andere Gorbatschow-Buch, der aktuelle Reader: ‚Mehr Sozialismus’ mit Gorbatschow? Vier Jahre ‚Perestroika’ ‚Glasnost’ und ‚neues Denken’ – was hat’s gebracht? Eine marxistisch-leninistische Analyse (nicht nur) für Kommunisten."

Ich kenne keinen, der zu diesem Zeitpunkt – Mitte 1989 – schon eine so gründliche und entlarvende Darstellung des Wesens Gorbatschows und seiner Politik gegeben hätte.

Im Vorwort zu dieser Arbeit schrieb Rolf Vellay:

„Mehr als 35 Jahre habe ich der Politik und den Aussagen ‚des Kreml’ – bei durchaus kritischer Haltung im Detail – von meiner marxistisch-leninistischen Grundposition aus, vertraut. Von Stalin über Chruschtschow bis zu Andropow und Tschernenko. Angesichts des Umstandes, dass heute alles, was bisher war, kurz und klein geschlagen und die gesamte Vergangenheit der Sowjetunion auf den Kopf gestellt wird, bin ich endlich gezwungen, nur noch von meinem eigenen kleinen Kopf Gebrauch zu machen. Wenn ich der neuen Sicht der Geschichte folge, - wenn! -, dann ist mein Vertrauen in der Vergangenheit schandbar missbraucht worden. Das soll mir auf meine alten Tage im Hinblick auf gegenwärtige Politik nicht wieder passieren. Das bin ich auch all den Menschen schuldig, die mir auf meinem politischen Lebensweg vertraut haben und denen gegenüber ich heute, wenn ich den ‚neuen’ Sicht der Geschichte folge – wenn! – als Lügner dastehe. Ab sofort zählen nicht mehr Ankündigungen und Versprechen, sondern nur noch ‚facts and figures’, aus denen ich nach meiner Überlegung und Lebenserfahrung sich ergebende Schlussfolgerungen ziehe und Beurteilungen ableite – auf die Gefahr hin, dass ich allein mit meiner Meinung bleibe. Aber das ist nicht schlimm – wenn ich Unrecht habe, werde ich als Tropfen im Ozean kein Unheil anrichten. Habe ich aber Recht und mache nicht den Mund auf, ist es unverzeihlich und verantwortungslos gegenüber der Sache, der ich glaube zu dienen."

Mit diesen Worten hat sich Rolf selbst besser charakterisiert, als es irgend ein anderer könnte.

Wenn es gelänge, seine Arbeiten den jungen Leute in die Hand zu drücken, die heute nach Antwort auf die Frage suchen: In was für einer Welt leben wir denn? Und was muss man tun, um zu einer menschenwürdigen Welt zu kommen?, dann könnte das ein kleiner Beitrag dazu werden, dass die für dieses Land und seine Menschen so notwendige Erfüllung von Rolfs dringendstem Wunsch nach der Wiedergeburt einer starken, einheitlichen, fest auf den revolutionären Positionen von Marx, Engels und Lenin stehenden kommunistischen Bewegung in Deutschland durch die Gewinnung neuer, jugendlicher Kämpfer ein wenig beschleunigt wird.

Deshalb freue ich mich sehr darüber, dass die Herausgeber von „Offensiv" und der Schriftenreihe der 1990 in Berlin gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands den Entschluss fassten, Rolf Vellay zu ehren, indem sie es möglich machten, seinen Gedanken in je einem Sonderheft zur weiteren Verbreitung zu verhelfen.

Kurt Gossweiler, Berlin

Diskussion Imperialismustheorie

Vera Butler: Einige Bemerkungen zu den Beiträgen über den heutigen Imperialismus in der Offensiv November-Dezember 2001

Lieber Frank, hab’ Dank für die Veröffentlichung meines Essays über Hegemonismus. Es freut mich besonders, dass sie in einem weiteren Rahmen einer allgemeinen Diskussion geschah, was ich begrüße. Deine Einführung „Brauchen wir eine neue Theorie des Imperialismus?" ist höchst zutreffend, und das reichhaltige Material der anderen Diskussionsteilnehmer bestätigt für mich nur, dass die Entwicklung des Imperialismus zum Hegemonismus auf der Hand liegt. Dazu einige Bemerkungen:

L.Meyer/F. Schmidt: Kollektiver Imperialismus: Zutreffend ist „der moralische Bankrott des Systems und seiner `Werte`" (S.8), sowie der Hinweis auf „eine hochdosierte staatliche Konjunkturspritze", und das jetzige Krisen- und Kriegsprogramm als ein Antidotum gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise. Ich würde noch hinzufügen, dass die Hegemonialmacht und mit ihr alle dollargebundenen Ökonomien vor einem Währungskollaps stehen, den Greenspan kaum mehr hinauszögern kann. (Siehe Argentinien.)

Es spielt keine Rolle, dass das „Kollektiv" der G-7-Staaten einen „integrierten Weltmarkt" anstrebt (S.10): - maximale Ausbeutungspraktiken zerstören das Gleichgewicht zwischen Marktpreisen und Einkommen potenzieller Verbraucher, so dass ein solcher „Weltmarkt" nicht mehr als Absatzgebiet für das massive Produktionspotenzial der neuen Technologien dienen kann. Dieses Leitmotiv aller kapitalistischer Wirtschaftskrisen – die Marktkrise – ist dabei, ihr Crescendo zu erreichen und damit den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Systems. – Lenin gerechtfertigt?

Harpal Brar: Imperialismus ist dekandenter, parasitärer, sterbender Kapitalismus: Ich stimme mit Brars Analyse völlig überein, und ich begann die erste Version meines Essays über den Hegemonismus mit der Diskussion von Lenins „Thesen" des Imperialismus, wie Brar es in seinem Beitrag tut. Es ist wichtig, diese Entwicklungsstufen des Imperialismus im Auge zu behalten.

Trotzdem sind die Zahlen für 1999 und 2000 z. Zt. überholt, denn

  1. Der Prozess der Zusammenschlüsse und Übernahmen ist kein Zeichen der Stärke, sondern das Bewusstsein des nahenden Bankrotts von Unternehmen, deren übermäßige Expansion nicht nur ihre Ressourcen weit überfordert, sondern in keinem realistischen Verhältnis zur Markt-Nachfrage stand. Das betraf besonders Rohmaterialien wie Aluminium, Kupfer und Eisenerz, aber ebenfalls die internationale Autoindustrie und selbst die Computer-Industrie, welche im letzten Jahr etwa 60 % ihres Aktienwertes eingebüßt hat. Wachstum und Expansionslust ohne Marktbezogenheit sind Negativa, die den Zusammenbruch (Bankrott) nur hinauszögern.
  2. Was Kapitalexport angeht, so ist es seit den 60er Jahren bekannt, dass er nicht aus Eigenakkumulation der Unternehmen und Banken finanziert wurde, sondern von der Druckerpresse der American Federal Reserve, die immer größere und fast unkontrollierbare Dollar-Mengen in die Weltwirtschaft pumpte, was schließlich zum Zusammenbruch des Bretton-Wood-Systems und zu massiver Dollarinflation führte (siehe Bundesbank, „Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876 – 1976", Ffm 1976) Das Ziel war weit perverser, als Analytiker der Linken es bis heute erkennen. Es handelt sich im Grunde um einen abgefeimten Schwindel der Hegemonialmacht Amerika, der die Europäer schließlich (1978) zwang, ihr eigenes Währungssystem zu schaffen. Es muss unterschieden werden zwischen dem Kapitalexport vor dem 1. Weltkrieg, z.Zt. der `starken` Währungen, wie Lenin sie 1916 kannte und dem Schwindel der Hegemonialmacht Amerika nach 1960, der es möglich machte, für real entwertete Papierdollars profitable Unternehmen und Rohmaterialien in anderen Teilen der Welt aufzukaufen.

Daher muss der quantitative Kapitalexport im Licht der realen Qualität (=Währungsstabilität) des Kapitals gemessen werden und nicht bloß in absoluten Größen. Das wirkliche Ausmaß der Ausbeutung, die durch weltweite Anleihen in inflationsanfälligen US-Dollars praktiziert wird, liegt weit höher. Hier spielen der Internationale Währungsfonds und die Weltbank eine mit Washington abgekartete Rolle.

Ich glaube nicht, dass meine Analyse des Imperialismus ein „Angriff" auf Lenins Theorie ist, sondern sie im Gegenteil festigt und erweitert, indem ihre Relevanz im Licht heutiger Bedingungen – dem Aufstieg einer Hegemonialmacht – nur bestätigt wird.

Michael Opperskalski: USA & Europa in der sogen. „Neuen Weltordnung": Die Bezugnahme auf Jeffrey Garten (1992), Zbigniew Brzezinski (1997) und Richard Holbrook (1995) ist zeitgemäß bereits von neuen geopolitischen Entwicklungen überholt (siehe Intervention in Afghanistan, US-Basen in Zentralasien). Besonders fraglich ist Samuel Huntingtons These vom Zusammenstoß der christlichen Zivilisation mit der des Islam, wenn man in Betracht zieht, dass es ähnliche Konflikte zwischen Islam und Zionismus (Palästina), Islam und Hinduismus (Kaschmir), Christentum und Hinduismus (siehe die Morde christlicher Missionare in Indien), sowie zwischen christlichen Religionen (Nordirland) gibt, die keine Verallgemeinerung erlauben. Huntingtons These scheint politisch inspiriert und produziert eine Angstpsychose, die durch den Terrorangriff auf das WTC in New York noch weiter geschürt wird. Trotzdem dürfen Einzelvorkommen nicht verallgemeinert werden.

Das Drei-Mächte-Modell USA – Deutschland – Japan als Eckpfeiler einer „Neuen Weltordnung" – einer „multipolaren" Welt – ist eine interessante Hypothese, aber kaum mehr. Wohl sind Deutschland und Japan z. Zt. Dabei, ihre ersten Schritte auf dem internationalen Militärparkett zu wagen, doch das bedeutet noch lange nicht, (wenn überhaupt), dass diese Länder beabsichtigen, in Zukunft mehr als eine regionale Rolle zu übernehmen – im Rahmen des Führungsanspruchs der Hegemonialmacht Amerika.

In Europa wird größere Selbständigkeit in militärischen Angelegenheiten von allen Mitgliedern der EU angestrebt (besonders nach der traumatischen Erfahrung des NATO-Angriffs auf Serbien). In Washingtons Sicht ist das Konzept einer „kollektiven Verteidigung" durchaus wünschenswert. Das geopolitische Ziel ist, einer Wiedervereinigung der früheren Sowjetrepubliken (siehe Ukraine) mit Moskau vorzubeugen, und da sind die Europäer gleich „am Platz", um zu intervenieren.

Die Rede vom „BRD-Imperialismus" ist unsinnig (und daher wahrscheinlich politisch motiviert). Die BRD hat viel mehr in Zusammenarbeit mit den übrigen Mitgliedern der EU zu gewinnen. Außerdem übersehen die Verfechter dieser Theorie, dass die BRD krisenanfällig ist, offiziell fast 4 Millionen Arbeitslose hat und sich deshalb kaum auf solche Abenteuer einlassen wird. Für die deutschen Kapitalisten gibt’s nichts in Polen oder den baltischen Ländern zu gewinnen; dort werden nur Investitionen und Subventionen erwartet, und damit wird es in der BRD und in der EU knapp. Wenn es um Lohndifferenzen geht, gibt es in Südostasien oder China weit bessere Aussichten für deutsche Konzerne und Banken.

Im fernen Osten wird Japan sich vorsehen, mit China in Konflikt zu kommen. Japan will nicht für die Hegemonialmacht Amerika die sprichwörtlichen Kastanien aus dem (chinesischen) Feuer holen – in dieser Hinsicht ist ihre Politik klüger und weitsichtiger als die der Europäer.

Ich stimme mit Opperskalskis Zitaten-Auswahl überein, dass „die globale US-Strategie" darauf zielt, jedwede Konkurrenz – in Europa oder anderswo – unter Kontrolle zu behalten (S. 39), und dass es „das zentrale Projekt" der US-Aufrüstung ist, imstande zu sein, weltweit Interventionen gegen die übrigen Nuklearmächte inkl. Russland und China zu lancieren (S. 40). Genau diese politische Zielsetzung kennzeichnet die „Neue Weltordnung" der Hegemonialmacht im 21. Jahrhundert, wie ich in meinem Beitrag argumentierte.

Was die Diskussionsteilnehmer nicht erwähnt haben ist die Orientierung des strategischen Denkens Washingtons, das ideologisch bestimmt ist, d.h. in erster Linie gegen die einzelnen Großmächte gerichtet ist, die potenzielle Gegner der Hegemonialmacht sein können: - Russland und China. Eine „eurozentristische" Perspektive ist da viel zu begrenzt. Die Hegemonialmacht agiert global. Die Entwicklungen in Zentralasien sind wegweisend, und Putins Rolle muss besonders unter die Lupe genommen werden.

Trotzdem ist die Hegemonialmacht (und mit ihr die Europäer und Japan) wirtschaftlich verwundbar. Argentinien ist bloß der Anfang des Angriffs auf das globale Finanznetz des IWF und wird „Schule machen", denn sehr vielen anderen Schuldner-Staaten steht das sprichwörtliche Wasser bis zur Kehle, und selbst die brutale Gewaltherrschaft US-trainierter Faschisten kann die Volkswut der Verzweiflung nicht mehr unterdrücken. (Wer fragt nach den 30 Toten während der Demonstration in Argentinien?) Der Zusammenbruch der globalen kapitalistischen Wirtschaftshegemonie ist auch der Anfang einer neuen, sozial bestimmten, kooperativen Weltordnung, deren Grundlage Lenin bereits 1917 schuf. Das dürfen wir nicht vergessen.

Vera Butler, Melbourne

Kurt Gossweiler: Einige Anmerkungen zu Vera Butlers „Hegemonismus"

Aus einem Brief Kurt Gossweilers an Vera Butler

Liebe Vera, Deine Ausarbeitung über den Hegemonismus war für mich hochinteressant. Als Beschreibung und Analyse des gegenwärtigen Zustandes kann ich Dir voll zustimmen. In einem Punkt allerdings, – der für Dich wohl der wichtigste ist -, stellt sich mir die Frage, ob wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu voreilig mit einer solchen Feststellung sind; nämlich mit der Feststellung: „Der Hegemonismus ist daher ein weiteres Entwicklungsstadium des Imperialismus, dessen charakteristische Eigenschaft es ist, dass das Finanzmonopol wesentlich von einem einzigen Land, dem kapitalistischen Hegemon, kontrolliert und gelenkt wird."

Woher kommen meine Zweifel? Zunächst einmal stellt sich mir ganz einfach die Frage: Wer sagt denn, dass dieser heutige Zustand der hegemonistischen Position eines Landes von Dauer ist? Gilt denn das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung nicht mehr? Sagst Du nicht selbst, dass sich die USA auf dem Gebiet der Rüstungstechnologie der Konkurrenz anderer Staaten gegenübersieht? Trifft das – außer auf die von Dir genannten – Russland und China – nicht auch auf Deutschland, die Europäische Union und sogar auf Japan zu, - (von dem Du ja selbst völlig zu recht schreibst, dass es seine eigenen Hegemonialansprüche in Ostasien noch nicht aufgegeben hat) - ? Und ist dies dann nur auf dem Gebiet der Rüstungstechnologie der Fall und nicht auch auf allen Gebieten der Wirtschaft? Spielt sich nicht gerade vor unseren Augen im Krieg in Mittelasien ein immer weniger verborgenes Ringen Deutschlands und der EU darum ab, diesen von den USA vom Zaune gebrochenen Krieg dazu zu benutzen, die Hegemonialstellung der USA zu unterminieren und zunächst einmal wenigstens eine Gleichrangigkeit zu erlanden? (Dieses Ringen war ja schon und ist noch immer genau so feststellbar auf dem Balkan und in Nahost.)

Kann man nicht schon jetzt vorhersehen, dass der weitere Verlauf der Dinge das Kräfteverhältnis zwischen den imperialistischen Führungsmächten zu Ungunsten der USA verändern wird?

Und noch ein anderer Gedanke: Ist der Hegemonismus wirklich etwas ganz und gar Neues? Ist die hegemoniale Stellung Englands im 19. Jahrhundert und bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht in Vielem ähnlich und vergleichbar der jetzigen der USA? Und ist nicht gerade der Absturz Englands von dieser welthegemonialen Stellung ein Grund mehr dafür, ein einmal gegebenes Kräfteverhältnis zwischen imperialistischen Mächten nicht zum Maßstab und Kriterium für ein neues Entwicklungsstadium des Imperialismus zu nehmen? Müsste man als Kriterium dafür nicht neue allgemeine Züge und Erscheinungen suchen, die für den Imperialismus als Ganzes kennzeichnend und von Dauer sind?

Ich habe auf diesem Gebiet keine spezielle Forschung betrieben, deshalb bitte ich die folgenden Ausführungen als erste Überlegungen zur Diskussion, nicht aber als feste und überprüfte Ansichten zu betrachten.

Die Revisionisten unter den DDR-Ökonomen, an ihrer Spitze der PDS-Programmatiker Dieter Klein, verkündeten schon in den sechziger Jahren, der heutige Kapitalismus verfüge über die Möglichkeit, von seinem Grundwiderspruch abgeleitete Widersprüche, z.B. auch den von Produktion und Markt, also das Marktproblem, ohne Krisen zu lösen. (Ich setzte mich damals mit diesen Auffassungen in einem Artikel auseinander, der auch in meinem Bande „Wider den Revisionismus" auf den Seiten 95 ff. wiedergegeben ist.) Das Ausbleiben einer großen Krise, ähnlich der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933, seit dem Ende des zweiten Weltkrieges schien allen, die wie Dieter Klein in der Nachfolge von Hilferdings krisenlosem „organisiertem Kapitalismus" die wunderbare Wandlung des Kapitalismus verkündeten, Recht zu geben. Die revisionistischen Nebel verflüchtigten sich aber immer schneller angesichts der Wirklichkeit des „realen Kapitalismus", des Imperialismus von heute.

Welche neuen Züge und Erscheinungen im Vergleich zum Imperialismus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lassen sich feststellen?

1. Die Entwicklung der Produktivität der Arbeit hat inzwischen ein solches Niveau erreicht, dass das in den entwickelten kapitalistischen Ländern vorhandene Produktionspotenzial in Industrie und Landwirtschaft ausreichen würde, die zahlungsfähige (nur diese! Natürlich nicht die tatsächlichen Bedürfnisse der Milliarden hungernder und verelendeter Menschen) rund um den Globus zu befriedigen. Auf einigen Gebieten – z.B. Autoindustrie – sind bereits jetzt Überkapazitäten vorhanden, die weltweit zur Schließung von Werken führen

2. Das hat zur Folge:

a) Eine über die Erneuerung und Modernisierung hinausgehende Erweiterung des Produktionspotenzials verspricht kaum noch eine Steigerung der Gewinne, sondern viel eher die Produktion von Verlusten, weil die Märkte zu eng sind für die Aufnahme eines erheblich vergrößerten Warenausstoßes.

b) Die Gewinne der großen Konzerne werden deshalb in immer geringerem Maße zu Investitionen, also zur Machterweiterung durch die Konzentration des Kapitals benutzt, in immer größerem Maße zu Fusionen mit und zur feindlichen oder freundlichen Übernahme von Konkurrenzunternehmen im In- und – zunehmend – im Ausland, also zur Steigerung der Macht und des Anteils an der Marktbeherrschung durch Zentralisation und Internationalisierung des Kapitals.

3. Die Freisetzung von Arbeitskräften durch die technologische Entwicklung und durch die mit den Fusionen einhergehende „Verschlankung" der Unternehmensstrukturen hat ein solches Ausmaß angenommen, dass in einigen führenden Industrieländern aus der „Reservearmee" von Erwerbslosen bereits ein stehendes Heer von Arbeitslosen von mit Schwankungen stetig wachsendem Umfang geworden, in anderen im Entstehen ist.

4. Die imperialistischen Metropolen hindern die Staaten der dritten Welt daran, im Lande eine eigene Industrie und damit Arbeitsplätze für die eigene Bevölkerung zu schaffen, um sie im Status der Lieferanten von Rohstoffen und „Südfrüchten" und eines Marktes für die Aufnahme der Erzeugnisse der eigenen Industrie – vor allem der Rüstungsindustrie! – zu belassen. Die Politik der imperialistischen Metropolen und ihrer Instrumente Weltbank und Weltwährungsfonds gegenüber den Staaten der dritten und der zweiten Welt – den ehemals die Sowjetunion bildenden Staaten – sorgt somit dafür, dass gut eine Milliarde Menschen in diesem Teil der Welt ihr Leben lang keine Arbeit finden, sie macht diese Menschen zu einem Milliardenheer von „Überflüssigen".

5. Seit der „großen Krise" von 1929/33 ist der Rüstung eine neue Rolle zugewachsen: sie wird zu einem Wirtschaftsfaktor von zunehmender Bedeutung: ohne Staatsaufträge, insbesondere Aufträge an die Rüstungsindustrie, gerät die Wirtschaft ins Stocken.

6. Gegen die Kennzeichnung des Imperialismus als „faulender Kapitalismus" wird selbst von Linken ins Feld geführt, dass doch die Entwicklung der Produktivkräfte dank der „technischen Revolution" noch nie so rasant vorangekommen sei, wie seit dem zweiten Weltkrieg. Dabei wird völlig übersehen, dass das wirklich Neue auf diesem Feld darin besteht, dass diese technische Revolution ihren Ursprung hat in der Entwicklung immer stärkerer und wirkungsvollerer Waffen, also in der Entwicklung nicht der Produktivkräfte, sondern von Destruktions-, von Vernichtungskräften. Was davon auch der zivilen Produktion zugute Kommt, sind gewissermaßen Abfallprodukte der Kriegs- und Rüstungsproduktion.

Dies bestätigt also Lenins These, kommt in dieser Tatsache doch zum Ausdruck, dass die Fäulnis des Kapitalismus im jetzigen Stadium des Imperialismus noch um Vieles gesteigert ist gegenüber dem, was Lenin vor Augen stand. Die Weiterexistenz des Imperialismus ist zu einer akuten Bedrohung der Existenz der Menschheit geworden.

Um diesen Brief nicht noch um Vieles länger werden zu lassen, belasse ich es bei diesen kurzen, unfertigen Andeutungen. Du hast Dich mit diesen Fragen viel intensiver und professioneller befasst als ich, deshalb erwarte ich mit Spannung und einer gewissen Bangigkeit Deine Antwort auf meine unausgegorenen Bemerkungen.

Ich grüße Dich in kommunistischer Verbundenheit, Kurt Gossweiler, Berlin

Carsten Messerschmidt: Zuschrift zum Imperialismus

Erste Einschätzung des Imperialismus nach dem 11.9. und 31.12.2001 // Partei ergreifen, sich organisieren // Nein zum Raubkriegerischen dEUtschEUROpa-Imperialismus // Ja zum aktiven organisierten Kampf für Sozialismus und Frieden!

Bundeskanzler Schröder schätzte die Weltlage richtig ein, am und nach dem 11. September. Besser gesagt, Schröders Berater schätzten die Weltlage richtig ein. Um noch genauer zu sein, die von den Monopolen inspirierten (und auch bezahlten?) Berater von Schröder taten dies.

Worauf will ich hinaus? Die Bundeswehrmacht ist noch relativ schwach und die US-Militärmacht ist weltweit noch relativ stark. Schröder erklärte uneingeschränkte Solidarität mit dem leitenden Angestellten des US-Imperialismus, dem kleinen Präsidenten Bush. Erstmal, zumal in Deutschland ja noch britische und US-amerikanische Truppen stationiert sind. Und vorläufig, da ja auf ökonomischem Gebiet die kontinentaleuropäischen Monopole den nordamerikanischen Monopolen mit der EURO-Einführung offen den Konkurrenzkrieg um die Vorherrschaft auf den Märkten weltweit angesagt haben.

Aber sind nicht die kontinentaleuropäischen, darunter auch die Monopole Deutschlands, mit den nordamerikanischen Monopolen verflochten? (Da gibt es doch jetzt Daimler-Chrysler) Was haben wir also von diesen zwei zunächst entgegensätzlich scheinenden Tatsachen zu halten? Militärische Unterwürfigkeit und verbale Liebedienerei von Schröder hier. Kampfansage auf geldpolitischem Gebiet dort.

Schröder ist der "Genosse der Bosse", der leitende Angestellte der Monopole Deutschlands. Ein paar will ich nennen: BMW, VW, Haniel, Allianz, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Bertelsmann, Aldi, Conti usw. Hier ergeben sich Fragen: Sind dies deutsche Monopole? Gibt es noch einen deutschen Imperialismus, ein imperialistisches Deutschland? Dazu später mehr, zunächst etwas zu den in der Überschrift genannten Daten, 11.September und EURO-Einführung an Silvester 2001.

Lenin lehrt uns "in der Analyse der objektiven Lage der herrschenden Klassen"(1) in allen beteiligten Staaten "den wahren Klassencharakter"(2) eines Ereignisses zu suchen. Über die Angriffe auf das meistgehasste Gebäude der Welt, das US-Kriegsministerium und die zwei Türme in New York, bei denen durch fanatisierte Selbstmordattentäter im World Trade Center und den entführten Passagierflugzeugen hunderte Angehörige des Proletariats getötet wurden will ich nicht spekulieren. Was haben diese Angriffe mit Imperialismus zu tun? Wem nützen und wem schaden diese Attentate? Was hat die EURO-Einführung mit Imperialismus zu tun? Lenin beschreibt Imperialismus so: "Der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überallhin den Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen. Reaktion auf der ganzen Linie, gleichviel unter welchem politischen System, äußerste Zuspitzung der Gegensätze auch auf diesem Gebiet - das ist das Ergebnis dieser Tendenzen. Insbesondere verschärfen sich auch die nationale Unterdrückung und der Drang nach Annexionen, d.h. nach Verletzung der nationalen Unabhängigkeit (denn Annexion ist ja nichts anderes als Verletzung der Selbstbestimmung der Nationen)."(3)

Heutzutage schreiben und reden viele Aktive und Theoretiker der Linken, die es vermutlich sogar ehrlich meinen (in ATTAC, DKP, PDS und Gewerkschaftskreisen) in einer Art und Weise, die an den Sozialdemokraten Kautsky (der seine marxistischen Wurzeln verlassen hatte) erinnert:"Nein, der Imperialismus ist nicht der moderne Kapitalismus, sondern bloß eine der Formen der Politik des modernen Kapitalismus, und wir können und müssen gegen diese Politik kämpfen, gegen den Imperialismus, gegen die Annexionen usw. kämpfen"(4), soweit Kautsky.

Lenin bemerkt dazu:"Auf den ersten Blick erscheint dieser Einwand durchaus angängig, aber in Wirklichkeit bedeutet er eine feinere, verhülltere (und darum gefährlichere) Propaganda einer Versöhnung mit dem Imperialismus, denn ein "Kampf" gegen die Politik der Trusts und Banken, der die ökonomischen Grundlagen der Trusts und Banken unangetastet läßt, läuft auf bürgerlichen Reformismus und Pazifismus hinaus, auf harmlose und fromme Wünsche. Sich über die bestehenden Widersprüche hinwegsetzen, die wichtigsten von ihnen vergessen, anstatt die Widersprüche in ihrer ganzen Tiefe aufzudecken - das ist Kautskys Theorie, die mit dem Marxismus nichts gemein hat."(5)

Seit damals hat sich der Kapitalismus weiter entwickelt und die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse veränderten sich und verändern sich auch zukünftig. Die weltweite "Rohstoffknappheit"(unter den Bedingungen von Warenproduktion und Privateigentum an den Produktionsmitteln) wird immer stärker fühlbar, schärfer ausgeprägt sind die Konkurrenz und die Jagd nach Rohstoffquellen in der ganzen Welt. Zur Verdeutlichung der vor sich gehenden Bewegungen hier noch die kurze Schilderung von Lenin zum Kapitalismus und Imperialismus: "Die freie Konkurrenz ist die Grundeigenschaft des Kapitalismus und der Warenproduktion überhaupt; das Monopol ist der direkte Gegensatz zur freien Konkurrenz, aber diese begann sich vor unseren Augen zum Monopol zu wandeln, indem sie die Großproduktion schuf, den Kleinbetrieb verdrängte, die großen Betriebe durch noch größere ersetzte, die Konzentration der Produktion und des Kapitals so weit trieb, daß daraus das Monopol entstand und entsteht, nämlich: Kartelle, Syndikate, Trusts und das mit ihnen verschmelzende Kapital eines Dutzends von Banken, die mit Milliarden schalten und walten. Zugleich aber beseitigen die Monopole nicht die freie Konkurrenz, aus der sie erwachsen, sondern bestehen über und neben ihr und erzeugen dadurch eine Reihe besonders krasser und schroffer Widersprüche, Reibungen und Konflikte. Das Monopol ist der Übergang vom Kapitalismus zu einer höheren Ordnung. Würde eine möglichst kurze Definition des Imperialismus verlangt, so müßte man sagen, daß der Imperialismus das monopolistische Stadium des Kapitalismus ist. Eine solche Definition enthielte die Hauptsache, denn auf der einen Seite ist das Finanzkapital das Bankkapital einiger weniger monopolistischer Großbanken, das mit dem Kapital monopolistischer Industriellenverbände verschmolzen ist, und auf der anderen Seite" erwartet Lenin eine kommende imperialistische Weltpolitik "der monopolistischen Beherrschung des Territoriums der restlos aufgeteilten Erde."(6)

Kommen wir zurück in die Gegenwart, so finden wir den Krieg um Jugoslawien, die Einführung der DM in Kosova und Mazedonien (aktuell wird die DM auch in diesen Territorien durch EURO ersetzt), sowie die Bindung des jugoslawischen Dinar (in Serbien) an die DM (bzw den EURO) und die Auseinandersetzungen in Argentinien auch um die Bindung dort an den Dollar. Schließlich die Entsendung und Stationierung von Truppen in alle Teile der Welt, nicht nur in das Territorium von Afghanistan, den Balkan, Somalia... Noch einmal Lenin:"...denn erstens zwingt die abgeschlossene Aufteilung der Erde bei einer Neuaufteilung die Hand nach jedem beliebigen Land auszustrecken , und zweitens ist für den Imperialismus wesentlich der Wettkampf einiger Großmächte in ihrem Streben nach Hegemonie, d.h. nach der Eroberung von Ländern, nicht so sehr direkt für sich als viel mehr zur Schwächung des Gegners und Untergrabung seiner Hegemonie".(7) Wir befinden uns also immer noch im Imperialismus, dem höchsten Stadium des Kapitalismus!

Bloß, was ist jetzt mit der "Globalisierung"? "Globalisierung" ist ein Wort, welches inhaltlich widergegeben werden kann als internationale Umorganisierung der monopolisierten Warenproduktion mit dem weltweiten Versuch die Lohn- und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern (zum Zwecke der Profitmaximierung) als Folge der oben beschriebenen "Rohstoffknappheit"(unter der Bedingung der Warenproduktion und des Privateigentums an den Produktionsmitteln) bei gleichzeitiger allseitiger Verschärfung der Konkurrenz. Die Konzentration die entstand und weiter entsteht hat Monopole entstehen lassen, deren Interessen und "Wünsche" so groß sind, daß ihnen ein Nationalstaat zu klein ist. Darum die amerikanischen "Frei"handelszonen, die EURO-Währung.

Ob es sich dabei um eine neue Phase des Imperialismus handelt, wo Kriege "nur" noch zwischen den 3 Zentren, hier Japan - dort EU&USA, möglich sind, wie Harpal Brar meint, der ja einen "westlichen" imperialistischen Krieg gegen Japan angekündigt sieht, oder ob auch weiterhin ein Krieg zwischen Britannien und Deutschland "passieren" kann, da möchte ich mich noch nicht festlegen. Ein paar ökonomische Fakten über die handfesten Bewegungen von Kapital hinsichtlich von Widersprüchen zwischen Deutschland und Britannien, Deutschland und USA usw. hätte ich schon gern! Aktuell gilt es festzuhalten, daß wir uns immer noch im imperialistischen Stadium des Kapitalismus befinden und eine Rezession begonnen hat!

Eben lautete ein Schlagzeile in den "heute"-Nachrichten des ZDF (3.1.2002): "Schneller in die Rezession". Die Wirtschaft wächst kaum oder schrumpft sogar (Auftragsrückgänge), die Arbeitslosigkeit steigt schneller, dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Kommunen (mehr Sozialhilfe) und die Kassen des Staates (sinkender Binnenkonsum, geringere Einnahmen in Renten- und Arbeitslosenversicherung), etc. Die Rezession begann bekanntlich, vor allem in den USA, schon vor dem 11.September. Was dies für die herrschende Klasse, die Monopolbourgeoisie bedeutet, finden wir ebenfalls bei Lenin: "Das Finanzkapital, das in wenigen Händen konzentriert ist und faktisch eine Monopolstellung einnimmt, zieht kolossale und stets zunehmende Profite aus Gründungen, aus dem Emissiongeschäft, aus Staatsanleihen usw., verankert die Herrschaft der Finanzoligarchie und legt der gesamten Gesellschaft einen Tribut zugunsten der Monopolisten auf." Und jetzt interessanter für die aktuelle Situation weiter bei Lenin:"Während zur Zeit des industriellen Aufschwungs die Profite des Finanzkapitals unerhört groß sind, gehen in Zeiten des Niedergangs die kleinen und schwachen Unternehmungen zugrunde, die Großbanken aber "beteiligen sich" dann an deren Aufkauf zu Spottpreisen oder an profitablen "Sanierungen" und "Reorganisationen"."(8)

Anmerken möchte ich hier, das ich eine Auseinandersetzung über genau dieses Thema, die unverminderte Gültigkeit und Aktualität von Lenin (womit ich nicht vertrete, daß die Entwicklung nicht weiter gegangen sei, die Entwicklung ist weiter gegangen und zwar genau wie es die politische Ökonomie der Arbeiterklasse von Marx, Engels, Lenin mit der historisch-dialektischen Methode beschrieb und erwarten liess!) vor 4 Jahren mit dem revisionistische Positionen vertretenden Klaus v. Raussendorf führte. Genau dieselbe Auseinandersetzung gab es auch am 13.2.1999 in Hannover bei der DKP-Diskussion "Imperialismus heute", bei der Leo Mayer, H. Stehr und andere DKP-Genossen revisionistische Auffassungen vertraten! Und aktuell ist genau dieses Thema heiss umstritten in der PDS Hannover und der UZ!

Im Ergebnis bleibt eine allgemeine Verschärfung der Klassenwidersprüche, es entstehen vorrevolutionäre Situationen dort, wo die Kettenglieder am schwächsten sind und die Herrschenden nicht mehr so weiter herrschen können (mein kämpferischer Gruß dem bewußten Proletariat in Argentinien) und neue, nie dagewesene Chancen für eine internationale klassenkämpferisch-emanzipatorische Bewegung. Bekanntlich gilt: "Der Imperialismus ist der Vorabend der sozialen Revolution des Proletariats"(9) Und, wie Harpal Brar hinzufügen würde, das wird ein Fest sein auf allen Straßen dieser Welt, wenn bald der Imperialismus geschlagen wird.

Darum ja zum aktiven organisierten Kampf für Sozialismus und Frieden!

Carsten Messerschmidt, Hannover

(1)Lenin,6.7.1920,"Imperialismus und Kapitalismus" in "Die Kommunistische Internationale" Nr.18 (Oktober 1921), Wiederveröffentlicht als "Vorwort zur französischen und deutschen Ausgabe" in Lenin, siehe (3)

(2)Ebenda

(3) bis(8)Lenin, "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus", Dietz Verlag Berlin, 1.Auflage 1946

(9)siehe (1)

Resonanz

Prof. Dr. Ingo Wagner: Leserbrief zu offensiv 10/2001: „Genosse Domenico Losurdos ‚Flucht aus der Geschichte’" von Kurt Gossweiler

Als ich die in der „jungen Welt" vom 15. bis 23. März 2000 veröffentlichte Studie Losurdos „Flucht aus der Geschichte" las, wurde ich von argen Zweifeln geplagt, die sich in Fragezeichen, kritischen Randbemerkungen und Notizen niederschlugen. Die von Kurt Gossweiler vorgelegte Studie habe ich deshalb aufmerksam und mit großer Spannung gelesen.

Glückwunsch! Diese kritische Auseinandersetzung war dringend geboten. Gossweiler rückt auf der Grundlage seines umfassenden, gediegenen historischen Fundus und einer überzeugenden Handhabung der dialektisch-materialistischen Geschichtsbetrachtung vieles gerade - ohne das Positive der Argumentation Losurdos zu verkennen. Bei der Herangehensweise an die diesbezüglichen Probleme kann man natürlich auch in diesen oder jenen Fragen methodologisch-theoretisch etwas anderer Auffassung als Gossweiler sein. Aber entscheidend ist der Haupttrend seiner Auseinandersetzung mit Losurdo, den ich ohne jede Einschränkung unterstütze. Denn er macht kenntlich, dass es sich hier nicht um „normale" Irrtümer bei weiteren marxistischen Erkenntnissen sozialer Prozesse handelt, ohne die es auch bei der Entwicklung des wissenschaftlichen Sozialismus nicht abgeht. Auch aus Sicht dialektisch-materialistischer Geschichtsbetrachtung ist der Irrtum eine Form des Wissens vom Unbekannten, der neben der Wahrheit als integrierendes Moment des sozialen Erkenntnisprozesses erscheint. Gossweiler macht aber deutlich - und dies ist auch mein Haupteinwand zu Losurdo -, dass die Verurteilung der Losung: „Zurück zu Marx" die Aufgabe der Positionierung von Marx und Engels hinsichtlich ihrer Theorie vom Kommunismus bedeutet, der letztlich die Schuld am Untergang der Sowjetunion angelastet wird.

Mit der Entstellung der Aussagen von Marx und Engels über das Absterben des Staates führt Gossweiler eine zutreffende Diskussion, die vielleicht einer Ergänzung durch Lenins Position zum sozialistischen „Halbstaat" bedurft hätte. Überzeugend weist Gossweiler den Anarchismus-Verdacht Losurdos gegenüber Marx und Engels in die Schranken. Er folgert u. a., völlig zutreffend, dass wir uns aus der Verwirrung, die Losurdo angereichert hat, am besten dadurch befreien, „daß wir die von Losurdo verworfene Losung wiederaufnehmen und erweitern: Zurück zu den Quellen, zu Marx und Lenin und ihrer konsequent historisch-materialistischen Geschichtsbetrachtung!

Ich erlaube mir den Zusatz: Und auf dieser Grundlage jede (theoretische und normative) These des wissenschaftlichen Sozialismus historisch betrachten und mit den aufhebenswerten Errungenschaften der modernen Sozialwissenschaften und den konkreten Erfahrungen der Geschichte verbinden und so den wissenschaftlichen Sozialismus schöpferisch weiterführen.

Der Offensiv-Redaktion gebührt Dank für die Herausgabe dieses Sonderheftes, dem eine weite Verbreitung zu wünschen ist.

Prof. Dr. Ingo Wagner, Leipzig

Franz Siklosi: Antimonopolistische Demokratie und Sozialfaschismus

Antwort zum Leserbrief von Gernot Bandur in der Offensiv Nov.-Dez. / 01

1. Antimonopolistische Demokratie

In Bezug auf die Diskussionen innerhalb der DKP rund um ein neues Parteiprogramm und die Sozialismusvorstellungen spielt der Begriff „Antimonopolistische Demokratie" eine mitentscheidende Rolle. Im Kontext des Historischen Materialismus und des Wissenschaftlichen Sozialismus kann man das Feld auch von hinten aufrollen. Die Frage über das Wesen des Sozialismus bedingt sein Aussehen, damit die darin vorherrschenden Eigentumsformen und letztendlich die beherrschenden oder beherrschten Klassen. Die Beantwortung dieser Fragen in Form eines Parteiprogramms schreibt uns auch die Bündnispartner vor: mit welcher Klasse auf welchem Weg zum Sozialismus.

Und hier muss vom kommunistischen Standpunkt eine klare Kampfansage gegen das so in der DKP kolportierte Konzept einer „Antimonopolistischen Demokratie" stehen. Marx schreibt in seiner Kritik am Gothaer Parteiprogramm der SPD, dass außer dem Sozialismus keine irgendwie zwischen Kapitalismus und Kommunismus stehende Gesellschaftsform existieren kann und der Kapitalismus sich nicht in eine friedfertige Chimäre verwandeln wird, um sich dann in einem evolutionären Prozess als Sozialismus zu entpuppen. Quasi eine bequeme Revolution von der Wohnzimmercouch.

Die „Antimonopolistische Demokratie" ist laut DKP-Dokumenten ein Zustand innerhalb des Kapitalismus, in dem die Monopole in demokratische Kontrolle übergeben werden und die Arbeiter mit den Kleinladenbesitzern die politische und ökonomische Macht im Kapitalismus besitzen. Man sollte sich diesen Satz auf der Zunge zergehen lassen! Hier wird eines der wichtigsten Ziele, nämlich die Abschaffung des Kapitalismus und die Verstaatlichung der Monopole und der Kontrolle der leider sich noch im privatem Besitz befindlichen Produktivkräften, weswegen letztendlich eine proletarische Revolution überhaupt gemacht werden soll, kurzerhand friedfertig in den Kapitalismus integriert. Die daraus entstehenden fatalen Folgen haben innerhalb der DKP für erhebliche Konfusionen über die Taktik und Strategie im antiimperialistischem Abwehrkampf gesorgt.

Dazu gehören die Streitereien mit den Mitgliedern aus der DDR, die Sozialismusvorstellungen, die vom kommunistischem Standpunkt richtige Einordnung des XX. Parteitages bis zu den absurden Leserbriefen in der Parteizeitung „Unsere Zeit" mit der Forderung, die kommunistische Weltanschauung nicht als absolutes Kriterium einer Parteizugehörigkeit gelten zu lassen. Und nicht zu vergessen: der Kampf um die Resterhaltung von privaten Produktionsmitteln im Sozialismus. Dazu noch die seltsamen Empfehlungen des Parteivorstandes zur Bundestagswahl.

Diese Tendenzen sind antikommunistisch und antirevolutionär und müssen auf das Schärfste bekämpft werden. Es ist kein Wunder, dass unter diesen Gegebenheiten viele Genossen innerhalb der Partei den Sozialismus erst nach ihrem Tod oder wenigstens vielleicht in 500 Jahren verwirklicht sehen. Niemand, kein ehrlich gesinnter Kommunist, kann gegen eine „antimonopolistische Demokratie" sein, aber dies als Ergebnis im Kapitalismus zu fordern, hat mit dem Historischen Materialismus nichts zu tun. Auch in Russland konnten die Monopole erst mit dem Sieg der Oktoberrevolution aus Kapitalistenhand befreit werden. Der Kampf um eine „antimonopolistische Demokratie" lähmt den revolutionären Kampf um den Sozialismus, er lähmt den Kampf um die Arbeiter, er fördert die Existenz des Kapitalismus und seine kleinbürgerliche Ausbeuterklassen.

Deshalb die Forderung nach ihrer Streichung.

2. Sozialfaschismus

Was beinhaltet das Wesen der Sozialfaschismustheorie?

Dass es schon innerhalb der parlamentarischen Demokratie Parteien gibt, die nur nach dem Namen nach Arbeiterparteien sind. Diese Parteien, in der Weimarer und jetzigen Republik sind dies die Sozialdemokraten, haben taktisch und strategisch das Ziel, die ausgebeuteten Klassen von der Revolution abzuhalten und die Kommunisten auf das Schärfste zu bekämpfen. In Zeiten der kapitalistischen Krisen verbünden sie sich mit der Reaktion und bekämpfen die Errungenschaften der Arbeiterklasse. Sie verschärfen die innere Repressionsmaschinerie und scheuen nicht davor zurück, das Militär aufzurüsten und imperialistische Kriege anzuzetteln. Selbstredend werden alle antiimperialistischen Befreiungsbewegungen bekämpft.

Wo die Reaktion nicht offen antreten kann, steht sie Gewehr bei Fuß. Das ist die Sozialdemokratie. Das ist Sozialfaschismus. Der Sozialfaschismus ist die reaktionäre Politik des Kapitals, die im Gewand einer „Arbeiterpartei" gegen die Arbeiter losgelassen wird. Die Sozialdemokratie ähnelt einem Feigling, der, auf frischer Tat ertappt, sich jedes Mal in die Hose macht und bei seinen Opfern um Mitleid hechelt. Eine ekelhafte Erscheinung. Natürlich war man schnell mit dem Antikommunismus bei der Hand. Und nachdem die heutige Sozialdemokratie die Gewerkschaften ruhig gestellt und die Friedensbewegung zur Bedeutungslosigkeit abgewürgt hat, kann das deutsche Kapital endlich wieder Kriege führen.

Und mit diesen Kollegen sollen Kommunisten Bündnisse schließen? Ein klares Nein! Sollten sozialdemokratische Mitglieder auf den Trichter kommen, können sie jederzeit die Partei verlassen und zu uns Kommunisten kommen. Wir werden sie willkommen heißen. Aber man sollte sich nicht täuschen: jede Partei ist so gut oder schlecht wie ihre Mitglieder. Das gilt für Sozialdemokraten wie für die Demokratischen Sozialisten. Die These, die Vorstände sind rechts, aber die Mitglieder sind links, stimmt längst nicht mehr.

Letztendlich siegte die Sowjetunion nicht mit der Volksfront, sondern durch die eigene militärische Stärke.

Der Faschismus ist nicht im Bündnis mit all denen aufzuhalten, die ihn als Verbündete gegen die Ausgebeuteten hegen und pflegen, sondern nur im Bündnis mit seinen Opfern.

Wohin anderes Handeln führt, sieht man an der PDS. Warum entschuldigt man sich bei den politischen Mördern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht dafür, dass Menschen, die von den Nachfolgern der Freikorps verfolgt, eingekerkert und/oder in die Konzentrationslagern verschleppt wurden, nach dem Krieg einen antifaschistischen Staat gründeten??!!

Und wenn wir schon dabei sind: Die Rolle der Sozialdemokratie und die Endschädigung der vom deutschen Kapital ausgepressten KZ Häftlingen ... ist das nicht Sozialfaschismus?

Franz Siklosi, Heppenheim

Buchbesprechungen

Frieda Hafenrichter: Biographie von Paula und Hans Rueß

Das Erscheinen einer Doppelbiographie über Paula und Hans Rueß hat jetzt der Pahl-Rugenstein-Verlag, Bonn, für den März kommenden Jahres angekündigt.

Das etwa 260 Seiten starke Buch mit zahlreichen Abbildungen und Faksimiles und dem Titel nach den Worten Brechts „Unbelehrbar auf der Wahrheit Beharrende..." trägt die Untertitel: „Zwei Leben für Deutschland und die internationale Solidarität – Paula und Hans Rueß – Im Widerstand gegen Krieg und Faschismus".

Zu der vom Pahl-Rugenstein-Verlag und der Esslinger Buchhandlung „Die ZeitGenossen" veranstalteten Buchvorstellung am Sonntag, den 24. März kommenden Jahres, 11.00 Uhr im Kulturzentrum „Dieselstraße 26" in Esslingen Pliensauvorstadt laden außerdem u.a. ein: Stadtrat Alexander Englmann (Grüne/AGL), Altstadtrat Reinhold Riedel (Vorsitzender des Rosa-Luxemburg-Forums in Baden-Württemberg), VVN-BdA Esslingen, DKP Neckar-Fils, KP Griechenlands und MC Kuhle Wampe Esslingen.

Die Buchvorstellung findet mit Werner Pfennig (Bundesprecher der VVN-BdA, ehem. Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der IG Medien) und dem Autor Friedrich Pospiech statt.

Zum Buchinhalt: Paula und Hans Rueß haben nach dem Krieg zueinander gefunden. Er aus dem KZ Buchenwald kommend, sie, nach ihrem Kamp in der französischen Résistance, aus dem KZ Ravensbrück.

Beide wurden für viele Bezugspersonen ersten Ranges. Er als Gewerkschafter, kommunistischer Stadtrat, Kreisverordneter und langjähriger Abgeordneter des Landtages, sie als unermüdlich Aktive in der Kommunistischen Partei, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und im von ihr mitbegründeten Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD).

Es ist das Besondere dieses Buches, dass es Einblick in zwei Leben gewährt, von denen jedes allein, aber erst recht beide, da sich gegenseitig ergänzend, wertvolle Erkenntnisse und Erfahrungen vermitteln.

Deshalb werden sowohl die Lebensläufe von Hans und Paula präsentiert, als auch – und vor allem – sie selbst „als Zeitzeugen" dokumentarisch vorgestellt, nicht zuletzt mit eigenen Berichten über ihre zum Teil sehr bitteren und opferreichen Erlebnisse.

 

Kontakt: Frieda Hafenrichter, Eugen-Bolz-Str. 15, 73732 Esslingen, Tel: 0711/37 34 66; Fax: 0711/ 37 02 993

Frieda Hafenrichter, Esslingen

Gernot Bandur: Deutscher Freidenkerverband – Zur Geschichte der Demonstrationen zum Berliner Sozialistenfriedhof

In Nummer 11/2001 stellten wir hier ein neues Buch über den Berliner Sozialistenfriedhof vor.

Als eine Art Nachtrag kann ein Titel angesehen werden, den die Hamburger Gruppe der Assoziation Marxistischer StudentInnen vorlegte. Hatten die vorhergehenden Auflagen vor allem das Ziel, „die Hamburger TeilnehmerInnen an der Demonstration über die Hintergründe und die Geschichte dieses größten Treffens der Linken in der Bundesrepublik zu informieren" (S.3), so wenden sich die Autoren jetzt an einen größeren Kreis Interessierter.

Gegliedert ist die Arbeit in folgende Kapitel:

1919 – Der geschichtliche Hintergrund;

Die Demonstration (von den Anfängen 1919 bis heute);

Anhang (mit Kurzbiographien von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sowie Auszügen aus deren letzten Reden und Erinnerungen an sie anlässlich ihrer Ermordung von W.I.Lenin, der KPD und von Wilhelm Pieck aus dem Jahre 1919).

Abgeschlossen wird die Publikation mit einem Aufruf zur Demo 2002 von AMS u.a. Zahlreiche Illustrationen lockern die Darstellung auf.

Für eine weitere Auflage wäre es wünschenswert, wenn auf umfangreichere Biographien hingewiesen würde, zumindest aber auf die marxistische Standardarbeit: Laschitza, Annelies; Im Lebensrausch, trotz alledem. Rosa Luxemburg. Eine Biographie; Berlin, Aufbau-Verlag, 1. Auflage 1996, 687 Seiten).

Bezugsadresse: Deutscher Freidenkerverband, LV Hamburg/Schleswig-Holstein, PF 60 71 58, 22243 Hamburg

Gernot Bandur, Berlin

Jukka Tarka: Jürgen Elsässer - "Make Love and War. Wie Grüne und 68er die Republik verändern."

Eine neue Streitschrift von Jürgen Elsässer

"Wenn Joschka Fischer zurücktreten muß, dann hoffentlich deswegen", schrieb die Wiener Tageszeitung "Die Presse" über Elsässers letztes Buch "Kriegsverbrechen", das sich mit der Rolle der BRD im Krieg gegen Jugoslawien befaßt. Und in der Tat hat Elsässer, nach Meinung des SPIEGEL ein "Berufszyniker" mit "altlinken Klischees", in seinem Ende Januar erschienenen Buch erneut eine ebenso gründlich recherchierte wie polemisch geschriebene Analyse der Grünen und von Teilen der 68er vorgelegt.

Nach dem 11. September und dem prompten Schulterschluß mit der US-Kriegspolitik geht er vor allem den tieferliegenden und längerwirkenden politisch-ideologischen Strömungen derjenigen Linken nach, die sich etwa ab 1977 von marxistischen Paradigmen schleichend verabschiedeten oder sofern sie aus ehemaligen maoistischen Gruppen kamen, die Supermachtstheorie nahtlos in den Gründungskonsens der Grünen überführen konnten.

Elsässer arbeitet die zentrale Rolle der "neuen französischen Philosophie" (Foucault, Guattari) heraus, die den Kitt des ideologischen Scherbenhaufens so unterschiedlicher Strömungen der "Neuen Linken" wie ökopazifistischen Gruppierungen, RAF-Anhängern, Maoisten und der Fischer-Gang aus Frankfurt bildete. Ebenso schwerwiegend stellt sich nach Elsässer das Defizit heraus, daß Teile der "Neuen Linken" nie einen Begriff von der besonderen Rolle des deutschen Faschismus entwickelten und keine historische Analyse des Nationalismus und Regionalismus als Waffe des deutschen Imperialismus bei der Zerstörung bestehender europäischer Staaten erarbeitet wurde. Diese beiden Stränge, neue französische Philosophie und ein völlig defizitärer Imperialismusbegriff, führten schon zu Beginn der 80er Jahre zum Beispiel in der Afghanistan-Frage direkt in die Armee des US-Imperialismus.

Auf diesem Hintergrund betrachtet Elsässer die konkrete Entwicklung der Grünen über die Beteiligung an Landesregierungen bis zur rot-grünen Bundesregierung und zeigt, wie die heute tonangebenden "Armani-Intellektuellen", von denen die meisten nie eine Ausbildung beendet und fast alle einen Beruf nur für kurze Zeit ausgeübt haben, die Politik zur Einnahmequelle machten. Diese Gruppe konnte in den 80er Jahren die radikalpazifistischen (Jutta Ditfurth) oder dezidiert sozialistischen Strömungen (Ebermann/Trampert) soweit marginalisieren, daß die Fischer-Linie sich auf den Kriegsermächtigungsparteitagen von Münster und Rostock durchsetzen konnte. Die heute dominierende Strömung nennt Elsässer in Anlehnung an den Marxschen Begriffs des Lumpenproletariats "Lumpenintelligenzia", also die verkommendsten Subjekte einer gesellschaftlichen Klasse.

Detailliert beschreibt Elsässer die Rolle der Grünen bei der Ausdehnung des militärischen Einflusses der BRD über den Kosovo nach Mazedonien und in der aktuellen Kriegsphase, bei der es dem deutschen Imperialismus auch immer um eigene Interessen in Konkurrenz zum US-Imperialismus geht. Ein besonders Kapitel widmet er dem Begriff den Grüne und Teile der "Neuen Linken" von der US-dominierten Zivilisation haben und verbreiten. Dabei macht er auf den großen Unterschied zwischen der Losung aus der französischen Revolution "liberte, egalite, fraternite" und dem amerikanischen "persuit of happiness" aufmerksam. Während die Revolution von 1789 vom Anspruch her einen Gleichheitsgrundsatz propagierte, der innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft auf Grund der Klassenspaltung nicht eingelöst werden kann, geht der Begriff des "Strebens nach Glück" von vorneherein nicht von einem gesellschaftlich, sondern von einem rein individuell begriffenen Streben aus, das in den Kampf der Stärkeren gegen die Schwächeren führen muß.

Elsässer schließt mit dem furiosen Kapitel "Oma Künast fährt im Kälberstall Motorrad", in dem er die Kampagnenpolitik der Grünen am Beispiel BSE untersucht und der Linken in den gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen als vorrangige Aufgabe zuweist, "Partei der Aufklärung" zu sein. Jukka Tarka

Jürgen Elsässer: Make Love and War. Wie Grüne und 68er die Republik verändern. 172 S., Brosch., Pahl-Rugenstein Verlag, ISBN 3-89144-295-5.

Erste Stimmen zum „Parteienheft"

Reiner Meyer: Die KPD ist die einzige wirklich kommunistische Partei

Lieber Frank und lieber Michael, als ich gestern Abend von einer Reise aus dem „Westen" wieder nach Magdeburg zurückkam, habe ich mir noch Euer Parteienheft zu Gemüte gezogen.

Über die bürgerliche, schon nahezu reaktionäre PDS habt Ihr Euch nicht ausgelassen. Die KPF ist nun einmal auch Teil der PDS. Was sollen Kommunisten in der Plattform denn anders bewirken können, als ihr ein vermeintliches linkes Mäntelchen umzuhängen? Damit treiben sie gewollt oder ungewollt, Menschen, die eine linke kommunistische Politik wollen in die Irre. Frank, Du schreibst ja richtigerweise, die Plattform hat gar nicht die Absicht über die Grenzen der PDS hinaus aktiv zu werden und dass ihre Politik kommunistische Inhalte besitzt, kann doch aus ihrem Verlautbarungsgejammer nicht herauskristallisiert werden. Warum sollen Genossinnen und Genossen dort nicht den Mut verlieren und in dieser PDS-Katakombe ausharren? Was sollen sie dort noch erreichen, überwintern bzw. aussterben? Kontakt zu anderen halten, wie es Peter von Oertzen mit anderen linken Kräften so erfolgreich praktiziert, indem er Linken aus der PDS vorschlägt, etwas marxistischer zu werden als Gysi und Co.? Etwa so ein bisschen marxistisch wie er es selber ist? Seine Erfolge mit dieser Haltung in seiner SPD müssten gerade für die Genossinnen und Genossen der KPF eine Horrorvision sein. Frank, nach alle Deinen Ausführungen hättest Du doch eher zu dem Schluss kommen müssen, die KPF ist einer von vielen Bremsklötzen auf dem Weg zur Schaffung einer marxistisch-leninistischen Gesamtpartei.

Aus dem Steinbruch (Robert Steigerwald) DKP mag noch manches für eine kommunistische Sammlungsbewegung zu bergen sein, aber diese Partei wird aufgrund ihrer revisionistischen Führung bestimmt nicht die Basisstruktur für eine gemeinsame kommunistische Partei abgeben.

Die KPD ist die einzige wirklich kommunistische Partei, der man kein revisionistisches Ideengut anhängen kann und die kommt von Euch mehr Kritik als notwendige Unterstützung. Gerade diese Genossinnen und Genossen dieser Partei sind mehrheitlich von Berufsverboten und dem Rentenstrafrecht betroffen, um so mehr ist ihre Entwicklung zu würdigen, die sich jetzt im Dokument „Sozialismus/Kommunismus-Zukunft der Menschheit" widerspiegelt. Ich persönlich kann mir über Entwicklungen in China und Korea keine wirklich begründeten Meinungen machen, weil mir nur bürgerliche Medien zu Verfügung stehen, denen ich prinzipiell misstraue. Die KPD ist sicher personell (und materiell) nicht so ausgestattet, dass sie alle Politikfelder in der wünschenswerten Qualität abarbeiten kann. Sie ist aber die einzig marxistisch-leninistisch Partei der BRD.

Ihr gemeinsam mit einer wieder zugelassenen KPD aus Westdeutschland traue ich noch eher zu, dass sie die Basisstruktur für eine gemeinsame kommunistische Partei hergeben könnten. Ein belehrender Ton gegenüber der KPD ist m. E. ist ungerecht und wirkt auch politisch unproduktiv.

Es wäre besser, Ihr würdet mehr Solidarität mit dieser kleinen Partei üben, als dass Ihr Kommunisten auffordert, in den Gruften der PDS oder sonst wo auszuharren. Damit ist nicht gesagt, alle Kommunisten müssen stehenden Fußes ihre Parteibücher zerreißen, aber auf Dauer dürfen sie nicht die Rolle eines Peter von Oertzen kopieren, wenn sie nicht als Narren abgetan werden wollen. Der leider verstorbene Kommunist, Rolf Vellay, war auch nicht parteigebunden und hat vehement bis zu seinem Tode für die Aufhebung des KPD-Verbotes gekämpft. Das ist auch eine Aufgabe, die den Kommunisten im Rahmen ihrer Sammlungsanstrengungen obliegt. Mit Eurer Forderung, Frank und Michael: „bleibt, wo Ihr seid!" behindert Ihr eher eine positive Entwicklung, die sich anzudeuten beginnt.

Ihr habt ja schon Kritik für Euer Heft erwartet, aber sicherlich nicht von mir in dieser Art. Die Artikel von Huar und Müller sind hervorragend. Auch der DKP-Artikel ist gut. Bei allen Fakten, die von Dir, Frank, zur KPF aufgeführt sind, hätte das Ergebnis sein müssen, die KPF spielt eine unheilvolle Rolle in der Politik für die Linken ebenso wie der rechte Parteiflügel in der DKP. Über die PDS mag ich gar nicht mehr reden.

Ist es da nicht schon makaber, Kommunisten nahe zu legen, dort auszuharren, ohne eine Perspektive aufzeigen zu können?

Gruß, Reiner Meyer, Magdeburg

Helmut Lukas: Meine Lieben,

ich habe heute das lang ersehnte Sonderheft bekommen; es ist da, das "Das Parteienheft". Ein Drittel habe ich davon heute schon gelesen. Es ist noch viel besser als ich gehofft habe.

Frank Flegel schreibt uns unsere Meinung über die KPF - allerdings noch sehr viel besser und ausdifferenzierter als ich das selbst gekonnt hätte, dazu zwei Artikel zum gegenwärtigen Stand der kommunistischen Bewegung und über die geschichtliche Entwicklung. Weiter bin ich noch nicht gekommen, aber DKP und KPD werden auch noch behandelt. Ausgesprochen lehrreich und spannend, vor allem, wenn einem einige Geschichtskenntnisse fehlen.

Ihr solltet euch das Heft möglichst schnell holen, da gibt es einiges zu diskutieren, denn es schafft ein gutes Stück mehr Klarheit.

Liebe Grüße, Helmut Lucas, (Internet-Rundbrief) Bremen

Anton Heinrich: Bleibt, wo der Pfeffer wächst!

Zum „Parteienheft" der „Offensiv"

Zweifellos ist das Parteienheft eine ehrenwerte Angelegenheit. Die Angelegenheit ist aber außer Rand und Band geraten. Die PDS ist fast gar nicht ins Visier geraten, wenn man von der KPF absieht. Und die KPD? Sehr mager, mit einem onkelhaften Blick. Das Hauptfeuer der Kritik ist nicht zu Unrecht auf die DKP gerichtet. Der Revisionismus, der sich in dieser Partei seit langem breit macht, ist nicht zu trennen von dem Schicksal, das einen Großteil der kommunistischen Parteien seit dem XX. Parteitag ereilt hat.

In der Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus/Imperialismus stehen alle kommunistischen Parteien aus klassenkämpferischen Gründen in ständiger härtester Auseinandersetzung mit den Ausbeutern. Sich aus dieser harten Realität herausmogeln zu wollen, etwa mit Rosstäuschermethoden, läuft, die Geschichte bestätigt es immer wieder, schief. Eine kommunistische Partei ist alles andere als ein Zuckerlecken, geht es doch in ihr, wenn sie wirklich die Partei der Arbeiterklasse sein will, um ständige Auseinandersetzungen um den bestmöglichen Inhalt, wie man den Klassenkampf führen soll. In den höchstentwickelten Ländern des Kapitals versucht man auch ständig, die Ausgebeuteten an der kapitalistischen Kandare zu halten. Wo immer es geht und sich angezeigt erweist, versucht man, das eigene Nest nach Raubvogelmanier eventuell in eine Friedhofsruhe zu verwandeln. Das gelingt einmal mit der Korrumpierung von Teilen der eigenen Arbeiterklasse, wie das in allen imperialistischen Staaten mit mehr oder weniger Erfolg allezeit erfolgt. Gleichzeitig werden nach dem Teile-und-Herrsche-Prinzip alle anderen zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt. Der Revisionismus und seine Spielarten hat sich dabei (bisher!) als ein äußerst erfolgreiches Mittel erwiesen. Es sei hier nur auf die beiden Weltkriege verwiesen. Der Revisionismus ist also ein Trojanisches Pferd erster Wahl für den Imperialismus.

Oberflächlich betrachtet scheint es so, als ob nach der Niederlage des Sozialismus in Europa der Imperialismus gewonnen hätte, nicht nur eine Schlacht, so glaubt er. Wenn nur die Krankheit des Profits ihm nicht anhaften würde wie Pech – aus den bekannten hier nicht anzuführenden Gründen. Wenn sich die kommunistischen Parteien aus wissenschaftlicher Einsicht über diesen Todeskeim des Kapitals im Klaren sind, ist es eigentlich ein Leichtes, die Wissenschaftlichkeit des Marxismus-Leninismus zu akzeptieren. Es ist aber auch so, dass eine Wissenschaft kein Dogma, sondern ein lebendiger Organismus ist, der sich ständig mit der Realität auseinandersetzen muss. Die Dialektik erfordert eine ständige Auseinandersetzung mit der Realität der kommunistischen Sache. So war es ein Glück, als nach dem Ableben Lenins Stalin das Heft in der nationalen und internationalen Bewegung in die Hand nahm. Aber nach dem Tode von Stalin sah die Nachfolge alles andere als günstig aus. In aller Welt gab es plötzlich in der kommunistischen Welt heftige Auseinandersetzungen. Oder waren diese Auseinander-setzungen nur verschoben worden durch die herausragende Persönlichkeit Stalins? Eines stellte sich jedenfalls bald heraus: die Nachfolger konnten Stalin, bei allen dessen Fehlern, das Wasser nicht reichen, und so geschah, was geschehen musste. Der Revisionismus, intern der Hauptfeind der kommunistischen Parteien, konnte sein Haupt nun mit Unterstützung des Imperialismus frei erheben. Leute wie Chrustschow und seine Nachfolger machten das mehr oder weniger möglich.

Kommunistische Parteien im Imperialismus hatten und haben ja immer eine doppelte Last zu tragen. Auf sie prasselt das propagandistische Feuer besonders stark nieder. Den Magnetkäfig der Manipulierung in diesen Ländern zu durchbrechen ist schwer. Das erklärt auch die Anfälligkeiten für Revisionismus: ein klassisches Beispiel dafür ist das Einschwenken der SPD in den imperialistischen Ersten Weltkrieg. Und so machten es alle anderen sozialdemokratischen Parteien außer der Partei der Bolschewiki. Es ist schon lange her, dass sozialdemokratische Parteien nicht mehr als Arbeiterparteien bezeichnet werden können.

Aber auch innerhalb der kommunistischen Parteien gibt es ständige Auseinandersetzungen um den Revisionismus. Ebenso gibt es den Kampf um linke Abweichungen, der nach meiner Ansicht im Augenblick nur nicht so im Brennpunkt steht wie beispielsweise der Revisionismus. Mindestens seit dem XX. Parteitag gab es in der SED viel zu wenig dialektische Auseinandersetzungen. Die Konterrevolution hatte deshalb auch in ideologischer Hinsicht ein leichtes Spiel, die vielen intakten Genossen lahm zu legen. Gysi und Genossen hatten ein verhältnismäßig leichtes Spiel, diese Lage für sich auszunützen. Sie tun das bis heute. Gysi müsste schon allein deshalb das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Die Kommunistische Plattform wirkt in der PDS – eventuell unfreiwillig – als Feigenblatt für eine zweite, immer mehr überflüssige Sozialdemokratie. Entgegen anderen Meinungen bin ich zu der Auffassung gekommen, dass die PDS zum Steigbügelhalter des Kapitals in Ostdeutschland geworden ist. Die Wahlerfolge dieser Partei in Ostdeutschland sind Scheinblüten. Das Überwechseln vieler ehrlicher Genossen aus der PDS in die DKP ist das Vom-Regen-in-die-Traufe-Kommen.

Die westdeutsche DKP, besonders deren Entstehen, war schon nicht koscher und beruht auf einem Kuhhandel, der aber hier nicht mein Thema ist. Die ganze jetzige DKP-Führung „leidet" unter dem Eurokommunismus. Andere westeuropäische Parteien sind davon nicht weniger betroffen. Dieses kleinbürgerliche Angehauchtsein hat natürlich bis heute verheerende ideologische Folgen und verleitet in Serie zu Fehlschlüssen. Ich weise hier nur darauf hin, dass die Funktionärsschicht der DKP sich als auserwählte deutsche Kommunistische Partei betrachtet, analog zu imperialistischen Historikern eine Geschichtsfälschung mit allem, was DDR-Geschichte und –Realität betrifft, betreibt. Besonders der Ost-Teil der DKP hat völlig abweichende ideologische Meinungen, was die DDR-Geschichte betrifft. Haben diese sie doch selbst erlebt und mitgestaltet. Diese Spannungen, die hier zwischen Ost und West der DKP innerhalb der Partei auftreten, führen noch schneller zu einem bereits vorhandenen Mitgliederschwund, als es der natürliche es an und für sich schon ist.

Die vom Genossen Opperskalski im Parteienheft angeführten Analysen über die DKP treffen nach meinem Dafürhalten leider zu. Das bedeutet, wenn keine Grunderneuerung der Führungsgruppe in Richtung auf die Wiederinstallierung einer marxistisch-leninistischen Ideologie in der DKP eintritt, der Schlingerkurs nach rechts immer stärkere Konturen annehmen wird, aber gleichzeitig immer mehr Kommunisten entweder durch den natürlichen Abgang oder den revisionistischen Kurs der Partei eine Annäherung an die PDS nicht mehr mitmachen werden (Schreibweise wie im Original, d.Red.). Gegenwärtig gibt es keine Hoffnung in der DKP, dass ein Richtungswechsel zum Marxismus-Leninismus stattfinden könnte. Es gibt also unter den jetzigen Umständen nur eine kommunistische Partei: die KPD. Nur sie ist vom ideologischen Standpunkt her in der Lage, eine Basis für eine einheitliche deutsche kommunistische Partei zu bilden. Angesichts der gegenwärtigen weltpolitischen Lage haben es alle kommunistischen Parteien schwer, aus dem Sumpf des Revisionismus über einen längeren Zeitraum wieder zurück zu finden zum Marxismus-Leninismus. Nicht zu unterschätzen ist auch das Kaderproblem, das durch den natürlichen Abgang erprobter Kommunisten immer fühlbarere Lücken reißt, die nicht sozusagen über Nacht wieder geschlossen werden könnten.

Im Gegensatz zur DKP stützt sich die KPD auf Kader aus der DDR und zum Teil auch noch auf Internationalisten der kommunistischen Bewegung. Auch die KPD ist durch natürliche Abgänge immer mehr geschwächt, aber sie verfügt mit ihrer wissenschaftlichen Ideologie, die sie zu ihrem Parteiprogramm gemacht hat, über eine unerschütterliche ideologische Waffe, die sie befähigt, auch bei innerparteilichen Auseinandersetzungen stets zum rechten Weg zurückzufinden. Aus dem Klassenkampf wissen wir doch, dass eine kommunistische Partei nicht aus Nettigkeiten oder sonst was besteht, sondern dass die Dialektik des Lebens auch das Parteileben bestimmt. Den Vorwurf der Genossen Flegel und Opperskalski, dass die „Anti-Revisionismus-Passagen" im KPD-Programm sozusagen zu schmalbrüstig wären, nur auf dem Anti-Stalinismus basieren, kann ich mich nicht anschließen. Bei aller historischer Aufklärung, die noch um das Leben und Wirken Stalins notwendig ist, ist das in einem ganz anderen Maßstab als das die Imperialisten als Aashacker bisher getan haben (Schreibweise wie im Original, d.Red.). Das gilt auch für alle anderen kommunistischen Parteien. Es hieße, Eulen nach Athen zu tragen, zu behaupten, die KPF baue ihren Antirevisionismus nur mit dem Antistalinismus auf. Das würde bedeuten, ihr zu unterstellen, sie würde die ganze Problematik des Revisionismus unterschätzen.

Eher glaube ich, dass Flegel/Opperskalski die Analyse der KPD mit der linken Hand vorgenommen haben. Liegt es vielleicht daran, dass entweder der Platz im Parteienheft, wie selbst eingestanden, knapp geworden ist, oder sind es auch geistige Ermüdungserscheinungen, die bei der Erstellung des Parteienheftes aufgetreten sind? Jedenfalls wird die Einschätzung der KPD im Parteienheft bei aller Sympathie, die mir hier durchzuscheinen scheint, dieser nicht gerecht.

Es genügt nicht, die KPD, bei aller kleinen Mitgliederzahl, die ihr im Augenblick ebenso anhaftet wie anderen kommunistischen Parteien, nur mit etwas Schulterklopfen und erhobenem Zeigefinger bei mehr oder weniger Nebensächlichkeiten abzufertigen.

Die Einschätzung des Dokuments der Partei „Sozialismus/Kommunismus – Zukunft der Menschheit" lässt sich auf keinen Fall mit einigen herausgepickten Brosamen abtun. Ich jedenfalls habe den Verdacht, dass die „Analyse" über die KPD mehr eine Alibifunktion ausübt, als eine ernsthafte Untersuchung wenigstens einiger Aspekte versucht. Diesen Vorwurf kann man den Verfassern des Parteienheftes nicht ersparen. Wenn sie schon nicht genug Raum für eine ernsthafte Analyse im Parteienheft gehabt haben, so hätten sie dem Leserkreis der Zeitschrift das auch sagen müssen. Jedenfalls ist die Kritik an der Revisionismusdebatte der KPD sehr fadenscheinig. Dass es bei der sehr kurz gehaltenen Kritik an der KPD auch wirklich Kritikwürdiges zu vermelden gibt, das will ich hier keineswegs zurückweisen. Nur ist es eben nicht einer grundsätzlichen Art.

Leichtfüßig zu erklären, dass „diese KPD nicht die Voraussetzungen (hat), die notwendig sind, um ein Sammelbecken der Kommunistinnen und Kommunisten in Deutschland und darauf folgend eine einheitliche kommunistische Partei zu schaffen", erinnert mich ein wenig an die spätere Gattin von König Drosselbart. Und damit die Genossen der KPD aber nun nicht anfangen zu weinen, schieben die Artikelschreiber noch den tröstlichen Satz nach: „Die KPD und ihre Mitglieder werden ein unverzichtbarer Bestandteil der noch zu schaffenden einheitlichen kommunistischen Partei in Deutschland sein." Irgendwie erinnert mich das an Gretchens Frage, wie Fausten es mit der Religion hält. Soweit ich mich erinnere, ist aber der Kommunismus keine Religion, sondern eine bluternste Angelegenheit. Wenn es aber so ist, und so ist es, dann muss man den Kommunismus und die KPD ist eine kommunistische Partei, also auch die KPD einer ernsthaften Kritik unterziehen (Schreibweise wie im Original, d. Red.).

Was ist von meiner Warte aus zu der leichtsinnigen Erklärung, dass die KPD die „Voraussetzungen" für eine „Sammelbecken der Kommunistinnen und Kommunisten in Deutschland" nicht erfüllt, zu sagen? Gegenfrage: Hat die Arbeiterklasse in Deutschland gegenwärtig die historische Mission, den Kapitalismus zu beseitigen? Aber ist sie gegenwärtig dazu auch in der Lage? Die Frage kann sich jeder mit einem gesunden Verstand selbst zufriedenstellend beantworten. Aber deshalb bleibt trotzdem diese historische Aufgabe bestehen. Wenn es in Deutschland gegenwärtig keine einheitliche kommunistische Partei gibt, bedeutet das doch nicht, dass diese historische Aufgabe deshalb nicht erfüllt werden muss. Nicht von der Größe, aber vom Inhalt her hat augenblicklich nicht die KPF, nicht die DKP, keine andere Partei außer der KPD die Voraussetzungen, eine einheitliche deutsche kommunistische Partei zu werden. Ideale Voraussetzungen gibt es allenfalls im Märchen, aber nicht in der Realität.

Übrigens, Ihren Rat (im „Ausblick"), „bleibt, wo Ihr seid!", könnte man auch so auffassen: im Wolkenkuckucksheim. Ich hoffe nur, dass möglichst gar keine Kommunisten diesen Ratschlag befolgen, sondern beginnen, sich in einer einheitlichen deutschen kommunistischen Partei zu sammeln. So weit ich das überblicken kann, beginnen sich von der Basis aus bereits solche Bewegungen abzuzeichnen. Aus einer objektiven Sicht sind dafür von der KPD her die bisher einzigen Voraussetzungen geschaffen. Die Losung „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!" gilt genau so für die Proletarier auf nationaler Basis. Ansonsten: bleibt, wo der Pfeffer wächst!

Anton Heinrich, Bad Langensalza

Rosi und Wolfgang Nicolas: Anstelle einer Diskussion

Verse eines Gedichts anstelle einer Diskussion über Euer Parteienheft; es entbehrt teilweise der sachlichen Grundlage.

 

Ich brauche den Streit, Ich brauche die Freunde

der zur Einigung führt, voll Aufrichtigkeit,

nicht den, der die Freunde entzweit. nicht die sich bei andern beschwern.

Ich brauche den Zweifel, Ich brauche die Freunde,

der Klarheit verschafft, die hilfreich mir sind,

nicht jenen aus Grundsätzlichkeit. nicht jene, die mich ständig belehrn.

Rosi und Wolfgang Nicolas, Brandshagen

Helmut Lucas: Lieber Frank,

auch die Einschätzung der DKP von Michael Opperskalki wird von mir in vollem Umfange geteilt. Ebenso wie deine Beurteilung der KPF entsprechen auch die praktischen Erfahrungen im Umgang mit DKP-Genossen den gemachten Aussagen. Was ihr mir da voraus habt ist vor allem der Umfang der Informationen, in der Qualität gibt es keine Differenzen.

Zur KPD kann ich nicht viel sagen. Persönliche Kontakte gibt es nicht mehr (die waren ohnehin nur sporadisch), offenbar wird da auch kein weiterer Wert darauf gelegt. Insoweit entspricht das auch eurer Kritik. Programm und Statut liegen mir auch vor, aber zu einer eigenständigen Bewertung ist von uns keine/r in der Lage.

Lachen mußte ich beim "Ausblick". Der hätte wortwörtlich von mir sein können. ---

Helmut Lucas, Bremen

Andrea Schön: Dieses Heft ist ein historisches Dokument

Lieber Frank & Michael, zunächst allerherzlichsten Glückwunsch für Euer Heft, das ich in einem Haps verschlungen habe. Herrlich, wie Ihr es fertiggebracht habt, die ganze Revi-Bande und (!) die KPD-Dilettanten an den eigenen ausgeleierten Hosenträgern aufzuhängen. Das ist der Lackmustest! Wer das ohne "wenn + aber" akzeptiert, ist "drin"; alle dazu Herumeiernden fallen bestenfalls unter "lernfähig" ... Naja, und der Rest bellt halt, wie getroffene Hunde das nicht anders können.

Jedenfalls prophezeihe ich Euch: Dieses Heft ist ein historisches Dokument und wird dereinst in besseren Zeiten den Geschichtswissenschaftlern viel Arbeit ersparen bei der Erforschung der "Friedhofsperiode" oder wie immer man sie dann nennen wird ...

Andrea Schön, Dortmund

Red. Offensiv: Nun folgen einige telefonische Äußerungen bzw. Kurzbriefe

 

Lieber Frank, vielen Dank für das Heft 1/2002, es ist „Klasse" und so notwendig!

Ingeborg B., Altlandsberg

Herzlichen Dank für Euer Offensiv-Heft „Das Parteienheft". Ganz große Klasse! Ich habe gleich einen neuen Abonnenten für Euch gefunden, und ich bitte Euch, dass Ihr ihm umgehend dieses Heft schickt...

Rolf W. Hoyerswerda

Ich möchte hiermit bitten, mir 15 Exemplare zuzuschicken, da ich das Heft gestern erhalten habe, es heute Nacht gelesen habe und es wunderbar finde. Wenn es recht bald geschehen könnte, bedanke ich mich recht herzlich.

Kurt W. Leipzig

Ich habe noch nicht alles gelesen, aber das ist sehr spannend und interessant. Euer Schluss, also der Ausblick, ist zeitgemäß. Hoffentlich gibt es nur nicht wieder neuen Streit...

Gerhard N., Potsdam

Jahresabschluss und Rechenschaftsbericht 2001

Kurzes Resumee des Jahres

Das Jahr 2001 war für die „Offensiv" das achte Jahr ihres Bestehens (wir haben die Zeitung im September 1993 übernommen und entwickelt). Dieses Jahr war ein weiteres „Erfolgsjahr" der „Offensiv", denn die Verbreitung ist weiter – langsam – gestiegen, wir haben ein Spenden-aufkommen von noch nie erreichter Höhe und haben 11 Hefte produziert – und das, obwohl wir doch eigentlich ein Zwei-Monats-Blatt sind. Außerdem erschien unser zweites Buch.

Wir haben dieses Jahr keine große Veranstaltung durchgeführt. Das hatte zwei Ursachen. Erstens hat uns die Imperialismuskonferenz sehr stark belastet und zweitens gab es um den „RotFuchs", unseren Partner bei der letzten Veranstaltung, einige größere Turbulenzen, so dass die Genossinnen und Genossen dort genug damit zu tun hatten, ihre Zeitschrift zu retten.

Wir könne auch jetzt schon sagen, dass es im Jahr 2002 wiederum keine zentrale, große Veranstaltung von uns geben wird, dafür aber mehrere kleine, z.B. begleiten wir die im März stattfindenden Lesereise von Harpal Brar, dann wird es voraussichtlich Diskussionsrunden über das Parteienheft in verschiedenen Regionen geben und vielleicht zum Herbst hin regionalen Veranstaltungen zum Thema „Wie weiter?". Genaueres wissen wir noch nicht, es wird hier aber rechtzeitig zu lesen sein. Schon jetzt ankündigen können wir aber ein größeres Treffen zum Anlass des 10-jährigen Bestehens der Offensiv im Herbst 2003. Wie und was dort geschehen wird, werden wir aber erst im nächsten Jahr festlegen.

Realisierte Hefte in 2001:

1/01 Ausgabe Januar-Februar 2001, 60 Seiten Auflage: 600 Rest: ca. 40 Stück

2/01 „Lenin aktuell" 56 Seiten Auflage: 700 Rest: ca. 80 Stück

3/01 „Sozialismus und Kriminalität", 52 Seiten Auflage: 900 Rest: ca. 100 Stück

4/01 Ausgabe März-April 2000, 60 Seiten Auflage: 600 Rest: ca. 50 Stück.

5/01 „Kongo", 36 Seiten Auflage: 700 Rest: ca. 80 Stück

6/01 Ausgabe Mai-Juni 2000, 60 Seiten Auflage: 600 Rest: ca. 20 Stück

7/01 Ausgabe Juli-August, I, 60 Seiten Auflage: 600 Rest: ca. 40 Stück

8/01 Ausgabe Juli-August, II, 60 Seiten Auflage: 600 Rest: ca. 60 Stück

9/01 Ausgabe September-Oktober, 60 Seiten Auflage: 600 Rest: ca. 50 Stück

10/01 „Genosse Domenico Losurdos Flucht aus

der Geschichte", 56 Seiten Auflage: 700 Rest: ca. 120 Stück

11/01 Ausgabe November-Dezember, 60 Seiten Auflage: 600 Rest: ca. 70 Stück

 

Damit hat die Offensiv im Jahr 2001 620 Druckseiten herausgebracht. Das vorliegende Heft ist übrigens die 122. Ausgabe der „Offensiv".

Im März 2001 erschien unser zweites Buch „Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe im 21. Jahrhundert" in einer Auflage von 1000 Stück. Leider fand es bisher nicht das gleiche Interesse wie das DDR-Buch („Auferstanden aus Ruinen"), so dass wir hier noch immer mit einem Minus von knapp 2000,- DM bzw. etwas unter 1000,- EURO belastet sind. Die Rezension in der „jungen Welt", die uns dankenswerter Weise Dieter Popp geschrieben hat, brachte nochmals ein wenig Umsatz, aber mehr als 12 Exemplare waren das auch nicht.

Verbreitung der 'Offensiv'

 

Die 182 Orte in Deutschland, in denen 'Offensiv' gelesen wird:

Aachen, Algermissen, Altenweddingen, Altlandsberg, Augsburg, Bad Bentheim, Bad Homburg, Bad Langensalza, Bad Soden, Bäumenheim, Berlin, Bernburg, Bessenbach, Beutel, Bingen, Bischofrode, Bissingen, Blumberg, Bodolz, Börnersdorf, Bonn, Brandenburg, Brandshagen, Braunschweig, Bremen, Bremerhaven, Bruchmühle, Brüssow, Buchholz, Buxdehude, Cadolzburg, Celle, Cottbus, Crailsheim, Darmstadt, Datteln, Delmenhorst, Dorfen, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Duisburg, Ebersdorf, Eberswalde, Eckartsberga, Edelstetten, Edemissen, Eichwalde, Einbeck, Eppelheim, Ehrfurt, Erlenburg, Essen, Estorf, Ettlingen, Ferdinandshof, Frankfurt/M, Frankfurt/0, Fraureuth, Frechen, Freiberg, Freiburg, Friederichshafen, Ganderkesee, Geilenkirchen, Gelsenkirchen, Gera, Geratshofen, Gersdorf, Gießen, Göttingen, Goslar, Groß Dölln, Großlehna, Gütersloh, Halberstadt, Halle, Hamburg, Hameln, Hamm, Han.Münden, Hannover, Heidenheim, Heidesheim, Heppenheim, Hermannsburg, Hermsdorf, Hess.Oldendorf, Hildesheim, Hohenahlsdorf, Hoyerswerda, Ilmenau, Jena, Kaiserslautern, Kassel, Kehl-Neumühl, Kelbra, Kerpen, Kierspe, Kleinmachnow, Klietz, Koblenz, Köln, KönigsWusterhausen, Konz, Kückenshagen, Langenau, Leipzig, Leutkirch, Lindhorst, Lübeck, Lüneburg, Magdeburg, Marburg, Mönchengladbach, Mörfelden, Möttingen, Moosburg, Müncheberg, München, Münster, Naunhof, Neuenhagen, Neuruppin, Nördlingen, Nürnberg, Öttingen, Offenbach, Oldenburg, Osnabrück, Paderborn, Perleberg, Pforzheim, Pomster, Poppendorf, Poppenhausen, Potsdam, Ravensburg, Rechen, Recklinghausen, Röthenbach, Ronnenberg, Rosenthal, Rostock, Rudolstadt, Rüdersdorf, Saarburg, Salzgitter, Salzwedel, Schlangenbad, Schönkirchen, Schwabhausen, Schwäbisch-Hall, Schwanebeck, Schwerin, Spockhövel, Strausberg, Stuttgart, Torgau, Tostedt, Trier, Tübingen, Uelzen, Vlotho, Wandsdorf, Warin, Weissenburg, Weissenstadt, Wernding, Wernsdorf, Wiesbaden, Wilkau, Winsen/Luhe, Wismar, Wörnitzostheim, Wollin, Woltersdorf, Wunstorf, Wuppertal, Zahna, Zarrentin, Zittau, Zwickau.

Die 28 Länder, in denen 'Offensiv' gelesen wird:

Australien, Belgien, Bulgarien, Chile, Cuba, Dänemark, Deutschland, England, Frankreich, Griechenland, Indien, Italien, Jamaika, Kanada, Luxembourg, Niederlande, Österreich, Polen, Rußland, Schweden, Schweiz, Slowakische Republik, Spanien, Südafrika, Syrien, Tschechische Republik, Ukraine, Ungarn.

Die 50 Orte im Ausland, in denen 'Offensiv' gelesen wird

Antwerpen (Belgien), Athen (Griechenland), Avon (Frankreich), Bratislava (Slowakische Republik), Brüssel (Belgien), Budapest (Ungarn), Calcutta (Indien), Cardiff (Großbritannien) Cheratte (Belgien), Damaskus (Syrien), Den Haag, (Niederlande), Faliro (Griechenland), Fife (Großbritannien), Florenz (Italien), Forio (Italien), Göteburg (Schweden), Havanna (Cuba), Johannesburg (Südafrika), Kingston (Jamaika), Kopenhagen (Dänemark), Linz (Österreich), Livry Gargan (Frankreich), Lund (Schweden), Lutsk (Ukraine), Luxemburg (Luxemburg), London (Großbritannien), Madrid (Spanien), Melbourne (Australien), Moskau (Rußland), Neapel (Italien), New York (USA), Prag (Tschechische Republik), Ricany (Tschechische Republik), Pepy (Tschechische Republik), Regusse (Frankreich), Rom (Italien), S. Abbondio (Schweiz), Salzburg (Österreich), Sarrebourg (Belgien), Sofia (Bulgarien), Southall (Großbritannien), Sundsvall (Schweden), St.Petersburg (Russland), Toronto (Kanada), Urbino (Italien), Valparaiso (Chile), Valby (Dänemark), Wasquehall (Frankreich), Wien (Österreich), Wroclaw (Polen).

 

Die Finanzen der Offensiv:

Spendeneinnahmen im Jahr 2001 insgesamt: 20.563,54 DM

Minus aus 2000: 2.615,86 DM

Aktiva: 17.947,68 DM

 

Porto insgesamt: 5.320,86 DM

Druck insgesamt: 10.813,52 DM

Büro insgesamt: 1.545,55 DM

Passiva: 17.679,93 DM

 

Saldo: plus 267,75 DM

 

 

Das ist angesichts der Tatsache, dass wir 11 Hefte aufgelegt haben und dass wir das Minus aus dem Jahr 2000 ausgeglichen haben, ein sehr gutes Ergebnis.

 

Wir danken hiermit besonders denjenigen, die uns mit großen Spendenbeträgen die Möglichkeit gaben, so viele Hefte herauszugeben (die aber nicht namentlich genannt werden wollen); natürlich aber gilt unser genau so herzlicher Dank all den vielen „kleinen" Spendern, denn ohne sie wäre nichts möglich. Deshalb bitten wir auch weiterhin um Spenden.

 

 

Spendenkonto: Konto Frank Flegel, Kt.Nr.: 21827 249 bei der Stadtsparkasse Hannover, BLZ: 250 501 80; Kennwort „Offensiv" (Kennwort nicht vergessen!)