Zeitschrift für Sozialismus und Frieden                                                                                        6/03

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik e.V.

Spendenempfehlung: 1,60 €                                                                                                             

 

Ausgabe

Mai-Juni 2003

 

  Redaktionsnotiz.

Der Krieg, die Friedensbewegung und die Kommunisten

           Andrea Schön: Neue Anti-Hitler-Koalition?

           Michael Opperskalski: Wie weiter? Einige Thesen zur Situation der kommunistischen Bewegung*

Mythos Globalisierung

  Stefan Eggerdinger: Mythos Globalisierung; Teil I

Zur Funktion des „17. Juni“ in der BRD

  Horst Schneider: „...der Erinnerung kann man nicht befehlen, man kann sie nicht her- und wegzaubern.“

Fragen der Politischen Ökonomie des Sozialismus

  Ingeborg Böttcher: Die Crux (Das Kreuz) mit dem Wertgesetz“ (Zum gleichnamigen Artikel von Hermann Jacobs in Offensiv September/Oktober 2002) Teil 2 und Schluss

Zum Tod des Genossen Gerhard Niebling

  Willi Opitz: Rede auf der Trauerfeier für Gerhard Niebling

Harpal Brar: Dank für die Lesereise

  Harpal Brar: Danksagung an die deutschen Genossen!

Wider den Parteiaustritt

  Wilhelm Heinrich Rettler: Ich widerspreche

Aufruf

  Aufruf zum 8. Internationalen Treffen von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, Frankfurt/M, 26.-28.3.2004

 

Redaktionsnotiz

 

Gerhard Niebling ist tot, gestorben an den Folgen einer Operation. Sein Tod ist ein furchtbarer Verlust für die kommunistische Bewegung in Deutschland – und deshalb auch konkret für uns. Der Kontakt zu mit ihm entstand im Vorfeld unserer Imperialismus-Konferenz (28./29.10.2000) im Frühjahr/Sommer 2000. Seitdem arbeiteten wir zusammen. So war er – kurz vor seinem Tode – noch beteiligt an der Organisation der Lesereise mit Harpal Brar und hat uns geholfen, wichtiges Material für Henry Alleg nach Frankreich senden zu können. Nun ist er nicht mehr da – und das reißt eine tiefe Lücke in die Reihen der Kommunisten. Unser größtes Mitgefühl aber gilt seiner Frau Brigitte, die seit Mitte der 50er Jahre mit ihm gelebt hat. Die Operation war hoffnungsvoll verlaufen – und dann der plötzliche Tod. Es ist furchtbar! In diesem Heft bringen wir Gerhard Niebling zu Ehren die Trauerrede, die Willi Opitz anlässlich der Beisetzung auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin gehalten hat.

Weiterhin geht es im Heft um die Friedensbewegung, die Globalisierung und die Rolle der Kommunisten. Diese drei Artikel legen wir Euch besonders ans Herz: Andrea Schön zur Friedensbewegung, Michael Opperskalski zur Rolle der Kommunisten und Stefan Eggerdinger zur Globalisierung.

Wir setzen den Abdruck der Arbeit von Ingeborg Böttcher zu den ökonomischen Fragen und Problemen des Sozialismus fort, wir bringen eine interessante Arbeit zur Funktion des „nationalen Gedenktages“ 17. Juni in der BRD, Harpal Brar sagt Dank für die Unterstützung während seiner Lesereise, W.H. Rettler kritisiert die Auffassung, man könne heute als Kommunist unorganisiert leben und arbeiten und schließlich bringen wir einen interessanten Gewerkschaftsaufruf.

Und wir haben einen Hinweis für Euch: Es ist die Gründung einer europäischen Linkspartei im Gespräch. Das ND meldete am 15.5.03, dass es ein Treffen in Frankfurt/M gegeben habe, bei dem unter anderem Vertreter der „Internationalen Sozialistischen Linken“, der „DKP“, der PDS-nahen „Rosa-Luxemburg-Stiftung“, von „Attac“, dem „Marxistischen Forum der PDS“, der „SAV“ und des „Linksruck“ anwesend waren. Peter von Oerzen schickte warme Grüße und bot seine Mitarbeit an. Inhaltlich will man laut ND „antikapitalistisch, pluralistisch, auf die Einheit der Linken ausgerichtet und radikaldemokratisch“(ND, 15.5.03) sein. Die Organisations-vorstellungen „sind eine Abkehr vom so genannten demokratischen Zentralismus“ (ebenda). Man ist stolz auf die eigene „Weltanschauungs- und Organisationsunabgeschlossenheit“ (ebenda). Kleines Detail am Rande: Vom DKP-Vertreter Hugo Braun wird gesagt, dass er „die Notwendigkeit, sich in Aktionen zu finden, anstatt sich in theoretischen Debatten aufzureiben“ (ebenda), betont habe.

Es ist schon interessant – und beängstigend – wer da mit wem gehen will – und vor allem: auf welcher Grundlage! Zu diesem Gefühl passt, dass das Ganze fast wie eine Geheimverabredung gehandelt wird: Die UZ brachte bisher keine Zeile, auch die SAV und der Linksruck schweigen auf ihren Internet-Seiten. Allein die „junge Welt“ brachte einen kurzen und wenig aussagekräftigen Artikel. Nun, man darf gespannt sein. Eins aber ist sicher: die Verwirrung über das, was man „Bündnisarbeit“ und „Aktionseinheit“ nennt, scheint riesengroß zu sein. Und was eine kommunistische Partei eigentlich ist und wofür wir sie barschen, wird fast gar nicht mehr diskutiert. Stattdessen gibt sich Hugo Braun von der DKP auch noch dazu her, Praxis gegen Theorie auszuspielen. Es ist unglaublich. Wir werden die Sache weiter beobachten. Schließlich soll im nächsten halben Jahr entschieden werden, ob man sich an der EU-Wahl 2004 beteiligen will.

Zum Schluss wie immer der Hinweis, dass wir finanziell von Euch, unseren Leserinnen und Lesern abhängig sind.

Spendenkonto: Konto Frank Flegel, Nr.: 3090180146 bei der Stadtsparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort Spende Offensiv.

                                                                                              Redaktion Offensiv, Frank Flegel, Hannover

Der Krieg, die Friedensbewegung und die Kommunisten

Andrea Schön: Neue Anti-Hitler-Koalition?

Von der falschen Imperialismusanalyse zu Burgfrieden und Vaterlandsverteidigung

Bush = Hitler sagt man in der Friedensbewegung, und diesem unreflektierten Reflex folgt ausgerechnet von der kommunistischen "Avantgarde" (UZ, RotFuchs, Marxistische Blätter) die ideologische Unterfütterung. Bevor wir uns das genauer anschauen, schon mal vorab:

Hitler-Vergleiche haben seit der Konterrevolution eine derartige Inflation erreicht, daß man davon als Agitationsmittel zumal in Deutschland tunlichst die Finger lassen sollte. Wir erinnern uns an den Popanz Saddam-Hitler Anfang der Neunziger, gefolgt von Milosevic-Hitler Ende der Neunziger, dem die klassenunbewußte Linke reihenweise zum mentalen Opfer fiel.

Grundsätzlich falsche historische Parallele

Die Propagierung einer "neuen Anti-Hitler-Koalition" geht darüber noch hinaus: Sie sieht in den Kriegen der USA eine Neuauflage der faschistischen Raubzüge zur Ergreifung der Weltherrschaft und zieht daraus entsprechende Schlüsse für die Art und Breite, d.h. den Klassencharakter des zu schmiedenden Bündnisses.  So heißt es in dem "Special" der Marxistischen Blätter vom Januar 2003 mit dem Titel "Irak Krieg – Das angekündigte Verbrechen" im Vorwort: "Der US-Imperialismus ist heute der gefährlichste; er ist der derzeitige Hauptfeind nicht nur der Menschen in der 'Dritten Welt', sondern jeglicher humaner Weiterentwicklung der Menschheit. Seine Aggressivität nach außen steht hinter der des faschistischen Deutschland der 1930er und 40er Jahre nicht zurück. ... Eine – natürlich nicht-militärische! – Anti-'Bush'-Koalition (der Name steht hier nur für das Programm) wäre heute ebenso das Gebot der Stunde, wie es einst die Anti-Hitler-Koalition war." (Herv. A.S.)

Ähnliches findet sich leider auch in der Zeitschrift RotFuchs: "Seit Hitler hat niemand die Grundprinzipien des Völkerrechts – nationale Souveränität, territoriale Integrität und Gewaltverzicht – so mit Füßen getreten wie die derzeitige USA-Führungsriege um George W. Bush. ... Als einst die Mächte des Antikominternpaktes ... die Welt mit ihrem Präventivkrieg überzogen, stießen sie auf vereinte Abwehr ... Sie ging als Antihitlerkoalition in die Chronik des 20. Jahrhunderts ein." Und heute: "Auf Straßen und Plätzen aller Erdteile marschieren Millionen und Abermillionen Friedensbeschützer auf – wie in den Tagen des Vietnamkriegs. Ihr Bündnis überschreitet erneut ideologische, politische und soziale Grenzen. Es geht um den Fortbestand der Menschheit, darum, ihre bisher größte Bedrohung in die Schranken zu weisen." (RF, März 2003, Herv. A.S.) Zugleich wirbt der RotFuchs in einer Anzeige für eine "neue Anti-Hitler-Koaltion" und fordert "Bush und Scharon nach Den Haag![1]"

Hier sind gleich mehrere faktische wie ideologische Fehler und Fallen, die strategisch in die Irre, d.h. in die Arme des Klassengegners führen:

1.         Es ist eine historische Unrichtigkeit, daß die Mächte des Antikominternpaktes auf vereinten Widerstand stießen. Im Gegenteil: Alle Versuche der Sowjetunion, bereits in den dreißiger Jahren mit dem Völkerbund ein System der kollektiven Friedenssicherung zu schaffen, schlugen fehl. Es folgten Appeasement-Politik und nach Kriegsbeginn/Überfall auf Polen über Jahre hinweg eine Mischung aus unkoordinierter Verteidigungs- und Kollaborationspolitik. Wir wissen alle, wie spät die zweite Front, nämlich eine tatsächliche Anti-Hitler-Koalition, und die nur auf massives Drängen der Sowjetunion hin, zustande kam – als die Rote Armee bereits an der Weichsel stand und die imperialistischen Alliierten Angst vor der "bolschewistischen Gefahr" und um die eigene Kriegsbeute bekamen.

2.         Im Zweiten Weltkrieg, der als innerimperialistischer begann, verlief der Hauptwiderspruch zunehmend zwischen Sozialismus und Imperialismus. Es ging den kommunistischen Kräften und ihren Verbündeten um die Verteidigung der Sowjetunion und die Beseitigung faschistischer Gewaltherrschaft. Nur diese Prioritäten ermöglichten und rechtfertigten eine breite antifaschistische, klassenübergreifende Front.

3.         Der klassenübergreifende Charakter dieser Koalition war eine vorübergehende (!) historische Notwendigkeit, deren negative Auswirkungen im Hinblick auf die ideologische Standfestigkeit bzw. klassenmäßige Zusammensetzung der kommunistischen Nachkriegsparteien insbesondere in Europa bis heute noch nicht wirklich erforscht ist. So drängten viele Antifaschisten mit kleinbürgerlichem Hintergrund aufgrund der gemeinsamen Kampferfahrung mit den Kommunisten nach dem Krieg in die kommunistischen Parteien. Es ist durchaus denkbar, daß damit der Einfluß klassenfremder Elemente gestärkt wurde, der zu ideologischen Verzerrungen führte – Stichwort "Eurokommunismus".

4.         Die heutige Situation der innerimperialistischen Widersprüche mit den USA als stärkster Kraft und der Abwesenheit eines (geschlossen agierenden!) sozialistischen Lagers ist eher vergleichbar mit der Situation vor dem Ersten Weltkrieg: Dort ging es auch in erster Linie darum, die bis dahin unangefochtene Hegemonie der Pax Britannica aufzubrechen und sich den gemäß der eigenen gewachsenen Wirtschaftskraft entsprechenden "Platz an der Sonne" zu sichern.

5.         Es ist schlichtweg falsch zu behaupten, daß niemand die Grundprinzipien des Völkerrechts so mit Füßen getreten habe wie die "derzeitige USA-Führungsriege".  Die USA haben seit dem Zweiten Weltkrieg 100 Interventionskriege geführt[2], von denen die aggressivsten (Korea, Vietnam) Millionen von Menschenleben forderten, unterstützt von ALLEN imperialistischen Rivalen. Und: Hat etwa das zur "Normalität" eigener Weltherrschaftspläne zurückgefundene Deutschland das Völkerrecht im Jugoslawienkrieg weniger mit Füßen getreten?

6.         Die Bekämpfung des "Hauptfeindes USA" zur Ermöglichung einer "humanen Weiterentwicklung der Menschheit" enthält nicht den leisesten Funken einer Erkenntnis über die heutige Weltlage vom Standpunkt einer marxistisch-leninistischen Imperialismusanalyse! Hier wird völlig verkannt, daß nach der Konterrevolution ("Zusammenbruch des Sozialismus") die Rivalitäten zwischen den imperialistischen Hauptmächten in offener und verschärfter Form hervortreten und damit eine zunehmende Aggressivität und Reaktion ALLER imperialistischen Länder nach außen (Kriege um strategisch bedeutsame Regionen im Zugriff auf Rohstoffe und Märkte) wie nach innen (verschärfte Repression gegen die Arbeiterklasse und alle fortschrittlichen Kräfte) erfolgte.

7.         Es wird eifrig betont, daß mit der neuen Anti-Bush/Hitler-Koalition nicht etwa gemeint sei, die USA sei bereits faschistisch. Nachgeschoben wird allerdings, daß sie sich auf dem Weg bzw. im Prozeß der Faschisierung befinde. Anknüpfend an das Argument unter 5.: ALLE imperialistischen Hauptländer befinden sich auf eben diesem Weg (man schaue nur etwa auf die Anti-Terror-Gesetze in Deutschland und Großbritannien)! Der Faschismus als reaktionärste Variante bürgerlicher Herrschaft, als offen-terroristische Herrschaftsform der aggressivsten Teile des Finanzkapitals im Sinne Dimitroffs ist eine Option, der sich die herrschende Klasse all dieser Länder potentiell bedienen, um ihre Weltherrschaftsansprüche bzw. das eigene imperialistische Herrschaftssystem abzusichern.

8.         Schließlich wird betont, daß diese Koalition nicht militärisch gemeint ist, wobei sich dann die Frage stellt, was tatsächlich von diesem historisch unsäglichen Vergleich eigentlich noch übrig bleibt?

Verletzung des Klassenstandpunkts und Ignoranz innerimperialistischer Kräfteverhältnisse

Analysiert man nun die Klassen- und in ihrem Gefolge die Bündnisperspektive der Parole, springt als Erstes ins Auge: Schon wieder ist die Rede von Menschheitsinteressen. Wo aber die "Menschheit" im Mittelpunkt steht, da ist der Klassenantagonismus ausgeklammert – siehe Kautsky, Chrustschow, Gorbatschow. Als Kommunisten sollten wir wissen und vermitteln: Nicht die USA sind der Hauptfeind "jeglicher humaner Weiterentwicklung der Menschheit", sondern der Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium – als Fortsetzung innerimperialistischer Wettläufe um die Weltherrschaft, heute wie vor dem Ersten Weltkrieg unbehindert von einer nennenswerten sozialistischen Gegenmacht (China verfolgt in erster Linie nationale Interessen und kann daher nicht ohne weiteres als Reserve im internationalen Klassenkampf betrachtet werden – siehe fehlendes Veto im ersten Anti-Irak-Krieg).

Als Kommunisten müssen wir davon – wieder - einen Begriff haben und diesen in die Friedensbewegung tragen anstatt dumme, irreführende Parolen nachzuplappern oder gar noch ideologisch zu überhöhen!

Das geht natürlich nur, wenn man Lenins Imperialismustheorie begriffen hat und nicht den modernen "schöpferischen Weiterentwicklungen" eines "kollektiven" oder "hegemonistischen" Imperialismus, die mehr mit Kautsky als mit Lenin verbindet, auf den Leim zu gehen.

Lesen wir also bei Lenin nach und werden fündig: "Der Kampf der Weltimperialismen verschärft sich. Es wächst der Tribut, den das Finanzkapital von den besonders einträglichen kolonialen und überseeischen Unternehmungen erhebt. Bei der Teilung dieser 'Beute' fällt ein außerordentlich großer Bissen Ländern zu, die nach dem Entwicklungstempo der Produktivkräfte nicht immer an der Spitze stehen ..." (Bd. 22, S. 279). Eine Neuaufteilung entsprechend der tatsächlichen Wirtschaftskraft (i.e. dem "Entwicklungstempo der Produktivkräfte") ist also angesagt.

Überschlagen wir kurz: Die USA, einst von den Rivalen nolens volens akzeptierte Hauptmacht im Kampf gegen den Sozialismus, bestritt nach dem Zweiten Weltkrieg 45% des Weltsozialprodukts, heute hingegen nur noch ca. 32% – gleichauf mit den Euro-Staaten (u.a. ohne Großbritannien!) zusammen mit Japan. Ihr Zahlungsbilanzdefizit beträgt anteilig am Bruttoinlandsprodukt 5%, ihre Netto(!)verschuldung rund ein Drittel am BIP (zum Vergleich: Die DDR galt mit 16% Schuldenanteil am BIP als bankrott!). Der Dollar fällt zur Zeit zugunsten des Euro, der sich zunehmend zur weltweiten Konkurrenzwährung entwickelt.

Schließlich schicken sich die EU-Mächte, allen voran Deutschland und Frankreich an, der USA auch militärisch Paroli zu bieten (EU-Interventionsarmee, mit EADS Schaffung eines integrierten militärisch-industriellen Komplexes etc.), selbst wenn dies noch ein längerfristiger Entwicklungsprozeß sein wird Und genau das macht Stalins Worte so aktuell: "Die Vereinigten Staaten von Amerika haben Westeuropa, Japan und andere kapitalistische Länder auf Ration gesetzt; ... Es wäre aber falsch, anzunehmen, dieser 'wohlgeordnete Zustand' könne 'in alle Ewigkeit' erhalten bleiben, diese Länder würden die Herrschaft und das Joch der Vereinigten Staaten von Amerika endlos dulden, sie würden nicht versuchen, aus der amerikanischen Knechtschaft auszubrechen und den Weg einer selbständigen Entwicklung zu beschreiten. ... Daraus folgt aber, daß die Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern bestehen bleibt." ("Ökonomische Probleme des Sozialismus", zit. n. Gossweiler, offensiv März-April 2003, Herv. A.S.)

Es gebietet die imperialistische Logik, daß die USA ihre derzeitige militärische Überlegenheit nutzt, solange es noch geht, und die imperialistischen Rivalen in Schach hält bzw. aus dem Felde schlägt. Es ist daher auch kein Zufall, daß in einem Strategiepapier des Pentagon bereits 1992 Deutschland als "new global enemy" (neuer globaler Feind) bezeichnet wird. Die gegenseitigen Feindseligkeiten lassen sich seither durch alle "gemeinsamen" Kriege verfolgen – ob erster Anti-Irak-Krieg, Jugoslawien, Afghanistan etc.

Nun ist das sich verändernde Kräfteverhältnis gerade zwischen dem ersten und zweiten Krieg gegen den Irak interessant zu beobachten:

Während die USA bereits vier Monate nach dem Einmarsch Iraks in Kuwait (August 1990) eine "Koalition der Willigen" mit Deckung des Sicherheitsrates zusammengestellt hatte (Dezember 1990) und sich Deutschland finanziell mit dem relativ größten Batzen am Krieg beteiligte, hatte sich diesmal die USA bald ein Jahr lang durch das Gezerre im Sicherheitsrat zu quälen, um schließlich nicht einmal ein "Plazet" zu erhalten – von Geld aus Deutschland ganz zu schweigen! Die rivalisierenden imperialistischen Mächte haben deutlich ihre Stimme erhoben und interessieren sich zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen deshalb so sehr für eine "starke Rolle der UNO", die Rückkehr der Waffeninspekteure und die Aufrechterhaltung der Sanktionen.

Innerimperialistischen Widersprüche und strategische Folgen

Um so stärker muß unser Augenmerk auf das veränderte innerimperialistische Kräfteverhältnis gelegt werden, das mit seiner zunehmenden Verschiebung allen voran zugunsten Deutschlands – politisch, ökonomisch, militärisch – letztlich nur eines bedeuten kann: einen weiteren Weltkrieg. Dazu Lenin: "Es fragt sich, welches andere Mittel konnte es auf dem Boden des Kapitalismus geben außer dem Krieg, um das Mißverhältnis zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und der Akkumulation des Kapitals einerseits und der Verteilung der Kolonien und der 'Einflußsphären' des Finanzkapitals anderseits zu beseitigen?" (ebd., S. 280). Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer auszumachen, ob dabei der absteigende (USA) oder der aufsteigende Imperialismus (Deutschland in einem wie immer geschmiedeten Bündnis mit anderen europäischen Ländern oder gar mit Rußland etc.) in Zukunft die größere Aggressivität an den Tag legt.

In diesem Zusammenhang ist übrigens der Hinweis auf die – noch - relative militärische Schwäche Deutschlands ein schwaches, wenn nicht falsches Argument: Erstens versucht Deutschland mit der Umrüstung der Bundeswehr zur präventiv schlagfähigen Interventionsarmee, dem größten Truppenkontingent in der EU-Interventionsarmee und neuen Rüstungsprogrammen nicht nur quantitativ aufzuholen, sondern – indem eine Waffengeneration übersprungen werden soll[3] – den USA auch qualitativ zu begegnen. Zweitens gebietet es die imperialistische Logik, Weltmachtansprüche im Zweifelsfall auch gegen eine nüchtern-rationale Analyse der (militärischen) Kräfteverhältnisse kriegerisch durchzusetzen, wie wir in der jüngeren Geschichte des deutschen Imperialismus gesehen haben. 

Um so stärker muß unser Augenmerk auf die veränderte Stellung Deutschlands im innerimperialistischen Kräfteverhältnis gelegt werden. Statt also etwa ein Extra-Heft zum "Irak-Krieg" mit allen möglichen Artikeln über Aggressivität und Besonderheiten des US-Imperialismus, in denen übrigens Marx kaum und Lenin gar nicht vorkommen, stünde es einer theoretischen Zeitschrift mit Namen "Marxistische Blätter" (Herv. A.S.) doch weit besser zu Gesicht, etwa folgende Aspekte vom dezidierten Klassenstandpunkt zu analysieren:

- Der Irak-Krieg und das veränderte Kräfteverhältnis USA – Deutschland/Europa.

- Interessendivergenzen im Irak und Nahen Osten USA – Deutschland/Europa – Rußland.

- Sortierung der "kleinen" Länder[4] der NATO-Osterweiterung um den deutsch-französischen bzw. US-Imperialismus im Irak-Krieg.

- Der Irak-Krieg in der deutschen Innenpolitik: Schröder und Gauweiler contra Merkel und Schäuble.[5]

- Der Irak-Krieg und die bundesdeutschen Medien im Vergleich zu 1991.[6]

- Die Stellung des Irak-Kriegs in den neokolonialen Kriegen nach dem Sieg der Konterrevolution.

Auch die UZ und der RotFuchs äußern sich ausführlich und oft in mehreren Artikeln pro Ausgabe über den US-Imperialismus. Die besonderen deutschen Interessen kommen hie und da zwar vor (die UZ berichtet immerhin mit Regelmäßigkeit über die militärischen Aufrüstungsprogramme Deutschlands), bleiben aber merkwürdig unverbunden mit der Analyse und Darstellung der US-Interessen, der innerimperialistischen Widersprüche im EU- und im Weltmaßstab und damit ohne analytische Tiefe. Die noch treffendste Charakterisierung des "deutschen Sonderwegs" im Irak-Krieg stammt von der FAZ (!!), dankenswerterweise von IMI-Vorstand Tobias Pflüger aufgegriffen und in der UZ vom 18. April 2003 nachgedruckt: "Deutschland ist auch als Nachschubbasis bei einem Krieg gegen den Irak zentral. Ziel dieser deutschen Doppelstrategie ist es, einerseits eine 'Gegenmacht' gemeinsam mit Frankreich weltpolitisch zu etablieren und andererseits doch noch bei einer Nachkriegsordnung im Irak mit dabei zu sein (FAZ, 26. September 2002)."

Sollten hingegen nicht wir Kommunisten Experten in Sachen "deutscher Imperialismus" sein?!

Den deutschen Imperialismus gegen den amerikanischen ausspielen?

Die vollkommene ideologische Schieflage der strategischen Orientierung ("Anti-Bush/Hitler-Koalition") und der weitgehende Verzicht auf eine tiefere Analyse des Hauptfeindes im eigenen Land hat jedoch Methode: So antwortet Hermann Kopp auf eine Kritik von Ursula Vogt mit ähnlicher Stoßrichtung (gegen die Blindheit gegenüber dem deutschen Imperialismus und die 'mal offen, 'mal versteckte oder völlig bewußt-lose Propagierung eines Burgfriedens) in Marxistische Blätter 3-03 mit dankenswerter Offenheit: Der "Hauptstoß der Fortschrittskräfte" müsse sich gegen den US-Imperialismus richten. "In diesen ... nicht militärischen ...(!) Feldzug müssen u.E. alle Kräfte einbezogen werden, die ein Interesse an seiner 'Eindämmung' haben, selbst seine imperialistischen Konkurrenten. ... es geht also um den 'Pakt' mit einigen 'Teufeln', mit Repräsentanten eines Teils des imperialistischen Lagers, gegen einen anderen Teil – einen Pakt, mit dem die Paktierenden sehr unterschiedliche Ziele verfolgen. Die Friedensbewegung will den derzeit besonders vom US-Imperialismus blockierten Weg zu humanem Fortschritt öffnen."

Das muß man sich ernsthaft auf der Zunge zergehen lassen: Da wird nicht nur ganz offen ein "Bündnis mit antagonistischen Klassenkräften" befürwortet, sondern DIE Friedensbewegung - in ihren rückschrittlichsten Teilen! - vereinnahmt, nämlich jene Kräften, die das "alte Europa" gegen die USA mobilisieren wollen und dabei offen die rosa-olive Bundesregierung unterstützen, ohne Berücksichtigung jener, die eine antikapitalistische Stoßrichtung haben bzw. die Rolle des deutschen Imperialismus und dessen Sonderinteressen berücksichtigen (wie u.a. IMI etc.).

Außerdem geht mit der Forderung nach einem "Pakt mit dem Teufel" eine naive Inversion der Kräfteverhältnisse einher. Wer spielt da wohl wen eher aus: Der deutsche Imperialismus à la Schröder, der seinem Erzfeind Bush erklären muß, daß leider leider seine eigene Bevölkerung beim Irak-Krieg nicht mitspielt, oder die Friedensbewegung, die Schröder zum "konsequenten" Handeln und damit in eine wirksame Blockade der deutschen Kriegsunterstützungshandlungen treibt (und damit natürlich auch tiefer in den Affront gegen die USA)? Versucht da nicht, der Schwanz mit dem Hund zu wedeln?

Doppelstrategie der Kommunisten

Ein Ausnutzen innerimperialistischer Widersprüche (wer wie?) kann übrigens niemals die Eigenständigkeit einer kommunistischen Position GEGEN den Klassenfeind im eigenen Lande ersetzen (diese Position brachte Lenin gerade von den Menschewisten immer wieder den Vorwurf des "Sektierers" ein – einer, der z.B. weit mehr um die Isolierung der Bourgeoisie im eigenen Lande denn um die Abschaffung des Zarismus besorgt sei etc.).

Im gegenwärtigen Fall bestünde diese Position zum einen darin, dem Kanzler die Friedensmaske vom Gesicht zu reißen (das haben auch viele verstanden: "Dem Balkankrieger glaubt man nicht, auch wenn er jetzt vom Frieden spricht!"), ihn nicht in seiner Inkonsequenz (die ist nämlich sehr konsequent!), sondern seiner Doppelstrategie zu entlarven (siehe FAZ!).

Daraus folgt, daß wir keine Forderungen stellen, die der Kanzler im Interesse der deutschen Bourgeoisie liebend gerne umsetzen würde, hätte er/sie nur die Stärke dazu (Amis raus aus Deutschland,  "friedliche" Entwaffnung/Krisenbewältigung im Nahen Osten etc.), sondern mit einer angemessenen Analyse der Rolle Deutschlands in den innerimperialistischen Kräfteverhältnissen die militantesten Kräfte der Friedensbewegung unterstützen: Blockade der Militärbasen – einschließlich der deutschen!, Schutz des irakischen Volkes vor imperialistischen Übergriffen mit Human Shields, Streiks nicht nur in Rüstungsbetrieben (in Deutschland!) etc. Es gibt also einige konkrete und machbare (!) Wege, den proletarischen Internationalismus sinnvoll mit der Bekämpfung des hiesigen Klassenfeindes zu verbinden ...

Falsch, weil zahnlos, hingegen ist die allerorten UNOsono angestimmte Leier von der "Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrats" gegen die Instrumentalisierung der imperialistischen Mächte und ihrer Interessen. Welchen längst totgetretenen Hund möchten wir denn als Kommunisten da wiederbeleben? Wird es nicht endlich Zeit, nachdem ALLE Kriege nach der Konterrevolution völkerrechtswidrige Angriffskriege waren[7],  eine antiimperialistische Front "von unten" gegen Militarisierung und Krieg zu bilden? Eine antiimperialistische demokratische Volksfront als Voraussetzung für eine sozialistische Revolution, wie sie z.B. von den griechischen Kommunisten geschmiedet wird.

Last not least: Nicht nur falsch, sondern gefährlich ist die Anknüpfung an chauvinistische Anti-US-Stimmungen, wie das gerade auch Anfang der achtziger Jahre in der Mobilisierung gegen den NATO-Doppelbeschluß geschah und heute wieder in einigen recht üblen Zungenschlägen zum Ausdruck kommt:

So schreibt Gerd Deumlich am 31.1.2003 in der UZ: "... müßte nicht eine deutsche Regierung, die den Krieg nicht will, diese Angreifernester [gemeint sind die von Bundeswehrsoldaten bewachten 75 US-Militäreinrichtungen] konfiszieren, und so dem Mißbrauch deutschen Bodens einen Riegel vorschieben?" (Herv. A.S.) Gott oder sonstwer weiß, wie jungfräulich deutscher Boden war, bevor ihn US-amerikanische Truppen mißbrauchten ... Oder in der UZ-Ausgabe vom 18.4.2003 über die Verteilung der Kriegsbeute: "Die 'Partner', zumal wenn sie Nein-Sager waren, dürfen bußfertig bezahlen – deutsche Zuschüsse in die Kriegskasse werden ebenso gerne angenommen, wie die logistische Hilfe im Krieg." Das klingt doch eher nach O-Ton Bild, Spiegel, Focus etc.!

In diesem Zusammenhang sei auch ganz emphatisch eine Formulierung kritisiert, die der Parteivorstand der DKP in einem Aufruf an die "Kolleginnen und Kollegen! Mitbürgerinnen und Mitbürger!" am 28.2.2003 verwendet hat. Dort heißt es neben dem üblichen Gerede von "Vernunft" und Menschheitsinteressen:

"Es geht nicht um Menschenrechte. Es geht nicht um den Kampf gegen den Terrorismus. Es geht nicht um Massenvernichtungswaffen und Saddam Hussein. Im Gegenteil zeigt sich, daß die Entwaffnung des Irak mit den Mitteln der Inspektionen auf friedlichem Wege möglich ist." (Herv. A.S.)

Wenn das nicht schierer Chauvinismus ist: Zunächst die implizite Möglichkeit, daß im Falle von Menschenrechten, Terrorismus und Massenvernichtungswaffen ein Krieg gerechtfertigt sein könnte (um das auszuschließen, müßte man zumindest sagen "auch diesmal nicht"/"wie immer nicht/nur vorgeschoben"). Dann als krönender Abschluß eine volle Rechtfertigung der "Entwaffnung des Irak", damit natürlich das Monopol der imperialistischen Länder auf militärische Enteignung aller unbotmäßigen Staaten! Wie weit wird hier im eigenen Bewußtsein an die Position der herrschenden Klasse bzw. der "goldenen Milliarde" angeknüpft?! Und es handelt sich dabei um den Parteiverstand der Deutschen Kommunistischen Partei ...

Fazit

Die Aufgabe für Kommunisten kann nur sein: Lenins Imperialismustheorie endlich wieder ernst zu nehmen und damit alles zu unternehmen, um den Imperialismus als System zu bekämpfen und schließlich zu beseitigen. Das bedeutet angesichts zunehmender Aggressivität gegen die unterdrückten Länder sowie Rivalität zwischen den imperialistischen Staaten ein Kampf an zwei Fronten:

Vom Standpunkt des proletarischen Internationalismus sind alle Länder vor imperialistischen Übergriffen zu schützen bzw. zu verteidigen. [Nur in diesem Zusammenhang kann ein anderes imperialistisches Land außer dem eigenen "Hauptfeind" sein. Das hängt aber von jedem Einzelfall (!) ab. Selbst wenn die USA in den meisten Fällen den Krieg gegen ein abhängiges Land eröffnen, werden sie damit keinesfalls zum prinzipiellen Hauptfeind! (Um nur ein jüngeres Beispiel zu nehmen: Beim Völkermord in Ruanda an einer halben Million Tutsi spielte der französische Imperialismus die wichtigste Rolle, und im Interventionskrieg gegen die DR Kongo ist es u.a. ein so kleines imperialistisches Land wie Belgien, das an vorderster Front mitmischt.)] Mit der Schwächung des jeweiligen "Hauptfeindes" muß zugleich eine Stärkung der dort agierenden fortschrittlichen Kräfte einhergehen.

Vom Standpunkt des nationalen Klassenkampfes ist und bleibt der Hauptfeind die eigene Bourgeoisie, der deutsche Imperialismus! Mit jeder Schwächung der eigenen herrschenden Klasse muß eine Stärkung der fortschrittlichen Kräfte im eigenen Land und in der Folge auch der fortschrittlichen Kräfte überall in der Welt einhergehen.

Es gilt also zu jedem Zeitpunkt, die dialektische Einheit von nationalem und internationalem Klassenkampf zu verstehen und zu wahren. (Nochmals durchdekliniert am Beispiel des Irak-Krieges: Die eigene Bourgeoisie schwächen, indem man zum einen ihre "Friedens"ziele und die daraus resultierenden Handlungen entlarvt und – soweit möglich – vereitelt ("Keinen Frieden mit dem deutschen Imperialismus!"), zum anderen die Arbeiterklasse in den offensiven Kampf gegen die herrschende Klasse treibt ("Kampfeinsätze der Gewerkschaften statt Kampfeinsätze der Bundeswehr!"); den Imperialismus (in diesem Fall hauptsächlich die USA) schwächen, indem man zum einen den Irak mit allen zu Gebote stehenden Mitteln verteidigt (Blockaden von Militäreinrichtungen, Human Shields etc.), zum anderen die US-amerikanische und britische etc. Friedensbewegung unterstützt. Und es ist genau dieser Zusammenhang, den man in seinen Analysen, Forderungen und Handlungen stets berücksichtigen und deutlich machen muß.)

Der deutsche Imperialismus revidiert derzeit die Nachkriegsordnung  und meldet unverhohlen seine Weltmachtansprüche an. Das Finanzkapital, die Revanchistenverbände und die Junker sind aggressiv wie seit 1945 nicht mehr. Eine "Anti-Bush/Hitler-Koalition" nordet die deutsche Bevölkerung ideologisch darauf ein, zu Vaterlandsverteidigern zu werden und den "unilateralen", "aggressiven", "den Fortbestand der Menschheit bedrohenden" US-Imperialisten, wenn's einmal sein muß, auch militärisch entgegen zu treten. Sie ist zugleich die Umgehung der historischen Aufgabe des Proletariats unter Führung der Kommunisten, einen imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg umzuwandeln, die eigene kriegslüsterne bzw. kriegführende Regierung zu stürzen und an ihrer Stelle die Diktatur des Proletariats aufzubauen.

                                                                                                                                        Andrea Schön, Essen

Michael Opperskalski: Wie weiter? Einige Thesen zur Situation der kommunistischen Bewegung*

Vorbemerkung:

Thesen haben nicht den Anspruch, eine wissenschaftlich aufbereitete oder gar abgeschlossene Analyse darzustellen. Sie sollen vor allem zur Diskussion anregen, die auch zur wissenschaftlichen Unterfütterung des Gesagten führen kann. Damit spitzen Thesen notwendigerweise immer zu, auch um die Deutlichkeit und Klarheit ihrer Aussagen zu unterstreichen. Die US-Aggression gegen den Irak stellt einen tiefen Einschnitt in die Entwicklung der so genannten „Neuen Weltordnung“ dar. Damit wurde sie auch zur Herausforderung für die kommunistische Bewegung auf nationaler wie internationaler Ebene. Dieser Herausforderung haben sich die Kommunistinnen und Kommunisten zu stellen, wenn sie tatsächlich ihrem Anspruch gerecht werden wollen. Die kommunistische Bewegung befindet sich objektiv an einem Scheideweg, auch wenn dies subjektiv vielfach noch nicht so empfunden werden mag. Die „Thesen“ sollen eine Diskussion über das kommunistische Selbstverständnis in Gang bringen oder diese vertiefen, denn es geht um die Ziele, Perspektive und Zukunft der kommunistischen Bewegung. Daher hofft der Autor, in diesem Sinne zum Nachdenken anzuregen…

I. Die US-Aggression gegen den Irak als tiefer Einschnitt in der Entwicklung der so genannten „Neuen Weltordnung“

Der US-Aggressionskrieg gegen den Irak ist mehr als ein völkerrechtswidriger Bruch einer „internationalen Ordnung“, die als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges und der Zerschlagung der faschistischen Achsenmächte geschaffen, vor allem jedoch auch in der Nachfolge in ihrem Kern verteidigt sowie partiell ausgebaut wurde von der Macht der sozialistischen Länder, die dem aggressiven Charakter des Imperialismus im Rahmen des internationalen Klassenkampfs Fesseln anlegte. Mit der nordamerikanischen Aggression gegen Bagdad wurde eine Phase beendet, die mit dem endgültigen Sieg der Konterrevolution 1990/91 in Ost-Europa, vor allem in der Sowjetunion, eingeleitet wurde und in der sich die Konturen der so genannten „Neuen Weltordnung“ herausschälten. Mit der völkerrechtswidrigen Aggression gegen den Irak wurde belegt, dass sich der US-Imperialismus als dominierende imperialistische Weltmacht im Rahmen der so genannten „Neuen Weltordnung“ etabliert hatte. Die Herausbildung strategischer, ökonomischer, politischer wie militärischer Konzeptionen, die darauf abzielen, nicht nur diese Weltmachtposition zu verteidigen, sondern sie auch durch eine aggressive Neuaufteilung der Welt im Sinne des US-Imperialismus abzusichern, war bereits in den entscheidenden Fragen abgeschlossen, noch bevor die ersten Bomben auf Bagdad fielen.

Die Ereignisse in der internationalen Arena um den US-Aggressionskrieg belegen jedoch zugleich, dass die noch dominierende Weltmacht, der US-Imperialismus, mit immer bedeutender werdenden imperialistischen Konkurrenten konfrontiert wird. Der bedeutendste ist ein imperialistisches, vom BRD-Imperialismus geführtes Europa, wobei es zweitrangig ist, in welchem Bündnis oder in welchen Bündnissen sich dieses imperialistische Europa als Weltmacht entwickelt. Auch die imperialistischen Konkurrenten der USA streben im Rahmen der so genannten „Neuen Weltordnung“ nach der Durchsetzung ihrer politischen, ökonomischen, militärischen wie geostrategischen Interessen im Rahmen der Neuordnung der Welt.

Oberflächlich betrachtet erscheint die globale Rolle des US-Imperialismus erdrückend, steht er auf dem Zenit seiner Weltmachtposition. Der US-Imperialismus befindet sich jedoch strategisch betrachtet im Niedergang, während mit dem unter deutscher hegemonialer Führung sich entwickelnden europäischen Imperialismus ein sich im Aufstieg befindlicher imperialistischer Konkurrent die Weltbühne betritt.
Dies bedeutet zum einen, dass imperialistischer Druck auf und imperialistische Destabilisierung – bis hin zum Krieg – von Staaten und politischen Kräften zunehmen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, dem imperialistischen Diktat zur Neuordnung widersetzen möchten; dabei nehmen die imperialistischen Manöver gegen jene Staaten, die sich nach wie vor zum Aufbau des Sozialismus bekennen, zwangsläufig zu und haben einen besonderen Charakter im Rahmen der so genannten „Neuen Weltordnung“.

Zum anderen verschärfen sich jedoch die innerimperialistischen Widersprüche dramatisch. Die Kriegsgefahr wächst auf allen Ebenen. Die Aggression des Imperialismus nach außen erscheint ungebremst, einschließlich des immer aggressiver werdenden Auftretens gegen imperialistische Hauptkonkurrenten. Dieser wachsenden Aggression des Imperialismus nach außen entspricht die sich verschärfende Aggression nach innen in allen imperialistischen Hauptmächten, wo der Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte in rasantem Tempo einhergeht mit dem Ausbau des imperialistischen Repressionsapparates.

II. Zur Entwicklung der internationalen kommunistischen Bewegung

Krise und Niedergang der kommunistischen Weltbewegung sind – trotz mancher Ausnahmen (!) - eng verbunden mit der Rolle und Entwicklung des Revisionismus, der in den sozialistischen Ländern die Vorraussetzung für die Konterrevolution schuf und in den kommunistischen Parteien zur Zersetzung ihrer politischen wie ideologischen Basis führte.

Das erste, bedeutende Anzeichen für diese Krise und den damit verbundenen Niedergang der kommunistischen Weltbewegung war die Spaltung der internationalen kommunistischen Bewegung in zwei „Lager“ nach dem XX. Parteitag der KPdSU, dessen Ergebnisse zur Durchsetzung und Entwicklung des Revisionismus in den kommunistischen Parteien (fast aller) sozialistischer Länder sowie im mit diesen verbundenen „Lager“ der kommunistischen Weltbewegung führte.

Die chinesischen Genossen waren nicht bereit, den Orientierungen des XX. Parteitages zu folgen und begannen in den Jahren danach mit einer öffentlichen, marxistisch-leninistischen Polemik gegen dessen Beschlüsse. Dieser Positionierung folgte nur eine Minderheit in der kommunistischen Weltbewegung, die dann schließlich zum Teil auch bereit war, sich offen auf Seiten der chinesischen Genossen zu stellen und einen – in welcher Form auch immer vollzogenen – organisatorischen Bruch mit dem „anderen Lager“ zu vollziehen. Waren auf Seiten des von Peking geführten „Lagers“ der kommunistischen Weltbewegung zu Beginn lediglich einige linkssektiererische „Zungenschläge“ zu vernehmen, so verstärken sich diese in den Folgejahren und wurden mit der Herausbildung des Maoismus als ideologischer Konzeption zum dominierenden ideologisch-politischen Faktor dieses „Lagers“. Schließlich waren die Maoisten sogar bereit, sich auf Basis inzwischen durchgesetzter theoretischer Konzeptionen wie „Sozialfaschismustheorie“, „Drei-Welten-Theorie“ etc. auf Seiten des US-Imperialismus in ihren Kampf gegen die „sowjetischen Sozialimperialisten“ zu stellen, was die offene Unterstützung konterrevolutionärer Kräfte mit einschloss. Jeder mögliche Widerstand gegen diese Entwicklung wurde in der KP Chinas im Zuge der so genannten „Kulturrevolution“ zerschlagen. Bis heute fehlt in der KP Chinas eine marxistisch-leninistische Analyse dieser Phase ihrer Entwicklung sowie ihre umfassende Aufarbeitung und im Gefolge dessen ist die chinesische Partei bisher nicht auf konsequent antirevisionistische, marxistisch-leninistische Positionen zurückgekehrt. Im Gegenteil, nach dem Abbruch der von Mao vertretenen ideologischen Konzeption des Maoismus ist eine Entwicklung klassisch revisionistischer Positionen in der KP Chinas zu beobachten.

Der Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern Ost-Europas, besonders in der Sowjetunion, deren Vorraussetzung der Revisionismus war, verschärfte die Widersprüche in den kommunistischen Parteien und/oder führte zur Zerstörung nicht weniger dieser Parteien. In anderen wurde der Revisionismus dominierend. Damit hatten sich die kommunistischen Parteien als Weltbewegung und auch als revolutionäre Herausforderung für den Imperialismus, zumal in Form des staatlich organisierten Sozialismus, verabschiedet.

Nach dem Sieg der Konterrevolution lassen sich folgende Entwicklungstendenzen der Parteien der kommunistischen Weltbewegung herausarbeiten:

1)     In vielen kommunistischen Parteien, vor allem denen der vormals sozialistischen Länder, vollende der Revisionismus seinen Entwicklungszyklus zur offenen Sozialdemokratisierung dieser Parteien. Andere Parteien zerfielen oder lösten sich kläglich auf. Dieses Bild wird auch nicht dadurch getrübt, dass es in manchen dieser sozialdemokratischen, nicht-marxistischen Formationen (wie etwa der bundesdeutschen PDS) nach wie vor Mitglieder gibt, die sich als Kommunisten verstehen oder zumindest antikapitalistische Sozialismusvorstellungen haben.

2)     Andere Parteien befinden sich noch auf dem revisionistischen Entwicklungsweg. Dabei ist jede Partei differenziert zu analysieren, um zu erkennen, in welchem Stadium der Entwicklung des Revisíonismus sie sich befindet. Allen gemeinsam ist jedoch, dass in ihnen revisionistische Positionen dominierend sind bzw. ihre Führungen mehrheitlich revisionistisch sind. In manchen, wie etwa der italienischen „Rifondazione“, gibt es zudem konterrevolutionäre trotzkistische Positionen bzw. Fraktionen.

3)     Nur eine Minderheit von Parteien nehmen marxistisch-leninistische Grundpositionen ein oder befinden sich im – natürlich nicht widerspruchsfreien – Prozess der Durchsetzung des Marxismus-Leninismus. Als bedeutendste von diesen Parteien wären in Europa zum Beispiel die griechische KKE, die portugiesische PCP, die belgische PTB oder die schwedische KPML/R zu nennen.

4)     Als unbedeutend, aber objektiv konterrevolutionär sind Versuche zu werten, Parteien auf Basis des „klassischen Maoismus“ zu entwickeln bzw. zu reaktivieren. In diesem Zusammenhang gibt es sogar einzelne Bestrebungen, internationale Zusammenschlüsse zu organisieren. Zu diesen objektiv konterrevolutionären Kräften zählen zum Beispiel die bundesdeutsche MLPD oder die peruanische Organisation „Sendero Luminoso“, die in ihrem Kampf gegen von ihr als Revisionisten gebrandmarkte Organisationen sogar zu Methoden des individuellen Terror greift oder gar, im CIA-Hauptquartier wird man gejubelt haben, Anfang der 90er Jahre auf die Botschaft der von ihnen als „Revisionisten“ denunzierten cubanischen Genossen ein Bombenattentat organisierte.

IV. Tendenzen zum Wiederaufbau der internationalen kommunistischen Bewegung

Die zwei interessantesten, konsistentesten und daher auch bedeutendsten Initiativen zum Wiederaufbau der internationalen kommunistischen Bewegung werden zur Zeit auf Initiative der griechischen Partei (KKE) bzw. der belgischen Genossen von der PTB im Rahmen von jährlich stattfindenden internationalen Seminaren organisiert.

Die Schwächen beider Initiativen sind jedoch in ihrem Charakter zu suchen. Zwar werden beide von marxistisch-leninistischen Parteien organisiert, die griechischen Genossen stützen sich bei ihren Seminaren im wesentlichen auf ihre ehemaligen Bruderparteien, auch offen revisionistischen (wie zum Beispiel die vom Revisionismus zerfressene so genannte „Französische Kommunistische Partei“ <FKP> oder die faktisch nur im Internet existierende revisionistische „Schwedische Kommunistische Partei“ <SKP>, während die tatsächlich marxistisch-leninistische Partei des Landes, die KPML/R nicht eingeladen wird). Bei den Seminaren der belgischen Genossen der PTB sind sektiererische, in manchen Fällen gar objektiv konterrevolutionäre Kräfte überproportional vertreten, während bedeutende marxistisch-leninistische Parteien und/oder Organisationen bzw. Tendenzen nicht oder nicht mehr teilnehmen (Beispiel KKE).

Damit lassen sich die Schwächen bei allen existierenden Versuchen, die kommunistische Weltbewegung wieder zu beleben, wie folgt zusammenfassen:

1) Objektiv inkonsequente Teilnahmekriterien

Beide initiativ tätigen Parteien – die KKE wie auch die PTB – haben sich zum Ziel gesetzt, einen Beitrag zur Entwicklung und Einheit der kommunistischen Bewegung auf marxistisch-leninistischer Basis zu liefern. Beiden Parteien ist klar, dass es sich hierbei um einen langfristigen, nicht widerspruchsfrei verlaufenden Prozess handelt, bei dem es natürlich im Kern um die Überwindung aller Formen des Opportunismus (Rechts- wie Linksopportunismus) und Revisionismus innerhalb der kommunistischen Bewegung geht. Das entscheidende Element ist hierbei eine entsprechende Entwicklung der nationalen kommunistischen Parteien und Formationen. Internationale Initiativen können in dieser Hinsicht lediglich unterstützend wirken.
Objektiv im Widerspruch zu diesen richtigen, ja für die kommunistische Bewegung entscheidenden Zielen ist jedoch der Charakter vieler Teilnehmer beider Initiativen. Welchen Sinn macht es in Athen, mit vom Revisionismus zerfressenen Parteien wie der FKP oder sogar solchen, deren Führungen objektiv mit dem US-Imperialismus zusammenarbeiten[8], über die Einheit oder Grundfragen der kommunistischen Bewegung zu diskutieren? Welche Perspektiven können in Belgien entwickelt werden, wo wichtige marxistisch-leninistische Parteien oder Formationen fehlen und sektiererische Kräfte überproportional vertreten sind?

Von daher ist es verständlich, dass es faktisch keinerlei Koordination zwischen beiden Initiativen gibt und dass es bisher nicht gelungen ist, verbindliche, übergreifende Grundkriterien für die Einheit der kommunistischen Bewegung zu entwickeln.

2) Keine gemeinsame wissenschaftliche Forschung

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich fast zwangsläufig, dass es keine kontinuierliche marxistisch-leninistische, wissenschaftliche Forschung – zumindest auf regionaler, geschweige denn internationaler Ebene – gibt, die der kommunistischen Bewegung in politisch-strategischer wie auch ideologischer Hinsicht Analysen, Studien, Ausarbeitungen, Diskussionsbeiträge etc. an die Hand gibt, um die Kommunisten für den international sich verschärfenden Klassenkampf zu wappnen und sich gleichzeitig mit den verschiedenen Formen und Theorien revisionistischer Aufweichung auseinanderzusetzen. Vorraussetzung hierfür wäre allerdings auch die gemeinsam getragene Erkenntnis, dass es mit dem Revisionismus vom marxistisch-leninistischen Standpunkt aus keinerlei „Burgfrieden“ geben kann und darf. Es handelt sich bei der überlebensnotwendigen Auseinandersetzung mit dem Revisionismus eben nicht um „Diskussionen unter Kommunisten“…

3) Somit ist es natürlich auch verständlich, dass von den bisher existierenden Initiativen zur Wiederbelebung und Einheit der internationalen kommunistischen keine nennenswerten Initiativen zu – wenn auch nur punktuell konzentriert – gemeinsamen Handeln der internationalen kommunistischen Bewegung ausgehen.

Initiativen, die sich die Wiederbelebung und Einheit der kommunistischen Bewegung zum Ziel gesetzt haben, werden nur dann in der Lage sein, stärkere Impulse in diese Richtung auszustrahlen, wenn sich der entscheidende Kern der an solchen Initiativen teilnehmenden und/oder sie tragenden Parteien, Formationen und Initiativen auf folgende Grundprinzipien verständigt haben, die keinerlei Raum für ideologische und politische Kompromisse liefern:

A)    Anerkennung der Grundpositionen des Marxismus-Leninismus (Leninsche Imperialismustheorie, Staatsauffassung, Revolutionstheorie, Parteitheorie etc.);

B)    Anerkennung der historischen Rolle der sozialistischen Länder, insbesondere der Sowjetunion sowie deren unverzichtbaren Erbes für die internationale kommunistische Bewegung. Dies schließt jegliche rechts- wie linksopportunistische Positionierung in dieser Frage aus;

C)    Anerkennung des Revisionismus als Vorraussetzung für die (anhaltende) Spaltung sowie Schwächung der internationalen kommunistischen Bewegung und den Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern, insbesondere der Sowjetunion.

Wollen die Kommunisten wieder in die Lage kommen, gerade auch angesichts der sich dramatisch entwickelnden „Neuen Weltordnung“, Initiativen im revolutionären Kampf zu ergreifen, dann sind die oben skizzierten Schritte zur Bolschewisierung der Bewegung unerlässlich . Nur auf dieser Basis wird es möglich sein, auf internationaler Ebene eine breite, demokratische, anti-imperialistische Front aufzubauen, die tatsächlich in der Lage ist, der eskalierenden Barbarei des Imperialismus eine internationale militante Friedensbewegung sowie Bewegung der Völker zur Befreiung entgegenzusetzen.

V. Die kommunistische Bewegung in Deutschland

Die deutschen Kommunisten sind in einer Sondersituation. Sie hatten bereits einen Teil Deutschlands, die spätere DDR, nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition über den Nazi-Faschismus den Klauen des deutschen Imperialismus entrissen und den ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden errichtet. Nach der konterrevolutionären Zerschlagung der DDR bedeutet es daher für die kommunistische Bewegung in der Bundesrepublik, eine „neue Legierung“ aus dem Erfahrungsschatz von Genossinnen und Genossen zu schmieden, die, sofern sie aus der DDR kommen, die Erfahrung der Machtausübung mitbringen oder, sofern sie aus der (alten) BRD stammen, Erfahrungen im Klassenkampf gegen eine der erfahrendsten imperialistischen Bourgeoisien gesammelt haben. Damit wird jedoch die Stellung zur DDR als größter Errungenschaft der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung zum „Prüfstein“ für jeden deutschen Kommunisten!

Es gibt in der BRD eine Reihe von Parteien und Organisationen mit kommunistischem Anspruch, Sie alle haben ihre eigene Tradition, ihren eigenen Erfahrungshorizont und somit auch derzeit ihre eigene „Existenzberechtigung“. Die kommunistische Bewegung in Deutschland leidet unter einer „doppelten Hypothek“: der Dominanz rechtsopportunistischer und revisionistischer Positionen sowie auch als Konsequenz hieraus der Zersplitterung und anhaltenden Schwäche, was bedeutet, dass es derzeit in Deutschland KEINE einheitliche, marxistisch-leninistische Kommunistische Partei gibt. Ihre Schaffung wird ohne Entlarvung und Zurückdrängung des Revisionismus nicht gelingen und ist daher ein längerfristiger Prozess, der nur erfolgreich sein kann, wenn sich die Marxisten-Leninisten mit oder ohne Parteibuch folgender Herausforderungen bewusst werden:

** Zur Einheit der Kommunisten

Die Einheit der kommunistischen Bewegung in Deutschland kann weder auf der Basis politisch-ideologischer Beliebigkeit geschehen, noch auf die Aktionseinheit im gemeinsamen praktischen Handeln beschränkt bleiben. Grundvoraussetzung für eine tatsächliche Einheit der Kommunisten, die als Ziel die Schaffung einer gemeinsamen Partei haben muss, ist die Klärung politisch-ideologischer Grundfragen der kommunistischen Bewegung, was einher gehen muss mit dem Ausscheiden revisionistischer Positionen (aktuell: jeglicher Form der „Neoliberalismus-Theorie“ oder der Anschauungen vom „kollektiven Imperialismus“). Die zum Teil heftig geführten Diskussionen – nicht nur in der DKP! – sind ein Beleg dafür. Wer z. B. die sich zuspitzenden Auseinandersetzungen in der DKP um Grundfragen  aufmerksam beobachtet, wird unschwer feststellen, dass es sich dabei um einen Spiegel für alle Grundprobleme der kommunistischen Bewegung in Deutschland handelt…

Das bedeutet jedoch zugleich, dass die Erkenntnis in die Notwendigkeit der Abwehr und schließlichen Überwindung des Revisionismus die Vorraussetzung – nicht nur in Deutschland (!) für die Einheit der Kommunisten ist, sondern auch für ihr „Überleben in organisierter Form“!

Zu einer Klärung politisch-ideologischer Grundfragen (ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis!) wird es jedoch nur kommen, wenn es den nicht organisierten oder in unterschiedlichen Formationen organisierten Marxisten-Leninisten gelingt, zu einer verstärkten und schließlich auch – in welcher Form auch immer – organisierten Zusammenarbeit zu kommen, auf deren Basis sie in der Lage sind, im koordinierten Eingreifen in die Klassenkämpfe neue, junge Mitstreiter, insbesondere aus der Arbeiterklasse, zu gewinnen

** Zum Aufbau einer demokratischen, anti-imperialistischen Volksfront als langfristiges strategisches Ziel

Die sich verschärfende Krise des imperialistischen Systems sowie die sich zuspitzende innere wie äußere Aggression des Imperialismus bieten neue Chancen, ausbrechenden Widerstand zu organisieren und zu politisieren, die Erkenntnis in den verbrecherischen Charakter des Imperialismus zu vertiefen. Mit anderen Worten: alle bisher existierenden und sich entwickelnden demokratischen Bewegungen und Kämpfe der Arbeiterklasse müssen auf ein wesentlich höheres politisches und organisatorisches Niveau gehoben werden, um sie überhaupt erst für eine Option der strategischen Politisierung öffnen zu können.

Für die deutschen Kommunisten sind dabei der BRD-Imperialismus, die eigene imperialistische Bourgeoisie und deren politische Helfershelfer, der Hauptfeind, gegen den sich alle Kämpfe richten müssen. Die Aufgabe der Kommunisten ist dabei vor allem auch die Bündelung möglichst breiter demokratischer, anti-imperialistischer Kräfte und ihrer Widerstandskämpfe in einer langfristig und strategisch anzustrebenden demokratischen, anti-imperialistischen Volksfront als Vorraussetzung zur Schaffung der Bedingungen für eine sozialistische Revolution. Der Arbeiterklasse und ihrer politischen Avantgarde, der Kommunistischen Partei, kommt dabei eine Vorreiterrolle zu. 

Die Einheit der Kommunisten auf marxistisch-leninistischer Basis und der Aufbau einer demokratischen, anti-imperialistischen Volksfront bedingen einander. Anders und zugespitzt formuliert: die Bolschewisierung der kommunistischen Bewegung ist der einzige Weg für die Kommunisten, wieder Einfluss in den Klassenauseinandersetzungen, insbesondere in der Arbeiterklasse, zu gewinnen und eine Vorreiterrolle beim Aufbau einer demokratischen, anti-imperialistischen Volksfront zu spielen, mehr noch, überhaupt erst das Bewusstsein in die Notwendigkeit einer solchen breiten Front des Volkes gegen den eigenen Imperialismus zu schaffen!                                                                                                         Michael Opperskalski, Köln

* bis auf eine leicht veränderte Vorbemerkung und einen anderen Titel handelt es sich bei diesen Thesen um den schriftlich eingereichten Beitrag des Autors zur wissenschaftlich-theoretischen Konferenz der Prager Distriktorganisation der „Kommunistischen Partei Böhmen und Mährens“ im März 2003, Titel: „Über Theorie und Praxis des Sozialismus“

Mythos Globalisierung

Stefan Eggerdinger: Mythos Globalisierung; Teil I

(Erschienen in „Streitbarer Materialismus“ Nr. 25, Mai 2003. Wir danken herzlich für die Erlaubnis, den Text hier nachdrucken zu dürfen. Bei uns erscheint die Arbeit von Stefan Eggerdinger in zwei Teilen, der zweite Teil folgt im nächsten Heft. Red. Offensiv)

Vor gut 10 Jahren ist ein neues Phänomen aufgetreten. Es bedroht die Arbeiter wie die Völker der Welt. Es kommt über sie wie ein blind­wütiges Schicksal oder die ägyptischen Plagen. Es zwingt zu radikalem Umdenken. Die alten Parolen der Arbeiterbewegung gelten nicht mehr, die alten Kampfformen müssen versagen. Ausgedient hat die Vorstellung, die Gesellschaft sei in Klassen gespalten, man muß die Reihen neu sortieren. Nicht die Ausbeutung von Arbeitern sei zu überwinden, sondern der unsachgemäße Umgang mit dem finanziellen Ergebnis solcher Tätigkeit. So geht die Rede.

Wir sprechen natürlich von der „Globalisierung“. Was ist das?

Eine Erkundigung an kompetenter Stelle: „Auf die Frage: Wie nagele ich einen Pudding an die Wand? oder Was meint Globalisierung? sei hier zunächst mit einer ironisch-bösen Metapher geantwortet: Die Konzerne spielen das national-staatliche Sandkastenspiel mit Schippe und Backe-backe-Kuchen (die man sich regelmäßig und regelmäßig um die Ohren wirft) nicht mehr mit. Sie haben einen Bagger geschenkt bekommen und räumen nun den ganzen Sandkasten ab. Staat und Gewerkschaften dagegen sind sitzengeblieben, machen Bääähh und rufen nach der Mami.

‚Globalisierung‘ meint nicht nur, wie meist unterstellt wird, einen graduellen Zuwachs an Interdependenzen und Verflechtungen zwischen nationalen Wirtschafts- und Gesellschaftsblöcken, die durch Indikatoren wie Welthandel, Kapitalismus, Arbeitsmigration belegt oder widerlegt werden können, sondern ein neues Machtspiel zwischen territorial gebundenen und territorial entbundenen Akteuren."[9]

Mythos Globalisierung

Das ist zwar weder ironisch noch böse, sondern schlicht infantil, aber vielleicht muß man ja als Kanzlerberater so argumentieren, um von der Kundschaft verstanden zu werden. Was uns der Berater sagen will ist, was man inzwischen in Hunderten von Artikeln, Büchern, Redemanuskripten nachlesen kann:

In den letzten 10-15 Jahren ist der Kapitalismus in einen neuen Frühling aufgebrochen. Der Sozialismus hat verloren, der Kapitalismus hat gesiegt, und er hat diesen Sieg benutzt, ein neues „Regime“ aufzu­richten, dem mit den alten Klassenkampfmitteln nicht mehr beizukommen sei. (Ist es Zufall, daß sich der Begriff „Globalisierung“ zeitgleich mit dem Zusammenbruch der ehemals sozialistischen Staaten in Osteuropa und der Sowjetunion durchsetzt, vor allem aber zeitgleich mit dem Einläuten einer neuen Runde im Kampf um die imperialistische Neuaufteilung der Welt, am schärfsten markiert durch die Annexion der DDR durch den deutschen Imperialismus?)

Wie man uns berichtet, sind wesentliche Bestandteile dieses neuen Regimes:

Die Wirtschaftsverflechtung der Welt ist so groß wie nie, Produktions- wie Verwertungsprozesse werden weltweit geplant und abgewickelt. „Die Globalisierung in Form einer starken Zunahme des Austausches von Waren, Investitionsströmen und Finanzkapital beeinflußt mittlerweile beinahe alle Politikfelder und hat vielfach zu Polarisierung und Differenzierung beigetragen.“[10]

Das Kapital ist „national entbettet“. (Es läßt sich nicht vermeiden, des Zitierens halber ab und an jenen Jargon zu verwenden, der in den Kreisen der „Globalisierungstheoretiker“ gerade im Schwange ist. Er kommt vor allem dadurch zustande, daß man einfach englische Wörter – in diesem Falle „to disembed“ – 1:1 ins Deutsche überträgt. Man weiß zwar auch nicht mehr, als seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts hinlänglich bekannt ist, nämlich daß der Imperialismus ökonomisch den Nationalstaat sprengt. Wenn man das jetzt „Entbetten“ nennt, entsteht doch ­tatsächlich der Eindruck, man habe nachgedacht und etwas Neues entdeckt. Aber wir greifen vor.) Diesem „globalen Akteur“ gegenüber ist auch die Konkurrenz unter den Verkäufern der Arbeitskraft weltweit geworden.

Unser Gegner hat eine neue Gestalt angenommen. Nicht mehr die materielle Produktion in ihrer kapitalistischen Form, nicht mehr die Verwertung von Wert durch Mehrwertauspressung und Diebstahl an fremder Arbeitszeit regeln Leben und Pulsschlag des Planeten, sondern: das Geld. Die wirkliche Bedrohung für die Menschheit geht vom Leihkapital aus, das ganze Volkswirtschaften hochputschen oder vernichten kann.

Daneben und dadurch sind gewaltige Konzernmächte entstanden, die „Transnationalen Konzerne“, die eine ganz neue, bislang ungekannte Marktmacht auf sich vereinigen und Völkern wie Regierungen diktieren.

Daß es sich hier nicht um eine reine Debatte unter Ökonomen handelt, sieht man daran, daß, gegründet auf diese „Feststellungen“, sich ein Überbau an politischen, ideologischen und agitatorischen „Schluß­folgerungen“ gebildet hat, der z.B. bis in die tagtäglichen gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen hineinwirkt. Einige Schlaglichter auf ­dieses ideologische Nähkästchen:

Es gibt, sagt man uns, gute und böse Kapitalisten. Die bösen sind die mit dem Leihkapital, dem zinstragenden Kapital, die Spekulanten und Wucherer. Daß sich dabei z.T. antisemitische Denkmuster einschleichen, wird hier nicht näher untersucht, verwundert aber nicht. Was reproduziert wird, ist letztlich nichts anderes als die faschistische Vorstellung von „raffendem und schaffendem Kapital“.

Aus der Behauptung vom „Wettbewerb ganzer Volkswirtschaften“, in dem es auch für die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung darum gehe, sich anzupassen oder unterzugehen (wie es der ehemalige DGB-­Vorsitzende Schulte formulierte), wird ein Standortnationalismus hergeleitet, für den die Konservativen die Meinungsführerschaft keineswegs gepachtet haben. Ein sozialdemokratischer „Theoretiker“: „Wenn wir uns dem weltwirtschaftlichen Wettbewerb nicht entziehen können, dann müssen wir auch dafür sorgen, daß die am Standort Deutschland tätigen Unternehmen in diesem Wettbewerb mithalten können. ­An­dernfalls wären die Folgen rapide Arbeitsplatzverluste und Verarmung.“[11] Also: „Es gilt nicht, der Globalisierung zu entkommen, sondern sie politisch zu gestalten.“ [12]

Schon daraus wird deutlich, daß es in der Globalisierung keine Klassen mehr geben soll. Die Rede ist von „Globaler Schicksalsgemeinschaft“, von „Globalisierung des Risikos“, vom „Verschwinden des Unterschieds von Arm und Reich“ in den Zentren der „Globalisierung“ [13].

Mit all dem, mit der Vorherrschaft des zinstragenden Kapitals und der Dienstleistungen, verliere – und das ist wohl die verlogenste und mörderischste Schlußfolgerung – die Arbeiterklasse ihre gesellschaftliche Bedeutung als revolutionäre Klasse. Und überhaupt, soweit sie als gesellschaftliches Subjekt überhaupt noch in Frage komme, könne sie natürlich auf dem Boden des Nationalstaats rein gar nichts mehr ausrichten.

Reale Erscheinungen, auf die sich diese Behauptungen und Schluß­folgerungen stützen, sind der Geschichte der Arbeiterbewegung nicht unbekannt. So brachte auch die relative Stabilisierung des Kapitalismus nicht nur technische Weiterentwicklungen mit sich, sondern auch eine Welle der Konzentration und Zentralisation des Kapitals. „Wir erleben jetzt eine Epoche nicht nur des Entstehens und der schnellen Entwicklung gewaltiger Unternehmerorganisationen innerhalb der kapitalistischen Länder, wir durchleben eine Periode der Schaffung von Riesentrusts von internationalem Charakter.“[14]  Es wäre den Kommunisten aber nicht in den Sinn gekommen, daraus etwa ein neues Stadium des Imperialismus abzuleiten. Sie stellten vielmehr fest, genau daraus er­wachse „die tiefste und schärfste Krise des Weltkapitalismus, die mit neuen Kriegen schwanger geht und das Bestehen jeder wie immer gearteten Stabilisierung bedroht“.[15] 

Wir verfügen nicht über den Apparat, den die internationale Arbeiterbewegung 1928 zur Verfügung hatte. Zumindest hierzulande haben wir keine Institute der Politischen Ökonomie, die der Arbeiterbewegung verpflichtet oder unter dem Kommando der Arbeiterbewegung die Bewegungen der kapitalistischen Ökonomie verfolgen. Was dieser Aufsatz vorhat, ist Material zu liefern, das zeigt:

daß es sich bei dem, was weltweit „Globalisierung“ genannt wird, eben nicht um einen dauerhaften stabilen Aufschwung des späten Kapitalismus handelt;

daß darin vielmehr, und wahrscheinlich noch wesentlich deutlicher als in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, sich seine Krankheit zum Tode widerspiegelt;

daß da Fäulnis statt gesellschaftliche Entwicklung herrscht;

daß der Kapitalismus selbst die Menschheit an die Möglichkeit wirklicher Globalisierung herangeführt hat, die bestehen wird in der Herstellung einer einheitlichen Weltökonomie durch die Befreiung von Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, in tatsächlicher internationaler Arbeitsteilung, in der Herstellung mehr und mehr gleicher Lebens- und Arbeitsbedingungen auf dem ganzen Globus auf der Basis weitgehend freier Wahl der Menschen, wo sie leben und arbeiten.

„Der Kapitalismus ist zu einem Weltsystem kolonialer Unterdrückung und finanzieller Erdrosselung der übergroßen Mehrheit der Bevöl­kerung der Erde durch eine Handvoll ‚fortgeschrittener‘ Länder geworden.“[16] Es soll sich viel getan haben in der Welt des Kapitalismus, seit Lenin 1916 diese Sätze schrieb. Neue Mächte sind angeblich aufgestiegen. „Kleine Tiger“ sind entstanden. Wir sehen aus Staatssozialismus und Planwirtschaft wachgeküßte Dornröschen. Wir sehen „Schwellenländer“ sich entwickeln. Aber als sich am Ende des 20. Jahrhunderts sowohl der britische „Economist“ als auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland“ die Mühe machten, nach den wahren Herren der Welt zu sehen, da stellten sie fest: Es waren am Ende des 20. Jahrhunderts die gleichen großen Mächte wie am Anfang. Die 200 größten Konzerne der Welt sitzen heute noch in den gleichen Staaten, in denen am Anfang des vorigen Jahrhunderts die 200 größten Konzerne saßen, nämlich in jenen Staaten, die damals ihren Aufstieg zur Weltmacht als Kolonialmächte oder im Kampf um Kolonien finanzierten.[17]

Wir werden versuchen, zumindest Argumente dafür zu liefern, daß nichts von den zentralen Losungen der internationalen Arbeiterbewegung gestrichen oder revidiert werden muß. Nicht die Feststellung, daß der Hauptfeind im eigenen Land steht; und nicht die Feststellung, daß nur die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln unter der Diktatur der Arbeiter wirklichen historischen Fortschritt bringen kann.

Wir sind uns bewußt, daß wir zur Stunde noch ganz Wesentliches nicht leisten können. Das wäre vor allem der Nachweis, wie die wirtschaftliche wie politisch-militärische Expansion vor allem des deutschen Imperialismus nach Osteuropa ganz konkret die Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten, also Nationalstaaten, eben gerade nicht abgestumpft, sondern zugespitzt hat. Wie – und darum ginge es in Fortführung der im „Streitbaren Materialismus“ Nr. 24 begonnenen Arbeit[18] – sowohl die Annexion der DDR als auch die damit begonnene Expansion nach Osteuropa an Grenzen stößt, die wiederum weitere Expansion und weitere Annexionen vorantreiben, bis sich, wenn die Völker der Welt dem nicht Einhalt gebieten, die Feststellung Brechts wieder bewahrheitet: „Die Kapitalisten wollen keinen Krieg. Sie müssen ihn wollen.“ Aber wir hoffen, unseren Lesern in der nächsten Nummer der Zeitschrift dazu Ergebnisse vorlegen zu können.

„Globalisierung“ und „freier Handel“

Die Sozialdemokratie erstarrt in Bewunderung angesichts der Leistungen des späten Kapitalismus. In den letzten 20 Jahren habe sich die Produktion „weltweit verdreifacht, der Handel versechsfacht, die Direktinvestitionen verzehnfacht, die Umsätze auf Devisenmärkten sind auf unglaubliche 1,2 Billionen US Dollar pro Tag hochgeschnellt.“ [19]

Auf die Sphäre der Direktinvestitionen, also des Kapitalexports werden wir noch zu sprechen kommen. Die Herstellung des Weltmarkts jedenfalls ist kein Werk des Imperialismus, schon gar nicht irgendeiner neuen „Globalisierung“. Sie ist so alt wie der Kapitalismus selbst, dessen ei­gent­licher Beruf sie ist. „Die Tendenz, den Weltmarkt zu schaffen, ist unmittelbar im Begriff des Kapitals selbst gegeben“, schreibt Marx in den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie, und im dritten Band des Kapitals: „ ... der Weltmarkt (bildet) ... überhaupt die Basis und die Lebensatmosphäre der kapitalistischen Produktionsweise.“

Selbstverständlich ist der internationale Warenhandel in den letzten Jahrzehnten angewachsen. Das oben angeführte Zitat aus einem Papier der SPD-Bundestagsfraktion legt jedoch, wie viele Publikationen zum Thema „Globalisierung und Handel“, nahe, das Wachstum des Welthandels habe sich in einem solchen Ausmaß vom Wachstum der Weltproduktion abgekoppelt, daß man von einer qualitativ neuen Vernetzung der kapitalistischen Ökonomie weltweit sprechen müsse.

Vergessen wir nicht: es geht uns hier stets um den Verfolg der Frage, ob der Kapitalismus auf dem Totenbett noch in der Lage ist, qualitativ Neues hervorzubringen. Und da nützt es nichts, statistische Zahlen über die Werte international gehandelter Güter zusammenzuschreiben. Woraus, aus welchem wirklichen Reichtum besteht denn dieser Welthandel?

Warenhandel heißt, ebenso wie internationaler Warenhandel, Übergang von Waren von einer Hand in die andere, heißt Besitzwechsel. Für einen Großteil des von der Statistik erfaßten Welthandels trifft dies nicht zu. Ein Drittel (neuere Zahlen 50%) des Welthandels sind konzerninterne Güterströme.[20] Im Jahr 1994 betrug der Handel zwischen den USA und Japan z.B. gut 170 Milliarden Dollar. Davon entfielen auf den Intrafirm-Handel, also Handel zwischen japanischen Muttergesellschaften und ihren Töchtern in den USA sowie umgekehrt gut 130 Milliarden Dollar.[21] Seite 115.| In diesem Handel findet also kein wirklicher Besitzerwechsel statt, die Produkte treten gar nicht in die Zirkulationssphäre ein, werden aber von der Statistik als Welthandel erfaßt.

Dazu kommt der intra-industrielle Handel. Damit ist gemeint: der Austausch gleichartiger Produkte zwischen unterschiedlichen Produzenten bzw. Besitzern. Zum Beispiel: der gleichzeitige Export von Mittelklassewagen von Frankreich nach Japan, von ebensolchen Wagen von Japan nach Deutschland, von Deutschland in die USA etc. etc. Hier findet tatsächlich Besitzerwechsel statt. Der deutet aber, was den wirklichen Reichtum der Gesellschaften angeht, eben nicht auf irgendeine fort­ge­schrittene internationale Arbeitsteilung hin. Das ist dem Privat­eigentum an den Produktionsmitteln geschuldete Verschwendung ge­sell­schaft­lichen Reichtums in Form von Schiffsraum, Flugzeugen, Transportarbeit. Vom Standpunkt künftiger Gesellschaft her schlicht ein unsäglicher Unfug, der aber unter kapitalistischen Bedingungen die Weltmarktstatistiken aufbläht. (Bekannt ist die Berechnung, wonach ein durchschnittlicher Becher Joghurt in all seinen Bestandteilen 6 000 LKW-Kilometer auf dem Buckel hat, bevor er beim Endverbraucher anlangt.) Dieser Unfug ist keine vernachlässigenswerte Größe: „Über 60 vH des Außenhandels der größeren EU-Staaten ist heute intra-industrieller Handel.“[22]

Neu ist das alles freilich nicht, und es ist auch leicht erklärbar. Es ist die Konzentration und die Zentralisation des Kapitals selbst, die zur Massenproduktion führen und damit zur Notwendigkeit von Massenabsatz, der in den eigenen Ländergrenzen gar nicht erreichbar ist. So wird der Weltmarkt zum Kampfplatz einiger weniger großer Monopole, die mit im Grunde den selben Produkten konkurrieren. Noch jede längere Zeitspanne des Imperialismus ohne Weltkrieg, also sowohl die Zeit vor 1913 als auch die nach 1945 hat deshalb die Erscheinung hervorgebracht, daß der Warenhandel schneller stieg als die Produktion.[23]

Ein selten beachteter Grund für die Ausdehnung des Welthandels in den 90er Jahren ist die  Zerschlagung von Staaten, vor allem in Ost- und Südosteuropa und auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Der Handel zwischen der tschechischen und der slowakischen Republik, zwischen Kroatien und Serbien, zwischen der Ukraine und Weißrußland usw. usf., all das geht jetzt seit gut 10 Jahren in die Welt­marktstatistik ein. Das macht Güterströme zu Welthandel, die bis 1989/90 ­im Rahmen einer staatlichen Einheit liefen und deswegen von der Welthandelsstatistik gar nicht erfaßt wurden. Solche Ausdehnung des Welthandels ist selbstverständlich kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt. Vorher vergesellschaftet arbeitsteilig produzierte Güter werden nun als Waren in das Korsett kapitalistischen Ex- und Imports gezwängt – soweit nicht die Unfähigkeit des Kapitalismus, seine Ökonomie funktionierend auf dem ehemaligen Gebiet seines Todfeinds einzuführen die ganze Sache noch weiter zurückwirft, nämlich auf die Ebene des Naturaltauschs und des Barterhandels, also der Kom­pen­sations­geschäfte.

Wenn der größte Importposten eines hochentwickelten Landes wie Frankreich aus den abhängigen Ländern Bananen sind[24], so wirft das ein Schlaglicht auf eine Welt des Imperialismus, in der die Exporte Afrikas noch immer zu über 50 Prozent aus Agrargütern und Erdöl bestehen.[25] Aber was viel wichtiger ist gegen die apologetische Behauptung von einer zunehmenden Vernetzung der Welt durch die kapitalistische Warenwirtschaft: die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas werden zunehmend abgekoppelt vom Weltmarkt. Ihr Anteil am Welthandel liegt heute unter dem von 1913 und ist in den letzten Jahrzehnten nicht gestiegen, sondern gesunken. Zwischen 1950 und 1990 sank der Anteil Afrikas am Weltexport von 5,2% auf 1,9%, der Lateinamerikas von 12,4% auf 3,9%.[26]Wien 1994, Seite 153.| „Und im Laufe eines halben Jahrhunderts hat sich der Anteil der über vierzig ärmsten und strukturschwachen Entwicklungsländer von 3,2 Prozent 1950 auf 0,5 Prozent 2000 marginalisiert.“ [27]

Ein globaler, also weltumspannender Handel findet de facto nicht statt. „Gerade fünfzehn Prozent des Welthandels wurden 1998 wirklich ‚global‘, das heißt zwischen den Kontinenten Europa, Nordamerika und dem japanisch-pazifischen Raum getätigt. ... 75 Prozent des Welthandels finden unter 25 Prozent der Menschheit statt.“ [28] Der Großteil des Handels bleibt regional, Tendenz zunehmend. Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hat der Anteil des intraregionalen Exports am Weltexport (also der Anteil des Exports, der innerhalb einer bestimmten Weltgegend wie der „Nordamerikanischen Freihandelszone“ oder der EU bleibt) von 40,2% auf 55,1% zugenommen. „Die Europäische Union wickelt 70 Prozent ihrer Exporte (das entspricht 30 Prozent des Welthandels) intraregional, also innerhalb des europäischen Binnenmarktes ab...“.[29] Was die BRD angeht, so gingen 1996 64,4% des Exports nach Westeuropa, 7,7% in die USA, nach Mittel- und Osteuropa 8,9%, nach Japan 2,7%, in sogenannte Entwicklungsländer 7,5%.[30] Und dabei ist die BRD neben Italien noch das EU-Mitglied, das am meisten von seinen Exporten nach außerhalb der EU schickt. Bei allen anderen EU-Staaten ist der Anteil des Inner-EU-Handels noch wesentlich höher.[31]

Haben sich aber wenigstens die entwickelten kapitalistischen Länder stärker im Weltmarkt verflochten? Wenig spricht dafür, im Gegenteil. Auch in den hochentwickelten Industriestaaten lag Anfang der 90er Jahre der Anteil Export am BIP (Bruttoinlandsprodukt) unter dem Stand von 1913.[32] Nimmt man nicht nur den Exportanteil, sondern den durchschnittlichen Anteil von Exporten und Importen am BIP, so zeigt sich zwar eine Zunahme, mit Sicherheit aber keine, die von einer neuen Qualität kündete (zumal das Schlußjahr der Betrachtung ein Jahr ausgesprochener  Hochkonjunktur war). Die Zahlen lauten für drei we­sentliche imperialistische Länder, nämlich die USA, das Vereinigte Königreich und Deutschland[33]:

Land/Jahr                     1913          1950          1970          1987          1998

USA                              3,9              2,9             4,4              7,4              11,9

UK                                27,7           13,1           16,6           21,1           27,4

Deutschland                 19,9           9,8             17,4           23,3           28,3

Dabei dürfte bei Großbritannien vor allem der Import für die Höhe des Anteils verantwortlich sein, bei der BRD der Export. Aber wie auch immer, eine Begründung für eine qualitativ gestiegene Verflochtenheit im Weltmarkt läßt sich daraus nicht lesen. (Wohl aber natürlich eine starke Ungleichzeitigkeit der Entwicklung und der im Vergleich zu den USA starke Anteil des Außenhandels am BSP, den der deutsche Imperialismus verzeichnet – aber das ist selbstredend keine neue Erscheinung etwa der letzten 10 Jahre.)

Die Entwicklung des Welthandels der letzten Jahrzehnte widerlegt jedes Gerede von einem „Zusammenwachsen im globalen Dorf“. Stellte das Kommunistische Manifest 1848 fest: „Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Umsatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall an­bauen, überall Verbindungen herstellen“ – so gilt das für die Monopolbourgeoisie heute durchaus, soweit sie als Militär und Räuber auftritt. Als Händler verrät sie ihren historischen Beruf der Herstellung des Weltmarkts. Sie zerschlägt ihn, regionalisiert ihn, schneidet den Großteil der Welt davon ab. Daß es dabei die heftigsten Kräfteverschiebungen gibt, liegt in der Natur der Sache. Der Anteil der USA am Welthandel sank von 27% 1947 über 16% 1960 auf 11% Ende der 80er Jahre. 1960 war der US-Anteil so groß wie der der BRD, Frankreichs und Italiens zusammen. Ende der 80er Jahre war der BRD-Anteil am Welthandel allein so hoch wie der der USA.[34] Und da ist dann auch Schluß mit dem Geschwätz von Freiheit und Liberalismus. Der jüngste Stahlkrieg USA-Europa war kein Ausrutscher. Wir sehen eine Zunahme des Protektionismus. 2000 verhängten die USA gegen Nippon Steel 95% Strafzoll. Andere japanische Exporteure wurden mit 32% Strafzöllen belegt.[35] In den USA ist mit dem angeblichen Fortschreiten der Globalisierung (zwischen 1980 und 1999) die Zahl der Strafzollverfahren keineswegs gesunken, sondern im Gegenteil gestiegen.[36] Schon in den 80er Jahren hatte die OECD festgestellt, daß Ende der 80er Jahre nur in vieren ihrer 24 Mitgliedsländer (Australien, Neuseeland, Japan und Türkei) der Handel „liberaler“ war als zu Beginn der 80er Jahre.[37]

Wird fortgesetzt; d.Red.                                                                                   Stefan Eggerdinger, Köln

Zur Funktion des „17. Juni“ in der BRD

Horst Schneider: „...der Erinnerung kann man nicht befehlen, man kann sie nicht her- und wegzaubern.“[38]

Das „Neue Deutschland“ veröffentlichte am 3./4. Mai 2003 „Fakten und Deutungsversuche, aufgeschrieben von der Historischen Kommission der PDS“ zum Thema „Der Arbeiteraufstand – was geschah am 17. Juni 1953?“

Bei Geschichtsbetrachtungen wird selten um Fakten gestritten – in unserem Fall Streiks, Demonstrationen, Ausnahmezustand, der Einsatz von Polizisten und Panzern – sondern fast immer über „Deutungsversuche“. Das betrifft nicht nur den 17. Juni 1953, sondern auch den 9. November 1918, den 30. Januar 1933, den 8. Mai 1945, den 13. August 1961: Je nach Klassenlage, politischem Interesse und Standort des Betrachters gibt es unterschiedliche, häufig diametral entgegengesetzte Wertungen. Das ist nicht neu und ungewöhnlich, auch nicht, dass die „Sieger“, die Herrschenden das Geschichtsbild bestimmen. In diesem Beitrag werden lediglich einige Fragen aufgeworfen, die im Text der Geschichtskommission der PDS nicht gestellt und nicht oder kaum beantwortet werden, obwohl Sozialisten sie nicht übersehen dürfen. Im „Neuen Deutschland“ war über den 17. Juni 1953 zu lesen: „Kein Ereignis der 40jährigen Geschichte der DDR scheint von solch großem öffentlichen Interesse in der Bundesrepublik Deutschland zu sein wie eben dieses.“

„Hier stutz ich schon.“ Warum ist das so? Sind Streiks, Demonstrationen, Zusammenstöße von Bürgern mit der Staatsmacht etwas so ungewöhnliches in der deutschen (erst recht in der internationalen) Geschichte? Für wen ist was so ungewöhnlich, dass er ein ungemein starkes Interesse braucht und erzeugt? Wie wird das „öffentliche Interesse“ hergestellt?

Erinnern wir an einen Fakt, der wiederum zu Fragen zwingt: Von 1954 bis 1990 war der 17. Juni staatlicher Feiertag – in der BRD. Mit Reden im Bundestag, Feiern und Gedenkstunden und riesiger Medienbegleitung wurde eines Ereignisses gedacht, das im Gedächtnis damals lebender DDR-Bürger seinen Platz hatte, aber keinesfalls ein Grund zum „Feiern“ war, auch bei den meisten derjenigen nicht, die damals protestiert und gestreikt hatten und an ihre „Fehler“ nicht mehr erinnert werden wollen.[39] Das Ereignis, dessen Bonn gedachte[40] lag in einem anderen Staat, dessen Souveränität zu achten war, durch die BRD spätestens seit dem Grundlagenvertrag 1972 und der gleichzeitigen Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO. Es galt das Verbot der Einmischung in innere Angelegenheiten. Wie war das jahrzehntelang möglich? Warum organisierte die BRD „staatlich verordnete“ Gedenkfeiern am 17. Juni, die zu Ritualen mutierten? Dietmar Schiller informiert uns über das „Verhältnis von öffentlicher Erinnerung und politischer Kultur“: „Die wichtigsten politischen Funktionen, die nationale Feier- und Gedenktage erfüllen sollen, sind Staatsintegration, Identifikation mit dem politischen System, Konsensstiftung, Erschaffung von Massenloyalität und Stabilitätssicherung.“ Die Frage ist also: Wie konnten die Feiern im Bundestag und das sie begleitende Medienecho die genannten „Funktionen“ erfüllen helfen? Versuchen wir, die Frage zu beantworten, wobei wir uns von Alexander Gallus helfen lassen.[41]

Das Gesetz, das den 17. Juni zum „Nationalfeiertag des deutschen Volkes“ erhob, war vor allem ein Kind der SPD und Willy Brandts und trat bereits am 4. August 1953 in Kraft. (Inzwischen wissen wir, wie lange die Korrektur manchen Gesetzes erfordert.) Damit waren andere Vorschläge vom Tisch, z.B. den 23. Mai 1949 als Verfassungstag zu würdigen (Annemarie Renger) oder an den 18. März 1848 zu erinnern (Heinrich Albertz). Allerdings bestand die „Gefahr“, dass der 17. Juni von vielen, nicht zuletzt in Berlin, als zusätzlicher Feiertag genutzt würde.

In den Jahren von 1954 bis 1967/8 waren die Reden am 17. Juni im Bundestag jeweils vor allem Ausdruck und Instrument des Kalten Krieges. Sie folgten der roll-back-Konzeption, in der für die DDR keine Zukunft vorgesehen war.[42]

Ende der 50er Jahre waren vor allem Intellektuelle, darunter mehrere Historiker, Festredner, Franz Böhm 1954, der erzkonservative Historiker Gerhard Ritter 1955, Bundestagspräsident Eugen Gerstenmeier 1956, der Philosoph Theodor Litt 1957, der Christsoziale Hans Seidel 1958, der Historiker Werner Conze 1959, Ulrich Mann 1960, der Rechtsaußen Helmut Thielecke 1962, der Staatsrechtler Hans Peters 1963, der Historiker Theodor Schieder 1964, sein Historikerkollege Karl Erdmann folgte 1965.

Obgleich es in jeder Rede Nuancen gab, darf wohl ein Satz Schieders als roter Faden der Reden der ersten zehn Jahre nach dem 17. Juni 1953 gewesen sein: „Es muss dabei bleiben: Die deutsche Teilung hat keine Wahrheit in der deutschen Geschichte und in der Geschichte Europas, sie ist eine von außen aufgelegte Last. Sie darf sich daher auch keine Wahrheit durch Gewohnheit, Nachlässigkeit, durch Anpassung an äußeren Zwang oder durch Resignation erborgen.“[43]Die Sache war also einfach: Die Existenz der DDR widersprach der „historischen Wahrheit“. Das wussten damals einige DDR-Bürger noch nicht.

Als Theodor Schieder die Rede hielt, war die Losung Brandts und Bahrs vom „Wandel durch Annäherung“ (1963) schon in die Welt gesetzt und beeinflusste in einem widerspruchsvollen Prozess auch die Politik. Nach der großen Koalition entstand die Brandt-Regierung, die den Kurs auf Entspannung steuerte, auch gegenüber der DDR. Eine friedliche Koexistenz zwischen beiden deutschen Staaten trat auf die Tagesordnung der Geschichte. Natürlich wirkte sich die neue „Wahrheit“ auch auf die Reden am 17. Juni aus. Schon am 17. Juni 1969 trat Walter Scheel dafür ein, den „staatlichen“ oder „quasi-staatlichen“ Charakter“ der DDR anzuerkennen.[44]

Das Ritual zum 17. Juni lockerte sich, z.B. fand 1973 keine Gedenkveranstaltung statt. 1974 konnten sich Regierung und Opposition nicht über die Gestaltung einigen, und auch in den Folgejahren fielen die Reden aus unterschiedlichen Gründen wiederholt aus. Der Streit, ob und wie die Gedenkveranstaltungen weitergeführt werden sollten, spitzte sich zu. Das spiegelte sich auch in den gehaltenen Reden wider, so denen von Wolfgang Mischnik 1975 und Helmut Schmidt 1977. Schmidt resümierte, dass das Pathos der früheren Reden bei Jüngeren eher zu Gleichgültigkeit geführt habe.[45]

In den 80er Jahren kam es zu einer Art Renaissance der Feiern zum 17. Juni. Einer der Gründe war, dass die Kohl-Regierung die Erinnerung an den 17. Juni als „staatlich verordnete“ Rechtfertigung für ihre Politik brauchte, als offiziell die von Brandt vorgezeigte Politik gegenüber der DDR fortgesetzt wurde. Redner in den 80er Jahren waren unter anderem: Johann Baptist Gradl, der sich als „Zeitzeuge“ drapierte, 1981 (das BRD-Fernsehen verweigerte die Übertragung der Rede), der ehemalige Hamburger Bürgermeister Herbert Weichmann 1982, Der Ex-Bundespräsident Karl Carstens 1983, Gerhard Schröder 1984, Georg Leber 1985, Walter Scheel (ein zweites Mal) 1986, der aus Deutschland emigrierte US-Historiker Fritz Stern 1987, der Jurist Roman Herzog 1988.

Die Rede Erhard Epplers am 17. Juni 1989 hätte in der DDR alle Alarmglocken schrillen lassen müssen. Eppler forderte dazu auf, darüber nachzudenken, „was in Deutschland geschehen soll, wenn der Eiserne Vorhang rascher als erwartet durchrostet.“[46]Der Redner fand starken Beifall in der CDU, Rechtsaußen Alfred Dregger und Wolfgang Bötsch von der CSU gratulierten Eppler persönlich.

Den Schlusspunkt der Bundestagsreden zum 17. Juni setzte1990 Manfred Stolpe. Er betrachtete sich selbst offenbar als die Personifizierung der „Opposition“ in der DDR und sah den Herbst 1989 in der Kontinuität des 17. Juni und als seine siegreiche Krönung.[47] Die Sichtweise Stolpes ist ein Grundzug der Wertungen des 17. Juni, weil sie in das Totalitarismus-Schema passt: die gute BRD hat gegen die böse DDR gekämpft und gesiegt. Jetzt ist dafür zu sorgen, dass das Böse nie wiederkommt.

„Die deutsche Geschichte geht weiter“ war der Titel eines Buches, das Richard von Weizsäcker 1983 herausgab. Eine beherrschende „Deutung“ des „Volksaufstands“, der „abgebrochenen Revolution“ (bürgerliche Politiker und Publizisten können sich an Revolutionen und Aufständen entzücken – wenn sie nicht im eigenen Lande stattfinden)besteht in diesen Tagen darin zu behaupten: Der „Aufstand“ von 1953 habe seine „Krönung“ in der „Wiedervereinigung“ 1989 gefunden – de facto in der Expansion des deutschen Imperialismus nach Osten und der Okkupation des Territoriums der DDR. (Für die Kapitalexpansion gibt es keine „Ostgrenze“.)

Das „historische“ Schema lautet: 1953 wie1989 habe sich das „Volk“ der DDR zur „Freiheit“ (für den Kapitalismus) bekannt und die „totalitäre SED-Diktatur“ bekämpft und schließlich überwunden. Das Totalitarismus-Schema scheint durch Fakten „bewiesen“. Im Papier der Historischen Kommission liest sich das so: „Wenn der 17. Juni ein Votum für die Bundesrepublik war, dann nicht für die dort Regierenden, sondern für eine programmatisch auf den Sozialismus orientierte Partei, deren Vorsitzender Erich Ollenhauer sich denn auch gegen die Rückgabe des Großgrundbesitzes sowie der Schlüsselindustrien an die früheren Besitzer aussprach.“ Siehe da: Der 17. Juni war ein Votum, und die SPD war auch im Spiel. Aber wie? Mit einer Bemerkung Erich Ollenhauers. Könnte sie nicht eine bestimmte Funktion erfüllt haben? Wäre nicht zu prüfen: Warum haben SPD-Politiker in der BRD ihre Forderungen des Prager Manifests von 1934 und des Programms von Hannover 1945 nicht durchgesetzt? Warum haben sie denn (nicht nur) mit Hilfe des Ostbüros in der DDR Spionage und Sabotage verübt und verhindern bis heute die Aufklärung? [48]

Warum denunzieren sie - bis heute[49] – die demokratischen Umwälzungen wie Bodenreform und Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher als „Bolschewisierung“ und „Stalinisierung“ und erhalten dabei Schützenhilfe von PDS-Politikern?[50] Die Historische Kommission glaubt „deuten“ zu können: Die „Enteignungen der Jahre 1945/46 (wurden) nirgendwo in Frage gestellt.“ Der Protest vieler Arbeiter in der DDR sei ein „Votum“ (eine Wahl) für den „libertären“ und „egalitären“ Sozialismus gewesen. Wo hat es denn den 1953 gegeben? Wo jetzt (außer in abstrusen Papieren einiger „Reformer“)? Wenn es, wie die PDS-Historiker feststellen, (im innenpolitischen Kontext) darum ging, die Bodenreform, das Volkseigentum usw. zu bewahren oder zu beseitigen, müsste ein Bewertungsmaßstab für individuelle Handlungen leicht zu finden sein.: Wer die Restauration des Kapitalismus wollte, preist diejenigen, die gegen die „SED-Diktatur“ auftraten, wer die Fortsetzung des sozialistischen Weges wollte, würdigt diejenigen, die den Aufrufen des arbeiterfreundlichen und revolutionären RIAS nicht zu folgen.

Aber wir lesen im Neuen Deutschland: „Zu respektieren sind sowohl jene Bürgerinnen und Bürger, die gegen das SED-Regime(!) demonstrierten, als auch jene, die es verteidigten, weil sie Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung gefährdet sahen.“ Das ist eine wahrhaft salomonische Lösung, bei der die Logik auf dem Kopf steht. Dasselbe Schlussverfahren würde, angewandt auf die Aggression gegen Irak, erlauben: Die PDS respektiert diejenigen, die gegen die Aggression protestierten ebenso wie diejenigen, die Busch bei seinem verbrecherischen Krieg unterstützen. (Hier geht es um die Konsequenz des Schlussverfahrens.)

Der Leser sollte auch andere Analogien prüfen. Ich wähle zwei aus: Die „Steigerung der Produktivität und Rentabilität volkseigener Betriebe wurde unter Missachtung von Rechten von Belegschaften vorangetrieben.“ Die SED merkte das und korrigierte sich (zu spät). Wird jetzt die rücksichtslose Steigerung der Profitrate unter Achtung der Rechte der Gewerkschaften und Belegschaften „vorangetrieben“?

Die Werktätigen der DDR trugen 1953 die „Unkosten der Vorbereitung auf den befürchteten Dritten Weltkrieg,“ teilt uns die Historische Kommission mit. Auf diese Weise erfährt der Leser, dass die Ereignisse des 17. Juni in einem weltpolitischen Umfeld stattfanden. Aber in welchem? Von wem ging denn die Gefahr eines Dritten Weltkrieges aus? Gab es die roll-back-Konzeption womöglich nur in den Phantasien von SED-Politikern? Existierte die „Stalin-Note“ von 1952 nur als diplomatisches „non-paper“?[51] Gab es nicht Pläne zum Einsatz von Atomwaffen auf dem Boden der DDR, von denen Adenauer und Strauß nicht nur wussten?[52]

Damals mussten Arbeiter der DDR auch „Unkosten“ für den bewaffneten Schutz des gefährdeten Friedens tragen und die DDR entwickelte sich zu einem Hort des Friedens. Und heute? Wer finanziert die selbstmörderische Rüstung und barbarische Kriege als „deutsche Normalität“? Wie hilft uns das „Wertungsprinzip“ von PDS-Historikern? Darf Helmut Schmidt dazu beitragen, eine Antwort zu finden?

Am 19. Januar 2003 äußerte sich der „elder statesman“ zum Tarifkonflikt mit den Staatsbediensteten, der zu Streiks zu eskalieren drohte. Schmidt erklärte: Einen glaubhaften Grund für einen Arbeitskampf habe es nur einmal gegeben, „nämlich für den Aus- und Aufstand, den Berliner Bauarbeiter der DDR 1953“ ausgelöst hätten.[53] Auch Bundeskanzler Schröder kam in einem Interview zu Wort: „SPIEGEL: Kann sich das Land einen Streik leisten? SCHRÖDER: Ich hoffe darauf, dass dieser Konflikt mit Hilfe zweier erfahrener Schlichter ohne Arbeitskampf entschieden wird.“ Wer will, darf aus dem Mund zweier SPD-Kanzler den kleinen Unterschied lernen: Aus- und Aufstand waren in der DDR berechtigt, obwohl – oder weil – sie sich objektiv gegen die eigenen Interessen der Kämpfenden richteten, sie sind aber (Aufstand darf es nur für „Anständige“ geben) verurteilenswert, wenn sie sich gegen das Kapital und dessen politische Sachwalter richten. Das „wiedervereinigte“ Deutschland kann sich einen Streik „nicht leisten“, aber in der DDR sollte er bei jedermann Freude auslösen. War den DDR-Bürgern nicht jahrzehntelang aus der Richtung Bonn verkündet worden, das Demonstrations- und Streikrecht sei ein wichtiger Bestandteil der Demokratie?

Schmidt und Schröder helfen uns 2003, die Ereignisse am 17. Juni 1953 in der DDR in den politischen Kontext zu stellen: „Politische Gedenktage gehören zu jenen Symbolen, durch die sich ein Staat öffentlich darstellt.“[54] Stellt sich die BRD durch die „Symbole“ Streik und Aufstand dar? Warum „verordnete“ die herrschende Klasse der BRD den 17. Juni in der DDR als „Symbol“ und staatlichen Feiertag? Warum hat die Historische Kommission der PDS eine solche oder ähnliche Frage nicht gestellt?

Natürlich würden damit weitere Fragen ausgelöst, z.B.: Welches Recht hatten Politiker der BRD, ihren Bürgern einen Gedenktag aufzuzwingen, der ein Ereignis in einem anderen souveränen (jedenfalls nicht mehr und nicht weniger als die BRD) „feiert“? Was machten die Antikommunisten und Totalitarismusforscher aus Profession mit diesem „Gedenktag“? Und welche Wirkung erwarten sich die Organisatoren im Jahre 2003?

Dietrich Schiller stellt die (besorgte?) Frage: Was bleibt „von der DDR-Geschichte übrig, wenn das Gedenken sich im wesentlichen auf den 17. Juni beschränkt?“[55] Stellen wir die Gegenfrage: Wer möchte denn und warum, dass von der DDR-Geschichte nur der „Arbeiteraufstand“ in Erinnerung bleibt?

Es entsteht ein unlösbarer Widerspruch : Für diejenigen DDR-Bürger, die ihren Staat unter schwierigsten Bedingungen 40 Jahre lang aufgebaut haben, war der 17. Juni 1953 eine Episode mit unterschiedlichen Erinnerungen, Erfahrungen und politischen Konsequenzen.[56] Die Historische Kommission der PDS zitiert Otto Grotewohls Erklärung für die „Kluft zwischen Partei, Regierung und Volk“, die zum Protest geführt hatte. Das ist die eine Seite. Die meisten der Streikenden und Demonstrierenden stimmten bald der Erkenntnis zu, die Otto Grotewohl auf dem 15. Plenum des ZK der SED formulierte: „Ein Streik in den volkseigenen Betrieben schadet unserem Staat, der ein Staat der Werktätigen ist, er führt zur Vernichtung der von den Arbeitern selbst erschaffenen Werte.“ Wer hat das im Prozess des weiteren Aufbaus des Sozialismus nicht begriffen? Auch Arbeiter lernen aus ihren Erfahrungen. (Übrigens: Nicht alle Gesinnungsänderungen erklären sich aus der Lernfähigkeit: Wer vor 20 Jahren „Schwerter zu Pflugscharen!“ predigte und 2003 die Politik von Bush unterstützte, hat keine neue Bibel. Wer 1987 als SPD-Politiker im „Dialog“-Papier mit der SED wusste, dass Krieg kein Mittel der Politik bleiben darf, hat seine Haltung nicht aus Gründen des Wissens und Gewissens geändert.)

Angesichts der Medienkampagnen um den 17. Juni 1953 bleibt festzustellen: In der Regel haben DDR-Bürger ein intaktes Gedächtnis. Und das Gehirn ist kein Löschpapier. Damit schließt sich der Kreis. Wir sind der Antwort auf die Frage nähergekommen: Warum wurden in der BRD Ereignisse in der DDR zum Anlass genommen, den 17. Juni zum nationalen Gedenktag zu erklären?

-         Er hat zur „Staatsintegration“ der BRD-Bürger auf antikommunistischer Grundlage beigetragen, was dadurch erleichtert wurde, dass die herrschende Ideologie von vor 1945 nicht überwunden werden musste.

-         Er hat westlich der Elbe die „Identifikation mit dem politischen System“ gefördert, indem den Bürgern die „Alternative“ Demokratie gegen Diktatur, Freiheit oder Sozialismus suggeriert wurde.

-         Er hat zur „antitotalitären Konsensstiftung“ in der politischen Klasse der BRD beigetragen und kritische Stimmen isoliert und eliminiert.

-         Er hat „Massenloyalität und Stabilitätssicherung“ innerhalb der BRD befördert.

Damit hat das Gedenken an den 17. Juni im Bundestag und in den Medien die Kriterien erfüllt, die Dietmar Schiller formuliert hatte.

Nun ist die DDR nicht mehr da, wohl aber ein Teil der Bürger, die den 17. Juni 1953 noch erlebt haben, z.T. als Akteure auf dieser oder jener Seite der „Barrikade“. Um den 17. Juni wird ein großes Gewese organisiert werden. Warum? Damit besser „zusammenwächst, was zusammengehört“? Weil die „innere Einheit“ befördert wird, wenn die Gehirnwäsche zum 17. Juni das eigene Gedächtnis und die eigenen Erfahrungen ersetzt?

Die Organisatoren des Medienspektakels 17. Juni sollten bedenken: Die „Opposition“ von 1953 war eine Minderheit, nicht „das Volk“. Das war auch im Herbst 1989 so, auch wenn mit Hilfe westdeutscher Medien die Minderheit – zeitweilig – zum Elefanten „Volk“ aufgeblasen wurde. Es wird Bumerang-Wirkung haben, wenn Streiks und Demonstrationen zu Heldentum werden, wenn sie sich gegen die DDR richten, nun aber des Teufels sind. Selbst Arbeiten, die zu DDR-Zeiten begonnen wurden und nun mit Hilfe des Hannah-Arendt-Instituts in das Totalitarismus-Schema eingepasst wurden[57], ändern weder etwas an den Tatsachen noch an den persönlichen Erinnerungen.

Insofern ist eine Bemerkung in der Erklärung der Historischen Kommission zu bedenken: „...seit 1989 gibt es wesentlich bessere Voraussetzungen für einen sachgerechten Meinungsstreit. Keine Staatsräson, keine Parteidisziplin hindert ihn mehr, und er kann sich auf viele neu erschlossene Quellen stützen.“ Die Quellen aus USA-, BRD- und SPD-Archiven sind uneingeschränkt zugänglich? Historiker wie der zitierte Rolf Steininger und der frühere Leiter des Hannah-Arendt-Instituts beklagen das Gegenteil.[58] Es gibt keine „Staatsräson“ mehr? Welcher „Räson“ folgt denn ein erheblicher Teil der „staatsnahen“ Totalitarismusforscher, die Weisungen und Aufträgen folgen? Der herrschende „mainstream“ fördert einen „sachgerechten Meinungsstreit“? Was die in diesen Wochen in Film, Fernsehen, Büchern und Gedenkveranstaltungen angebotene maßlose Verteufelung des „SED-Unrechtsregimes“ betrifft, die Kenner wie Günter Gaus seit jeher abgelehnt haben, soll hier ein Urteil Willy Brandts aus dem Jahre 1986 zitiert werden, um Leser zum Nachdenken anzuregen, die „sachgerecht“ urteilen wollen: „Die Menschen in der DDR haben aber doch einen gewissen Stolz entwickelt auf das, was sie unter schwierigeren Bedingungen als die Westdeutschen auf die Beine gestellt haben... Die DDR ist kein zurückgebliebenes Land. Sie ist ein Land mit großen Leistungen. Und auch die, die sich nicht identifizieren mit der dort herrschenden Partei, sagen nicht, sie wollten einfach unsere Verhältnisse nach dort übertragen bekommen. Das missverstehen hier manche.“[59]

Die Demonstrationen im Herbst 1989, die von manchen als Fortsetzung und Krönung des „Aufstands“ von 1953 gerühmt werden, sind kein Gegenbeweis. Schon jetzt heißt ein weit verbreiteter Spruch: Dafür sind wir nicht auf die Straße gegangen. Und auch der Jubel der „Sieger“ klingt sehr verhalten. Die Stimmungsmache um den 17. Juni wird die meisten Ostdeutschen nicht fröhlicher machen. „Verordnete“ Ideologie ist kein Ersatz für die Erfahrungen, die Menschen in der Wirklichkeit machen. Die Erinnerung an den 17. Juni hilft mitnichten, Deutschlands Weg in eine friedliche und sozial gerechte Zukunft zu bahnen. Vielleicht erleichtert uns auch ein Satz Richard von Weizsäckers das Nachdenken: „Die Geschichte überträgt ihr Erbe. Sie bietet ihre Lehren an. Mehr nicht. Sie ist keine automatische, sicher wirkende Schutzimpfung.“[60] Horst Schneider, Dresden

Fragen der Politischen Ökonomie des Sozialismus

Ingeborg Böttcher: Die Crux (Das Kreuz) mit dem Wertgesetz“ (Zum gleichnamigen Artikel von Hermann Jacobs in Offensiv September/Oktober 2002) Teil 2 und Schluss

12.

Jacobs: „Auch im Sozialismus gibt es einen Geldbesitz. Er ist aber nicht aus der geleisteten Arbeit abgeleitet, sondern er ist ausgehend von den Waren (die hier Güter sind) bestimmt, er ist ein durch Warenmengen, die konsumiert werden sollen/müssen, bestimmter Geldbesitz, der auf den Preisen dieser Waren beruht.“ (..) „Was aber exakt bestimmt sein muß in diesem Verhältnis, sind die Gütermengen; daraus ergibt sich eine prinzipielle Bedingung für die Preise dieser Güter: Sie müssen „fest“ an das Produkt gebunden sein“ (..) „.unveränderliche Preise bleiben (in dem Verhältnis, da Einkommen auf Basis dieser Preise bestimmt worden sind.“-„womit klar, daß sich ein Festpreis, wie ihn der Sozialismus praktizierte, nicht aus der Natur des Wertes erklärt, er ist dem Wert widernatürlich..,

Geldbesitz auch im Sozialismus, resultiert aus der Ware-Geld-Beziehung die aller Warenwirtschaft immanent, auch hier noch nicht aufgehoben ist. Geld ist Maßeinheit des Wertes, Preis der Wertausdruck der Ware in Geld. Ohne diese Funktionen wäre Ware nicht austauschbar, also keine Distribution innerhalb der Warenwirtschaft möglich. Festpreise entstehen, oder sind angebracht, da durch internationale Währungsunterschiede und deren wechselseitige Beeinflussung aufgrund Schwankungen der Goldwertverhältnisse, Preise und Wert der Währung in jedem Währungsgebiet beeinträchtigt werden können, insbesondere durch internationale monetäre Monopolstellungen. Was oder wer kann einer sozialistischen Wirtschaft im Rahmen ihrer Planungskompetenz Festpreise mit Obergrenzen zum Schutz ihrer Verbraucher verbieten, zumal hier Preise aufgrund Rationalisierung der Produktionsprozesse und zwar unter Berücksichtigung aller einberechneten Kosten, nach den Planungsrichtlinien laufend neu erarbeitet, d.h. entsprechend der Produktionssteigerungen nach unten korrigiert werden müssen?

Die Preise sind eine Angelegenheit, die vom Prinzip her auch in der rechentechnischen Gesamtplanung nicht verloren gehen dürfen. Ein paar Schuhe setzt sich schließlich nicht nur aus „Schuhe“ zusammen, sondern aus Leder, Textilien(als Futter), Schnallen und Ösen(aus Metall), Senkeln(aus Garn), Absätze aus(Holz), Garn(zum Nähen) u.s.w., alles das sind Kosten, die dem Hersteller anfallen, ebenso wie Maschinenverschleiß bei der Verarbeitung, Energie, Verpackung etc., alles Kosten (im Grunde schon vergegenständlichte Arbeit) und auch das, also geronnene abstrakte und konkrete Arbeit, Wert und Gebrauchswert.

Was die Einkommen betrifft, so wird im Sozialismus Sorge getragen, daß niedrig verdienende Berufsgruppen einen angemessenen Lebensstandard mit ihrem Verdienst problemlos bestreiten können. Auch gibt es im Sozialismus natürliche Ungerechtigkeiten bezüglich der Versorgung eines alleinstehenden Arbeiters oder einer Arbeiterfamilie mit mehreren Kindern. Hier werden verschiedenste Vorkehrungen getroffen um diese zu mildern, eine davon ist die Niedrighaltung von Preisen für die dringendsten Waren des täglichen Bedarfs, Kartoffeln Milch, Brot, Kohlen u.a. Solche Stützungen wurden aus dem volkswirtschaftlichen Gesamteinkommen abgedeckt (auch das muß mit Rücksicht auf die Gesamtrechnung in den Preisübersichten vermerkt sein).

13.

Jacobs: „Es hat sich in der sozialistischen Theorie aber gerade ausgehend von Preisen, deren Größe wie innere Zusammensetzung, die Auffassung ergeben, der Wert müsse gemessen werden – wenn auch nicht angeeignet, so doch gemessen. (Nirgendwo in der sozialistischen Literatur ist das Recht auf Aneignung des Wertes ausdrücklich Postulat, aber in der (allgemeinen) Annahme, daß im Preis der Wert gemessen und Preise (die in Geld realisiert) die Einnahme des Betriebes ausmachen, ist dennoch stillschweigend unterstellt, daß der Wert auch in die Aneignung der Betriebe gelangt; er würde durch Abgaben „an den Staat“ belastet, insofern kein Recht auf den Wert, oder nur Nichtäquivalenz als Recht(?) (ein Begriff, der allerdings die Lage nicht erfaßt..“(?)

Wert der Arbeit muß immer gemessen werden, sowohl im Kapitalismus wie im Sozialismus. (Maßstab des Wertes ist immer der Preis, die Maßeinheit das Geld, bzw. Währung) Der kapitalistische Eigentümer hat niemandem Rechenschaft zu geben, (höchstens seinem Gläubiger), aber er rechnet sich seinen Profit aus, bevor er investiert, um mit dem anzustrebenden Mehrwert, seinen Kapitalwert zu vergrößern.

Der sozialistische Betrieb ist zur wirtschaftlichen Rechnungsführung gegenüber seiner sozialistischen Gesellschaft verpflichtet. Er hat (planmäßigen) Erlös, von dem er den Ersatz in Form neuer Fonds für die nächste Planperiode zurück erhält, den Gewinn aber abführen muß, zur gesamt gesellschaftlichen Verwendung. Sozialistische Planung und Planerfüllung werden immer materiell und finanziell, also konkret in Stück oder Masse und in Preisen ausgewiesen, also in Gebrauchswert und Wert, woraus die Rentabilität jedes Betriebes ablesbar ist. (Wert mal Stückzahl der Produktion innerhalb eines Planungszeitraumes sind unter Berücksichtigung des gegebenen Arbeitszeitfonds dividiert durch die Stückzahl, Gradmesser der Rentabilität)

14.

Jacobs: „Wenn der Mengenverbrauch bei der Produktion einer Ware ändert, und nur ändert, bzw. geändert zu werden braucht, wenn aus diesem Grund! Ist der Preis als fester Preis einer Ware bestimmter Menge einmal fixiert, können sinkende oder steigende Kosten nur noch sinkende oder steigende Verbräuche dieser Ware bestimmter Menge sein, worin ebenfalls ein sinkender oder steigender Arbeitsverbrauch in zeitlicher Hinsicht erfaßt ist, aber nicht mehr ein sinkender oder steigender Verbrauch an Arbeitszeit erfaßt sein kann bei unverändertem Verbrauch an vergegenständlichter Arbeit, also nicht mehr der Wert in seiner eigentlichen Bedeutung“

Der Mengenverbrauch bei der Produktion einer Ware kann nur Material, Maschinenverschleiß, Energie und Arbeitslohn sein. Alles ist für den Produzenten dieser Ware vergegenständlichte Arbeit, die er vom Zulieferer bezieht und die für ihn als Kosten zu verrechnen sind. Eigener unkalkulierter Mehrverbrauch muß zu Verlusten führen, wenn er selbst verschuldet ist; bei fehlerhaftem Material muß er dem Zulieferer angelastet werden. (die Haltung dazu ist eine Frage sozialistischer Ehrlichkeit und Moral, eine Sache, die oft heftige Auseinandersetzungen zwischen Betriebskollektiven und -leitungen kostet und darum oft auch gerne umgangen wurde; ein Prozeß von vielen, mit denen die sozialistische Gesellschaft in harten Reifeprozessen in die kommunistische hineinwachsen muß, was nicht von heute auf Morgen zu erledigen ist, aber deren Unterlassung sich rächt) Materialeinsparung kann durch Rationalisierung des Verbrauchs, z.B. durch günstigere Zuschnittkombination erreicht werden. Das berührt den Preis nicht, denn am Produkt ändert sich dann nichts, aber wenn die Materialeinsparung erheblich ist, führt sie zu Gewinn, weil weniger Verbrauch, weniger Kosten. (Pluspunkt im sozialistischen Wettbewerb).

15.

Jacobs: „Man denke also voraus in einen Kommunismus ohne Geld – was allein könnte er von außen aus der Gesellschaft heraus messen, also woran wäre er interessiert, wenn es um seine Betriebe ginge?“

Im Kommunismus sind diese Vorgänge in Rechnern programmiert, Ergebnisse oder Abweichungen können über Computer zur Korrektur eingegeben und alle wichtigen Informationen dazu wiederum abzulesen sein. Nach wie vor werden Menschen arbeiten, aber man stelle sich vor, daß alle je nach Individualität hoch gebildet sind und entsprechende Arbeit haben, wie viel Freizeit würde da für jeden bleiben, sich individuell zu betätigen. Jede Arbeit wird maschinell unterstützt sein und insgesamt an allen Plätzen einen hohen Anteil an geistiger Arbeit erfordern. Hinsichtlich des sparsamen Material- und Energieverbrauchs, werden sicherlich Restriktionen eingegeben werden, die Signale aussenden, z.B. ein rotes Lämpchen aufleuchten lassen. Ebenso können Arbeitszeiten automatisch in Computer eingehen, Stückzahlen und Masseangaben müssen ohnehin registriert werden, um die Differenzen zum Verbrauch sofort ermitteln zu können.

„Was kann ein Kommunismus von außen in eine Gesellschaft hinein messen“?

Die Restriktion der äußersten Sparsamkeit an allem, im Umgang mit diesem Haus Erde, (Input oder Output) egal worum es geht !

16.

Jacobs: „Es ist klar, daß man bei diesem Inhalt der Preise/Kostpreise ziemlich schnell an das Ende einer möglichen Preissenkung gerät – aber auch an keine Notwendigkeit einer Preissteigerung. Wie gering an Güte soll denn ein Gebrauchswert in seiner materiellen Zusammensetzung werden, wenn dies der ausgewählte und in Preisen allein ausgewiesene Weg ist...?“

Dieser Gedankengang ist falsch. Die Preise dienen im Sozialismus wesentlich schon der wirtschaftlichen Rechnungsführung und Kontrolle und sind letzten Endes Ausgangsbasis der Rentabilitätssteigerung. (Mit gesellschaftlichem Eigentum kann man schließlich nicht herumschludern.)

Sehr wichtig in diesen Vorgängen ist die Entwicklung und Konstruktion von langlebigen und reparaturfreundlichen, pflegeleichten und energiesparenden Erzeugnissen, also Zielstellungen, die dem kapitalistischen System fremd sind, weil sie weniger Profit einbringen, im Sozialismus aber einsparend wirken. Niedrigere Grade an Qualität kommen im Frühsozialismus oft deshalb vor, weil fortschrittlichere Materialien unter EMBARGO, das heißt für die sozialistische Produktion nicht zur Verfügung stehen. Güte kann also sehr unterschiedlich beeinflußbar sein. Nicht umsonst ist in der sozialistischen Produktion die Verpflichtung: Meine Hand für mein Produkt, einer der wichtigsten Wettbewerbspunkte. Da aber hier generell das gravierendste Merkmal die Sicherheit des Arbeitsplatzes ist, zeigt sich damit im Zusammenhang die Teufelskralle der Dialektik: Wo Sorge auf der einen Seite behoben, zeigt sich Sorglosigkeit auf der anderen Seite. (Das sind die Pferdefüße des realen Sozialismus. Von heute auf morgen verändert sich der Mensch nicht. Noch lange ist jeder sich selbst der Nächste, zumal ihm tagtäglich über die Flimmerkiste nichts anderes vorgegaukelt wird, als die heile alte Welt.)

17

Jacobs: „Und was sind die Gewinne in Preisen (unter dieser Bedingung)? Das sind die gesellschaftlichen Kosten, das sind die Rechte derjenigen, die nicht in den Produktionsprozeß fallen, daher nicht in die Aneignung (also die innere Form der Aneignung) fallen, sondern die außerhalb des Produktionsprozesses anfallen, also ihre Rechte an Aneignung des Produkts außerhalb auch der Kosten, also in den Gewinnen der Preise anmelden.“

Nicht die gesellschaftlichen Kosten sind Gewinn im Sozialismus, sondern der Reinertrag der zusätzlichen (bzw. unbezahlten Mehrarbeit) und Einsparung an vergegenständlichter Arbeit (an Materialkosten/Energie etc.), sofern das Erzeugnis nicht davon selbst betroffen ist. Die außerhalb der Produktionsprozesse tätigen Werktätigen erbringen ebenfalls gesellschaftlich notwendige Leistungen, z.B. in medizinischen, Bildungs- und anderen Bereichen, für die sie bezahlt werden, (bzw. haben wie jeder andere im Kommunismus ihre Chipkarte, mit der sie Leistungen Anderer entgegennehmen können, aber nicht bezahlen müssen. Die Bezahlung, so lange es noch Geld gibt, kommt natürlich aus gesellschaftlichen Fonds, aus dem Anteil des Nationaleinkommens für Konsumtion). Gesellschaftlich heißt nicht – für die einen oder anderen, sondern - für alle.

Alle im sozialistischen Produktionsbereich erwirtschafteten, in Preisen als Gewinn erfaßten Ergebnisse landen im großen gesellschaftlichen Topf und werden neu umverteilt. (Einen Überblick insgesamt erhielten z.B. die Bürger der DDR zweimal jährlich durch die Veröffentlichung der volkswirtschaftlichen Gesamtbilanz über Aufkommen und Verwendung des im abgelaufenen Halbjahr oder Jahr erwirtschafteten gesellschaftlichen Gesamtprodukts, in der auch der Gewinn, als Reineinkommen ausgewiesen ist, das seinerseits in einer weiteren Bilanz gesondert dargestellt werden könnte. Das Reineinkommen ist der Geldausdruck des durch lebendige Arbeit der produktiv Tätigen geschaffenen Mehrprodukts, des Nationaleinkommens.) Unser Autor sagt: „die Betriebe müssen auf Null fahren“, das heißt, ihre Fonds müssen nach jeder Planperiode aufgebraucht sein. Deren Neubildung, das ist Ersatz!.

Deshalb fließt der entsprechende Teil des neu erwirtschafteten gesellschaftlichen Gesamtprodukts für Abschreibungen, Produktionsverbrauch und Löhne in Form neu gebildeter Fonds als Ersatz wieder in den Prozeß der Wirtschaftseinheiten oder wird bei geplanten Veränderungen neu berechnet und zugeteilt. Der dabei zuerkannte Mehranteil ist dann Investition. (Die planmäßige Fondsbildung der Grund- und Umlaufmittel und der materiellen Interessiertheit, Löhne, Gehälter und Prämien, sowie Bildung von Investitionsfonds - letztere werden proportional entschieden - erfolgen aus dem Endprodukt des Nationaleinkommens. Der größte Teil davon ist nach Investitionen und Erhöhung der Umlauffonds, individuelle Konsumtion der in der Produktion beschäftigten, die für den Staatshaushalt abzuführenden gesamtgesellschaftlichen Fonds, z.B. für Volksbildung, Gesundheitswesen, sozialpolitische Maßnahmen, Kultur und Verteidigung, in etwa im Verhältnis 1:3 (materiell und finanziell) auch mehrheitlich individuelle Konsumtion der darin Beschäftigten. Das nur um einen Eindruck zu übermitteln, wo das meiste Geld bleibt, in Löhnen, Gehältern und Prämien, also für ein gesichertes Leben der Menschen)

18

Jacobs: „Nehmen wir aber den Sonderfall in den Kosten von Preisen: den Verbrauch an gegenständlicher Arbeit durch die lebendige Arbeit Lohn genannt. Dieser wird ja auf Zeit gezahlt. Sinkt oder steigt also die verbrauchte Zeit bei der Herstellung einer Ware, so muß keineswegs der Preis dieser Ware ändern, d.h. die Veränderung in der Wertgröße der Arbeit nicht ausgewiesen werden, d.h. der Preis weiterhin seiner sozialistischen Funktion nachkommen können, was aber die Kosten, die den Lohn meinen, nicht davor rettet, nunmehr als die Lohnkost in den Preis einzugehen, die auf eine geringere oder größere Arbeitszeit an den Arbeiter zu zahlen ist.“ (...) „Kosten also Löhne sinken oder steigen wie der zeitliche Arbeitsaufwand je Ware sinkt oder steigt.“

Die Bezahlung lebendiger Arbeit, also in Lohn, ist nicht identisch mit der Zeit, die wertmäßig in die Waren eingeht. Die Lohnkosten sind im Plan der Technologie bereits genormt und gehen in den Preis unabhängig von dem individuellen Tempo der Arbeitskraft bei der Produktion dieser Ware in diese stückmäßig ein, genauso wie Material oder Energie. Der Stundenlohn des Arbeiters hat damit keinen direkten Zusammenhang, er wird gezahlt als Normativ für die zum Zeitpunkt gültige Reproduktion der Arbeitskraft innerhalb einer festgelegten Zeit. Natürlich müssen Lohnkosten und der in die Stückzahlen eingehende Anteil notwendiger Arbeit einander entsprechen, d.h. letzterer muß darunter bleiben, sonst würde der Betrieb unrentabel arbeiten.

(Ich sagte bereits, daß am Beginn des Sozialismus oft noch nach kapitalistischen Mustern gearbeitet werden muß. Ich halte dieses Problem für ein solches. Im Grunde ist das so ein Muttermal des Kapitalismus. Man hat kein anderes Berechnungsprinzip finden können, denn auch hier wird eigentlich Arbeitskraft vergütet und Mehrarbeit angeeignet, aber nicht privat, sondern eben gesamtgesellschaftlich, wovon der Arbeiter und seine Familie in verschiedener Weise profitieren. Das ist der Unterschied, deshalb ist die Arbeitskraft keine Ware mehr und ist in diesem Falle das Wertgesetz für die Arbeitskraft nicht mehr gültig, auch deshalb, weil aufgrund des Rechts auf Arbeit für alle der Arbeitsmarkt wegfällt. Das wurde hier den meisten allerdings nicht genügend bewußt)

Veränderungen in der Wertbildung durch die Arbeit gibt es durchgängig im gesamten Produktionsgeschehen. Ihre preislichen Niederschläge sind je Planungsperiode verschieden, aber sie müssen erfolgen, wirtschaftliche Rechnungsführung und Planabrechnung schreiben das vor, damit die Resultate für die nächste Planungsperiode verarbeitet werden können. Sinkt oder steigt die verbrauchte Arbeitszeit bei der Herstellung einer Ware, so muß das Ursachen haben. Eine schneller laufende Maschine, eine bessere Technologie können dazu führen, daß in gleicher Zeit mehr Arbeit geleistet werden kann. Der Wert der zu leistenden Arbeit steigt um den Zeitanteil, den die Neuerung als Einsparung bewirkt hat, denn es werden nun in der gleichen Zeit mehr Stück von der gleichen Qualität produziert, der Preis für jedes Stück bleibt zunächst gleich. Das nennen wir Steigerung der Arbeitsproduktivität. In der nächsten Planrunde kann dieser Preis gesenkt werden.

 

 

19

Jacobs: „Die erste geschichtliche Erscheinung eines durch Warenfonds gebildeten Geldfonds (Geldbesitzes) ist der Lohnfonds. Seiner Bildung als Geldmenge geht die Bestimmung einer notwendig zu verbrauchenden Warenmenge voraus.“ (...) „Das Geld verwandelt (wechselt, tauscht) in Gebrauchswert, Gebrauchswert ist die dominante bestimmende Form für das Geld, den Besitz an Geld. Es ist verschwindender, in Produkt aufgehender Besitz, d.h. kein wirklicher Besitz. Geld ist unter dieser Bedingung Form der ökonomischen Bewegung des Gebrauchswertes. Geld verschwindet, das Dasein des Geldes erlischt überall dort, wo der Gebrauchswert, das Gut in seiner naturalen Gestalt zur Erscheinung gelangt, eine Funktion aufnimmt.“

Welchen Sinn soll die Polemik über Warenfonds, Geldfonds und Lohnfonds haben? Fonds sind Planungskategorien im Sozialismus, Bestände, Vorräte an Geldmitteln. (Sie gehören also in eine dem Kapitalismus nachfolgende Geschichtsperiode.) Die Fondsbildung folgt auf die planmäßige Realisierung einer produzierten Warenmenge, für eine neue Planrunde im Sozialismus.

Die ersten Kapitalisten haben zuerst einmal Geld und Arbeitskräfte frei gemacht (Ursprüngliche Akkumulation) mit der Absicht, zu investieren. Erst danach wurden die nun verfügbaren Arbeitskräfte angeheuert, arme Teufel, die man in Mindestlöhne preßte, von der Hand in den Mund abspeiste und einfach wieder auf die Straße setzte, wenn der erhoffte Profit nicht kam, sobald das besagte Wertgesetz ein Schnippchen spielte.

Die Bildung von Geldfonds im Sozialismus ist eine Frage gemeinschaftlicher Verantwortung im Rahmen der Planwirtschaft und für den Lohnfonds deshalb, weil hier das Recht auf Arbeit Gesetz ist. Das ist der kleine Unterschied. Das Geld verschwindet endgültig, wenn seine Funktion als Äquivalent überflüssig, da die menschliche Arbeit und deren Aneignungsprozeß im Stoffwechsel mit der Natur rechentechnisch kombiniert wird, durch die Rechner/Computer/ Mensch/Kommunikation, in der die dialektische Einheit von Wert und Gebrauchswert als programmierte Kausalität in der Elektronik weiter lebt. Damit kann m.E. der Gedanke verbunden werden, daß gleichzeitig die Ware-Geld-Beziehung ebenso wie der Eigentumsbegriff verschwinden.

Die Logik geschichtlichen Rückfalls durch opportunistische Verirrung in politische Prinzipienlosigkeit öffnet aber sofort Tür und Tor für Restauration. Das differenzierte Verhältnis am Anfang sozialistischer Praxis zur politischen Ökonomie, z. B. auch anfangs in der als erste entstandenen Sowjetunion, ist m.E. historisch bedingt - durch Revolution zu einem sehr frühen Zeitpunkt, da eigene kapitalistische Wirtschaft gegenüber einigen ausländischen Niederlassungen des Kapitals noch nicht voll entwickelt war und außerdem die theoretische Vorarbeit von Marx und Engels, insbesondere `Das Kapital` als ökonomische Hauptarbeit weder in dem Maße in Verbindung mit der ökonomischen Praxis inhaltlich/sprachlich, noch in Ausbreitung und Qualität der Übersetzungen im Ausland so assimiliert werden konnte, wie beispielsweise in Deutschland selbst. Das ist für mich einer der Hauptgründe, daß in der Sowjetunion nach anfänglich spontanen, aber gar nicht so verkehrten (im wesentlichen Lenin geschuldeten Schritten, durch Stalin bewunderungswürdig verteidigt und weiterentwickelt) 1956 massiv von den marxistischen Prinzipien abgewichen wurde und es nicht einmal zuerst der eigentlichen Konterrevolution, sondern einer räuberischen Mafia, teilweise versteckt in der führenden Partei, schließlich in aller Öffentlichkeit gelang, dass, wie unser Autor in Fußnote 22 sagt: „sich Geldbesitz verselbständigt gegen die Aneignung von Gebrauchsgütern; und freie Geldmittel die Basis einer nicht von der Gesellschaft bestimmten Aneignung, sondern eines abstrakten. (ich würde sagen willkürlichen /IB) Rechts reinen Reichtumstriebes, privat angeeignet werden konnte“.

Damit im Zusammenhang steht m.E. auch die eingangs erfolgte Bemerkung unseres Autors von „der Erledigung der Wiederherstellung des Wertgesetzes durch reales Eigentum“. Also Wiedergeburt des Privateigentums zunächst an Geld durch private Aneignung früheren gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln und Landesressourcen, Transfer von Landesreichtum in kapitalistisches Ausland und schließlich Kompradorentum im internationalen Kapitalgefüge, sehr deutlich in der ehemaligen UdSSR.

20

Jacobs: „Nicht die Privaten bewegen die Gesellschaft (die allgemeinen Momente der Arbeit), sondern die Gesellschaft bewegt die Individuen (die besonderen Momente der Arbeit) – und beide Male wird über das Geld bewegt, ist es das Geld, über das die ökonomische Bewegung oder das ökonomisch zu Bewegende ausgedrückt wird. Geld kann also zweien Herren dienen – und einem Gegensatz.“

Unser Autor bekennt Verwirrung, weil es diesen Rückschlag gab, aber Rückschläge erfordern klare Köpfe und keine Verdrehungen. Natürlich, mit der Restauration sind wir auch wieder bei der Macht des Geldes, aber man kann in der Geschichte nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun wollen, das hat sich auch für uns als gefährlich erwiesen. So lange das gesellschaftliche Bewußtsein insbesondere der arbeitenden Massen nicht im neuen gesellschaftlichen Sein angekommen ist, sind Rückschläge möglich. (Welche Stufen sind zu überwinden?)

Erstens, noch besteht in der Welt ein antagonistisches Kräfteverhältnis, das keinerlei Abheben in höhere Regionen erlaubt. Weder in Natur noch Gesellschaft können Bewegungsgesetze verändert oder ihre dialektische Einheit aufgespalten, jedoch kann an ihre Wirkungsweise angepaßt werden. Der Doppelcharakter von Arbeit und Ware ist jeder arbeitsteiligen Produktion immanent und kommt nicht ohne Geld aus, bis die Lösung gefunden und durchgesetzt ist.

Zweitens, noch dient das Geld als Mittler zwischen Produktion und Distribution, als Ware zwischen Waren und zwischen den Systemen. Es ist Maßeinheit des Warenwertes, egal ob vom Tauschwert oder vom Gebrauchswert her im Warenaustausch herausgefordert, es fungiert in beiden Fällen bei Durchsetzung des Wertgesetzes über den Preis. In der privaten Aneignung stochastisch, in der gesellschaftlichen planmäßig.

Drittens, erst wenn gesellschaftliche Aneignung die private völlig in der ganzen Welt überwunden hat, kann die generelle Produktionsplanung und deren Perfektion den Widerspruch von Aneignung und Verteilung überbrücken und das Geld als Hauptgefahr für Rückfälle verschwinden lassen.

Viertens, wird dieser Zustand erreicht, kann unserem Autor endlich der Wunsch erfüllt werden, daß der Gebrauchswert allein, frei von subjektiven Einflüssen, für die Menschheit agiert; (allerdings direkt, eben nur als Stoffwechsel mit der Natur, von Anfang bis Ende nach Rechnerprogrammen in der ganzen Herstellungs- und Reproduktionskette unterwegs, aber was dann aus der Distribution in den Bedarf gelangt, egal ob Zwischen- oder Endprodukt, ist Gebrauchswert oder müßte es jedenfalls sein, wenn gleichzeitig die entsprechende Computersteuerung im Rücklauf über das Netz richtig funktioniert).

Fünftens, im politischen Zusammenhang gilt für den Sozialismus aber, daß in ihm die Machtverhältnisse durch die Arbeiterklasse, die Diktatur des Proletariats im Bündnis mit den übrigen arbeitenden Klassen und Schichten unter Führung ihrer Avantgarde, der marxistisch/leninistischen Partei, bestimmt werden. Distanziert sich Letztere vor dem erreichten Ziel von der Theorie der Arbeiterklasse, kann sie ihre Führungsposition nicht mehr halten und restaurative Kräfte bemächtigen sich sofort privater Aneignung von Geldmitteln, der öffentlichen Meinung und danach der kapitalistischen Ökonomie. (Siehe Mafia in der UdSSR, ab den sechziger Jahren. Hier wird die Gefahr der unterschiedlichen Funktion des Geldes in gesellschaftlicher oder privater Hand sichtbar.)

Die Funktion des Geldes ist und bleibt immer gleich, so lange es Geld gibt. Unterschiedlich ist die Handhabung, ob im privaten oder gesellschaftlichen Interesse. Geldmittel in privater Aneignung Kapital, Geldmittel in gesellschaftlicher Aneignung als planmäßige produktive Fonds.

21.

Jacobs: „Die Zuweisung jeweils besonderer Mengen an Arbeit an die besonderen Verbraucher von Arbeit unter dem Gesichtspunkt der erweiterten Reproduktion der Arbeit erlaubt nicht das Äquivalenzprinzip, es sei, man realisiert eine doppelte Form der Aneignung – eine der Betriebe, und die wäre eine der Äquivalenz – die alte Form, - und eine des Staates – die diese ständig wieder aufhöbe und durch die die Betriebe in eine andere Rolle versetzt würden – die neue Form.“ (...) „Die Frage des Wertgesetzes im Sozialismus wird ja also, würden die Betriebe um ihr Recht durch den Staat gebracht werden,“..(negiert /IB ?) „Es zeigt sich aber, daß es gar nicht um ein Recht des Staates geht, weil der Staat in diesem Kontext gar keines hat! Das Recht kann immer nur ökonomisch bestimmt werden.“

Irrtum, lieber Freund! Ökonomisch bestimmtes Recht kann immer nur Klassenrecht sein, Staat ist immer Machtinstrument der jeweils herrschenden Klasse, also geht es hier um politisches Recht. Überließe der Staat das Recht der Ökonomie, hätte er, solange noch Geld vorhanden wäre, sofort die Mafia am Halse!

22.

„Es geht doch überhaupt nicht mehr darum, daß angeeignet werden soll“ (?) „sondern es soll gesellschaftlich, d.h. von der Gesellschaft, der Arbeit anderer angeeignet werden, was in ihr an Bewegung, Entwicklung für die eigene Arbeit produziert worden ist.“ (...) „Der Aufhebung des Wertes, wie Gesetzes des Wertes entspricht eine andere Regelung der Form der ökonomischen Aneignung durch die Arbeit; wer also den Ausfall des Wertes kritisiert, kritisiert, ob er sich dessen bewußt ist oder nicht, dieses andere ökonomische Gesetz“. (..) „Das andere“ (was soll das sein ? IB) „muß nur erkannt werden.“

Das verstehe wer kann! Im Sozialismus bilden Produktion und Verbrauch eine gesamtgesellschaftlich geplante Einheit. Das Hauptorientierungsinstrument dafür ist ein Kompendium volkswirtschaftlicher bis betrieblicher materieller und synchron dazu finanzieller Gesamtbilanzen mit Kennziffern von Aufkommen und Verwendung, Planung und Kontrolle, die von der volkswirtschaftlichen bis zur betrieblichen Gesamtbilanz ineinander passen müssen. Das finanzielle Pendant ist immer die Gegenkontrolle zu den jeweiligen Gebrauchswerten in Stück oder Maßeinheiten, deren wertmäßige Inkongruenz (wie der Autor so schön zu sagen beliebt) die Planung kompatibel machen muß. Das ist Nutzung des Wertgesetzes.

23.

Jacobs: „Die Geldfonds, mit denen die Betriebe im Sozialismus ausgestattet, und mit denen sie die Arbeit der anderen Unternehmen kaufen, sind quantitativ anders bestimmt als durch die Menge an Arbeit(gesellschaftlich gewichtet), die sie geleistet. Diese neue quantitative Bestimmung kann nicht mehr die alte quantitative Bestimmung sein; aus diesem Grunde kann man mit einer Geldmenge, die sich aus den Preisen resp. Preissummen der Waren bestimmt, die man verbrauchen muß, um einer ökonomischen Bewegung (die im Plan von der Gesellschaft bestimmt worden ist) zu genügen, nicht mehr den Wert der eigenen Arbeit messen, die lediglich einen ökonomischen Stand (Besitzstand)(?) der Arbeit ausdrückt. Das Geld im Sozialismus, die in Abhängigkeit der planmäßigen, d.h. besonderen Reproduktion der jeweils gemeinten Betriebe gebildeten Geldfonds, heben entweder die Kreditform des Geldes gänzlich auf, oder verwandeln das Geld insgesamt in Kreditgeld, man kann das sehen wie man will. Leihkapital verschwindet ja – weil es kein besonderes/betriebliches Eigentumsverhältnis mehr gibt, alles Geld gehört dem Staat, und dieser verleiht es nur an seine Betriebe/Individuen. D.h. Geldmittel sind vom Staat, der Gesellschaft insgesamt, den Betrieben geliehene Geldmittel, die wieder in Form der planmäßig zu bildenden Warenfonds, in denen u.U. ein zusätzliches Mehrprodukt enthalten ist, an die Gesellschaft zurückfließen müssen.“

Ich sagte bereits an anderer Stelle, daß zur Produktion beispielsweise von Schuhen oder anderen Bekleidungsstücken, Stoffe, Garn, Futter, Knöpfe etc. gehören, die erworben werden müssen, weil von anderen produziert. Die Hersteller dieser Erzeugnisse haben schließlich auch Arbeit geleistet, um sie herzustellen und ihrerseits wiederum Materialien benötigt, z.B. Baumwolle für das Garn oder Holz für die Knöpfe etc. Jeder Produzent hat hierfür gesellschaftlich notwendige Arbeit geleistet und will sie bezahlt haben. Das hat nichts mit der gesellschaftlich notwendigen Arbeit der Kleider- oder Schuhmacher zu tun, sondern mit deren Zulieferern. Jeder muß sein Material bezahlen und seine als eigene betriebliche Arbeit bezahlt (oder verrechnet) bekommen.

So lange das alles noch nicht im Rechner vollzogen wird, unter Ausschluß der Öffentlichkeit, auf der Grundlage detaillierter Planungskennziffern, müssen halt dafür Preise gemacht und Geld bewegt werden, und zwar innerhalb der sozialistischen Wirtschaft bargeldlos, auf Basis von Fonds, die im voraus zu kalkulieren und hinterher zu berichtigen sind. Jedes einzelne Detail muß im Plan erscheinen und nach oben hin nach Industriezweigen verdichtet werden, die sich daraus ergebenden Kapazitäten der Betriebe und Kombinate in die richtigen Proportionen gebracht werden. Das veranlaßt bzw. verordnet der Staat, der Vollstrecker des Willens der sozialistischen Gesellschaft, wer sonst? Der Gesellschaft gehört das Geld und der gesamte materielle Reichtum. Der Staat ist nur der Sachwalter. Was den Kredit anbetrifft, dafür hat der Staat die Banken. Bei Krediten zeigt sich, daß das Geld eine Ware ist und auch Gebrauchswert hat, nämlich den, Mehrwert zu hecken, auch in Sozialismus. Dafür sind die Banken prädestiniert und die sozialistische Gesellschaft nutzt das aus - gegenüber ihren Gesellschaftsmitgliedern allerdings sehr kulant. (Das ist wiederum so ein kleiner Unterschied).

Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft im Sozialismus ist kompliziert. Es ist abhängig von der sozialistischen Bewußtseinsbildung sowohl auf Seiten der Staatsdiener als auch der Akteure in der Gesellschaft, insbesondere der Produktion. Hier klaffen Kenntnisse, Überzeugung und Motivation noch oft auseinander. Den führenden Gremien der zuständigen Parteien fehlt es offensichtlich in solchen ersten Runden der Emanzipation naturgemäß an Einfühlungsvermögen für diese Einzelheiten und oft für sachliche Einsichten an marxistischer Weitsicht und Reife, Erfahrung und demzufolge dialektischer Wertung.

24.

Jacobs: „Man könnte jetzt sagen, daß der Geldfonds der Betriebe im Sozialismus durch zu verbrauchende Gütermengen konstituiert worden ist, muß ja nicht bedeuten, daß die Preise der Waren, die in diesen Güterfonds eingehen und seine Höhe bestimmen, unveränderlich sind, d.h. sie könnten doch bewegen wie die Werte der Waren. Daß also für die Geldfonds ein neues Gesetz gilt, muß nicht aufheben, daß für die Betriebe noch das alte Gesetz gilt – in diesem Gesetz bewegte sich die sozialistische ökonomische Wissenschaft, d.h. sie unterstellte für den Sozialismus dasselbe Verhältnis, was für den ersten durch Waren gebildeten Geldfonds gilt – den Lohnfonds. Obwohl dieser schon geschichtlich neu bestimmt ist, müssen die Kapitale noch untereinander das Wertgesetz fortsetzen; dadurch relativieren die Geld und Warenfonds bei den Arbeitern ständig, und es bedarf besonderer Anwendung des Wertgesetzes (oder von Lohnmengen), um den Gegensatz von Lohngesetz und Wertgesetz für Waren aufrecht zu erhalten.“

Es fällt schwer, herauszufinden, was unser Autor eigentlich will. Zunächst sei festgestellt, daß zwischen Preisen der im Angebot befindlichen Waren und den Lebenshaltungskosten der Werktätigen im Sozialismus eine Beziehung dadurch hergestellt wird, daß letztere durch Stützung der Preise für Waren des täglichen Bedarfs relativ konstant niedrig gehalten werden, was beispielsweise im Zusammenhang mit schwankenden Preisen von Waren aus Übersee, z.B. Südfrüchte, Kaffee, Öl und Treibstoffe, von hoher Bedeutung ist.

Andererseits muß die sozialistische Warenkultur unter den Zielstellungen der Langlebigkeit und Reparaturfreundlichkeit anders als in der kapitalistischen bewertet werden. Demgegenüber ist aber auch das Lohnniveau durch das hier geltende Recht auf Arbeit anders gestaltet als im Kapitalismus, z.B. wird Vollbeschäftigung gesichert, wodurch die Probleme der Arbeits- und Obdachlosigkeit wegfallen. Sicher ist eine höhere Kaufkraft des Geldes im Kapitalismus von Vorteil, jedoch nur für die Bevölkerungsteile, die auch genügend oder überhaupt ausreichend Geld besitzen. Selbstverständlich darf es im Sozialismus Kaufkraftveränderung durch Beweglichkeit der Preise nach unten aufgrund Rationalisierung geben, gab es auch permanent und wurden in permanenten Produktionssteigerungen sichtbar. „Die ökonomische Reform des Sozialismus“ ist denkbar, jedoch nur in Richtung einer höheren Gesellschaftsorganisation, wie bereits mehrfach betont. Die „ökonomische Reform“ in den Staaten des RGW 1989/90 war vorrangig eine politische, auf Revisionismus begründete Selbstaufgabe, die freilich ökonomische Mängel vorschob, jedoch keinesfalls alternativ sein oder werden konnte.

25.

Jacobs: „Die ökonomische Funktion des sozialistischen Staates muß als innere der Gesellschaft bestimmt werden und die Gesellschaft - neu bestimmt werden, anders, geändert zur Warenproduktion.“ –

Die Definition der ökonomischen Funktion des sozialistischen Staates allein ist nicht ausreichend. Erstrangig ist seine politische Funktion, wie bereits geklärt, im Sozialismus eine Übergangsfunktion in der er sich selbst und die Ökonomie der Warenproduktion als gesellschaftliches Verhältnis der Ware/ Geld/Beziehungen abzuschaffen hat. Ich sehe hier kein Primat einer inneren oder äußeren, sondern die dialektische Einheit beider Seiten als eine. Allerdings besteht ein Problem. So lange kapitalistische Umkreisung besteht, ist keine Abschaffung des sozialistischen Staates möglich.

26.

Jacobs: „Wir haben ja auf die innere Funktion im Sozialismus hingewiesen, Preise werden im Sozialismus für die Arbeit der Betriebe gebraucht. Die festen fixierten Preise drücken statt des gesellschaftlich notwendigen Verbrauchs an lebendiger Arbeit den gesellschaftlich notwendigen Verbrauch an (ver)gegenständlich(t)er Arbeit aus, wegen dieses Unterschieds (...) können die Preise nicht von den Betrieben genommen werden , sondern sie sind Ausdruck der Arbeit der Betriebe von denen die Gesellschaft, der Staat abhängig sind, mit denen sie arbeiten müssen um planen zu können.“ -?- (nein, die Gesellschaft, der Staat, müssen die Planung sichern, damit im Sozialismus gearbeitet werden kann) „Als der selbe Preis für alle Betriebe, so individuell sie arbeiten und Arbeit verbrauchen bei der Arbeit, ist der Preis - eine Art Richtschnur, für den Verbrauch der Arbeit beim Gebrauch der Arbeit“.(...) „Der Verbrauch ist über den Preis überhaupt nur gemessen unter der Bedingung, daß der Wert nicht gemessen werden soll.“

Das ist eine hypothetische Behauptung unseres Autors, die sich für ihn von selbst aufhebt, sobald er die eingangs angegebene einschlägige Literatur studiert, z.B. laut Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus, Dietz Verlag 1989, unter Preis: Seiten 737 bis 745.

27.

Jacobs: „Kann man mit dem Verhältnis zum Wert gesellschaftlich effektiver arbeiten, als mit dem Verhältnis zum Verbrauch?“ (...) „keine Frage, weil man sich zum Wert rational nur in der produktiven Arbeit (..) zum Verbrauch rational nur in der produktiven Konsumtion.“ (...) „..in der einen Beziehung zur lebendigen Arbeit und in der anderen nur, zur (Ver)gegenständlich(t)en, ergibt sich aus der Natur des Objekts.“

Auf das dialektische Verhältnis von Wert und Tauschwert in jeder arbeitsteiligen Produktion wurde mehrfach hin- und sie ist in der angegebenen Literatur nachgewiesen. Beide sind eine dialektische Einheit, also nicht zu trennen.

28.

Jacobs: „Gesellschaftlich wird die Aneignung durch die Arbeit der anderen beherrscht. Formell aber ist die Frage damit beantwortet, daß zur Aneignung des Wertes ein Wertpreis, d.h. ständig mobiler, oszillierender Preis gehört, also wirkliche Regulation der Produktion auch durch einerseits den Wert, andererseits die Abweichungen von ihm - und den hatte der reale Sozialismus nicht; er regulierte durch Fonds, weshalb ein Sozialismus mit Wertpreis grundsätzlich ein anderer als der reale sein will. Die Verhältnisse zum Preis und zum Geld waren im Sozialismus grundsätzlich neue, weshalb die Frage nicht darin bestehen kann, ob sie für eine Warenproduktion getaugt haben, sondern gut (und zu verbessern) waren für eine Warenwirtschaft.“

Ich denke, so lange die Diskrepanz zwischen Aufkommen und Bedarf noch nicht ohne Geld abzuwickeln ist, wird es Markt und Waren als integrierte Bestandteile der Planwirtschaft und stimulierende Preisgestaltung geben müssen. Planmäßige Preisbildungspolitik besagt noch lange nicht, daß das Wertgesetz außer Kraft gesetzt ist, sie muß sich ja darauf stützen. Lapidare Zuweisungen von Anachronismen ohne Beweis können nicht ernst genommen werden. Es mag in einer neuen Gesellschaft wohl so sein, daß die Ökonomie stärker ist als die Akteure, aber nicht umgekehrt, die Akteure Anachronismen praktizieren dürfen, ohne von der Ökonomie bestraft zu werden.

29.

Jacobs: „Das erste, was die politische Wende in Osteuropa beseitigt hat, war daher das Preissystem des Sozialismus resp. Das Verhältnis der Betriebe zum Geld. Das Wissen des Kapitalismus vom  Sozialismus – oder der Form des Gegensatzes zum Sozialismus war klarer als das Wissen der Sozialisten vom Sozialismus – oder der ersten Formen des Gegensatzes zum Kapitalismus „

Ich meine: Das erste, was die Wende verändert hat, war das Verhältnis zum Privateigentum an Produktionsmitteln und damit zum Geld. Das Wissen des Kapitalismus vom Sozialismus war klarer als das Wissen vieler, sogar führender Sozialisten vom Kapitalismus. Die Macht des Geldes und der ideologischen Diversion gegenüber Borniertheit und Dummheit der vermeintlich Linken im sozialistischen System in Osteuropa waren stärker und sind stärker denn je und ihre Verwirrung darüber ist immer noch stärker als ihr Klassenbewußtsein oder das, was sie jemals davon besaßen..

30.

Jacobs: „Der Sozialismus, der seines Verhältnisses zum Wert resp. Wertgesetz kritisiert ist, ist immer an der Wende gemessen , d.h. an einer wirklichen Wiederherstellung einer Waren- und Wertökonomie. Er ist darum nicht erkannt, wenn er als Wertgesetz resp. des Mangels an diesem Gesetz erkannt werden will.“

Es ist schwer zu verstehen, was unser Autor eigentlich wirklich über Ökonomie des Kapitalismus und Sozialismus weiß und was er uns eigentlich sagen will. Sind es provozierende, oder sind es resignierende Fragen ?

Für mich stellen diese 73 Jahre Übergang und Verwirklichung des Aufbaues des Sozialismus und auch des Suchens nach den Ursachen für den Abgang insgesamt einen unschätzbaren Erfahrungswert für den weiteren Kampf um die Emanzipation der Menschheit dar, im Positiven wie im Negativen.

Schlussbemerkung

Ich selbst habe nie so intensiv in Rekapitulation von Gelerntem, gemachten Praxiserfahrungen und erneutem Studium gleichzeitig so viel neu hinzu gelernt wie bei dem Versuch der Beantwortung dieser Fragen und Behauptungen von Hermann Jacobs. Aber eines möchte ich abschließend sagen: Ich war nie stolzer auf das, was wir hier von 1945 an bis 1989 erarbeitet, erbaut und gelebt haben, als nach dieser Wahnsinnsarbeit der Entwirrung und Entschärfung des Fragments von Hermann Jacobs über die Ökonomie des Sozialismus. Dafür, daß ich hierbei Vieles neu hinzu gelernt und erkannt habe, möchte ich mich bei Hermann Jacobs wie auch bei der Redaktion von Offensiv herzlich bedanken.                                   Ingeborg Böttcher, Altlandsberg

Zum Tod des Genossen Gerhard Niebling

Willi Opitz[61]: Rede auf der Trauerfeier für Gerhard Niebling

Gehalten am 19. Mai 2003, 13.30 Uhr, auf dem Zentralfriedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde

Verehrte Brigitte, werte Familienangehörige, liebe Genossinnen der DKP und der KPD, liebe Kampfgefährten!

Dr. Gerhard Niebling, dessen wir in dieser Stunde tiefster Trauer gedenken, ist am 27. April, wenige Tage nach seiner schweren Nierenoperation, im Berliner Elisabeth-Krankenhaus verstorben. Sein Herz hatte nicht mehr die Kraft, den gesundheitlichen Belastungen standzuhalten. Für Dich, liebe Brigitte, ist nun die besonders schmerzvolle Stunde des ehrenden Abschieds von Deinem Dir in Liebe und Treue verbundenen Gerhard gekommen. Auch wir, seine langjährigen Weg- und Kampfgefährten im Ministerium für Staatssicherheit der DDR sowie die Deutsche Kommunistische Partei, deren Mitglied er war, die vielen Freunde und Mitstreiter nehmen heute Abschied von Genossen Generalmajor des MfS der DDR, Dr. Gerhard Niebling, von unserem hoch geschätzten Atze, wie ihn seine engsten Freunde nennen durften.

Das Kämpferherz eines aufrechten Kommunisten, der sein Leben in den Dienst des Schutzes der bisher größten Errungenschaft der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung, der Deutschen Demokratischen Republik, für Sozialismus und den Frieden stellte, hat aufgehört zu schlagen. Gerhard war ein glühender und überzeugter Kommunist. Er wollte ein sozialistisches Deutschland, in dem die Menschen in Würde und Sicherheit arbeiten und leben können. Das verband ihn auf’s engste mit seiner, mit unserer DDR. Für ihre Entwicklung, für die Sicherheit des sozialistischen Staates und der Bürger setzte er seine ganze Kraft ein.

Diesen Idealen fühlte er sich auch nach der Niederlage des Sozialismus auf deutschem Boden, nach der konterrevolutionären Restauration des Kapitalismus in der DDR, mehr denn je verpflichtet. Das um so mehr angesichts der von den vermeintlichen Siegern der Geschichte inszenierten Ausgrenzung und Rache gegenüber staatsbewussten Bürgern der DDR. Davon waren Gerhard und Du. Liebe Brigitte, unmittelbar betroffen. Die einstigen und heutigen Feinde der DDR konnten Euch beide, konnten Genossen Gerhard Niebling nicht brechen. Er war und bleibt ein Vorbild an unerschütterlicher politischer Treue und Verantwortung, an klassenbewusster Pflichterfüllung und Aufopferung. Für ihn gab es bis zuletzt nur eine Lebenshaltung:

Mit Leib und Seele Kommunist sein,

heißt auch in den schwierigsten Situationen

Kopf hoch und nicht die Hände,

heißt selbstbewusst handeln,

Menschen überzeugen und mitreißen,

der Wahrheit und Gerechtigkeit zum Siege verhelfen!

Am 16. Juli 1932 wurde Gerhard im thüringischen Marksuhl als Sohn der klassenbewussten Arbeiterfamilie Eva und Karl Niebling geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und dem Abschluss der Ernst-Abbe-Oberschule in Eisenach mit dem Abitur wurde er – wie sein Vater – Kali-Bergmann. Im Kaliwerk Heiligenrode arbeitete er zunächst als Grubenarbeiter. Gerhard war zwanzig Jahre jung, als er 1952 dem FDJ-Aufgebot zur Stärkung der bewaffneten Kräfte folgte und seinen Dienst im Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratische Republik aufnahm. Nunmehr in Berlin, begegnete Gerhard auch Dir, liebe Brigitte. 1956 habt Ihr beide die Ehe – den Bund für’s Leben geschlossen und mit der Geburt Eurer Carola und Eures Michael Freude, aber auch schweres Leid durchlebt.

In jeder Situation hast Du. Liebe Brigitte, als politisch engagierte Ehefrau, als Hausfrau und Mutter, als Mitarbeiterin im MfS, als Mitglied der SED und später der DKP in Liebe und Treue fest zu Gerhard gestanden. In seinen fast 40 Jahren verantwortungsvoller Tätigkeit im MfS, im AfNS (Amt für nationale Sicherheit) und in deren Auflösungszeit, in der über ein Jahrzehnt anhaltenden politisch motivierten Strafverfolgung, der Zeit der Strafrente, der Verleumdung bzw. verlogenen Unterstellungen, in seiner rastlosen Parteiarbeit in und für die DKP – immer konnte er sich auf Dich, auf Dein Verständnis, auf Deine Treue zu seinem politischen Lebensinhalt verlassen. Gerhards ideenreiches und verlässliches Wirken, sein tagtägliches schier unerschöpfliches und sprudelndes Handeln für unsere gute Sache wäre ohne Deine selbstlose Hilfe und Unterstützung nicht möglich gewesen. Du warst besonders im letzten Jahrzehnt seine gute Seele, seine Sekretärin zu Hause. In unzähligen Tag- und nicht weniger Nachstunden hast Du Gerhard – manch Persönliches hinten an stellend – uneigennützig geholfen. Gewissenhaft hast Du dem Computer eingegeben, was Gerhard zu Papier brachte, was er an neuen Ideen und Initiativen auf den Weg bringen wollte und brachte.

So konnte Gerhard in seiner politischen Arbeit jene Erfüllung finden, die seiner Lebenshaltung entsprach – und die zugleich auch seine Selbstmedizin war, um mit den schweren gesundheitlichen Belastungen lebensbejahend fertig zu werden. Ich spreche ganz im Sinne von Gerhard, wenn ich Dir dafür, hochverehrte Brigitte – auch im Namen der Kampfgefährten im MfS sowie der Genossen der DKP und der KPD sowie anderen Freunden Gerhards – aufrichtig Dank sage. Du kannst heute erneut die Versicherung entgegen nehmen: Gerhards und Deine Freunde und Genossen stehen nun um so mehr in treuer Verbundenheit an Deiner Seite.

Werte Familie, liebe Freunde und Genossen!

Gerhard gehörte zur heute legendären ersten FDJ-Generation in der DDR, die sich nach dem 8. Mai 1945 mit Enthusiasmus daran machte, im Osten Deutschlands die Trümmer der faschistischen Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges zu beseitigen, die eine neue, dem Frieden, der Völkerverständigung und dem sozialen Wohl der arbeitenden Menschen verpflichtete Gesellschaft aufbaute und diese vor ihren Feinden schützte.

Im März 1952 wurde Gerhard Mitarbeiter des erst zwei Jahre alten Staatssicherheitsorgans der DDR, die den Beschluss gefasst hatte, unter Führung der SED die Grundlagen des Sozialismus auf deutschem Boden aufzubauen. Nicht wenige innere und äußere Gegner der antifaschistisch-demokratischen Ordnung sowie Feinde des sozialistischen Aufbaus setzten in ihrem Widerstand gegen diese Entwicklung auf den Westen, auf Adenauers „Ostpolitik“ zur Restauration des Kapitalismus und zur Wiedererrichtung der Herrschaft der Bourgeoisie im Osten Deutschlands. Die DDR wurde immer drohender in das Visier der neuen USA-Strategie des „Roll-Back“ genommen. Die BRD unter Konrad Adenauer verkündete nicht nur unverhohlen ihre Feindschaft zur DDR. Mit der Remilitarisierung, der Integration ehemaliger Nazis bis hin zu faschistischen Kriegsverbrechern in die Führungsetagen des Staates, der Wirtschaft und Gesellschaft, mit der Eingliederung der BRD in die westlichen militärischen Bündnisse sollte der Boden für eine „Befreiung der Brüder und Schwestern im Osten“ bereitet werden. Es war eine Hochzeit des Kalten Krieges, äußerst komplizierter internationaler Bedingungen und außerordentlich zugespitzter innerer Entwicklungsprobleme  in der DDR.

Nach Absolvierung eines Einjahreslehrganges an der gerade erst gebildeten Schule des MfS in Potsdam-Eiche wurde Gerhard im April 1953 Mitarbeiter der Hauptabteilung Untersuchung im MfS Berlin. Dort entwickelte er sich zu einem gewissenhaft arbeitenden Untersuchungsführer, zu einem anerkannten Fachmann bei der Untersuchung und Aufklärung von Spionagedelikten der imperialistischen Geheimdienste, insbesondere der in der BRD und in Westberlin etablierten. Er war u.a. maßgeblich beteiligt an der Entlarvung von Spionen und Agenten des US-amerikanischen Geheimdienstes und der „Organisation Gehlen“ (dem späteren Bundesnach-richtendienst der BRD). Sie waren für den Kriegsfall ausgebildet und ausgerüstet, realisierten für ihre westlichen Auftraggeber Spionageaufträge auf dem Territorium der DDR. Aufgrund seiner gründlichen, überlegten politisch und fachlich kompetenten Arbeit wurde Gerhard frühzeitig mit leitenden Funktionen in der Untersuchungsarbeit betraut.

Nach der Sicherung der Staatsgrenze der DDR zur BRD und nach Westberlin entwickelte er sich zu einem Spezialisten der strafrechtlichen Bekämpfung von kriminellen Menschenhändler-banden, von schweren Angriffen gegen die Staatsgrenzen der DDR und in verbündeten sozialistischen Staaten. Bedeutsame Prozesse vor dem Obersten Gericht der DDR, die unumstößliche Nachweise für Verbrechen gegen unsere Staats- und Rechtsordnung sowie gegen Leben und Gesundheit der Bürger erbrachten, basierten auf Untersuchungsergebnissen, zu denen Gerhard Niebling führend mit beigetragen hat – zuletzt als Stellvertreter des Leiters der Hauptabteilung IX im MfS.

1983 wurde ihm die Leitung der Zentralen Koordinierungsgruppe im MfS zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung ungesetzlicher Grenzübertritte, zur Zurückdrängung von Übersiedlungsersuchen sowie zur Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels übertragen. Durch Gerhards politisches Verantwortungsbewusstsein gepaart mit hoher fachlicher Kompetenz im Handeln, mit der Fähigkeit, effektive Zusammenarbeitsbeziehungen zu organisieren und vertrauensvolle Kontakte herzustellen, entwickelte er seine Diensteinheit zu einer die Arbeit auf den genannten Gebieten koordinierenden Einrichtung. Sie wirkte mit den Organen des Ministeriums des Innern, der Deutschen Volkspolizei, der Zollverwaltung der DDR und den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen eng und kameradschaftlich zusammen.

Über diese seine Arbeit und Verantwortung berichtet Gerhard sehr ausführlich und mit der kritischen Sicht eines wahrlich nicht unbedeutenden Zeitzeugen in seinem mehr als 80-seitigen Beitrag im zweibändigen Sachbuch „Die Sicherheit“ Zur Abwehrarbeit des MfS“. Es ist vor einem Jahr im Verlag „edition ost“ erschienen – und steht in Kürze vor seiner dritten Auflage.

Gerhard Niebling war überzeugter Internationalist. Im Rahmen seiner Verantwortung und seiner Möglichkeiten trug er wesentlich dazu bei, die Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane verbündeter sozialistischer Staaten bei der Abwehr von verbrecherischen Anschlägen gegen die Staatsgrenzen zu erweitern und zu festigen.

Anfang der 70er Jahre half er einem jungen befreiten Nationalstaat bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen eines international bekannten Söldnerführers. Die Untersuchungsergebnisse erbrachten Einblicke in die Politik des verdeckten Krieges imperialistischer Staaten, in die neokolonialistischen Machenschaften ihrer Geheimdienste und Konzerne aber auch so genanter „humanitärer Hilfsorganisationen“, wie gegenüber Vietnam, Kongo, Nigeria, Algerien und Südsudan.

Gerhard hat seine reichen Arbeitserfahrungen nie egoistisch als sein Geheimnis, als sein Eigentum betrachtet. Immer ging es ihm darum, möglichst rasch gute Erfahrungen, neue Erkenntnisse und neues Wissen im Interesse der Sicherheit auszuwerten, Schlussfolgerungen abzuleiten und praxiswirksam zu machen. Für diese hervorragende wissenschaftliche Leistung zum Nutzen der sozialistischen Landesverteidigung erhielt Gerhard Niebling als Mitglied eines Kollektivs 1975 den Friedrich-Engels-Preis 1. Klasse.

Besonders eng waren seine Beziehungen zur juristischen Hochschule Potsdam, der zentralen Bildungs- und Forschungsstätte des MfS. Nachdem Gerhard 1971 ein vierjähriges Fernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin als Diplom-Kriminalist erfolgreich absolviert hatte, promovierte er 1979 an der Juristischen Hochschule Potsdam zum Doktor der Rechtswissenschaften mit dem Prädikat „magma cum laude“. Er gehörte zu den aktivsten Praxisvertretern in den wissenschaftlichen Beiräten der Hochschule. Er war Praxispartner für Lehre und Forschung, betreute Offiziersschüler und Studenten bei der Erstellung von Diplom- und Fachschulabschlussarbeiten, hielt an der Hochschule sowie im Rahmen der Ausbildung in den Diensteinheiten Vorträge zu neuesten Erkenntnissen auf ausgewählten operativen Sachgebieten.

Gerhard gehörte zu den Aktivisten der Öffentlichkeitsarbeit des MfS.

Seinen Lebensidealen treu bleibend, stellte sich Genosse Niebling mit seiner ganzen Person und seinen Lebenserfahrungen in den Dienst der Partei, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, in den Dienst zur Erfüllung des von ihr dem MfS erteilten Klassenauftrages. Er genoss nicht nur bei den Mitarbeitern seiner Diensteinheit, sondern im MfS insgesamt, aber ebenso bei den Angehörigen der anderen staatlichen Organe und Einrichtungen, den Partnern des Zusammenwirkens zum Schutz und zur Sicherung der DDR großes Ansehen und eine hohe Autorität. Das sowohl wegen seiner großen Lebens- und Kampferfahrungen, seiner Parteilichkeit, Prinzipienfestigkeit und Flexibilität, seiner vorgelebten Einheit von Wort und Tat, als auch wegen seiner Bescheidenheit, seiner hohen Arbeitsmoral und seiner schier unerschöpflichen Ideenvielfalt, besonders auch dann, wenn politisch anspruchsvolle und dringende Aufgaben zu lösen waren.

Liebe Trauergäste!

Der heutige Abschied von Gerhard ist für uns, die wir ihn aus gemeinsamer angestrengter Arbeit kennen und schätzen, auch deshalb besonders schmerzvoll, weil uns sein Lebensoptimismus, sein Humor auch in schwierigsten Phasen der Arbeit und der Lage sehr fehlen werden. Gerhard war in der Tat ein Genosse mit Herz und Verstand. Dazu gehört auch: er war eine Frohnatur, wie das zu Recht im Nachruf der „jungen Welt“ herausgestellt wurde. Das alles machte ihn zu einem Menschen, der von seinen Mitkämpfern und Freunden geliebt und geachtet und von seinen Feinden gehasst wurde.

1981 wurde Gerhard Niebling mit dem Ehrentitel „Verdienter Mitarbeiter der Staatssicherheit“ ausgezeichnet. 1984 erfolgte seine Ernennung zum Generalmajor. Mit der Verleihung des Vaterländischen Verdienstordens, des Ordens Banner der Arbeit, des Kampfordens für Verdienste um Volk und Vaterland und andere hohe Ehrungen durch die SED- und Staatsführung, durch den Minister für Staatssicherheit, den Minister des Innern sowie die Leiter anderer Staatsorgane der DDR wurden seine Leistungen für den Schutz der Republik und der Bürger hoch gewürdigt. Zahlreiche Auszeichnungen sind Ausdruck der hohen Anerkennung seines persönlichen Beitrags für den Schutz der im Warschauer Vertrag verbündeten Staaten, für die Zusammenarbeit ihrer Staatssicherheitsorgane sowie für die solidarische Unterstützung befreundeter junger Nationalstaaten.

Werte Familie, liebe Genossen und Freunde!

Der Niedergang und der Zerfall der Sowjetunion, insbesondere der Verrat Gorbatschows am Bündnis der Sowjetunion im Warschauer Vertrag und im besonderen mit der DDR, die als „Wende“ und „Wiedervereinigung“ praktizierte konterrevolutionäre Beseitigung der DDR und ihrer Errungenschaften, die Überstülpung der kapitalistischen Macht- und Ausbeutungsverhältnisse der BRD auf den Osten Deutschlands und die damit einhergehende Rache der einstigen und heutigen DDR-Feinde haben bei Gerhard jenen Klassenhass, jenen Zorn bestärkt, der danach sein „Nun-erst-Recht“ und seine „Trotz-alledem-Haltung“ wesentlich bestimmte.

Als Mitautor des Beitrages zum Ende des MfS/AfNS im Sachbuch „Die Sicherheit“ macht er aus seinen klaren Positionen kein Hehl: Die Zerschlagung des MfS/AfNS stellet einen Dreh- und Angelpunkt in der Strategie und Taktik der Feinde der DDR dar, war wesentliche Voraussetzung für die Beseitigung der Machtverhältnisse in der DDR.

Als Mitglied der Beratergruppe zur Auflösung des MfS/AfNS waren seine Anstrengungen  und persönlichen Initiativen darauf gerichtet, insbesondere die Kundschafter und Inoffiziellen Mitarbeiter des MfS und die hauptamtlichen Angehörigen vor der Rache des zeitweiligen Siegers im Kalten Krieg zu bewahren. Das beinhaltete auch, mit ihren beauftragten Vertretern zu sprechen. Es ging Gerhard Niebling und den anderen Genossen dabei ausschließlich um humanitäre Lösungen zum Schutz von Menschen. Es ging darum, der inszenierten Hexenjagd auf inoffizielle und hauptamtliche Mitarbeiter des MfS ein Ende zu machen und den Missbrauch der Archive und Akten des MfS zu verhindern. Alle Bemühungen liefen aber bekanntlich ins Leere. Gerhard schreibt dazu in dem von ihm als „notwendige Empfehlung zur Nachlese“ überschriebenen Beitrag im Sachbuch „Die Sicherheit“: „Die ehemaligen Berater bei der Auflösung des MfS/AfNS können jedem Angehörigen und jedem Inoffiziellen Mitarbeiter des MfS offen in die Augen sehen. Keiner von ihnen machte sich als `Verräter`schuldig. Jeder wusste, wozu ihn seine Herkunft und Vergangenheit verpflichtete. Das sollte auch kein anderer vergessen!“

Engagiert und unermüdlich setzte er sich für die unterschiedlichsten Belange seiner einstigen Mitarbeiter, insbesondere für die Beseitigung der Strafrenten ein. Er war Mitinitiator und Mitbegründer von ISOR, der Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR. Gerhard Niebling hat sich schützend vor jene Kampfgefährten gestellt, die der Ausgrenzungs- und Verfolgungshysterie im besonderen Maße ausgesetzt waren und noch immer sind. Er wurde – wie bereits ausgeführt – selbst Betroffener der Siegerjustiz.

In sich Jahre hinziehenden Ermittlungsverfahren durch Sonderermittlungsbehörden der BRD sowie Gerichtsverfahren vor dem Landgereicht Berlin – begleitet von zeitgeistverpflichteten Medien – wurde alles versucht, um unserem Gerhard strafrechtlich zu ahndende Verletzungen der Gesetze der DDR nachzuweisen. Alle Gerichtsverfahren endeten mit eindeutigen Freisprüchen. Das konstruierte Lügengeflecht brach auch Dank der Verteidigung zusammen. Aber wohl gewichtiger war das Auftreten, war der Charakter von Gerhard. Er verhielt sich immer korrekt. Ihm ließ sich trotz aller bösartiger Unterstellungen kein strafbelegtes Handeln nachweisen. Selbst  promovierter Jurist und diplomierter Kriminalist wies er die Beschuldigungen überzeugend zurück. Dies engagierte Auftreten vor den Schranken der Siegerjustiz war für Gerhard und für Dich, liebe Brigitte, war für Euch beide und für die gesamte Familie mit außerordentlichen Belastungen verbunden. Ihr habt – auch Dank der Solidarität der Freunde und Genossen – dabei wahrhaft Größe und Moral bewiesen und andere Betroffene in ihrer Standhaftigkeit bestärkt. Gerade auch dafür, liebe Brigitte, unser aller Dank Dir ganz persönlich.

Dem engagierten Denken und Handeln solcher Genossen wie Gerhard Niebling ist es zu verdanken, dass heute vor zehn Jahren, am 19. Mai 1993, die Gesellschaft für rechtliche und humanitäre Unterstützung gegründet wurde. Sie setzt sich seitdem besonders für jene Bürger ein, die wegen ihrer im Rahmen der Rechtsordnung der DDR aufgeübten Tätigkeit Strafverfolgungen ausgesetzt waren, von der politischen Strafjustiz verurteil wurden oder von ihr noch heute bedroht sind. Sie setzt sich ein für die ehemaligen Kundschafter des MfS, für Menschen, die außerhalb der DDR Friedensarbeit verrichteten, die deshalb verurteilt, verfolgt, bedroht und ausgegrenzt werden.

In dieser Widerstands- und Opfergemeinschaft habt Ihr beide, Gerhard und Du. Liebe Brigitte, solidarische Hilfe und Unterstützung erhalten. Und zugleich hat sich Gerhard mit Deiner Unterstützung, mit seiner bewundernswerten Energie und trotz voranschreitender Verschlechterung seiner Gesundheit  dafür eingesetzt, allen Betroffenen Hilfe angedeihen und spüren zu lassen.

Ist das nicht zu viel an Politik? Ja, ganz sicher. Aber wie könnte man über einen Kommunisten anders sprechen, ihn anders würdigen, als mit politischen Aussagen und Wertungen?! Gerhard war und bleibt beispielgebend in seinen Aktivitäten gegen die Verleumdung und Verteufelung des MfS und seiner inoffiziellen und offiziellen Mitarbeiter.

In zahlreichen Publikationen, in Materialzusammenstellungen für Buchprojekte und anderen Veröffentlichungen, in Offenen Briefen, auf Versammlungen, Foren und anderen Veranstaltungen trat er der Stasi-Hysterie, den Lügen und Unterstellungen entgegen. Dabei vertrat er das MfS immer in seiner Einheit von Aufklärung und Abwehr, ließ er sich immer von der Gesamtverantwortung des Staatssicherheitsorgans unter Führung der SED leiten. Das Autorenkollektiv des Sachbuches „Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS“ verliert in Gerhard einen Mitstreiter, der am Erfolg und den Wirkungen des Buches aktiv und schöpferisch beteiligt war. Trotz seiner ihn zunehmend belastenden Krankheit – zuletzt musste Gerhard dreimal wöchentlich zur Dialyse nach Templin – war er maßgeblich mit am raschen Vertrieb des Buches beteiligt. Auf zahlreichen öffentlichen Buchpräsentationen und –besprechungen hat er überzeugend Rede und Antwort gestanden – ob in Schwerin oder in Dresden vor jeweils mehr als 200 Teilnehmern, in Halle, in Hoyerswerda, beim Pressefest des ND im vergangenen Jahr, beim Solidaritätsbasar der Berliner Journalisten am Stand der „jungen Welt“ oder noch am 12. April in einer GRH-Versammlung in Berlin-Karlshorst, wenige Tage vor seinem Tod. Weitere Veranstaltungen waren von und mit ihm vorbereitet und geplant. Sie in seinem Sinne nun erst recht durchzuführen, ist für das Autorenkollektiv Ehrensache.

In Interviews und anderen publizistischen Beiträgen – so im „Roten Brandenburger“, dessen Redaktionsmitglied Gerhard war, ob für die Zeitschriften „Offensiv“, „Geheim“, „Weißenseer Blätter, „Ikarus“, um nur einige zu nennen – Gerhard hat sich immer öffentlich zur DDR, zum MfS bekannt und Verantwortung übernommen. Erinnert sei an seinen bedeutsamen Beitrag zu den Zielen und den Hauptinhalten der imperialistischen Strategie gegen die DDR auf der von den Zeitschriften „Offensiv“ und „RotFuchs“ veranstalteten Konferenz „Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe im 21. Jahrhundert“ in Berlin. Erinnert sei auch an seinen Beitrag während des Podiumsgespräches des „Berliner Alternativen Geschichtsforums“im Februar 2000.

Gerhards besondere Sympathie und Unterstützung galt der Zeitung „junge Welt“. Das konnten auch die Teilnehmer an dem von Gerhard und Brigitte organisierten freundschaftlichen Zusammentreffen am 2. Oktober vergangenen Jahres in Groß-Dölln sehr persönlich erleben.

Gerhard lag besonders daran, den jungen Menschen, auf die die zeitgemäßen Geschichts- und Aktenverdreher erdrückend einwirken, die geschichtliche Wahrheit zu vermitteln, sie mit den Lebens- und Kampferfahrungen jener Zeitzeugen vertraut zu machen, die heute diskriminiert werden, ja mundtot gemacht werden sollen.

Als überzeugter Kommunist hat sich Gerhard in die Deutsche Kommunistische Partei eingereiht. Seine Antwort war stets: „Laßt uns eng zusammenarbeiten, diese Zeit braucht uns alle! Ich habe mich mit meiner Brigitte für die DKP entschieden – und da bin ich richtig!“ Besonders hoch schätzen seine Genossen sein unermüdliches und ideenreiches Handeln für die Entwicklung der gesamten Partei. Bleibende Verdienste erwarb sich Gerhard beim Aufbau und der Festigung des Landesverbandes der DKP Brandenburg und der DKP-Gruppe Barnim. Auch in dieser seiner Parteiarbeit zeichnete er sich aus: Seine Ideen für eine lebendige inhaltliche und organisatorische Parteiarbeit verband er stets mit Vorschlägen und seinem eigenen persönlichen Einsatz für ihre Umsetzung.

Ich habe als Mitglied der KPD viele Diskussionen mit meinem Freund und Genossen Atze geführt. Ich habe feststellen können, dass wir übereinstimmende Auffassungen und Positionen vertraten, besonders bezogen auf die Notwendigkeit der Schaffung der Aktionseinheit. Er sah es als sehr tragisch und verhängnisvoll an, dass gerade jetzt die linken Kräfte in diesem Lande erneut zerstritten, gespalten sind. Wir hatten darüber nach der bereits erwähnten gemeinsam am 12. April in Berlin-Karlshorst durchgeführten Veranstaltung wiederum ein längeres Gespräch. Hier seine Position: „Wer angesichts der Lage in diesem Lande, wer angesichts der massiven Angriffe auf die Lebenslage der arbeitenden, aber auch der arbeitslosen Menschen, auf Kranke, Rentner und Hilfsbedürftige, wer angesichts der Kriegspolitik, wer angesichts der immer frecher werdenden Umtriebe der Rechtsextremisten und Rassisten nicht bereit ist für gemeinsame Gespräche und Aktionen, für die Aktionseinheit, der bürdet sich eine schwere Schuld auf.“

Lieber Freund und Genosse Gerhard, indem ich auf die anwesenden führenden und ehrenamtlichen Genossinnen und Genossen der DKP und der KPD baue, versichere ich Dir: Wir werden in Durchsetzung der auf den Konferenzen für Aktionseinheit, gegen Neofaschismus, für Frieden und soziale Gerechtigkeit getroffenen Vereinbarungen und aufbauend auf dem zumindest im Land Brandenburg bestehenden Entwicklungsstand unsere Anstrengungen erhöhen, damit die Aktionseinheit weiter ausgebaut, damit die Zersplitterung der Linken überwunden wird, damit es letztlich zur Bildung der auch von Dir angestrebten marxistisch-leninistischen Partei kommt.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir alle stimmen wohl darüber überein: Wir verlieren mit Gerhard Niebling einen der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung, dem Marxismus-Leninismus treu ergebenen Genossen, einen Freund, einen wahren Menschen. Der Kommunist Gerhard Niebling wird uns allen fehlen. Sein Tod hinterlässt eine Lücke, die nur schwer zu schließen ist Ein Geschenk für uns alle, dass wir mit ihm, unserem Atze, gemeinsam arbeiten und kämpfen konnten.

Liebe, hochverehrte Brigitte, im Wissen um Gerhards Krankheit und in der Hoffnung auf eine erfolgreiche Operation hast Du, Deine Tochter, Enkel und Verwandte schmerzvoll durchlebt, dass die ärztliche Hilfe vergebens war. Es kann und soll den Schmerz nicht verdrängen, wohl aber darin Halt geben: Hätte die Krankheit Gerhard ein für allemal ans Bett gefesselt, wäre er zur Untätigkeit verurteilt worden – daran wäre er voller innerer Qualen zerbrochen. Sein Tod, so schmerzvoll er für Dich, liebe Brigitte, für Deine Familie und für uns alle auch ist, erhält uns jenen Gerhard, jenen großartigen Genossen und Freund im Gedächtnis, wie wir ihn liebten und verehrten. Sein 70. Geburtstag im vergangenen Jahr, die große Schar der Gratulanten, haben Gerhard spüren lassen, wie beliebt er war, wie hoch er geschätzt wurde.

Gerhard war ein Mensch, der den offenen, ehrlichen Kontakt mit seinen Freunden und Genossen, mit seinen Nachbarn, mit den Menschen um sich herum brauchte und deshalb suchte und unterhielt.

In der Stunde des ehrenden Abschieds erfülle ich Deine Bitte, Liebe Brigitte, hier in Deinem Namen jenen Freunden und guten Menschen zu danken, die Gerhard und Euch beiden in Groß-Dölln und darüber hinaus hilfreich zur Seite standen, die Dir versicherten, dass Du Dich immer auf sie verlassen kannst. Ebenso gebührt jenen fürsorglichen Menschen Dank, die alles daran gesetzt haben, Gerhards schwere Krankheit zu lindern, ihm zu halfen, trotz allem ein rastloser politischer Arbeiter und Kämpfer zu sein.

Hochverehrter Gerhard, teurer Freund, Genosse und Kampfgefährte, wenn wir auch heute von Dir Abschied nehmen müssen, in unseren Herzen und Erinnerungen wirst Du weiterleben. Wir werden alles tun, damit auch nachfolgende Generationen sich Deines Lebenswerkes und Deiner Ideale bewusst werden. Wir geloben Dir - unserer gemeinsamen Überzeugung getreu - den Lügen und dem Hass unserer Feinde weiterhin die Stirn zu bieten und der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen.

Erfüllen wir im aufrechten Gang durch die von Anfeindungen geprägte Zeit das Vermächtnis des Kommunisten Gerhard Niebling!

                                                                                                                                    Willi Opitz, Potsdam

Harpal Brar: Dank für die Lesereise

Harpal Brar: Danksagung an die deutschen Genossen!

Im März und April dieses Jahres hatte ich wieder die Gelegenheit, mit Genossen und Freunden in vielen verschiedenen Städten Deutschlands zu diskutieren. Es ging diesmal um ein sehr wichtiges und kompliziertes Thema: die Gründe für den Zerfall des Sozialismus in der Sowjetunion! Mitten im imperialistischen Raubkrieg gegen den Irak befaßten sich viele Genossen und interessierte Zuhörer mit großem Engagement mit einer Frage, deren korrekte Beantwortung entscheidend ist für die Zukunft des Proletariats nicht nur in der ehemaligen Sowjetunion, sondern in der ganzen Welt: Denn viel hängt davon ab, daß es seine Geschichte versteht, daß es seine Würde zurück erhält, daß es stolz ist auf seine ungeheuren Errungenschaften, daß es weiß, worauf es aufbauen kann, wenn es gilt, die Menschheit von der Bürde des Imperialismus zu befreien, die schon längst auf den Müllhaufen der Geschichte gehört, um endlich überall in der Welt eine menschenwürdige, d.h. sozialistische Gesellschaft zu errichten.

Für mich entscheidend in all den Diskussionen war, deutlich zu machen, wie sehr die Demontage der Person Stalins von einem der größten Führer der Arbeiterbewegung zu einem kriminellen Massenmörder und ignoranten Halunken darauf abzielte, das gesamte sozialistische Wirtschaftssystem zu untergraben und schließlich den Kapitalismus wieder einzuführen. Es mußte dabei viel über politische Ökonomie gesprochen werden. Zum Beispiel darüber, daß im Sozialismus die Warenwirtschaft zügig und kontinuierlich abgeschafft werden kann und muß, daß die sozialistische Wirtschaft und Gesellschaft unter der Führung Stalins exakt auf diesem Weg war und nur deshalb in der Lage, inmitten der Weltwirtschaftskrise kontinuierliches Wirtschaftswachstum und verbesserte Lebensbedingungen für das sowjetische Proletariat zu schaffen und schließlich die größte und aggressivste Armee der Welt, die faschistische Militärmaschinerie zu zerschmettern.

Bei allen Differenzierungen ist das die Haupterkenntnis, an die wir Kommunisten uns halten sollten. Nur so sind wir in der Lage, die vor uns liegenden Aufgaben kühn und hoffnungsvoll anzupacken, um dem Proletariat wieder Vorbild, Halt und Führung geben zu können im Wiederaufbau einer sozialistischen Gesellschaft, die sich diesmal nicht mehr aufhalten läßt, in eine kommunistische voranzuschreiten, in der die Ausbeutung, Degradierung, Isolierung, Demütigung, Verachtung und Vernichtung des Menschen durch den Menschen nur noch ein blasser Schatten der Vergangenheit sein werden.

Ich danke allen Genossen, die diese Lesereise ermöglicht haben: allen voran den Genossen von der offensiv, der Unterstützung des Pahl Rugenstein Verlags Nachfolger und den gastfreundlichen Genossen in den Städten Berlin, Bernau, Darmstadt, Dresden, Gelsenkirchen, Heidelberg, Jena, Leipzig, Potsdam, Schwedt und Strausberg. Allen Genossen viel Erfolg in ihrer Arbeit und im Aufbau der deutschen kommunistischen Bewegung im würdigen Andenken und in Kontinuität ihrer großen Arbeiterführer, allen voran des ruhmreichen Sohnes der Arbeiterklasse Ernst Thälmann, dessen Gedenkstätte ich die Ehre hatte zu besichtigen.

                                                                                                                                     Harpal Brar, London

Das Buch "Perestrojka – Der vollständige Zusammenbruch des Sozialismus" ist im Che&Chandler Verlag erschienen. Kontakt: info@che-chandler.com bestellt werden.

Wider den Parteiaustritt

Wilhelm Heinrich Rettler: Ich widerspreche

Lieber Herr Flegel, als Neubezieher der Offensiv möchte ich der Zeitung ein großes Lob aussprechen: Ich habe die März-April-Ausgabe 2003 (annähernd) vollständig gelesen. Das will mir mit anderen linken Publikationen nicht gelingen.

Ich widerspreche der in der Offensiv (und auch im RotFuchs) vorausgesetzten Theorie von der Möglichkeit eines parteilosen Kommunisten. Die Vertretung kommunistischer Positionen ist nicht an eine Parteimitgliedschaft gebunden.

Die Eigenschaft, Kommunist zu sein, erfordert aber neben dem subjektiven Element objektiv die Organisierung in der kommunistischen Partei. Das ist in Deutschland die DKP.

Ihr aktueller Zustand ist fraglos in jeder Hinsicht – wohlwollend gesagt – äußerst verbesserungswürdig. Man muss aber unbedingt versuchen, ihn zu verbessern. Ich halte das zumindest für möglich, und eine Alternative ist weit und breit nicht zu sehen.

Die Ost-KPD ist total überaltert, extrem mitgliederschwach und politisch in keiner Weise handlungsfähig. Es spricht viel dafür, dass sie sich in zehn Jahren biologisch erledigt haben wird. Was Marxisten noch in der PDS hält, ist mir schon seit fünf Jahren absolut schleierhaft.

Wenn kluge linke Publikationen wie Offensiv und RotFuchs durch überzeugende Beiträge im Verein mit der Irrlehre vom parteilosen Kommunisten Austritte aus der DKP produzieren (Leserbrief von Monika Kauf), so steht das den berechtigt kritisierten Fehltritten des Parteivorstands nicht nach.

                                                                                              Herzliche Grüße, W.H. Rettler, Wittenberg

Aufruf zum 8. Internationalen Treffen von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, Frankfurt/M, 26.-28.3.2004

Gemeinsam gegen Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und Krieg! Alle gemeinsam gegen das Kapital!

Der Vorbereitungsausschuss schickte uns den folgenden Aufruf. Im Begleitschreiben heißt es:

„Die Internationalen Treffen wurden von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, die in ihren Betrieben/Dienststellen oder/und in ihren Gewerkschaftsorganisationen eine den Arbeitsnehmer-Interessen verpflichtete, klassenkämpferische Haltung vertreten 1995 in Frankfurt/M ins Leben gerufen.

Es ist eine von der gewerkschaftlichen Basis ausgehende und auf die Gewerkschaftsbasis ausgerichtete Initiative. Sie richtet sich selbstverständlich auch an arbeitslose KollegInnen. Die Gewinnung von Funktionärsträgern in den DGB-Gewerkschaften für eine klassenkämpferische Position wird angestrebt.

Die Treffen sind in Anschauung und Praxis internationalistisch, da unsere KollegInnen in allen Ländern den gleichen Interessenkampf gegen das Kapital auszufechten haben.

Internationaler Erfahrungsaustausch und solidarische Zusammenarbeit wurden auf diesen Treffen unter den Leitsatz gestellt: „Alle gemeinsam gegen das Kapital!“

Dem Treffen in Frankfurt/M1995 folgten 1996 Argenteuil (F), 1997 Madrid (ES), 1998 Strasbourg (F), 1999 Ludwigsburg (D), 2000 Odense (DK) und 2001Bourges (F).“

 

Aufruf: „Gemeinsam gegen Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und Krieg! Alle gemeinsam gegen das Kapital!

1. Millionen von Kolleginnen und Kollegen in aller Welt leben heute unter einer extremen Ausbeutung. Löhne von 1 oder 2 Dollar am Tage bei 12 Stunden Arbeit, keinerlei Sozialversicherung, Kinderarbeit und viele Grausamkeiten mehr kennzeichnen ihren Alltag. Der Verursacher ist nicht der Mensch im allgemeinen, sondern das Kapital. In seinem globalen Streben nach bestmöglicher Anlage und Verwertung, in seiner globalen Jagd nach Sicherung der Rohstoffquellen vagabundiert es über den ganzen Erdball. Rücksichtslos und brutal. Krieg ist für das Kapital nur die Fortsetzung seiner Politik mit anderen Mitteln. Diejenigen, die sich wehren, werden als Terroristen bezeichnet. Das Kapital hat sich international riesige Reservearmeen an Arbeitskräften geschaffen, die es gegeneinander ausspielt. Die Arbeitslosigkeit in aller Welt ist für diesen Kapitalismus Mittel, diejenigen, die Arbeit haben, unter Druck zu setzen. Wo immer aber auch Arbeitslosigkeit, Krieg und Elend das tägliche Leben bestimmen, hat sich Widerstand von unten, von den betroffenen Menschen her entwickelt. Auch nicht die Unterdrückung und Ermordung zahlloser Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter , die sie in ihrem Kampf geführt und ihre Interessen formuliert haben, konnte das verhindern.

Wir wollen zur Entwicklung von gewerkschaftlichem Widerstand gegen diese Verhältnisse beitragen. Wir wollen Wege finden, der internationalen Ausspielung der Arbeiterklasse entgegen zu wirken.

2. Europa ist von Massenarbeitslosigkeit und Kriegsteilnahme betroffen. Es beteiligt sich in unterschiedlichen Formen an Angriffskriegen gegen andere Völker. Die Europäische Union versucht sich in direkter Konkurrenz zu den USA zu formieren. Die militärische Unterlegenheit soll durch massive Aufrüstungsprogramme, durch den Aufbau einer europäischen Armee verringert werden. Das ist teuer. Mit immer mehr Massensteuern und Abgaben aller Art werden die arbeitenden Menschen zur Kasse gebeten, sollen die Kriegabenteuer finanzieren.

3. Mit der Axt gehen die Unternehmerverbände und Regierungen an die Sozialversicherungs-systeme, um die Lohnnebenkosten in der Perspektive gänzlich los zu werden und hart erkämpfte Rechte und Errungenschaften aufzuweichen bzw. abzuschaffen. Der Versuch, in vielen Ländern den Kündigungsschutz auszuhebeln, ist ein beredtes Beispiel dafür. Lohnsenkungen, Billiglohnsysteme und Leiharbeit greifen um sich. Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Überall verlangt das Kapital die Steigerung seiner Renditen. Es wird hofiert, entlastet und subventioniert. Das angeblich dadurch zu bekämpfende Problem, die Massenarbeitslosigkeit, aber ist geblieben. Dringender denn je brauchen die arbeitenden Menschen gesetzliche und reale Garantien, dass sie auch im Alter, im Krankheitsfall sowie bei Arbeitslosigkeit in Würde leben können. Sie brauchen Garantien, dass sie bei Arbeitslosigkeit nicht gezwungen sind, jeden beliebigen Job anzunehmen, und sei es zu den schlechtesten, lohndrückendsten und unwürdigsten Bedingungen. Das wird den arbeitenden Menschen nicht geschenkt, das müssen sie sich erkämpfen! Das geht nur auf Kosten der Profite, auf Kosten der Verursacher. Das Kapital soll zahlen! Das muss die Losung sein!

4. Für uns als internationalistische Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter kommt es vor allem darauf an, den Widerstand gegen alle Angriffe zu unterstützen und dabei auch die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen und der Bevölkerung zu fördern, die internationalen Verhältnisse zu sehen und die internationale Solidarität zu entwickeln. Wir knüpfen an an den Kämpfen der internationalen Arbeiterklasse für die Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen, für ihr Recht auf freie gewerkschaftliche Organisierung. Wir knüpfen an an die großen europa- und weltweiten Demonstrationen und Aktionen gegen die Kriegspolitik der USA und Großbritanniens, gegen die Beteiligung vieler europäischer Staaten und Regierungen. Friedensbewegung und Arbeiterbewegung können nicht getrennt werden. Das soll Maßstab und Inhalt unseres 8. Treffens sein.

5. 1995 begannen unsere Treffen in Deutschland – in Frankfurt/M. Zehn Jahre später – nach einer Reihe von Meetings in Frankreich, Spanien und Dänemark – treffen wir uns an diesem Ort erneut. Vom ersten Treffen an haben wir großen Wert darauf gelegt, ein Forum zu sein, auf dem sich Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ländern treffen können, um Erfahrungen auszutauschen, gemeinsame Probleme zu besprechen und gemeinsame Antworten zu finden. Für uns steht immer im Vordergrund, Einheit und Solidarität von unten her zu entwickeln.

Dabei sind wir nicht die einzigen, die das praktizieren. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus den verschiedensten Ländern haben dieselbe Idee und setzen sie um. Unser Treffen versteht sich als Teil dieser Bestrebungen. Was aber in der Regel fehlt, ist die Kenntnis voneinander, der gegenseitige Austausch und eine sich daraus ergebende internationale Zusammenarbeit auf höchster Ebene. Wer auch immer in solchen Initiativen tätig ist – sie alle sind herzlich eingeladen, ihre Arbeit auf dem 8. Internationalen Treffen vorzustellen und bekannt zu machen.

 

Die Themen des 8. Treffens:

-         Arbeitslosigkeit und Sozialabbau

-         Krieg und Frieden

-         Aufbau internationaler gewerkschaftlicher Kontakte

 

 

Kontakt, Infos, Anmeldungen: Jürgen Burmeister, Gartensiedlung 18, 59192 Bergkamen,



[1] Dort gehören alle imperialistischen Kriegsverbrecher hin, wäre dieses Theater"gericht" nicht selbst von ihnen implementiert. Als propagandistische Forderung sollten wir hierzulande – weiterhin - mit "Schröder und Fischer  nach Den Haag!" Vorlieb nehmen. Das nur nebenbei.

[2] Diese gingen im übrigen auch mit einer verstärkten Repression nach innen bis hin zu militärischen Attacken auf die eigene Bevölkerung einher – man denke etwa nur an das Massaker an der Kent State University während des Vietnamkrieges.

[3] siehe Entwurf der neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) auf der Grundlage der Studie "Streitkräfte, Fähigkeiten und Technologien im 21. Jahrhundert" des Zentrums für Analyse und Forschung der Bundeswehr

[4] Eine Denunzierung jener europäischen Länder, die sich im Irak-Krieg offen auf die Seite der USA geschlagen haben, als US-Vasallen ("'Schoßhund' Blair, "rechtslastige Spießgesellen Aznar und Berlusconi", "rechtslastige Regierungschefs Portugals und Dänemarks" und "Wendekarrieristen" in Polen, Ungarn und Tschechien, vgl. Aufmacher-Artikel UZ vom 7.2.2003) ist dabei wenig hilfreich und suggeriert statt dessen, daß das gegen die USA gerichtete "alte Europa" tendenziell links bzw. fortschrittlich ist (Frankreich??) und nur die reaktionärsten Regime in Europa sich mit den USA verbünden bzw., wie es die Bildmontage mit den an Bushs Fäden zappelnden Regierungschefs nahelegt, lediglich US-Marionetten sind (anders als Belgien und Luxemburg, die sich auf die Seite Deutschlands und Frankreichs schlagen??).

[5] Wenn man die diesbezüglichen Talkshows in bundesdeutschen Kanälen einigermaßen verfolgt hat, konnte man feststellen, worum der eigentliche Streit zwischen SPD und CSU-außen einerseits und CDU-Vertretern andererseits ging: Die "besonnenen Transatlantiker" wollen Deutschland zumindest noch offiziell/diplomatisch an der Seite der USA halten und erst bei gewachsener militärischer Schlagkraft offen Gegenposition beziehen. Folgende Kostproben (sinngemäße Wiedergabe): "Wir sind uns doch darin einig, daß Deutschland eine Neuordnung des Nahen Ostens, wie ihn die USA vorsieht, nicht zulassen kann!" (Carsten Voigt, Koordinator der deutsch-amerikanischen Beziehungen der Bundesregierung, im Gespräch mit Wolfgang Schäuble). Die Antwort Schäubles: "Das ist richtig, aber wir müssen uns in unserer Kritik an den USA wie Freunde verhalten und nicht wie Gegner." In einem anderen 'Talk' erinnert wiederum Genscher an das US-Angebot der "Partner in Leadership" nach dem Fall der Berliner Mauer, während Egon Bahr lospoltert: "Die Amis müssen sich endlich daran gewöhnen, daß wir Europäer mit eigener Stimme sprechen." etc.etc.

[6] Wir erinnern uns, daß in der bundesdeutschen Presse schon 1991 der "chirurgische Krieg" und das "CNN-Monopol" kritisiert wurden. Allerdings war das Anti-Saddam-Getöse (Saddam = Hitler) wesentlich größer als heute. Heuer fand eine deutliche Akzentverschiebung statt in Richtung "Blut für Öl. Worum es im Irak-Krieg wirklich geht." (Der Spiegel und mit ihm alle im linksliberalen bis sich als kommunistisch verstehenden Blätterwald wiederholten beinahe gleichlautend die wahren US-Interessen.) Wie steht es aber um derzeitige Völkermorde um andere Rohstoffe? Zum Beispiel Krieg um Coltan (Colombo-Tantalit) in der DR Kongo ...

[7]  Abgesehen davon: Wie, bitteschön, stellt man sich einen völkerrechtskonformen Krieg vor? Etwa der erste Anti-Irak-Krieg, der mit dem Votum des Sicherheitsrats losgetreten wurde?

[8] Gemeint ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel die revsionistische Führung der „Irakischen Kommunistischen Partei“, die objektiv als Teil des politischen Rahmens der vom US-Imperialismus neokolonialen Besatzung des Irak wirkt. Ähnliches ist auch von der „Tudeh Partei Irans“ zu erwarten, deren Führung nicht nur historisch vollständig diskreditiert ist, sondern ihre „nationale Bündnispolitik“ auf die Zusammenarbeit auch mit Marionettenorganisationen des Imperialismus ausgerichtet hat. Auf Näheres kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden

[9] Ulrich Beck, Kanzlerberater, im Programm der Offenen Akademie der Münchner Volkshochschule für den April 2002.

[10] „Globalisierung gerecht gestalten“. Gemeinsame Erklärung von DGB, Attac und dem Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen. 17.12.2002, Seite 1.

[11] F. Scharpf, zit. nach: Joachim Bischoff, Globalisierung. Supplement der Zeitschrift Sozialismus 1-96.#%0

[12] Globalisierung gerecht gestalten, a.a.O., Seite 2.

[13] Eine wertvolle Sammlung solcher Feststellungen findet sich bei: Fuchs/Hofkirchner, Theorien der Globalisierung, „Z“ Nr. 48/01, Seite 27 ff.

[14] Tätigkeitsbericht des Exekutivkomitees der Komintern an den VI. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale, 18.7.1928. Protokoll des VI. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Bd. I, Reprint Erlangen 1972, S. 30. Siehe dazu auch das äußerst lesenswerte Buch eines bürgerlichen Autors: Harold James, Deutschland in der Weltwirtschaftskrise 1924-1936, Stuttgart 1988, Seite 124 ff.

[15] J.W. Stalin, Politischer Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees an den XV. Parteitag der KPdSU(B), 1927. In: Stalin Werke Bd. 10, Berlin 1953, Seite 238.

[16] W.I. Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. In: Lenin Werke Bd. 22, Berlin 1981, Seite 195.

[17] FAZ, 6.7.1999.

[18] Stefan Eggerdinger, Ergebnisse von Frieden und Krieg. Posten einer ökonomischen Bilanz Osteuropas. Streitbarer Materialismus Nr. 24, München 2001.

[19] Globalisierung ökologisch, sozial und fair gestalten. Handreichungen der Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion zum Bericht der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft“, Berlin o.J. (2002), Seite 7.

[20] Christian Bellack, Die Rolle der multinationalen Konzerne in der Triade. In: Österreichische ­Gesellschaft für kritische Geographie (Hrsgb.), Alte Ordnung, neue Blöcke? Wien 1994, S. 70. Andrew Glyn & Bob Sutcliffe, Global aber führungslos?. In: ebda., S. 146. Winfried Wolf, Fusionsfieber. Köln 2000, Seite 114.

[21] Winfried Wolf, Fusionsfieber, Köln 2000, #N

[22] Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Memorandum 98, Köln 1998, Seite 185.

[23] Ebenda.

[24] Lester C. Thurow, Die Zukunft des Kapitalismus, Düsseldorf 1998, Seite 180.

[25] Stiftung Entwicklung und Frieden, Globale Trends 2000, Frankfurt/Main 1999, Seite 205.

[26] Andrew Glyn & Bob Sutcliffe, Global aber führungslos? In: Österreichische Gesellschaft für kritische Geographie (Hg.): Alte Ordnung, neue Blöcke, #N

[27] Globalisierung ökologisch, sozial und fair gestalten, a.a.O., Seite 16.

[28] Globalisierung ökologisch, sozial und fair gestalten, Seite 7f.

[29] Globalisierung ökologisch, sozial und fair gestalten, Seite 16.

[30] Hermannus Pfeiffer, Der Kapitalismus frißt seine Kinder, Köln 1997, Seite 159f.

[31] Winfried Wolf, Fusionsfieber, a.a.O., Seite 147.

[32] Glyn&Sutcliffe, a.a.O., Seite 140 f.

[33] Tabelle aus: Rieger/Leibfried, Grundlagen der Globalisierung, Ffm. 2001, S. 183. Deutschland 1998 incl. annektierte DDR.

[34] Winfried Wolf, Fusionsfieber, Köln 2000, Seite 24 f.

[35] Siehe dazu Wolf, a.a.O. Seite 228.

[36] Rieger/Leibfried, Grundlagen der Globalisierung, a.a.O., Seite 226.

[37] Glyn&Sutcliffe, a.a.O., Seite 142.

[38] Rudolf Augstein im „Spiegel“ 45/1988

[39] Ein differenziernder Rückblick eines „Tatzeugen“ ist Hans Bentziens: Was geschah am 17. Juni? Vorgeschichte, Verlauf, Hintergründe, Berlin 2003

[40]  Dietmar Schiller: Politische Gedenktage in Deutschland. Zum Verhältnis von öffentlicher Erinnerung und politischer Kultur. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 1993/25, Seite 32

[41]  Alexander Gallus: Der 17. Juni im deutschen Bundestag von 1954 bis 1990. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 1993/25, Seite 12f.

[42]  Texte der Reden im Bundestagsprotokoll und in den Bulletins des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung

[43]  Rede Theodor Schieders in: Bulletin... 1964/96 vom 20. Juni 1964, Seite 896

[44]  Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Db. 70, Seite 13284 B

[45]  Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, Bd. 101, Seite 2453 B

[46]  Alexander Gallus, a.a.O., S. 21

[47]  Ebenda

[48]  Wolfgang Buschfort: Das Ostbüro der SPD, München 1990;

[49]  Behring/Schmeitzner (Hg.): Diktaturdurchsetzung in Sachsen 1945-1952, Weimar 2003.

[50]  Christine Ostrowski z.B. hielt die Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher für einen undemokratischen Akt.

[51]  Harald Neubert (Hg.): Stalin wollte ein anderes Europa. Moskaus Außenpolitik und die Folgen. Berlin 2003

[52]  Rolf Steininger: Der Mauerbau. Die Westmächte und Adenauer in der Berlinkrise 1958-1963, Berlin 2001, S. 218f.

[53]  junge Welt, 10. Januar 2003

[54]  Dietrich Schiller: Politische Gedenktage in Deutschland; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 1993/25, S. 32

[55]  Ebenda, S. 39

[56]  Spurensicherung. Zeitzeugen zum 17. Juni 1953, Schkeuditz 1999

[57]  Heidi Roth: Der 17. Juni 1953 in Sachsen, Schkeuditz 1999. Das Buch enthält ab S. 625 eine umfassende Bibliographie zum Thema 17. Juni.

[58]  Rolf Steininger, a.a.O., S. 12f.; Klaus Dietmar Henke: Vortrag auf der 44. Sitzung der Enquete-Kommission

[59]  Willy Brandt: „...wir sind nicht als Helden geboren“, Zürich 1986, S. 49

[60]  Bulletin. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 1986/22, S. 117

[61]  Prof. Dr.Dr. Willi Opitz war Generalmajor des MfS und letzter Rektor der Juristischen Hochschule Potsdam.