Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 5/05

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)

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Ausgabe: Mai / Juni 2005


Inhalt


Redaktionsnotiz

Umfrageergebnisse sagen zur Zeit die Möglichkeit voraus, dass bei den vorgezogenen Wahlen zum deutschen Bundestag die CDU/CSU eine absolute Mehrheit bekommen könnte. Da man nicht davon ausgehen kann, dass 50 % der bundesdeutschen Bevölkerung zur Großbourgeoisie gehören, ist das ein ausgesprochen verwunderliches Ergebnis. Wenn man sich nur kurz vor Augen hält, was die sich selbst schon für Sieger haltenden Damen und Herren von CDU, CSU und FDP für die Zeit nach ihrem anvisierten Wahlsieg an Maßnahmen ankündigen, wird deutlich, in welchem Maße und mit welcher Geschwindigkeit nun die letzten Reste der noch vorhandenen Sozialleistungen und der mühsam erkämpften Rechte der Arbeiterklasse beseitigt werden sollen. Ein kurzer, sicherlich unvollständiger, aber trotzdem Grauen erweckender Überblick (Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung der ersten 10 Tage des Juni 2005):

Zunächst die Maßnahmen zur Senkung der Löhne: Merz von der CDU meint, dass die Sozialleistungen über Jahre eingefroren werden müssten, außerdem müsse der Flächentarifvertrag weg. Dass die Mehrwertsteuer angehoben werden sollte, wird mehrfach erwähnt, aber auch immer mal wieder dementiert. Aus der CSU kommt der Vorschlag, weitere Steuersenkungen vor allem für Unternehmen durchzusetzen. Die CDU will die Beitragssätze zur Pflegeversicherung für die Versicherten erhöhen. Merkel will die Sozialversicherungen von den Löhnen abkoppeln (sprich: den Arbeitgeberanteil streichen). Die CSU will die Sozialleistungen nicht nur einfrieren, sondern kürzen – und dazu das gesellschaftliche Klima verändern: es dürfe kein Skandal mehr sein, wenn man Sozialleistungen kürze, meint Stoiber. Außerdem sei das Ziel eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. So will denn auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende für „Beschäftigung vor allem im Lohneingangsbereich“ also im Niedriglohnsektor „sorgen“. Die FDP will die Gewerkschaften entmachten, für Herrn Westerwelle sind Gewerkschaftsfunktionäre die wirklichen Heuschrecken unserer Zeit und überhaupt die Gewerkschaften die großen Blockierer.

Geplante Aufhebungen von Auflagen und Einschränkungen für das Kapital: Die Laufzeit der Atomkraftwerke soll verlängert werden. Auch über den Neubau solcher Werke könne man nachdenken. Die Förderung für erneuerbare Energien soll gedrosselt werden. Stattdessen will man Erdgasfelder im Naturschutzgebiet des Wattenmeeres anbohren. Das genetische Klonen soll erlaubt werden. Überhaupt soll die Bürokratie abgebaut werden – sprich: der staatliche regulierende Einfluss soll auf Null zurückgefahren werde (sei es bei Qualitätsstandards, bei der Arbeitssicherheit, bei den Arbeitsbedingungen, bei Umweltschutzauflagen, bei Baumaßnahmen, beim Ladenschluss usw.). Ziel: ungezügelte Freiheit für das Kapital! Das Ziel ist natürlich nicht neu, aber zur Zeit wittert man Morgenluft und ist der Meinung, dass fast alles durchsetzbar ist.

Aber es bildet sich ein Linksbündnis (zur Zeit der Drucklegung dieser Ausgabe der Offensiv war man noch in Verhandlungen), Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, WASG und PDS. Ich weiß von nicht wenigen Genossinnen und Genossen, die große Hoffnungen in dieses Bündnis setzen. Ich bin mir leider recht sicher, dass diese Hoffnungen sich als Wunschträume erweisen werden, aber für eine wirklich solide Einschätzung (ist die neue (Wahl-)Partei ein antikapitalistisches Bündnis bzw. birgt sie antikapitalistisches Potenzial, handelt es sich um eine neue sozialdemokratische Partei, wenn ja, wie die SPD vor Godesberg oder eher wie nach Godesberg, oder wird daraus etwa eine rechtssozialdemokratisch/neoliberale Partei?) ist es noch zu früh. Eins scheint allerdings jetzt schon deutlich zu werden: über eine reformistische Perspektive scheint das Ganzen nicht hinaus zu gehen. Wir werden uns mit einiger Wahrscheinlichkeit im nächsten Heft ausführlicher damit beschäftigen.

Zu diesem Heft: Wir bringen viel über das Ausland: Italien, Österreich, Irak, Vietnam – und wir werfen einen Blick auf den Entwurf für ein Parteiprogramm der DKP. Die Geschichte des Sozialismus ist auch wieder einmal Thema. Mehrere Schwerpunkte korrespondieren, so z.B. Österreich, Geschichte des Sozialismus und Programmdiskussion der DKP. Dazu lohnt sich auch, die Positionen der KKE, die wir im letzten Monatsheft veröffentlicht haben, heranzuziehen. Aber lest selbst…

Die Unterschriftenliste unter unserem Irak-Solidaritätsaufruf wächst und wächst. Das ist sehr gut, denn das zeigt, dass die kommunistische Bewegung in Deutschland die Solidarität noch nicht verlernt hat und dann, wenn es darauf ankommt, auch gegen den Trend und den Zeitgeist internationalistische Positionen verteidigt. Weiter so!

 

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Für die Redaktion: Frank Flegel


Italien

Gerhard Feldbauer
Was lehren vier Jahre faschistische Regierung in Italien[1]

Nach Italien und Österreich nimmt die Gefahr neuer faschistischer Entwicklungen besonders im belgischen Flandern konkrete Gestalt an. Wieder einmal taucht das Argument auf, man solle die Faschisten doch gewähren lassen, sie würden sich schon abwirtschaften. Es erhält neue Nahrung, weil in Italien Silvio Berlusconi, der Chef einer profaschistischen Regierung, gerade bei den Regionalwahlen eine Niederlage erlitt und die Möglichkeit besteht, dass er nächstes Jahr auch bei den Parlamentswahlen oder evtl. bereits bei vorgezogenen Neuwahlen abgewählt wird.

Wie es derzeit aussieht hat Berlusconi sich aus der Regierungskrise, welche die Wahlniederlage auslöste, noch einmal gerettet. Er laviert, macht demagogische Versprechungen, setzt besonders auf die Mittelschichten, denen er eine Verbesserung ihrer sozialen und beruflichen Lage verspricht, schürt das alte bekannte Feindbild von einer angeblichen „kommunistischen Gefahr“, die sogar von den Sozialdemokraten der Linkspartei ausgehe.

Die Losung vom Abwirtschaften erhält auch Nahrung, weil Berlusconi schon 1994 eine Regierung mit Faschisten und Rassisten bildete, die durch gewaltige Kampfaktionen - Generalstreik und Massendemonstrationen - nach zehn Monaten gestürzt wurde. Als Berlusconi 2001 erneut an die Regierung kam, gelang das jedoch nicht.

Ich möchte zunächst auf die Frage eingehen, was das Ergebnis der vier Jahre der zweiten Regierung Berlusconis ist? Was hinterlassen er und seine reaktionäre diktatorische Forza-Partei, die Faschisten der Alleanza Nazionale, die offenen Rassisten der Lega Nord, die sogenannte Union demokratischer Christen (CDU), die der Regierung ein demokratisches Aushängeschild geben sollte? Kann man das, was sie hinterläßt, selbst wenn sie abgewählt werden sollte, so schnell wieder beseitigen?

Faschismus im Nadelstreifen

Hier ist zunächst zu sehen, dass die mit Faschisten und Rassisten gebildete Regierung nicht mit einem Chef in SA-Stiefeln und im Schwarzhemd daher kam, sondern im Nadelstreifen. Das erschwerte es, vielen Menschen den faschistischen Charakter der Regierung vor Augen zu führen. Das wurde auch dadurch begünstigt, dass die gegenwärtigen Faschisierungsprozesse im parlamentarischen Rahmen vor sich gehen. Selbst die aus der IKP hervorgegangenen Linksdemokraten trugen dazu bei, den faschistischen Charakter der Berlusconi-Regierung zu verharmlosen, indem auch sie meist von einer Regierung der rechten Mitte sprachen.

Vergessen wir nicht, dass auch Mussolini nach seinem Machtantritt 1922 noch vier Jahre mit dem Parlament regierte und er an seiner Regierung herkömmliche großbürgerliche Parteien beteiligte, ehe er 1926, als der antifaschistische Widerstand anwuchs, die Parteien verbot, das Parlament ausschaltete und zur offenen terroristischen Diktatur überging.

In Italien handelt es sich derzeit auch um ein ähnliches Übergangsstadium, in dem es noch keine offen terroristische, rein faschistische Diktatur gab bzw. gibt. Es gab aber Versuche - ich werde dazu am Beispiel Genua etwas sagen - dazu über zu gehen. Wenn es nicht dazu kam, dann hat das einzig und allein der Widerstand vor allem der Arbeiterklasse, der Kommunisten, denen es gelang, weitere Volksschichten, darunter der Intelligenz, der Künstler, Wissenschaftler, selbst Kreise der Justiz, für diesen Widerstand zu gewinnen und ihm mit Massenaktionen, Demonstrationen mit Millionen Teilnehmern und mit einem Generalsstreik Nachdruck zu verleihen. Aber er reichte nicht aus, Berlusconi zu stürzen.

Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Kräfte der Linken - Sozialisten und Kommunisten - mehr als zuvor gespalten sind, und dass die Kampfkraft der Kommunistischen Partei des Landes, der Partito della Rifondazione Comunista, durch reformistische Tendenzen der Abkehr von marxistisch-leninistischen Positionen beeinträchtigt wird. Die leninistische Strömung in der Rifondazione Comunista bringt in der Führung zwar streckenweise bis zu ein Viertel der Mitglieder hinter sich, aber sie ist insgesamt nicht stark genug, die Mehrheit um sich zu scharen und solche Entwicklungen auf zu halten.

Als „Normalität“

Was die Auswirkungen der Regierungszeit Berlusconis betrifft, so wurde die Bevölkerung zunächst einmal daran gewöhnt, dass Faschisten wieder regieren können, dass es zur „Normalität“ gehört, dass sie sich zu Mussolini bekennen, seine Verbrechen nicht nur verharmlosen, sondern als „gute Taten“ preisen dürfen, ohne dass die Justiz einschreitet, obwohl die Verfassung noch immer das Wiedererstehen einer faschistischen Partei und ihr Agieren im Geiste Mussolinis verbietet.

Sehen wir die Parteien und ihre Führer, welche die Regierung Berlusconi bildeten, etwas näher an:

Regierungschef Berlusconi bewundert Hitler wegen seines „heldenhaften Versuchs, Europa vor dem sowjetischen Imperialismus zu retten“. Er gehörte zum Dreierdirektorium einer faschistischen Putschloge Propaganda due (2), die ein Altfaschist und Agent der Gestapo Mussolinis namens Licio Gelli gründete. Sie wirkte seit Ende der 60er Jahren, um eine Linksentwicklung zu verhindern, inszenierte mit dem amerikanischen Geheimdienst CIA und seinen italienischen Partnern 1978 die Ermordung des langjährigen christdemokratischen Regierungschefs und Parteiführers Aldo Moro, der mit den Kommunisten zusammenarbeitete, und bereitete den Boden für den Amtsantritt der ersten Berlusconi-Regierung 1994.

Mit Berlusconi ist der reichste Kapitalist Italiens an die Regierungsspitze gekommen. Er ist Besitzer einer Holding mit rund 300 Unternehmen, die einen Betriebswert von 30 Milliarden Euro haben. Mit rund 13 Milliarden Euro Privatvermögen steht er an 14. Stelle der Weltrangliste der reichsten Kapitalisten.

Zum Medienimperium Berlusconis gehört fast die Hälfte aller italienischen Presseerzeugnisse, darunter die Montadori-Gruppe, der zweitgrößte europäische Medienverbund, und der einflussreiche Rizoli-Verlag. Ferner Cinema 5, die größte Kino-Kette des Landes, Musik- und Video-Produktionsgesellschaften und der Werbekonzern Pubitalia. Der Medienbeherrscher ist Besitzer des Fußballclubs AC Milan, Organisator der Radtour Giro d´Italia, Herr über Rugby-, Hockey- und Volleyball-Mannschaften und mit 80 Prozent Anteilen Mäzen des Mailänder Teatro Manzoni.

Kernstück seiner Medienunternehmen sind die drei größten privaten Fernsehsender Italiens. Das ist ein ungeheueres Imperium der Massenbeeinflussung, besonders in Zeiten der Wahlen. Wobei man sehen muss, dass es in Italien keine Begrenzung der Werbezeiten gibt. So stand Berlusconi für seine Partei und seine Verbündeten im Durchschnitt zehnmal mehr Werbezeit zur Verfügung als den anderen Parteien.

Als Mediendiktatur

Als Regierungschef kontrolliert Berlusconi noch die staatliche Rundfunk- und Fernsehgesellschaft RAI und erhielt damit die Verfügung über 90 Prozent der Fernsehmedien insgesamt. Es entstand, wie der angesehene Mailänder Rechtswissenschaftler Mario Losano einschätzte, eine faschistoide Mediendiktatur, die mit den modernen Medienstrukturen der heutigen Zeit wirksamer agiert als einst Mussolini.

Die von Berlusconi 1993 mit Managern seiner Unternehmen geschaffene Forzapartei ist ein nach faschistischen Organisationsprinzipien aufgebautes autoritäres Gebilde, dem selbst bürgerlich-demokratische Strukturen fehlen und in der er der Alleinherrscher ist. Als Sekretariat der Partei fungiert zum Beispiel das zu seiner Fininvest-Holding gehörende Meinungs-forschungsinstitut Diakron Spa. Der Werbekonzern Pubitalia managt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Forzapartei. Mit seinem Medieneinfluss setzte Berlusconi 1993 in einem Referendum die Wiedereinführung des nach dem Ersten Weltkrieg aufgehobenen reaktionären Mehrheitswahlrechts zu 75 Prozentdurch.

Schon in der Zeit von 1996 bis 2001, als wieder eine bürgerliche sogenannte Mitte-Links-Regierung im Amt war, gelang es nicht, dieses reaktionäre Wahlgesetz zu beseitigen.

Mit Berlusconi kam ein der Korruption, der Bestechung von Beamten der Steuerfahndung, der Justiz, des illegalen Kapitaltransfers, der Gründung von Tarnfirmen in insgesamt 13 Gerichtsverfahren angeklagter und zu insgesamt zehn Jahren Gefängnis verurteilter Kapitalist an die Regierung, der dieses Amt skrupellos zur weiteren schamlosen Bereicherung nutzte, sich mit seiner Parlamentsmehrheit Immunität vor der weiteren Strafverfolgung verschaffte. Seine Anwälte sorgten in Revisionsprozessen für die Aufhebung der ergangenen Urteile.

Gegen Juristen, die gegen ihn weiter ermittelten, hetzte er, sie seien „rote Richter“, die ein kommunistisches Regime installieren wollten, bezeichnete sie im typisch faschistischen Jargon als „Krebsgeschwür“ das man „ausrotten“ müsse. Um die Ermittlungen gegen sich zu verhindern, ließ er beispielsweise ein Rechtshilfeabkommens mit der Schweiz ändern, wonach Beweise aus der Eidgenossenschaft, die dort gegen ihn vorliegen, nicht mehr zulässig sind oder ihre Einbringung erschwert wird. Bilanzfälschungen, deren er in großem Stil angeklagt wurde, werden durch ein von ihm verabschiedetes Regierungsdekret nicht mehr strafrechtlich verfolgt oder fallen unter Verjährung. Allenfalls wird ein Bußgeld verhängt. Selbst bürgerliche Parlamentarier sagten, dass unter ihm die bürgerliche Demokratie zur Makulatur verkommt.

Als parasitärer, faulender Kapitalismus

Das alles sind Formen heutiger faschistischer Herrschaft. Und sie zeigen, wie richtig noch heute Lenins Einschätzung vom parasitären, faulenden Charakter des Kapitalismus ist.

Und was wir von der Europäischen Union der kapitalistischen Länder zu halten haben, sehen wir daran, dass dieser Hitlerbewunderer und Chef einer Regierung von Faschisten und Rassisten ein halbes Jahr lang Ratspräsident dieser EU war. Kein Parlament in Straßburg, keine EU-Kommission, hat das verhindert. Als dieser Berlusconi dort öffentlich Parlamentarier, die sein faschistoides Verhalten kritisierten, beleidigte, in dem er ihnen anbot, in einem gerade gedrehten Film die Rolle von Hitlers Henkerknechten in Konzentrationslagern zu spielen, wurde er nicht davon gejagt. Die Verfassung dieser EU sieht auch keine Artikel vor, die in Zukunft verhindern, dass ein Regierungschef von Faschisten und Rassisten Ämter in ihr einnehmen kann.

Der linksliberale Politiker Roman Prodi, der zur Wahl gegen Berlusconi eine sogenannte Mitte-Links-Koalition anführen wird, trat damals als EU-Regierungschef zwar Berlusconis Ausfällen entgegen, aber er konnte sich nicht durchsetzen.

Einige weitere Fakten zur Charakteristik des faschistischen Charakters der Berlusconi-Regierung:

Berlusconi war 2001 kaum zwei Monate im Amt, da zeigte sich während des G-7-Gipfels im Juli in Genua die Fratze des von ihm installierten Faschismus. Gegen die Zehntausenden, die gegen die Anwesenheit des Kriegspräsidenten der USA, George W. Bush, gegen Hunger, Elend und Krieg, für Frieden, Demokratie und Fortschritt demonstrierten, gingen die von dem Führer der AN-Faschisten und Vizepremier Gianfranco Fini persönlich kommandierten Carabinieri mit blutigem Terror vor, den Beobachter mit dem Vorgehen der SA Görings 1933 in Hitler-deutschland verglichen. In Genua wurden Carabinieri-Einheiten aus Süditalien, wo sich die Hochburgen der Faschisten befinden, eingesetzt. Zu ihrer Vorbereitung auf den Einsatz hatte Berlusconi aus den USA um ein Spezialkommando ersucht, das sie trainierte.

Während des Gipfels stürmten in der Nacht schwerbewaffnete Polizisten in Kampfanzügen das Zentrum des Genueser Sozialforums und eine Unterkunft in der gegenüberliegenden Diaz-Schule, in der sich etwa 100 Journalisten, Funktionäre des Sozialforums und eine Anzahl friedlicher Demonstranten aufhielten. Ein Ziel des Polizeiüberfalls auf die Diaz-Schule war, dort von Journalisten gesammelte Beweise für die Polizeiprovokationen sicherzustellen. Deshalb wurden dort Computer zerschlagen, Festplatten und Disketten beschlagnahmt, Journalisten festgenommen.

Unter Hitler- und Mussolini-Bildern

Gezielt wurde der Student Giuliano ermordet.Der Carabinieri, der denTodesschuss abgab, schrie, „Bastarde, ich werde euch töten“. Über 600 Demonstranten wurden schwer verletzt, zwei lebensgefährlich. 220 festgenommene Personen wurden in Gefängnissen und Verletzte selbst in Krankenhäusern misshandelt und gefoltert. Auf die keinerlei Widerstand leistenden Menschen wurde stundenlang auf brutalste Weise eingeschlagen, sie mussten mit dem Gesicht zur Wand, Beine breit und Hände über dem Kopf stehen. Frauen wurden sexuell belästigt. Nach dem Abtransport in eine “Gefangenensammelstelle“ wurden sie in Zellen gepfercht, wo sie stundenlang auf einem Steinboden sitzend nichts zu Essen und kaum Wasser erhielten. An den Wänden der Polizeigefängnisse hingen Hitler- und Mussolini-Bilder, die Gefangenen wurden von den Polizisten mit dem Führergruß empfangen und mussten „viva il Duce“ rufen.

Um Vorwände für ihre Ausschreitungen zu haben, griffen Polizeiagenten, darunter Mitglieder der faschistischen „Forza Nuova“, Polizei-Einheiten an. Als Demonstranten verkleidete Agenten wurden beobachtet, wie sie mit Waffen aus Polizeiquartieren kamen. Sie organisierten auch Ausschreitungen gegen Bankgebäude, Geschäfte und Häuser der Einwohner.

Während des Polizeieinsatzes wurden in massiver Weise grundlegende verfassungsmäßige Rechte außer Kraft gesetzt, herrschte Ausnahmezustand. Den Festgenommenen, darunter zahlreiche Journalisten, wurde anwaltlicher Beistand verweigert, sie wurden drei und vier Tage festgehalten, ohne sie einem Haftrichter vorzuführen (die Frist dazu beträgt maximal 48 Stunden), selbst Anwälte, die zu ihren Mandanten wollten, wurden festgenommen. Durchsuchungen von Gebäuden, darunter journalistische Arbeitsräume, erfolgten ohne entsprechende Durchsuchungsbefehle, Ausländern wurden Dolmetscher verweigert, Parlamentarier der Rifondazione Comunista an ihrer Arbeit gehindert und tätlich angegriffen.

Es ging dem profaschistischen Kabinett Berlusconi-Fini nicht nur darum, jeden Protest gegen den Gipfel in Genua zu unterdrücken, sondern ein Exempel zu statuieren, um in Zukunft generell Kritik an der Regierung nicht zuzulassen. Diefaschistischen Ausschreitungen gingen als „chilenische Nacht“ in die Berichterstattung ein. Man rechnete damit, dass die Regierung Berlusconi-Fini die Errichtung eines offen faschistischen oder autoritären Regimes plante.

Wenn es dazu nicht offen kam, war das ausschließlich auf den nach Genua entstehenden breiten antifaschistischen Widerstand und die internationalen Proteste zurück zu führen. An dessen Spitze stellte sich beispielsweise der bekannte linke Theaterregisseur und Bühnenautor, Nobelpreisträger Dario Fo. Der Philosoph und Schriftsteller Umberto Eco sprach vom „übelsten Erbe des Mussolinifaschismus“, das sichtbar wurde. In den italienischen Großstädten demonstrierten Hunderttausende gegen die faschistische Gefahr, darunter rund 300.000 in Rom.

Als Vertreter der reaktionärsten und aggressivsten Kreise des Imperialismus

Vom faschistischen Klima, das mit der Berlusconi-Regierung einzog, zeugte beispielsweise, dass Innenminister Scajola von der Forzapartei die Stirn hatte, zu erklären, die Polizei habe in Genua „ihre Aufgabe mit Würde erfüllt“. AN-Chef Fini sagte im Stil eines Göring, die Demonstranten hätten „bekommen, was sie verdienten“. Der linke Professor Bodo Zeuner von der Freien Universität Berlin stellte zu Recht fest, dass es von faschistischen Ausschreitungen wie denen in Genua, wenn man sie zulasse, „zu Folterkellern wie denen der SA Hitlers im Deutschland von 1933 nur noch ein Schritt“ sei.

Der Großkapitalist Berlusconi ist - auch hier ganz in der Tradition Hitlers und Mussolinis stehend - ein Vertreter der reaktionärsten und aggressivsten Kreise des italienischen Imperialismus. Davon zeugt, dass er nach Tony Blair zu den europäischen Regierungschefs gehört, die Bush´s auf die Weltherrschaft gerichtete völkerrechtswidrige Aggressionen vorbehaltlos unterstützen und er dazu ein Truppenkontigent nach Irak schickte.

Unter Berlusconi ging seit 2001 ein in der Nachkriegsgeschichte nicht gekannter Abbau demokratischer sowie elementarster Arbeiter- und Bürgerrechte vonstatten. Im Gange ist die Beseitigung der antifaschistischen Grundlagen der Verfassung. In Städten und Provinzen mit faschistischen Regierungspräsidenten bzw. Bürgermeistern wurden antifaschistische Denkmäler geschleift.

Im Rahmen der sogenannten Flexibilisierung des Arbeitsmarktes wurden der Kündigungsschutz und die Tarifrechte eingeschränkt, teilweise regelrecht aufgehoben und befristete Arbeits-verträge zugelassen. Im Gange ist eine Verlagerung der Altersversorgung überwiegend in die Bereiche der Versicherungskonzerne. Die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung garantiert noch nicht einmal mehr die elementarsten Ansprüche.

Mit Hilfe Papst Wojtylas

Die öffentlichen Schulen wurden zugunsten privater katholischer Bildungseinrichtungen eingeschränkt. Damit dankte Berlusconi dem Vatikan, der sich unter dem eben verstorbenen fanatisch antikommunistischen Papst Wojtyla persönlich öffentlich für seine Wahl ausgesprochen hatte. Dazu betrieb diese Regierung eine streng katholisch ausgerichtete Familienpolitik und die Säuberung der Schulbibliotheken von „jedwedem marxistischen und kommunistischen Einfluss“.

Ganz offen verkündete Berlusconi als seine erstrangigste Aufgabe, Italien vom Kommunismus und Postkommunismus „zu befreien“. Das richtete sich - und auch hier zeigen sich seine historischen Vorbilder Hitler und Mussolini oder Pinochet in Chile - nicht nur gegen die Kommunisten, sondern auch gegen die sozialdemokratische Linkspartei, die er zusammen mit den Kommunisten aus dem politischen Leben ausschalten wollte. Den damaligen Chef der Sozialdemokraten Massimo D´Alema nannte er einen „alten Bolschewisten“, dem er das „Arbeiten beibringen“ werde. Auch das sind Schlagwörter, die dem Vokabular Hitlers und Görings entnommen sind.

Schauen wir uns die faschistische Aleanza Nazionale und ihre Minister an. Zunächst muss man wissen, dass die AN 1994/95 aus der Italienischen Sozialbewegung (Movimento Sociale Italiano) hervor ging, die bereits im Dezember 1946 als direkter Nachfolger der verbotenen Mussolinipartei gegründet worden war. Zum neuen „Duce“ erkor der Gründungskongress den früheren Rassenideologen und Staatssekretär Mussolinis, Giorgio Almirante, der noch kurz vor Kriegsende einen Genickschusserlass gegen Partisanen unterzeichnet hatte. Ehrenvorsitzender wurde der frühere Kommandeur der berüchtigten Decima Maas, der zur Partisanenbekämpfung eingesetzten 10. Torpedoboot-Flotille, Fürst Valerio Borghese, der wegen wenigstens 800-fachen Mordes an Partisanen als Kriegsverbrecher verurteilt worden war, aber bald freikam.

Die MSI war in der Nachkriegsentwicklung an allen fünf faschistischen Putschversuchen von gleichgesinnten Militärs, den Geheimdiensten, immer im Bunde mit CIA und NATO, darunter deren Geheimtruppe Gladio, beteiligt. Ziel war, ein Regime faschistischen Typs nach dem Modell der griechischen Obristen, später nach dem Vorbild Pinochets an die Macht zu putschen. Nach dem Machtantritt Pinochets propagierte die MSI offen eine „chilenische Lösung“ für Italien. Die Gladio-Truppe war in Italien rund 12.000 Mann stark. Sie rekrutierte ihre Angehörigen vor allem aus den Reihen der Faschisten, vornehmlich ihrer Terrorbanden.

SS-Offiziere und Terroristenchefs in der Regierung

Der Nachfolger Almirantes, Gianfranco Fini, ist ein übler faschistischer Demagoge, der versucht, seinem „neuen Faschismus“ ein demokratisches Outfit zu verschaffen. Jahrgang 1952 ist er kein Altfaschist, aber durch die Schule der MSI gegangen, war Leiter ihrer Parteijugend, die eine herausragende Rolle im Terrorapparat der faschistischen Bewegung spielte. Almirante wählte ihn persönlich als seinen Nachfolger aus. Vom Alter her eignet er sich besonders dazu, das Image zu nähren, die AN habe nichts mehr mit dem „herkömmlichen“ Faschismus zu tun. Dass es ihm dabei lediglich um „demokratische Schminke“ geht, machte er immer wieder deutlich. So auch als er auf dem letzten Parteitag der AN 2002 als Vertreter einer Regierungspartei und Vizepremier die „komplexe Identität“ der AN mit ihrer Vergangenheit in der MSI bekräftigte und unter tosendem Beifall, den rechten Arm wie zum Führergruß erhoben, unter der Flamme des Duce ausrief: „Wir haben unsere Seele nicht verkauft, um an die Macht zu kommen“.

Um das Bekenntnis auch öffentlich zu demonstrieren, begab sich eine Abordnung von 200 Parteitagsteilnehmern zum Geburtsort Mussolinis in Predapio zur Grab- und Gedenkstätte des „Duce“. Ihr Sprecher würdigte wieder einmal die „guten Taten“ Mussolinis und erklärte, „wir schauen in die Zukunft, aber wir werden der Vergangenheit nicht abschwören“.

Geradezu absurd erscheint Finis Distanzierung vom Mussolini-Faschismus angesichts eines an das Parlament gestellten Antrags, aus der italienischen Verfassung den Artikel über das Verbot der Wiedergründung der faschistischen Partei zu streichen, was nach gerade eine Rehabilitierung des Mussoliniregimes und seiner barbarischen Verbrechen bedeuten würde.

Das faschistische Kredo wurde in der Praxis unterstrichen durch die Minister der AN, die Fini 2001 in die Regierung brachte: Einen Altfaschisten aus Mussolinis Salò-Republik[2], dem von Hitler installierten Marionetten-regime, eines bekannten Revanchisten, der forderte, die früheren jugoslawischen Gebiete von Istrien, Dalmatien und der Hafenstadt Fiume heim ins „Italienische Reich“ zu holen. Er wurde bezeichnender Weise Minister für Auslandsitaliener. Einen stadtbekannten Organisator blutiger Terroraktionen, der als Kommunikationsminister die RAI rigoros von, wie er es nannte, „linken Elementen“ säuberte. Einen weiteren Ministerposten erhielt ein Führer der Nazi-Skins, wie die Skinheads in Italien sich nennen.

Die AN ist auf Grund ihrer faschistischen Organisationsstruktur der gefährlichste Teil der Regierung und überhaupt der gegenwärtigen Faschisierung in Italien. Sie besitzt einen hohen und straffen Organisationsgrad, eine beträchtliche Massenbasis (rund 12 Prozent Wähler auf nationaler Ebene), einen nach wie vor starken und gefährlichen Terrorapparat. Die Partei zählt heute eine halbe Million Mitglieder, davon stießen nach dem Wahlsieg etwa 100.000 neu zu ihr; sie verfügt über eine Gewerkschaft, die eine Million Mitglieder angibt, hat nach alten faschistischen Organisationsprinzipien aufgebaute Teilorganisationen, darunter für Frauen, für die Jugend (25.000 Mitglieder) Studenten, Kinder, Umweltschutz, nicht zu vergessen einen Freundeskreis der Streitkräfte. Zusammen mit den von der AN angeführten militaristischen, revanchistischen und anderen Traditionsverbänden der Mussolinizeit zählt sie über drei Millionen organisierte und aktive Anhänger.

Mit Hitlers Blut- und Bodenideologie

Eine weitere Komponente im faschistischen Bündnis Berlusconis bildet die offen rassistische Lega Nord Umberto Bossis, eines typischen wild gewordenen Kleinbürgers. Der Rassistenchef vertritt - in etwas verbrämter Form - die aus der Zeit der Hitlerfaschisten bekannte Blut- und Boden-Ideologie und verherrlicht den Völkermord an den Juden. Er sieht in den germanischen Stämmen der Langobarden, Kelten und Franken die historischen Ahnen der Norditaliener und propagiert davon ausgehend die „völkische“ Zugehörigkeit Norditaliens zu Deutschland. Lange Zeit wollte Bossi die reichen norditalienischen Industrie-Regionen vom Zentralstaat abspalten und einen Separat-Staat Padania bilden. Dementsprechend richtet sich der Rassismus der Lega bereits gegen die Süditaliener, womit Bossi ebenfalls am bekannten Rassismus, den Hitler und Goebbels gegenüber den Italienern insgesamt praktizierten, anknüpft.

Der Fußballclub von Neapel wurde in Mailand von Lega-Anhängern mit Spruchbändern empfangen, auf denen stand: „Was Hitler mit den Juden gemacht hat, wäre auch das richtige für Napoli“, oder „Keine Tierversuche - nehmen wir Neapolitaner“. In Turin oder in der Adriastadt Rimini jagten Legisten Afrikaner durch die Straßen und prügelten sie auch zu Tode.

Bossi forderte, die Festlandsgrenze zu Ex-Jugoslawien nach dem Vorbild der USA gegenüber Mexiko mit einer Mauer abzuriegeln. Illegale Einwanderer sollten in Arbeitslager gesperrt oder auch einfach mit Gefängnis bestraft werden.

Die Lega ist in besonderem Maße ein Vertreter italienischer Kreise des Großkapitals, die unverblümt die Neuaufteilung des europäischen Raumes und die Eroberung neuer Einfluss-sphären fordern. Von der Hilfe, die sie dem Aggressionskurs des USA-Imperialismus gewähren, erhoffen sich diese Kapital-Kreise eine Unterstützung ihrer Forderungen durch Bush vor allem auf dem Balkan im exjugoslawischen Raum und in Albanien, aber auch in Nordafrika.

Mit demokratischem Outfit

Diese faschistischen Parteien hat ein Grüppchen der 1994 unter gegangenen Christdemo-kratischen Partei, die Vereinigten Christdemokraten, mit dem Eintritt in die Regierung unterstützt und versucht, ihnen ein demokratisches Outfit zu verschaffen. Zur Belohnung erhielt sie zwei Ministerämter. Eins davon, das Ressort des EU-Ministers, übernahm ein gewisser Rocco Buttiglone, um den Hitlerbewunderer Berlusconi in Strassburg und Brüssel salonfähig zu machen. Die CDU erreichte knapp 1,5 Prozent Wählerstimmen, hätte also nicht die in Italien vier Prozent betragende Sperr-Hürde überspringen können, wenn Berlusconi ihr auf der Grundlage des reaktionären Wahlgesetzes auf der gemeinsamen Liste seiner Koalition nicht sichere Parlamentssitze reserviert hätte.

Zusammengefasst ist zu sagen: die 2001 installierte Regierung Berlusconi zeigt in ihrer personellen und parteistrukturellen Zusammensetzung, in ihrer Programmatik und politischen Praxis alte und neue Charakterzüge des Faschismus, faschistische und autoritäre Herrschafts-methoden, eingeschlossen offenen Rassismus. Ob es sich um soziale Demagogie oder Terror, Expansionsziele oder beispielsweise einen erreichten Massenkonsens handelt, die historischen Parallelen sind nicht zu übersehen.

Neu ist, dass es unter Berlusconi zu einer Personalunion von Kapital und politischer Exekutive kam, was die von dieser Regierung ausgehende Gefahr noch vergrößerte.

Der Schoß ist fruchtbar noch

Noch ist nicht entschieden, ob Berlusconi abgewählt wird. Fest steht bereits: Faschistische und rechtsextreme Kräfte bleiben für die reaktionärsten Kreise des Imperialismus eine politische Reserve und ein antidemokratisches Potenzial, das bei einer Zuspitzung der Klassen-auseinandersetzung und einem Anwachsen revolutionärer linker Kräfte auch zur Macht-ausübung, zumindest zur Teilnahme daran, jederzeit mobilisiert werden kann.

Es geht darum, von Anfang an zu verhindern, dass solche Kräfte in irgendeiner Form Positionen des Staatsapparates, sei es auch nur in Bürgermeisterämtern, Gemeinderäten oder anderen regionalen Strukturen einnehmen können. So hat der Aufstieg der italienischen Faschisten auch begonnen. Es geht darum, den Faschismus überhaupt mit seinen Wurzeln zu beseitigen, so wie es die überlebenden KZ-Häftlinge bei ihrer Befreiung aus den Lagern 1945 gefordert haben.

Wir stehen vor dem 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. (Der Vortrag wurde am 1. Mai 2005 gehalten! D. Red.)60 Jahre nach dessen Niederlage gilt es, die Erinnerung an die barbarischen Verbrechen, an den Völkermord des Faschismus wach zu halten, der ungeheueren Opfer in den Konzentrationslagern und im antifaschistischen Widerstandskampf, der Millionen gefallener Soldaten der Roten Armee zu gedenken und sie niemals zu vergessen. Und wir haben als Kommunisten ein Recht darauf, auch daran zu erinnern, dass unsere Genossinnen und Genossen in diesem Kampf immer in der ersten Reihe standen und dabei die größten Opfer brachten. Wir werden auch heute unsere Kräfte nicht schonen, diesen Kampf weiter zu führen.

Denn, wie der große deutsche Dichter Bertolt Brecht sagte: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“. Und der Schoß, das sind noch immer die reaktionärsten Kreise des Imperialismus.

Ich danke nochmals dafür, dass ich heute bei Euch, den Genossen und Sympathisanten der Partei der Arbeit Belgiens, auf der Feier des 1. Mai, dieses großen internationalen Kampf- und Feiertages der Arbeiterklasse und der Werktätigen aller Länder, dazu sprechen und diesen Tag mit Euch feiern konnte.

Gerhard Feldbauer

 (Interessierte Leser verweisen wir auf Publikationen Gerhard Feldbauers zum Thema: Agenten, Terror Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA. PapyRossa, Köln 2000; Marsch auf Rom. Faschismus und Antifaschismus in Italien. Ebenda, 2002; Berlusconi - ein neuer Mussolini ?. 2. Auflage, Neue Impulse, Essen 2003.)

[1] Es handelt sich um den Text eines Vortrages, den der Italien-Historiker und Faschismus-Experte, Dozent Dr. sc. phil. Gerhard Feldbauer, auf Einladung der Partei der Arbeit Belgiens während der Veranstaltungen am 1. Mai in Brüssel auf einem Forum zur faschistischen Gefahr in Flandern hielt. Dort hat die faschistische Partei Vlaamse Belang 25 Prozent und mehr Wählerstimmen erzielt. Es besteht die akute Gefahr, dass sie in Antwerpen und andern Großstädten im nächsten Frühjahr die Bürger-meisterwahlen gewinnt. Konservative Kräfte argumentieren, man solle die Faschisten ruhig gewähren lassen, sie würden sich schon abwirtschaften. Der Autor stellte den Txt, der auch in der Zeitung der PdA Belgiens „Solidaire“ abgedruckt wurde, „Offensiv“ zur Verfügung

[2] Repubblica Sociale Italiano, nach ihrem Sitz in Salò am Gardasee kurz Salò-Republik genannt


Irak

Faheem Hussain

Der Guerillakrieg ist kein Terrorismus

Ein Urteil, das die Anerkennung des Widerstands einfordert

Sie wurden von der Anklage des internationalen Terrorismus freigesprochen: Ein historisches Urteil, das von der mutigen italienischen Richterin Clementina Forleo, Richterin der ersten Gerichtsinstanz, gesprochen wurde, sollte nicht unbemerkt bleiben.

Am 24. Januar 2005 endete der Prozess gegen drei der fünf nordafrikanischen Moslems, die 2003 unter der Anklage, eine terroristische Zelle von Al Quaida zu bilden festgenommen wurden. Sie wurden nur der illegalen Einreise und des Besitzes falscher Dokumente schuldig befunden. Der Prozess gegen die anderen beiden Angeklagten, die verdächtig sind, der gleichen Organisation anzugehören, wurde an das Gericht von Brescia verwiesen. Währenddessen widerrief die Richterin die Haft der zwei Angeklagten. Die Begründung dafür ist von historischer Bedeutung. Dies ist ein außerordentlich wichtiges Urteil, das die italienische Regierung und die rechten Parteien wütend machte und das nie dagewesene Angriffe der Lynchjustiz gegen die Richterin, unter anderem von den Ministern der Justiz und des Inneren provozierte. Das außergewöhnliche Urteil wurde von dem Untersuchungsrichter von Brescia bekannt gegeben.

Es lohnt sich, den ganzen Fall genauer zu betrachten, weil es hier um die Frage von Guerillakrieg und Terrorismus geht und um die Einschätzung der zukünftigen europäischen Rechtsprechung.

Gemäß der Mailänder Richterin Clementina Forleo könne man höchstens feststellen, dass die Angeklagten, auch wenn es Kontakte zwischen ihnen und paramilitärischen Gruppen gegeben haben sollte, Sympathisanten des Guerillakrieges im Irak bzw. in Afghanistan seien, was aber nicht bedeute, dass man sie als Terroristen bezeichnen könne, weil es einen riesigen Unterschied zwischen Guerillaaktionen und Terrorismus gebe. Gemäß der Erklärung der Richterin waren die Angeklagten höchstens Teil einer Organisation, die Freiwillige warb und finanzierte, die bereit waren, im Irak gegen die Besatzung durch die USA zu kämpfen, aber es geben nichts, was auf eine Absicht hindeute, terroristische Anschläge zu begehen, erst recht nicht außerhalb des Irak bzw. Afghanistans. Sie sagte: „Jemand, der Angriffe im Kontext eines bewaffneten Konflikts begeht, ist kein Terrorist, wenn er nicht Zivilpersonen verwickelt.“ Die Richterin macht die UNO-Konvention über den Terrorismus von 1999 geltend und bestätigt: „Die Guerrillaaktivität oder die Gewalt, die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt stattfindet, auch wenn sie von nicht-institutionellen bewaffneten Kräften durchgeführt wird, kann nicht verfolgt werden, nicht einmal auf der Ebene des internationalen Rechts, jedenfalls dann nicht, wenn keine internationalen Menschenrechtsgesetze verletzt werden.“

Dies ist eine grundlegende Klarstellung und Unterscheidung, die bisher an keinem europäischen Gerichtshof so definiert wurde. Gemäß der Erklärung von Clementina Forleo „könnte“ die Ahndung einer Guerrillaaktion „unvermeidlich zu einer ungerechtfertigten Parteinahme, zur Unterstützung einer der Konfliktseiten führen.“ Außerdem hält sie daran fest, dass bei Strafprozessen über gewaltsame Reaktionen gegen eine Besatzungsmacht die Tatsachen genau abgewogen und im Zusammenhang mit dem Einsatz militärischer Mittel der anderen Seite beurteilt werden müssen. Dies bedeute, so die Richterin, dass es sehr schwierig sei, im Zusammenhang des Krieges zwischen Zivilisation und Barbarei zu unterscheiden – und dass in diesen Fällen auf keinen Fall eine Zuständigkeit italienischer Gerichte vorliege.

Dies ist das erste Mal, dass so ein Urteil im „Westen“ gesprochen worden ist. Diese Gerichtesentscheidung ist Sache aller Linken und verpflichtet, grundsätzlich über den Widerstand im Irak nachzudenken. Wir müssen anerkennen, dass es ein unveräußerliches Recht gibt, einer ausländischen Besatzung zu widerstehen und dass das international anerkannt werden muss. Es muss eine Unterscheidung geben zwischen dem legitimen bewaffneten Widerstand, der mit seinen Aktionen auf die Besatzungstruppen und die bewaffneten Kollaborateurskräfte zielt – und den Autobomben in Märkten und Basaren, die undifferenziert Zivilpersonen töten. Wir dürfen nicht die Augen verschließen gegenüber der Tatsache, das diejenigen, die in Fallujah, Najaf, Nassiriyah usw. gegen die Besatzungskräfte kämpfen, echte Widerstandskämpfer sind und unsere größtmögliche moralische, politische und materielle Unterstützung verdienen.

Es geht um eine Auseinandersetzung, die im internationalen Zusammenhang eine Unterscheidung bringt zwischen Guerillakrieg und Terrorismus. In Italien geht es dabei auch um Angriffe gegen die Richterin und gegen die Unabhängigkeit der Justiz.

In diesem Zusammenhang ist das hinderliche Schweigen der italienischen Linken bezeichnend. Nur einige wenige Stimmen erhoben sich zur Verteidigung der Mailänder Richterin. Die Linke vermeidet es, Stellung zu beziehen, weil italienische Truppen im Irak sind und sie den Zorn der öffentlichen Meinung fürchten. Diese Position ist eine Position der Feigheit. Die Linke muss klar sagen, dass dieser Krieg illegal ist, dass die italienische Truppen den Irak verlassen sollen – und sie muss den Mut haben, deutlich zu machen, dass diejenigen, die sich im Irak gegen die Besatzungskräfte wehren, Widerstandskämpfer, Guerilleros sind. Die Linke sollte klar Stellung beziehen und sich nicht hinter einem falschen Patriotismus verstecken.

Die Richterin brachte einen weiteren sehr wichtigen Gesichtspunkt in die Debatte: Auch wenn man davon ausgehen müsse, dass die Beschuldigten Teil einer Organisation waren, sei es unzulässig, deshalb unmittelbar von terroristischen Zusammenhängen auszugehen. Und vor Gericht genüge es nicht, das Gegenteil behaupten zu wollen, indem sich die Anklage auf Geheimdienstdaten stütze. Solche Daten könnten der Polizei von Nutzen sein, vor Gericht aber müssten sie als „nicht verwendbare Informationsquellen, die keiner Billigung in einem Prozess wert sind, weil ihnen jeder Halt fehlt, angesehen werden“. Mit anderen Worten: Die durch die unterschiedlichen Geheimdienstquellen beschafften Daten sind vom Gericht nicht zu akzeptieren. Man könne nicht auf Grundlage von Daten verurteilen, die „von US-Geheimdiensten oder vom BKA stammen“.

Faheem Hussain; aus: Resumen, latinoamericano, Mai-Juni 2005, No. 77.

Übersetzung aus dem Spanischen.


Zur Situation der Kommunisten in Österreich

Otto Bruckner

Was bleibt von der KPÖ?

„Vor 70 Jahren bin ich der illegalen KPÖ beigetreten. Ich kann sagen, dass ich zu jenen vielen GenossInnen gehöre, die als Funktionäre ihr ganzes Leben im Rahmen der KPÖ für eine sozialistische Zukunft eingetreten sind. Natürlich habe ich diese Ideen und mein Wissen meiner Tochter Lisl vermittelt, die heuer vor genau 40 Jahren dieser Kommunistischen Partei beigetreten ist und ebenso in den unterschiedlichsten Bereichen sich offen für die Partei und für eine sozialistische Perspektive engagierte.

Seit Jahren geht diese KPÖ nun einen Weg, der nicht nur von mir, sondern von vielen Genossen in der Partei abgelehnt wird. Ihr habt im letzten Jahrzehnt nichts unversucht lassen, das kommunistische Potenzial in der Partei zu diffamieren und auszugrenzen. Mehr noch, ihr maßt euch an, mit Ausschlussverfahren Genossen zu „verfolgen“, wie Gen. Weinert, oder statuten-widrig Gen. Fellner und meine Tochter auszuschließen, die eure Politik kritisierten und als Kommunisten handeln. Ihr habt euch über Parteitagsbeschlüsse hinweggesetzt, ihr habt einen Delegiertenparteitag einberufen, weil ihr meintet, so eure Abwahl verhindern zu können. Ihr werdet verstehen, dass ich nicht an eurer Feier teilnehme, die für mich lediglich eine Alibiaktion ist, denn dass ihr mit dieser Geschichte der Kommunistischen Partei nichts mehr anfangen könnt, habt ihr in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt.“

So begründete Genossin Berta Brichacek, die neunzigjährige Mutter von „Neue Volksstimme“ - Herausgeberin Lisl Rizy - in einem Brief an die KPÖ-Spitze, warum sie der Einladung zur zentralen Parteiveranstaltung anlässlich 60 Jahre Befreiung nicht Folge leistete.

Und der Vertreter der Kommunistischen Jugend Österreichs (KJÖ), Paul Toifelhart, charakterisierte die KPÖ in seiner Rede auf der 1.Mai-Demonstration in Wien folgendermaßen:

„Mehr denn je muss der 1. Mai daher den revolutionären Charakter der Maifeier hervorkehren, soll unser Marsch auch ein Protest sein gegen die Kampfunwilligkeit der Gewerkschafts-bürokratie, gegen die Helfer und Helfershelfer des staatsmonopolistischen Kapitalismus in den Reihen der Arbeiterbewegung.

Alle reformistischen Versuche, dem 1. Mai diesen revolutionären Charakter zu nehmen, müssen zurückgewiesen und bekämpft werden.

Es muss in diesem Sinn auch auf die schmutzige Rolle der Baier-"K"P hingewiesen werden, die auf verleumderische Art und in dreister Weise nichts unversucht lässt, die anti-imperialistische und revolutionäre Linke in Österreich zu diffamieren und zu bekämpfen.

Die Baier-"K"P spaltet und grenzt innerhalb der fortschrittlichen Kräfte in Österreich aus, sie verteidigt Kriegshetzer und Pro-Imperialisten nicht nur, sie nimmt sie sogar in die eigenen Reihen auf und ist damit ein Mühlstein am Hals der Antikriegs- und Antiimperialistischen Bewegung, ein Mühlstein am Hals der internationalen Solidarität.“

Was ist los in einer Partei, wenn neunzigjährige zu ebenso harten Urteilen kommen wie zwanzigjährige? Einige beispielhafte Erklärungsversuche.

Die Kommunistische Partei Österreichs war über die meisten Perioden ihrer Existenz (seit 1918) eine kleine Partei. Den größten Einfluss in der österreichischen ArbeiterInnenschaft erreichte sie zwischen Mitte der 1930er bis Mitte der 1960er Jahre.

Im Gefolge der Februarkämpfe 1934 und der Kapitulation der Sozialdemokratie kamen tausende sozialistische GenossInnen in die bereits illegale KPÖ. Dieser Wendepunkt in der Geschichte der Partei bewirkte einen unglaublichen Aufschwung, da eine große Zahl marxistisch bereits gebildeter Kader in die Partei kam, und bewirkte, dass die KPÖ im illegalen Kampf gegen den Austro- und Nazifaschismus die bedeutendste Kraft in der ArbeiterInnenbewegung und darüber hinaus war. Nicht zuletzt der hohe Blutzoll der österreichischen KommunistInnen legt Zeugnis davon ab.

Auch in der Zeit nach 1945 bis Mitte der 1960er Jahre konnte ein nicht unmaßgeblicher Einfluß in der österreichischen ArbeiterInnenbewegung aufrechterhalten werden. Bei den Arbeiter-kammerwahlen (der gesetzlichen Vertretung aller Arbeiter, Angestellten und öffentlich Bediensteten) konnte die KP-nahe Gewerkschaftsfraktion in dieser Zeit immer an die zehn Prozent der Stimmen erzielen.

Eine entscheidende Schwächung erfuhr die Partei durch die Parteikrise Ende der 1960er Jahre. Die ideologische Konsolidierung und die Entwicklung einer eigenständigen Programmatik erfolgte über einen Zeitraum von einem Jahrzehnt und mündete in der Beschlussfassung des bis dato letzten ernstzunehmenden Programms der KPÖ, „Sozialismus in Österreichs Farben“ (1982).

Tatsächlich gelang es paralell zur ideologischen Konsolidierung auch, in der praktischen Politik wieder Tritt zu fassen. Die Partei spielte eine aktive Rolle in außerparlamentarischen Bewegungen, erzielte einzelne Erfolge in Betrieben und Gemeinden, an den Hochschulen schärfte der Kommunistische Studentenverband sein ideologisches Profil in der Auseinandersetzung mit den damals zahlreich vorhandenen Trotzkisten, Maoisten usw.

Die heutige Krise der Partei nimmt ihren Ausgang (wie sollte es anders sein), in der weltpolitischen Entwicklung Ende der 1980er. Langzeitvorsitzender Franz Muhri hatte gerade seine Funktion an Jüngere übergeben (Walter Silbermayr und Susanne Sohn wurden 1989 zu gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt), als der „Gorbatschowismus“ seinen Höhepunkt in der Liquidation des Sozialismus erreichte. In Kreisen der Parteiführung zitierte man damals gerne „neue Denker“ wie eben Gorbatschow, Falin oder Fukuyama.

Das „ideologische Hiroshima“ (Domenico Losurdo) erreichte seinen Höhepunkt darin, dass die beiden Vorsitzenden der KPÖ und mit ihnen fast die Hälfte des Zentralkomitees aus der Partei austraten.

Auf dem folgenden 28. Parteitag der KPÖ (1991, Graz) wurde eine kollektive Parteiführung gewählt und ein ideologischer Rahmen gesteckt, der die in der Partei verbleibenen Kräfte einen sollte. Gleichzeitig war aber auch bereits eine Ausgrenzung kommunistischer Kräfte spürbar. Der brillanteste Ideologe der Partei, Ernst Wimmer, wurde nicht mehr in die Parteiführung gewählt. Als Chefredakteur des theoretischen Organs, „Weg und Ziel“ hatte er sich in den Jahren zuvor kein Blatt vor den Mund genommen und mit der ideologischen Verlotterung der kommunistischen Bewegung scharf abgerechnet. Als einer der ersten wies er unter dem Titel „Bankrott der Perestroika“ auf die antisozialistische Stoßrichtung der „Erneuerung“ hin.

Die Kräfte, die heute maßgeblich in der Führung der KPÖ sind, Vorsitzender Walter Baier, Finanzreferent Michael Graber und einige andere gehörten auch bereits dieser kollektiven Führung an. Systematisch vergrößerten sie in den Jahren danach ihren Einfluss, säuberten oder vertrieben in mehreren Wellen kritische Kräfte aus der Partei und führten die KPÖ Schritt für Schritt weiter nach rechts und zugleich in die Bedeutungslosigkeit.

Auf zwei Parteitagen hintereinander (zuletzt 2003) erreichte Vorsitzender Walter Baier nur knapp über fünfzig Prozent der Stimmen. Seine programmatischen Vorlagen mussten immer wieder zurückgezogen werden. Zugleich wurden aber auch Alternativentwürfe blockiert. Die letzte gewählte Programmkommission, die einen viel beachteten Entwurf für ein neues Parteiprogramm vorgelegt hatte, wurde von der Führung schlicht boykottiert, deren Entwurf einfach nicht zur Kenntnis genommen.

Mit dem Aufkommen der „Sozialforen“ und damit der globalisierungskritischen Bewegung versuchte die Baier-KPÖ voll auf diesen Zug aufzuspringen und die Losung „eine andere Welt ist möglich“ wurde zur Linie der Partei. An die Stelle der Lenin’schen Imperialismustheorie trat ein Konglomerat ethisch-moralischer Weltverbesserungstheoreme. In einem atemberaubenden Tempo wurde die Partei mit immer neuen Zumutungen konfrontiert. So pflegt der Parteivorsitzende engste Kontakte zur katholischen „Fokolar“-Bewegung, einer christlichen Sekte, die zwar viele humanistische und ökumenische Ideale vertritt, ideologisch aber zur Prätorianergarde des Vatikans gehört. So kommt es, dass die Sektenführerin der „Fokolare“, Chiara Lubich, wenn sie sich nicht gerade als „Schwester Gottes“ fühlt, den verstorbenen oder den aktuellen Papst bejubelt oder sonstige spirituelle Erscheinungen hat, lobende Worte über die Kommunistische Partei Österreichs und deren Vorsitzenden spricht.

Mit der Herausbildung der Europäischen Linkspartei (EL) ist das Schicksal der KPÖ eng verknüpft. Unter tatkräftiger Mithilfe von Einpeitschern aus anderen Parteien (etwa Wolfgang Gehrcke aus der PDS) wurde eine knappe Mehrheit auf einer Parteikonferenz erzielt, der Beitritt der KPÖ zur EL beschlossen. In demagogischer Weise wurde und wird den KritikerInnen der EL vorgeworfen, sie wären gegen Internationalismus.

Dabei ist das ganze Vorhaben EL alles andere als internationalistisch. Es ist – wie der steirische KPÖ-Vorsitzende Franz Parteder feststellte, „his master’s loyal opposition“ in der EU.

Unter Federführung der PDS und der Rifondazione Comunista wurde eine Vereinigung geschaffen, die reformistische Positionen zur EU hat. Nicht umsonst sind starke antiimperialistische und klassenkämpferische Parteien wie die griechische und die portugiesische KP, die KP Böhmens und Mährens oder die zypriotische AKEL nicht Mitglieder der EL.

Mit dem Beitritt zur EL einher ging ein völliges Abgehen von der grundsätzlich ablehenenden Haltung der KPÖ zur EU. Die KPÖ lehnte den Beitritt Österreichs seinerzeit ab. Auch danach trat sie für die Wiederabkoppelung Österreichs von der EU ein. Aus Sicht der KommunistInnen ist die EU ein imperialistisches Konstrukt, das ausschließlich den Interessen des Monopolkapitals dient. Soziale und demokratische Reformwünsche auf die EU-Ebene zu projizieren ist gefährliche Illusionsmacherei. Das lenkt von der Notwendigkeit des Klassenkampfs vor Ort ab. Reformistische Gewerkschafter etwa ziehen sich gern mit dem Argument zurück, dass gegen die Konzerne nur auf EU-Ebene was zu machen sei. Und was geschieht auf EU-Ebene, was erreicht der Europäische Gewerkschaftsbund? Nichts!

Internationalismus bedeutet etwas gänzlich anderes, als auf Reförmchen im imperialistischen Überbau zu setzen: Die Vernetzung klassenkämpferischer und antiimperialistischer Kräfte in Europa und weltweit, die gegenseitige Unterstützung in den realen Auseinandersetzungen.

Ein weiteres ideologisches Einfallstor ist das von der Parteiführung geförderte Eindringen „antinationaler“ Personen und Positionen in die KPÖ. Die „Antinationalen“ sind der Parteiführung ein willkommenes Werkzeug zur Demontage des Antiimperialismus. So kann sich die Führung formell zwar gegen den Irak-Krieg stellen, es aber gleichzeitig zulassen, dass es Kräfte in der Partei gibt, die den US-Überfall als „Befreiung“ begrüssen. Auch der Kontakt zu den Exil-Vertretern der pro-imperialistischen irakischen „KP“ ist bestens.

Die Empörung über diese und viele anderen Entwicklungen in der KPÖ erreichte im Jahr 2004 ihren Höhepunkt. Eine ohnehin nur aus sieben gewählten Vertretern bestehende Parteiführung war handlungsunfähig geworden, da alle(!) Personen außer Baier und Graber ihre Funktionen zurücklegten, weil mit den beiden keine gedeihliche Zusammenarbeit möglich war. Entscheidungen, die ihnen nicht in den Kram passten, boykottierten sie einfach.

In dieser Situation griff die Parteispitze zu einem Trick: Es wurde zwar ein Parteitag einberufen, aber ein „Delegiertenparteitag“, und zwar gegen den ausdrücklichen Willen des letzten Parteitags. Da nur die Parteispitze die Mitgliederzahlen überprüfen kann, war ihnen die Mehrheit mit einem „Delegiertenparteitag“ gewiss. Politisch völlig tote Parteibezirke „wählten“ in „Versammlungen“, an denen ein paar GenossInnen teilnahmen, „Delegierte“, die auf dem Papier für dutzende Mitglieder standen.

Die einzig erfolgreiche Landesorganisation, die KPÖ-Steiermark (sie stellt u.a. in Graz zwei Stadträte und hat über 20% der Stimmen), lehnte diese „Wahlen“ ab und nahm auch geschlossen nicht an dieser Parteitagsfarce teil. Ebenso wie alle anderen Teile der Opposition.

Der Versuch, einen statuten- und beschlusskonformen Mitgliederparteitag gegen den Willen der Parteiführung abzuhalten, wurde von der Opposition nach massiven Klagsdrohungen der Parteispitze gegen Einzelpersonen wieder abgeblasen.

So konnte Walter Baier seinen „Parteitag“ im Dezember 2004 in Linz-Ebelsberg abhalten und von etwa 70 „Delegierten“, die cirka 35 Funktionen unter sich aufteilten, „gewählt“ werden.

Aus Sicht der Opposition besaß und besitzt diese „Wahl“ keinerlei Legimitation, das Wort Putsch wäre schon eher zutreffend.

Im Jänner 2005 kam es, nachdem viele, vor allem jüngere Mitglieder die Partei aufgrund dieser Parteitags-Farce verlassen hatten, zur Gründung der „Kommunistischen Initiative“. Bereits vorher gab es eine „Kommunistische Initiative zur Erneuerung der KPÖ“, die eine breite Sammlungsbewegung der innerparteilichen Opposition darstellte.

Die Entscheidung, eine eigenständige Organisation außerhalb der KPÖ zu schaffen fiel aufgrund der Erkenntnis, dass eine Veränderung in der KPÖ wegen der völligen Abschaffung der innerparteilichen Demokratie auf Sicht nicht möglich ist.

Die „Kommunistische Initiative“ versteht sich als Teil jener Kräfte, die am Ziel der Schaffung einer revolutionären Partei der ArbeiterInnenklasse arbeiten.

Die bisherigen Aktivitäten bestanden beispielsweise in der Abhaltung einer würdigen und gutbesuchten Befreiungfeier beim Denkmal der Roten Armee in Wien, in der Mit-Organisierung einer kämpferischen 1.Mai-Demonstration in Wien, oder in der Abhaltung mehrerer inhaltich-programmatischer Veranstaltungen. Die KI ist Teil der antiimperialistischen Bewegung in Österreich, nicht nur in Schriften, sondern auch auf der Straße.

Noch offen ist die weitere Entwicklung der KPÖ deshalb, weil de facto derzeit zwei Parteien in einer existieren. Die KPÖ-Steiermark, eine überaus erfolgreiche Landesorganisation, die sich auf konkrete Interessenspolitik vor Ort konzentriert und nicht nur in der Landeshauptstadt Graz, sondern auch in fast allen wichtigen Industriestädten teils beachtliche kommunale Vertretungen hat, lehnt zwar die Politik der Führung ab, hält sich aber nobel zurück.

Als Grund dafür wird die bevorstehende Landtagswahl in der Steiermark im Herbst dieses Jahres angegeben, wo berechtigte Hoffnungen bestehen, dass erstmals seit 1970 wieder KommunistInnen im Landtag sitzen.

Ob es danach weiter so sein wird, dass die steirische KPÖ die Bundesparteiführung ignoriert, während diese sich mit den steirischen Federn schmückt, oder ob es zu einem Bruch kommen wird, lässt sich heute nicht sagen.

Jedenfalls hätten die kommunistischen Kräfte in den anderen Bundesländern nicht warten können, wie diese Entscheidung ausfallen wird. Ausserhalb der Steiermark wurden von der Parteispitze kritische Organisationen aufgelöst, ausgehungert, einzelne KritikerInnen ausgeschlossen, viele mit dem Ausschluß bedroht.

Es bestand keine Möglichkeit mehr, in der Partei vernünftige Politik zu machen. Deshalb erschien als einzig logischer Schritt die Neugründung einer eigenständigen Organisation, was mit der Kommunistischen Initiative geschehen ist. Die KI hat vor kurzem den Beschluß gefasst, in einzelnen Arbeiterbezirken zu den Wiener Wahlen Kommunalwahlen anzutreten, die ebenfalls im Herbst 2005 stattfinden. Das ist angesichts der noch wenig entwickelten Strukturen und Programmatik ein Risiko, zugleich ist es eine Chance, sich in der richtigen Kombination von Theorie und Praxis weiterzuentwickeln.

Ebenfalls im Herbst findet der formelle Gründungskongreß der Kommunistischen Initiative statt, auf dem erste programmatische Grundlagen und Überlegungen zur Strategie und Taktik der kommunistischen Bewegung diskutiert werden sollen.

Otto Bruckner


Voll R. Sorge

Eine andere KPÖ ist nötig !

Unter dem Titel „Oui, ein anderes Europa ist möglich!“
biegt sich Walter Baier[3] wieder einmal die Wirklichkeit zurecht.

Er schreibt von einer Niederlage der politischen Elite Europas. Die Stimmung gegen die weitere Militarisierung und Entdemokratisierung der EU ist aber schon längst gepaart mit einer allgemeinen Ablehnung des vom Großkapital und seinen politischen Fraktionen geschaffenen imperialistischen Zentrums EU, gerade in Frankreich und gerade in der dortigen Linken. Und Baier schwindelt sich um die Frage herum, warum er gerade angesichts solcher sich steigernder Widerstände gegen die EU der KPÖ einen „windelweichen“ Pro-EU-Kurs aufgedrängt hat.

Seit Jahren versucht er der KPÖ die Aufgabe der ehedem eindeutigen Ablehnung der EU aufzuschwatzen und zu –zwingen. Die dringend nötige Losung „Raus aus der EU !“, die von den KommunistInnen sowieso in Gemeinden, Betrieben, Schulen und Universitäten vertreten wird, darf daher offiziell nicht politische Linie der KPÖ sein. Darüber wachen er und die spärlichen Seinen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln.

Wenn er davon schreibt, dass die österreichischen Parlamentsparteien durch das Abstimmungsergebnis blamiert seien, so verschweigt er geflissentlich, dass er und die EU-Linkspartei eine eindeutige Pro-EU-Linie verfolgen, also mitblamiert sind. Sozialer soll sie halt werden, die EU (nicht der Baier), wünscht man sich fromm. Sylvia-Yvonne Kaufmann, PDS-Abgeordnete, stv. Fraktionsvorsitzende der GUE-NGL, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und als solche maßgeblich an der Ausarbeitung dieser EU-Verfassung beteiligt, hält das französische Nein zur EU-Verfassung z.B. sogar für einen Pyrrhussieg der Linken und betrauert den von uns zu recht gefeierten Volksentscheid. Ja, was nun ? Die Ratifizierung der EU-Verfassung erfolgte in der BRD mit Unterstützung der PDS in den Landesregierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern (wo sich die PDS auch nur zu einer Stimmenthaltung bequemte).

Die Basis der PCF und des CGT haben ihre jeweiligen Leitungen und Funktionäre auf Vordermann/frau gebracht. Tatsächlich haben sich die KommunistInnen Frankreichs ihrer besten kämpferischen Traditionen besonnen. Die PCF stand wirklich im Zentrum des linken Nein, aber nicht wegen, sondern trotz ihrer Parteispitze. Die Basis hatte entsprechenden Einfluss auf die Führung. Für Baier etwas Undenkbares. Er drückt seinen EU-freundlichen Kurs durch, auch wenn es die Partei politisch und geographisch zerreißt. Dass er fast die gesamte Parteijugend verliert, Dutzende aktive GenossInnen austreten, die erfolgreichste Landesorganisation sich von der Bundesebene verabschiedet hat, schert ihn nichts. Kritiker werden ausgeschlossen, aufmüpfige Organisationen aufgelöst. Europa und Österreich brauchen einen Linksruck, meint er, aber was links ist und wie links zu sein hat, das will er in alteingesessener Apparatschik-Manier allein oder im allerengsten Kreis bestimmen.

Und Baier im Orignalton: „Das Non richtet sich nicht gegen Europa.“ Natürlich wurde nicht über den Austritt aus dem Kontinent abgestimmt. Im Grunde zeigt sich an dieser Formulierung allerdings, dass er Europa und die EU gleich setzt, und das ist schon bezeichnend. Baier ist nicht gegen die EU, sondern gegen „diese“ EU. Er will eine andere EU und die sieht in Wahrheit so aus: Baier als Europa-Parlamentarier, gewählt auf einer gemeinsamen Liste der EU-Linkspartei. Damit er endlich wieder ins Weite schweifen kann, damit er den ihm „gebührenden“ Rahmen hat. Es scheint generell eine wichtige Triebfeder alter Apparatschiks zu sein: Früher ließ man sich auf Kosten der Arbeiterklasse in den sozialistischen Ländern hofieren, verbrachte seine Partei-Urlaube wie ein Staatsgast, wie erfolglos man auch immer zuhause agierte, jetzt muss man sich eben andere „Wirkungsmöglichkeiten“ suchen. Europa, Baier kommt ! Und das ist auch der fast einzige Zweck der „Schaffung einer Bewegung für ein anderes Europa“. Zuhause verkauft er Parteieigentum an rechte Recken, zerschlägt die Parteistrukturen, entfernt Kritiker samt Kritik und Kritikfähigkeit, aber in die Ferne schweift es sich gut.

Baiers angekündigte Bewegungen sind aber meist schon beim Ankündigen tot. Und wer soll einem Packler, Putscher, Verdunkler und Mitspracheverhinderer die Aussage, Europa brauche „transparante“ und „demokratische“ Strukturen, denn glauben ? Und es ist Baiers und seiner Anhängsel mangelnde bzw. nicht existente Glaubwürdigkeit, welche die KPÖ auf Bundesebene ins totale Out schlittern lässt, während die volksnahen Arbeitervertreter der steirischen KP von einem Erfolg zum anderen eilen.

Baiers Reformbestrebungen für die EU werden an dieser vermutlich abprallen. Die dahintersteckende Ideologie - es ist die uralte, noch nie erfolgreiche Mär vom Dritten Weg - ist allerdings für die KPÖ tödlich.

Gerade jetzt wäre eine klar ablehnende Haltung gegenüber der EU, wie sie etwa die griechische kommunistische Partei KKE vertritt, notwendig. Diese EU ist nicht zu reformieren, sie wurde zu jenen asozialen Zwecken, denen sie eben dient, geschaffen. Basta.

Es geht also um die Zerschlagung der EU und um Österreichs Austritt. Und um diesen Kampf in Österreich zu führen, braucht es eine andere KPÖ, mit anderen Köpfen, mit anderen Zielen.

Voll R. Sorge, 1.6.2005

[3] Vorsitzender der KPÖ


Tibor Zenker

Revolutionäre Strategie erfordert konkrete Analyse

Diskussionsbeitrag von Tibor Zenker auf dem Symposium zur kommunistischen Programmatik
am 2. April 2005 in Wien.

Es ist bereits seit Monaten, lange vor dem heutigen Symposium, über den vorgelegten Programmentwurf der KPÖ diskutiert worden. (…) Zunächst, und ich möchte das wirklich nur ganz kurz ansprechen, wissen wir alle aber eines: nämlich um den Unterschied zwischen diesem Programmentwurf und dem in Linz im Dezember 2004 mehr oder minder beschlossenen Papier, der sog. "Programmatischen Plattform der KPÖ". Diese Plattform hat - ich hab's nachgeprüft mit Hilfe Microsofts - über 6.000 Worte oder eher Wörter - ist also gar nicht so kurz - und genau zwei dieser 6.000 Wörter lauten "Imperialismus", eines lautet "antiimperialistisch". Dass dies keine seriöse Betrachtung des gegenwärtigen Kapitalismus mit transzendenten Perspektiven sein kann, liegt auf der Hand. (…)

Ich möchte mich auf einen allgemeinen Hinweis beschränken, der sich bei der Analyse des gegenwärtigen Kapitalismus aufzwingt. Was ich bei einer marxistischen Analyse des Kapitalismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts schon einfordern muss, das ist eine konkrete Stamokap-Analyse und in weiterer Folge - noch wesentlicher - die gesamte Stamokap-Theorie mit allen strategischen Implikationen für die revolutionäre Bewegung. Ich halte die Stamokap-Theorie für nicht nur die wesentlichste, sondern eben auch und vor allem für eine notwendige und unverzichtbare Ergänzung, Vertiefung und Präzisierung der Leninschen Imperialismustheorie, die sich im 1. Abschnitt des Programms ja durchaus widerspiegelt. Nehme ich die grundlegenden Ergebnisse der aktuellen Stamokap-Analyse nicht zur Kenntnis, so ist wahrscheinlich, dass ich die ökonomisch-politischen Kernpunkte einer marxistischen Kapitalismusbetrachtung verfehle.

Der staatsmonopolistische Kapitalismus selbst findet sich im Programmentwurf zwar viermal oder fünfmal als Begriff - das habe ich nicht exakt überprüft -, doch er wird nicht genauer bestimmt, geschweige denn als Erklärungsansatz operationalisiert. Und so was wie eine Stamokap-Theoriediskussion - müsste man angesichts des ersten Abschnitts fast annehmen - gab's im Laufe des 20. Jahrhunderts offenbar entweder gar nicht - oder dieser Theorieansatz war nach allgemeiner Ansicht ein Irrweg. Beides entspricht freilich nicht der Wahrheit. Warum aber ist es wichtig, die Stamokap-Theorie gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu vernachlässigen? Meiner Meinung nach sprechen mindestens die folgenden drei Punkte für die Relevanz der Stamokap-Theorie als unabdingbares Fundament und Instrument des handlungsorientierten revolutionären Marxismus.

1. Wir sind heute permanent gezwungen, Lenins Imperialismustheorie zu verteidigen. Nicht nur gegen offen antimarxistische Ideologien wie die antinationale - über die wir hier aber wirklich nicht weiter sprechen müssen - sondern auch gegen den Revisionismus innerhalb der kommunistischen Bewegung, gegen das Eindringen "neuer", z.T. postmodern inspirierter angeblicher Theorien zum Imperialismus oder "Imperium", die schon bei Kautsky vor 90 Jahren nicht besonders originell waren, dafür aber in der so genannten "globalisierungskritischen Bewegung" bisweilen Fuß fassen. - In Lenins Imperialismusdefinition sind bekanntlich fünf Charaktermerkmale des gegenwärtigen Monopolkapitalismus angeführt. Wir verweisen heute darauf - auch im Programmentwurf - dass dieses damit skizzierte aggressive und repressive Wesen des Imperialismus schon seit den frühen 1980er Jahren, vor allem aber seit 1989/90 wieder vermehrt offensichtlich wird. Der heutige Kapitalismus, wo Globalisierungstheoretikerinnen und -theoretiker erstaunt entdecken, dass nicht der Papst, sondern Galilei recht hatte, wo der Neoliberalismus begrifflich sein disziplinierendes und regulierendes Gegenteil behübscht, da können wir sehen, dass Lenins Erkenntnisse auf die Spitze getrieben abermals verifiziert werden. Die vollständige Imperialismusdefinition, so Lenin, ist aber mehr: der Imperialismus ist nicht nur das höchste, sondern daher auch das letzte Stadium des Kapitalismus; er ist nicht nur monopolistischer, er ist auch parasitärer, in Fäulnis begriffener und sterbender Kapitalismus. Der Imperialismus ist der Vorabend der sozialistischen Revolution. Sprach's 1916/17. Wir müssen uns die Frage gefallen lassen, nach einem 90 Jahre zurückliegenden Vorabend, wo das Morgenrot bleibt und warum die Nacht eigentlich so lange dauert. Da ist nicht Otto Bauer schuld, nicht Friedrich Ebert, nicht Chruschtschow und Gorbatschow, nicht Stalin, Kreisky oder Walter Baier. Auch nicht der Trotzkismus. - Die Erhaltungs-, Erneuerungs- und Erweiterungsfähigkeit des Imperialismus politisch-ökonomisch, strukturell kapitalistisch erklären, bedeutet, den Eintritt des Imperialismus in seine staatsmonopolistische Phase zu betrachten - ab dem 1. Weltkrieg, mit dem vorläufigen Abschluss nach dem 2. Weltkrieg, anhand gegenwärtiger Bedingungen, Beziehungen und dem Verwachsen zwischen Staat und Monopolkapital. Schlussendlich ist es die Stamokap-Theorie, die uns sagt, nicht nur wo wir stehen, sondern auch warum und wodurch. Wir haben nicht nur ein imperialistisches Weltsystem, wir haben eine staatsmonopolistische Systematik auf struktureller und personeller, programmatischer und prozessualer Ebene - und der Output ergibt sich folgerichtig. Damit haben wir nicht nur die Beschreibung, dass der angebliche "Neoliberalismus" und die "Globalisierung" den Imperialismus nicht verlassen und verlassen können - sondern wir wissen auch, warum das so ist. Dieses "warum" bringt mich zum zweiten Punkt.

2. Im Programm steht richtig: die Menschen können nicht messianisch beglückt werden, denn die Überwindung des Kapitalismus wird ja nicht von oben "herbeibewusstseint oder -gemacht". Die Menschen müssen mit konkreten Bedürfnissen und Sorgen für Hintergründe sensibilisiert und dann mobilisiert werden, indem Individualinteressen und spezifische Gruppeninteressen in Kollektivinteressen münden. Kollektivinteressen werden sichtbar, wenn ich über das bloße Postulat hinauskomme, dass hier Konzerne gegen ArbeitnehmerInnen, und bürgerliche Parteien gegen ArbeiterInneninteressen stehen. Dann, wenn ich zeigen kann, wie derartiges zwingend systematisch abläuft. Dann nämlich, wenn ich - und damit sind wir bei Kernbereichen der Stamokap-Analyse - nicht nur zeigen kann, welches Herrschaftssystem, sondern auch welche Herrschaftssystematik wirkt. Und wie sie wirkt. Die SPÖ plakatierte im letzten Nationalratswahlkampf zum Beispiel - vermutlich aus dem Bauch heraus oder aufgrund rudimentärer buchhalterischer Fähigkeiten: "Entweder 1 Abfangjäger - oder 20.000 neue Kindergartenplätze". Die Stamokap-Analyse fördert zutage, dass man dies nicht nur plakativ und humanistisch inspiriert gegenüberstellen kann, sondern dass dies wirklich die direkten Alternativen sind, deren Kontext unauflösbar ist. Deshalb ist das Aufzeigen der staatsmonopolistischen Herrschaftsweise unsere Chance, die Menschen nicht nur dort abzuholen, wo sie stehen, sondern ihnen auch zu zeigen, warum sie dort stehen; und warum sie zwingend dort stehen bleiben werden, wenn sie sich nicht selbst bewegen.

3. Eine konkrete Kapitalismusanalyse und eine Kapitalismuskritik sind ja kein Selbstzweck. Aus jeder Analyse der gegenwärtigen kapitalistischen Entwicklung und des Standes des Klassenkampfes folgen unweigerlich Ansichten über Strategie und Taktik der revolutionären ArbeiterInnenbewegung. Der Niederschlag der Stamokap-Theorie, vielmehr der Ausgangspunkt von der Stamokap-Theorie in einem marxistisch-revolutionären Programm ist deshalb unabdingbar, weil hier die Ansatzpunkte antimonopolistischer, antiimperialistischer und sodann allgemein antikapitalistischer Natur offensichtlich sind. Sie werden in späteren Programmteilen ja zum Teil auch inhaltlich richtig skizziert, aber ebenso wenig unoriginell wie unlogisch ist ja, dass sich auf dem Weg zum Sozialismus, quasi in Teil 3 des Programms, die Etappe der antimonopolistischen Demokratie terminologisch nicht wiederfindet, was wohl dem Verzicht auf den Stamokap-Ansatz zuzuschreiben ist. In diesem Zusammenhang möchte ich auch kurz auf die Kritik des Genossen Pröbsting bezüglich der Etappentheorie eingehen - und auf sein Gleichnis mit dem vegetarischen Tiger, wonach die antimonopolistische Demokratie als Kapitalismus in eingeschränkter Form nicht als Durchgangspunkt zur sozialistischen Revolution dienen kann. Sehr wohl ist es möglich, einen Tiger zum Vegetarier zu machen. Was passiert dann? Der Tiger wird verhungern und sterben. Und die ArbeiterInnenklasse legt sich dann ein neues und wirkliches Schmusekätzchen zu - den Sozialismus. - Natürlich ist es unnötig, über bloße Begriffe um derer selbst willen zu streiten. Ich möchte bezüglich der notwendigen Begrifflichkeit der antimonopolistischen Demokratie jedoch zwei Dinge zu bedenken geben: eine "radikale Demokratisierung", "radikale oder progressive Demokratie" und einen "neuen Sozialstaat", wie's im Programmentwurf vorkommt - das kann ich von Walter Baier und Leo Gabriel auch haben. Dies zum einen. Zum anderen besteht mit derartigem die Gefahr, ökonomische Hauptansatzpunkte aus den Augen zu verlieren; und damit auch nicht mehr zu sehen, wie eine richtige antimonopolistische Bündnispolitik seitens der Kommunistinnen und Kommunisten tatsächlich ausgerichtet sein muss, was der Genosse Bruckner ja schon sehr gut dargelegt hat.

Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass die Stamokap-Theorie nicht im Zentrum einer kommunistischen Kapitalismusanalyse steht, ebenso wie, dass eine direkt darauf aufbauende antimonopolistische Orientierung nicht deutlicher in der revolutionären Strategie herausgearbeitet wird. Ich möchte hier ja niemanden beunruhigen in seinem oder ihrem Weltbild, aber doch darauf verweisen, dass gegenwärtig die größte und wichtigste an der Stamokap-Theorie orientierte marxistische Strömung in Österreich in der Sozialistischen Jugend organisiert ist und arbeitet. Es ist ein - logisches und verdientes - Armutszeugnis für die Baier-Fraktion der KPÖ, hier ideologisch weit abseits, nämlich rechts-hinten abseits der Genossinnen und Genossen der "SJ-Stamokap" zu stehen. Der kommunistische Alternativentwurf zu Herrn Hopfgartners Umwälzungen des Marxismus muss aber auf dem festen Boden des kompletten Marxismus-Leninismus stehen, bevor dieser zum Monopol einer sozialdemokratischen Sekte wird.

Tibor Zenker


Kommunistische Initiative

Für eine klassenorientierte, internationalistische und antiimperialistische Alternative am Wahlzettel!

Erklärung der Kommunistischen Initiative (KI) zu den Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen im Oktober 2005

1.) Eine ernstzunehmende politische Alternative für die arbeitenden Menschen, wie es die Kommunistische Initiative sein und werden will, muss Wahlauseinandersetzungen als politische Tribüne sehen, auf der die Möglichkeit besteht, die eigenen Positionen zu propagieren und die Auseinandersetzung mit dem kapitalistischen System und seinen parteipolitischen Apologeten zugespitzt zu führen. Die KI strebt daher an, einerseits selbst in Teilen Wiens zu kandidieren und andererseits dort, wo ernsthafte antikapitalistische Kräfte antreten, zu einer Unterstützung aufzurufen.

2.) Die KI strebt eigene Kandidaturen – eingedenk der bescheidenen Mittel und der erst im Aufbau befindlichen Organisationsstrukturen – nur auf Ebene der Bezirksratswahl in einigen ausgewählten Bezirken an. Schwerpunkte bilden dabei jene Bezirke, in denen vorwiegend proletarische Bevölkerung wohnt.

3.) Das Wahlprogramm der KI wird klassenorientiert, internationalistisch und antiimperialistisch ausgerichtet sein. Wo es Ansatzpunkte gibt, werden kommunale und grätzlspezifische Themen aufgegriffen. Im Mittelpunkt unseres politischen Auftretens steht jedoch die Darstellung des regionalen, nationalen und globalen Kampfes gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg. Wir streben einen Wahlkampf an, der die großen Linien der Auseinandersetzung zwischen Arbeit und Kapital, zwischen Unterdrückten und Unterdrückern thematisiert.

4.) Wir laden alle klassenorientierten Kräfte ein, sich aktiv an unserem Wahlkampf zu beteiligen. Diese Einladung ergeht natürlich auch an Vereine, Bewegungen und Organisationen, in denen MigrantInnen organisiert sind.

5.) Mit anderen marxistischen Gruppen, die Kandidaturen anstreben wollen wir das Gespräch suchen. Wir sind bereit, sowohl über die Möglichkeit gemeinsamer Kandidaturen als auch über Absprachen und gegenseitige Unterstützung zu sprechen und werden jede Gruppierung danach beurteilen, welche Position sie zu den zentralen Themen einnimmt, die oben angesprochen wurden.

Beschluss des Plenums der Kommunistischen Initiative Wien vom 08. Juni 2005


Programmdiskussion der DKP

Andrea Schön

Der neue Programmentwurf der DKP ist ein Schmarren!

Der neue Programmentwurf der DKP ist ein Schmarren, würde der Bayer sagen. Die zwei Strömungen in den grundlegenden ideologischen Fragen, in der Autorengruppe des Programmentwurfs im wesentlichen vertreten durch Gerns/Holz bzw. Hager/Meyer, finden sich unvermittelt in einem Text neben- bzw. nacheinander und neutralisieren sich gegenseitig mit widersprechenden Aussagen. Der neue Entwurf spiegelt die innerparteilichen zentralen Debatten durchaus wider, mehr aber auch nicht. Ansonsten ist er lediglich geeignet, Verwirrung in die Arbeiterklasse zu tragen. Mit dem Sammelsurium uneinheitlicher Positionen kann man jedenfalls weder den eigenen Mitgliedern noch den Bündnispartnern eine marxistisch-leninistisch fundierte Orientierung geben.

Die wesentlichen ideologischen Widersprüche

Die Hauptstreitpunkte sind schnell benannt:

Alle drei Bereiche hängen selbstverständlich zusammen, so dass man die Positionen wie folgt holzschnittartig auf den Punkt bringen kann:

Linie Hager/Meyer: Der Imperialismus hat sich seit Lenin qualitativ weiter entwickelt (Stichworte: transnationale Monopole von der marktbeherrschenden Größe damaliger Kartelle mit nie dagewesenem Verflechtungsgrad und Produktionsstättenverteilung/Mehrwertaneignung rund um den Erdball) und erfordert daher neue Strategien. Der nationale Staat ist zum Anhängsel der Monopole herabgewürdigt und geht demnächst in einem supranationalen Gebilde (Beispiel EU) auf. Die Hauptmacht liegt bei den "transnationalen Monopolen", die man nur international und im Zusammenwirken zwischen Arbeiterklasse und sozialen Bewegungen wirksam bekämpfen kann. Der Hauptfeind ist demnach das transnationale Monopol, das Subjekt wer immer sich dagegen zusammenschließt. Auf der Ebene imperialistischer Staaten ist die USA der "kollektive Gesamtimperialist" mit Anspruch auf Weltherrschaft; wenn man die USA angreift, greift man das ganze imperialistische System an. Außerdem muss man die USA schon deshalb angreifen, weil sie am mächtigsten und angeblich aggressivsten ist (D.h. Imperialismus ist dann dort, wo am meisten geschossen wird).

Linie Gerns/Holz: Der Imperialismus hat sich seit Lenin weiter entwickelt, ohne jedoch seine grundlegenden Widersprüche zu verlieren. Die imperialistischen Länder kämpfen weiterhin um Hegemonie und daher sind U.S. und deutscher Imperialismus gleichermaßen zu bekämpfen. Der staatsmonopolistische Kapitalismus existiert weiterhin, ebenso die Arbeiterklasse als historisches Subjekt.

Nun sollte man meinen, dass die letztere Strömung die lenintreuere und damit "richtige" Position ist. So einfach liegen die Dinge allerdings nicht. Denn offensichtlich besteht Konsens mit der anderen Strömung in der Beurteilung des Scheiterns des "realen" Sozialismus (gibt es eigentlich auch einen "irrealen"?): Es werden in diesem Abschnitt mehrere Aspekte genannt, die ebenfalls unverbunden nebeneinander stehen und eine Mischung aus moralischen und phänomenologischen Betrachtungen darstellen. Was fehlt, ist ein Begriff vom ökonomischen Revisionismus, der die politischen "Deformationen" erst verständlich und erklärbar macht. Statt dessen finden sich Begriffe wie "administrativ-bürokratischer Apparat", Hemmung der "Eigeninitiative" etc., die dem trotzkistischen Arsenal der Sozialismuskritik entsprechen. Erfreulich ist immerhin ein positives Bekenntnis zur DDR; hier hat sich die Linie Gerns/Holz durchgesetzt.

Was außerdem bei der "besseren" Position fehlt, ist eine ausdrückliche Warnung vor der Kriegsgefahr als Bestandteil der leninschen Imperialismusanalyse und die entsprechenden strategischen Schlussfolgerungen, die sich daraus ergeben: Kampf gegen die Kriegsvorbereitung Deutschlands und der EU unter deutscher Führung; Vorbereitung der Arbeiterklasse auf die Aufgabe, einen innerimperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg gegen die eigene herrschende Klasse umzuwandeln (und nicht etwa die Bevölkerung an der Seite der Regierung Deutschland in einem Krieg etwa gegen die USA verteidigen zu lassen).

Ebenso fehlt die klare Herausarbeitung der eigenständigen Rolle der Partei und ihrer revolutionären Aufgaben.

Die einzelnen Abschnitte

Die Präambel enthält bereits sehr schwammige Formulierungen über die Rolle der Partei: "Die Deutsche Kommunistische Partei ist Teil dieser [gegen die vom Imperialismus ausgehende Bedrohung gerichteten] Bewegungen. Ihre Mitglieder wirken aktiv für deren unmittelbare Anliegen und dafür, die vielfältigen Kräfte zu vereinen, um Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Widerstand und die Abwehrkämpfe in eine gemeinsame Offensive für die Interessen und Bedürfnisse all jener, die vom Monopolkapitalismus ausgebeutet und unterdrückt werden, münden können." In diesem Dickicht der Phrasen weiß am Ende keiner, wofür er mit wem eigentlich kämpfen soll. Statt dessen wäre etwa eine Aussage wie die folgende angebracht: "Die DKP strebt nach ihrem kommunistischen Selbstverständnis danach, der bewussteste und fortschrittlichste Teil dieser Bewegungen zu sein. Auf der Grundlage des aktiven Studiums des Marxismus-Leninismus engagieren sich alle Mitglieder, um ihre wissenschaftliche Weltanschauung zu verbreiten und auf dieser Basis die jeweils weitest entwickelten Standpunkte, Argumente und taktischen Schritte hin zum revolutionären Bruch mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu vertreten."

Im Abschnitt "I. Imperialismus heute" stehen wie gesagt die beiden Imperialismus­analysen unvermittelt nebeneinander. Der erste Unterabschnitt "Globalisierung" ist von der Hager/Meyer-Linie geprägt: Der Globalisierungsbegriff wird nicht kritisch hinterfragt, sondern mit "transnationalem Kapitalismus" gleichgesetzt. Es werden Entwicklungen als neu verkauft, die im 100 (Lenin) bis 150 Jahre (kommunistisches Manifest) alt sind: "Die Globalisierung ist nicht wie früher nur durch internationalen Handel und Warenmärkte geprägt, sondern auch durch die Herausbildung eines internationalen Finanzmarktes und vor allem durch die Vernetzung von Kapital und Produktion". Eben diesen Prozess hat Lenin in seiner Imperialismustheorie beschrieben und dabei folgende Begriffe geprägt: "Kapitalexport" in Abgrenzung vom Warenexport und "Finanzkapital" als Ausdruck der Verschmelzung zwischen Industrie- und Bankkapital. Weiter heißt es: "Die Weltwirtschaft wird von wenigen transnationalen bzw. multinationalen Konzernen beherrscht. Das transnationale Kapital dringt in all seinen Formen – beschleunigt durch die Deregulierung der Finanzmärkte, sowie gestützt auf die modernen Transport-, Verkehrs- und Kommunikationstechnologien – in die letzten Winkel der Erde vor und diktiert die Bedingungen von Produktion, Arbeit und Leben." Was ist daran neu? In diesem Stil geht es weiter, von "konzerninternen Netzwerken" rund um den Globus ist die Rede, die sich überall die besten Standorte zur Rekrutierung von billigen Arbeitskräften und Ressourcenbeschaffung sichern. Dann die Schlussfolgerung: "Daraus folgt für die Arbeiterbewegung, dass sie sich entlang dieser globalen Produktionsnetzwerke organisieren muss, um Gegenmacht innerhalb der Transnationalen Konzerne entwickeln zu können." Nicht im eigenen Land gegen die eigene Bourgeoisie und damit selbstverständlich konzernübergreifend muss sich die Arbeiterbewegung organisieren, sondern konzernintern und zugleich international (statt zunächst national gemäß Kommunistischem Manifest, das klarstellt, dass der Klassenkampf der Form nach national ist und dem Inhalt nach international).

Es folgt der Unterabschnitt "Neue Qualität der Spekulation". Hier wird die zunehmende Bedeutung der Spekulation dargestellt, ohne sie wirklich marxistisch zu durchdringen. Dieser Abschnitt könnte auch bei attac stehen. Zunächst fehlt der Hinweis auf die notwendige Einheit von Produktion und Spekulation im Kapitalismus. Da nämlich das konstante Kapital (das fixe und zirkulierende) in gewissen, unterschiedlichen Zeitabständen ersetzt werden muss, wird das dafür notwendige Kapital zinsbringend angespart. Die Banken erhalten hier eine wichtige Funktion der "Spekulation" im Interesse des Industriekapitals. Die Einheit von "produktivem" und "spekulativem" Kapital verstärkt sich mit der Entstehung des Finanzkapitals, da die die Banken direkt über Anteile an den Konzernen verfügen, Konzerne wiederum ihre eigenen Finanz-/Investmentabteilungen haben etc. Es gilt diese Einheit bewusst herauszustellen, um sozialdemokratische "Heuschrecken"-Phantasien ebenso zurückzuweisen wie daran anschlussfähige faschistische Unterscheidungen zwischen "schaffendem" und "raffendem" Kapital! Schließlich gilt es, die Bedeutung der Spekulation marxistisch zu bestimmen: als Folge der permanenten Überproduktion (bzw. chronischen Unterkonsumption), die wiederum Ausdruck des Gesetzes der kapitalistischen Akkumulation und des darin enthaltenen tendenziellen Falls der Profitrate ist. Oder mit verständlicheren Worten: Wo es immer schwieriger wird, aus einer abnehmenden Zahl von Arbeitern als der einzigen Quelle des Wertes immer mehr Mehrwert abzupressen und dabei immer mehr Waren zu produzieren, die am Ende keiner mehr abnimmt, ist es lohnender, auf den geschaffenen und zu schaffenden Mehrwert der Konkurrenz zu wetten und auf diesem Weg (Extra)Profite zu ergattern. Allerdings findet auch hier eine Ausgleichung der Profitrate statt (meist sehr unsanft mittels "Platzen der Spekulationsblase").

Der nächste Unterabschnitt befasst sich mit den Tendenzen der "Globalisierung und Blockbildung". Der Abschnitt "Transnationales Kontrollregime" ist dabei ein gutes Beispiel dafür, wie die beiden ideologischen Grundströmungen miteinander verwurstet werden: "Für die transnationale Monopolbourgeoisie wird es zu einem objektiven Erfordernis, ein transnationales Kontrollregime zu schaffen, das in der Lage ist, ihre politische Macht auf regionaler und tendenziell globaler Ebene zu konsolidieren. Für sie ist der Aufbau einer Gewaltmaschinerie zur Sicherung ihrer Herrschaft, zur Bändigung der ungeheuren Krisenpotentiale der kapitalistischen Weltwirtschaft und zur Regulierung zwischenimperialistischer Widersprüche unverzichtbar. Die wirtschaftlichen, politischen, militärischen und ideologischen Elemente des neuen Systems der Weltherrschaft sind eng miteinander verzahnt. In diesem Prozess werden alte und neue supranationale Institutionen zu Hilfe genommen. Die Transnationalen Konzerne eignen sich Funktionen und Züge von Souveränität an, die bisher nur den Nationalstaaten eigen waren. Das Hauptelement dieser transnationalen Macht sind jedoch die Nationalstaaten, die einer tief greifenden Veränderung ihrer Rolle unterworfen werden. Der staatsmonopolistische Kapitalismus wandelt sich. Die direkte Unternehmertätigkeit des Staates wird immer mehr zurück genommen. In anderen Bereichen wie in der Forschungs-, Entwicklungs- und Steuerpolitik wird er noch mehr zum direkten Dienstleister für das Kapital. Immer mehr Instrumente des staatsmonopolistischen Kapitalismus werden auf die supranationale Ebene übertragen. Es entstehen Elemente quasistaatsmonopolistischer Regulierung im globalen Rahmen." Hier kann man nun wirklich alles hinein- und herauslesen, was man möchte. Das Verhältnis Monopol – Nationalstaat hingegen bleibt unbegriffen, ebenso wie die Funktion supranationaler Zusammenschlüsse. Ums kurz zu machen: Vor mehr als 100 Jahren haben sich eine Handvoll imperialistischer Staaten im Zuge des Übergangs vom Konkurrenzkapitalismus zum Monopolkapitalismus herausgebildet, und die bestehen bis heute noch mit Namen + Anschrift: USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien. Deren Kräfteverhältnis untereinander hat immer 'mal wieder gewechselt und unter anderem zu zwei Weltkriegen geführt. Ihr Konkurrenzverhältnis hat sich nicht geändert ungeachtet der – wechselnden – Bündnisse, die sie eingehen. Staatlich zusammenwachsen werden sie daher nie, und wenn sie sich zu einem Gebilde wie der EU zusammenschließen, dann nur um den USA zu trotzen, wobei zugleich die Kämpfe, wer in dieser EU das Sagen hat, selbstverständlich weitergehen. Jedes Land kämpft um seine Monopole ("nationale" Champions) und sogar das derzeit engste Bündnis Frankreich-Deutschland hat hier heftige Auseinandersetzungen zu überstehen (z.B. Übernahmeversuche von Alstom seitens Siemens mit Regierungshilfe, Abwehr von Thales beim Einstieg in EADS oder im jüngsten Fall die Kämpfe um die Führung von Airbus und EADS). Selbstverständlich versuchen die "transnationalen" Monopole, ihre Ansprüche überall durchzusetzen und den Staaten aufzuoktroyieren, aber das machte schon immer die widersprüchliche Einheit von Nationalstaaten und Monopolen aus. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass jeder Nationalstaat um die Abschirmung seines Marktes gegen die Konkurrenz, zugleich aber um die Öffnung der Konkurrenzmärkte für "seine" Konzerne kämpft – und auch das ist nicht neu!

Leider gelingst auch in den folgenden Abschnitten die Bestimmung dieser notwendigen Einheit nicht. 'Mal erscheint der Nationalstaat als bedeutsamer Akteur, dann wieder der "transnationale Konzern". es bleibt bei der Aneinanderreihung von Statements, die einfach nicht zueinander passen. Die an Lenin orientierten Gedanken bleiben ebenfalls schwach und unverbindlich. So heißt es im Abschnitt "Kooperation, Konkurrenz und Machtkampf":

"Die ungleiche Entwicklung der imperialistischen Staaten und Blöcke ist sowohl eine Folge als auch wieder eine Ursache der ungleichen Entwicklung der transnationalen Kapitalgruppen. Nachteile aus der Ungleichheit im Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt werden auch durch den Einsatz von staatlichen Machtmitteln ausgeglichen. Es gibt einen Protektionismus der Metropolmächte, es gibt die politisch-militärische Einflussnahme zugunsten der Konzerne aus dem eigenen Bereich, es gibt einseitige Förderungsmassnahmen und vieles andere mehr." Ja, mein Gott, das gibt es alles. Aber wie um aller Welt hängt das alles miteinander zusammen? Statt dessen macht man wieder eine Kehrtwende Richtung Hager/Meyer: "Nur bedeutet dies keineswegs die Zugehörigkeit zu einer Nation oder die Verbundenheit mit einer Heimat. Es sind die günstigsten Verwertungsbedingungen und Vorteile beim Kampf um die Eroberung und Beherrschung von Märkten, um die es geht." Ach so!

Im nächsten Unterabschnitt "Krieg und neuer Kolonialismus" wird so richtig danebengelangt: Nachdem die Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten benannt werden, geht es nun gegen die USA, ihren "Krieg gegen den Terror", ihren "absoluten Weltmachtanspruch" und um (die von ihr dominierten) Strategien von NATO und G7. Nimmt man Lenin ernst, so kann man diese Absätze nicht anders bezeichnen als sozialchauvinistisch. Lenin hat in verschiedenen Zusammenhängen[4] deutlich gemacht, dass die Kritik am imperialistischen Rivalen chauvinistisch ist, da sie vom Kampf gegen die eigene Bourgeoisie ablenkt bzw. ins gleiche Horn bläst wie diese. Zunächst ist festzuhalten, dass im Programm einer Deutschen Kommunistischen Partei kein anderer Imperialismus in nationaler Form zu kritisieren ist als der deutsche (sowie die französischen Kommunisten ihren französischen Imperialismus zu kritisieren haben; man denke nur, wie befremdlich es wäre, wenn sich die französischen Genossen in ihrem Programm über L'Albion Perfide – das gemeine England – auslassen würden ...). Des weiteren muss man den Imperialismus als System kritisieren, in dem jedes imperialistische Land nach Weltherrschaft und territoriale/hegemoniale Neuaufteilung strebt/streben muss und daher kriegerische Auseinandersetzungen zu provozieren vermag. In diesem Zusammenhang sollte man die wichtigsten Beziehungen zwischen den imperialistischen Staaten vom Standort des eigenen imperialistischen Landes benennen – z.B. die Beziehung Deutschland – Frankreich und Deutschland – USA als Optionen zweier unterschiedlicher Kapitalfraktionen (der transatlantischen, politisch repräsentiert maßgeblich in der CDU/CSU, ideologisch in der FAZ, und der franko-germanischen bzw. U.S.-kritischen, politisch repräsentiert maßgeblich in der SPD und bei den Grünen, ideologisch in der FTD/Financial Times Deutschland).

Es wird deutlich, dass dieser Abschnitt dadurch einen völlig anderen Inhalt bekäme ...

Der folgende Unterabschnitt "Das Klassenprojekt des Neoliberalismus" stammt aus dem Hause Hager/Meyer und gibt einen weiteren Einblick, wie der ML zum LM verkehrt wird. Kernsatz: "Der Neoliberalismus integriert die gemeinsamen Interessen des Kapitals an der Entwertung der sozialen Regulation des Staates ..." Die Aussage ist komplett falsch. Dem Kapital geht es nicht um die "Entwertung der sozialen Regulation des Staates" – im Gegenteil: Das Kapital versucht, in alle Versorgungsfunktionen des Staates einzudringen und diese in ein Kapitalverhältnis umzuwandeln (d.h. der Profitlogik zu unterwerfen). Genau dafür benötigt es die "Regulierung" des Staates: Dieser muss die gesetzliche Absicherung der Verwertungsbedingungen (Privatisierung) schaffen und vorteilhafte Steuergesetze obendrauf. Was ist das anderes als Regulierung im Kapitalinteresse? Ebenfalls voll falsch: "Beim Konzept des Neoliberalismus handelt es sich um ein gesellschaftliches Gesamtkonzept – um ein neues Modell der Akkumulation, der ökonomischen und politischen Macht, der Ideologie und Kultur." Erläutert wird aber dann anschließend nur die Kultur, den "Rest" muss man so hinnehmen.

Der letzte Unterabschnitt "Die Europäische Union" ist geprägt von der Gerns/Holz-Linie und enthält klare Aussagen über die Rolle der EU, ihr Verhältnis zur USA und die Konkurrenz zwischen den einzelnen EU-Ländern. Allerdings sind die einzelnen Absätze unverbunden nebeneinander, so dass auch hier der Gesamtzusammenhang von innerimperialistischer Konkurrenz, wechselnden Bündnissen, Sozialabbau und Kriegsvorbereitung wenig sichtbar wird. Auch Sätze wie "Die Europäische Union strebt nach einer Veränderung des Kräfteverhältnisses, ohne dass sie die Überlegenheit der USA in absehbarer Zeit in Frage stellen könnte" gehört hier nicht her. Denn Fakt ist, dass sie sie in Frage stellt, täglich und aktiv – ungeachtet, mit welchem Erfolg!

Der zweite Abschnitt "II. Der deutsche Imperialismus" ist mit der Beste im ganzen Programmentwurf, schon deshalb, weil es ihn gibt. Allerdings sind auch hier schiefe Formulierungen enthalten: "Einverständnis besteht in der herrschenden Klasse über die Unverzichtbarkeit des Bündnisses mit dem US-Imperialismus. Dies gerät jedoch in Kollision mit der Tatsache, dass sich Washington über wichtige bundesdeutsche und westeuropäische Interessen hinwegsetzt." Zum ersten Satz: Über die Bedeutung dieses Bündnisses herrscht durchaus Uneinigkeit! Zum zweiten Satz: Das ist die Perspektive der herrschenden Klasse! Andersrum wird ein Schuh draus: Dieses Einverständnis (sofern es existiert) besteht deshalb, weil es (noch) nicht gelingt, dass sich Berlin über "wichtige" U.S.-Interessen hinwegsetzt, d.h. in der Lage ist, an den USA vorbei oder gegen sie zu operieren. Und ein weiterer falscher Satz: "Soziale Zugeständnisse widersprechen der Logik des heutigen Kapitalismus." Das ist keine Frage des HEUTIGEN Kapitalismus, sondern des Kräfteverhältnisses (ansonsten schließt die Kapitallogik GRUNDSÄTZLICH Zugeständnisse aus)!

Abschnitt III: "Der Sozialismus – die historische Alternative zum Kapitalismus" beginnt mit dem Unterabschnitt "Das sozialistische Ziel". Hier bleibt, wie eingangs erwähnt, die Rolle der Partei unterbelichtet. Die DKP "geht davon aus", "hat die Aufgabe, im Wettstreit mit anderen ... Vertrauen zu erringen", "bemüht sich" etc. Schließlich gibt es da auch noch andere Kräfte und "Zugänge" zum Sozialismus. Von Klassen, Klassenbündnissen und –widersprüchen ist wenig die Rede bzw. letztere sind auf die zwischen "Ausbeutern" und "Ausgebeuteten" reduziert. Der Schlusssatz dieses Abschnitts ist besonders kryptisch: "Möglicherweise werden neben den bekannten auch neue Formen des gesellschaftlichen Eigentums entstehen." Was soll das denn sein?

Der nächste Abschnitt "Die Erfahrungen des realen Sozialismus" enthält wie erwähnt nur eine phänomenologische Aufzählung. Es gibt keinen Begriff vom politischen oder ökonomischen Revisionismus. Dafür jede Menge Bezeichnungen ("Entfremdung", "Erstarrung" etc.), die nichts erklären.[5]

Die nächsten Abschnitte enthalten die wichtigsten Aufgaben der Partei und die dafür nötigen Bündnispartner. Es ist klar, dass sich auf der Basis einer vollkommen widersprüchlichen Analyse des Imperialismus keine klare Handlungsstrategie ableiten lässt. Daher enthalten diese Abschnitte wieder eine ganze Menge aneinander gereihter Aussagen und Forderungen, von denen manche mehr, andere weniger sinnvoll und manche eben ganz falsch sind. Sinnvoll ist sicherlich, die Bedeutung der Arbeiterklasse herauszustellen sowie die DKP als "Partei der Arbeiterklasse". Leider ist in diesem Zusammenhang wenig gesagt, wie die Partei dazu beitragen kann und muss, die Einheit der Klasse im politischen Kampf herzustellen, wie sie dazu beitragen kann und muss, die Kampfkraft der Gewerkschaften wieder herzustellen gegen die Macht der Arbeiteraristokratie etc.

Ganz falsch hingegen sind zum Beispiel folgende Aussagen: "Heute geht es zunächst ... um die Bewahrung der natürlichen Umwelt gegen ihre Bedrohung durch das ungezügelte Profitstreben ..." Nein, ZUNÄCHST geht es um die Existenzsicherung der Arbeiterklasse und die Wiederherstellung ihrer Kampfkraft und –bereitschaft gegen das Kapital, wobei das "Profitstreben" eben nicht zu "zügeln" ist wie bei den Sozialdemokraten. "..., um die Verteidigung des Friedens gegen die auf die absolute Weltherrschaft – in einer von ihm dominierten "neuen Weltordnung" – gerichtete Kriegspolitik des US-Imperialismus und gegen die Großmachtpolitik des deutschen und EU-Imperialismus". Letztere ist unsere Baustelle, punktum. Gegen den "absoluten Weltherrschaftsanspruch der USA" kämpfen bereits die anderen Imperialisten, sie brauchen uns dafür nicht. Und für uns besteht kein Grund, zur Klassenkollaboration überzugehen!

Es folgen die üblichen Forderungswunschlisten, ohne Prioritäten zu setzen oder den nächsten strategischen Schritt zu benennen. Und schließlich geht es wiederum um Kämpfe, die "den Weg für den weiteren Kampf um den Sozialismus freimachen" bzw. "ein solches Übergewicht der zum Sozialismus strebenden Kräfte" zu erreichen, "das es ermöglicht, die Reaktion an der Anwendung blutiger Gewalt zu hindern und den für das arbeitende Volk günstigsten Weg zum Sozialismus durchzusetzen." Also bitte, bitte eine unblutige Revolution (wer hätte das nicht gerne?). Und außerdem mit der Mehrheit des Volkes (wäre auch schön, nicht?). Schließlich sind beim Aufbau des Sozialismus Fehler zu vermeiden! "Wir sind uns dabei bewusst, dass auf diesem Weg [zur Oktoberrevolution] Widersprüche auftraten, Deformationen entstanden und Unrecht geschah. Dies gilt es in Zukunft zu verhindern."

Zusammenfassung

Dem Entwurf gelingt es auch in seinen besten und klarsten Abschnitten nicht, in den einzelnen ideologischen Fragen die fortschrittlichsten Positionen einzunehmen:

Solange dies nicht möglich ist, muss die Partei weiter diskutieren und vor allem sich theoretisch bilden, wenn sie ernst genommen werden bzw. ihrer Rolle und ihrem Charakter als "kommunistischer" gerecht werden will. Es hat keinen Sinn, ein Programm vorzulegen bzw. zu "verbessern", das derart schwach und widersprüchlich ist. Damit tut man niemandem einen Gefallen, am wenigsten sich selbst.

Andrea Schön, Essen

[4] Um nur zu nennen: "Rohentwurf der Thesen für einen offenen Brief an die Internationale Sozialistische Kommission und alle sozialistischen Parteien", LW Bd. 23, S. 210 ff; "Über den deutschen und nichtdeutschen Chauvinismus", LW Bd. 22, S. 186-188; "Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution", LW Bd. 28, S. 59-66

[5] Siehe zu dieser Problematik auch den folgenden Artikel von Hermann Jacobs


Hermann Jacobs

Programm zweier Willen

(Diesen Artikel von Hermann Jacobs haben wir redaktionell leicht überarbeitet; d. Red.)

Zur „Diskussionsgrundlage des Parteiprogramms der DKP“, den Sozialismus-Teil betreffend

Was die DKP hier versucht, ist noch ein Spagat. Sie verspricht Kontinuität und will Erneuerung - wie das ja auch Willi Gerns und Nina Hager im Titel ihres Artikels in den „Marxistischen Blättern“ 3/2005 zum Ausdruck bringen. Aber ich möchte - in einer ersten Meinungsäußerung - auf einen Irrtum in der gewählten Begrifflichkeit aufmerksam machen: Kontinuität, das ist nicht Erneuerung, und Erneuerung, das ist nicht Kontinuität. Was man also im jeweiligen Fall will, schließt das andere aus. Dagegen kann man entwickeln, weiterführen, aber das ist nicht Erneuerung; Erneuerung ist immer Kritik des Vorausgesetzten, also ist dieses auch als falsch unterstellt.

Im Klartext: Wer den realen Sozialismus als die Gesellschaftsordnung anerkennt, die der Marxismus resp. die Arbeiterbewegung immer wollten, kann sie nicht „erneuern“ wollen. Und wer die Erneuerung, d.h. die Reform des Sozialismus will, kann den realen Sozialismus noch nicht als jene Gesellschaftsordnung anerkennen, die man wollte. Der Spagat, beides zu wollen, ist also nicht möglich.

Konkret bedeutet das, dass man die Problemstellung nicht klar hervorkehrt, sondern sie versteckt. Die „Diskussionsgrundlage“ der DKP ist daher durch das Verstecken der Problemlage, wie sie die Arbeiterbewegung seit gut 15 Jahren durchmacht, gekennzeichnet. Es wird bei der Frage der Kontinuität nicht offen davon gesprochen, dass der reale Sozialismus mit der Gesellschaftsauffassung des Marxismus/Kommunismus identisch ist, sondern der „höchste Satz“ in dieser Richtung lautet, dass „die DDR die sozialistische Alternative zum deutschen Imperialismus, die größte Errungenschaft in der Geschichte der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung (war)“.

Das ist zwar ein guter Satz, das ist ein wichtiger Satz, er entspricht vor allem einer Forderung der ostdeutschen Mitglieder und Sympathisanten der DKP (um den auch gekämpft wurde und dem die DKP nun gerecht wird), aber er ist nicht der höchste (und um den auch bei den ostdeutschen - oder überhaupt „alten“ - Mitgliedern gekämpft werden muß, sie dürfen sich nicht voreilig, zu schnell bedacht sehen). Der höchste Satz muß ein allgemeiner Satz, ein Satz von allgemeiner Gültigkeit und für die ganze Weltbewegung der Arbeiter an sich sein: Ist Euer Kampf gesellschaftsfähig, damit zukunftsfähig, ist das nun bewiesen? D.h. dient der reale Sozialismus als Beweis für die Richtigkeit aller vorsozialistischen, gegen den Kapitalismus gerichteten Kämpfe? Oder allgemeiner gesagt: gilt die Form nach der Revolution als Beweis der Form vor ihr, das wäre dann Kontinuität. Alles andere ist Infragestellung der Revolution ab der Macht.

Und nun in Bezug auf den anderen Punkt, die Erneuerung: Man muß, wenn man „erneuern“, also „Neues“ statt „Altem“ will, klar aussprechen, dass man eine Reform des realen Sozialismus will, dann ist man Erneuerung. Aber der Begriff der Reform, das Bekennen zu dieser Reform, wie sie in aller Munde (seit mehr als 15 Jahren) ist, ist inhaltlich in der Diskussionsgrundlage der DKP zwar stets spürbar, kommt explizit aber nicht vor. Man scheut ein offenes Bekenntnis zu ihr.

Dagegen gibt es allerhand (Einzel-) Kritik am realen Sozialismus, die allesamt, betrachtet man sie genauer, die Kritikpunkte der Reformer sind! Also ist der „Diskussionsentwurf“ ein Bekenntnis zur Reform - und damit kein Bekenntnis mehr zum realen Sozialismus als einer abgeschlossenen, auf richtigem Wege befindlichen Gesellschaftsformation, bloß - es wird nicht klar ausgesprochen, so dass es in der Diskussionsgrundlage - oder eben in der DKP an sich - an zwiefacher Klarheit mangelt: Entweder am Bekenntnis zum realen Sozialismus als Gesellschaftsformation, oder am Bekenntnis zur Erneuerung. Das Erste will man nicht mehr, das Zweite traut man sich noch nicht.

Es ist klar, dass damit der Diskussionsgrundlage für einen Entwurf zu einem Parteiprogramm der DKP die einheitliche Grundlage fehlt.

Ich will einzelne Punkte auflisten, in denen der Spagat der DKP, oder der dieser „Diskussionsgrundlage“, erscheint, und schicke im übrigen vorweg, dass er nichts als der weitergeführte Spagat der SED ist, dem diese in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten ihrer Existenz anheim fiel - und den die DKP, statt mit ihm zu brechen, nun für ihre Partei übernimmt. D.h. die DKP tritt auf ihre Weise das Erbe der SED an: von gebrochener Kontinuität in Bezug auf ihre gesellschaftliche Geschichte zu werden und zur „Erneuerung“ überzugehen.

So heißt es zum Beispiel gleich am Beginn des Sozialismusteils: „Ziel der Deutschen Kommunistischen Partei ist der Sozialismus“.

Das klingt „wie immer“. Ist es aber nicht. Man sollte richtig formulieren: „Ziel der Deutschen Kommunistischen Partei ist der Kommunismus“.

Dann wäre es sofort um die Dialektik von erster und zweiter Phase des Kommunismus gegangen. Der Kommunismus hat mit der ersten Phase begonnen, d.h. die erste Phase ist eine Dialektik von Allgemeinem, schon entwickelt Kommunistischem, und Besonderem, sich auf dem Wege zum Kommunismus schon Befindlichem. Aber sie ist nicht „der Sozialismus“ als ein eigenes, vom kommunistischen System verschiedenes System.

Da haben wir den Pferdefuß, der Sozialismus als etwas Selbstständiges, Formatives. Der Sozialismus muß aufgebaut sein, damit zum Kommunismus übergegangen werden kann, ergo kann der Sozialismus es noch nicht sein, ergo ist er ein anderes als kommunistisches System. Darum geht ja der ganze Kampf: Wird, was bisher nur eine Phase im Rahmen einer Ordnung war, in den Rang einer eigenen Gesellschaftsformation gehoben? Eigentlich müßte es in der „Grundlage“ heißen (wenn wir ihr formell folgten): „Der Übergang zur 2. Phase des Kommunismus wird über einen langen geschichtlichen Prozess der ersten Phase des Kommunismus vorbereitet“, d.h. diese erste Phase dauert länger als wir bisher vermuteten (und nun: Warum?). Warum wird in der Zielbestimmung der Terminus „1. Phase“ verlassen und der Terminus „Sozialismus“ gewählt?

Wir kommen nun zu den Kritikpunkten der DKP an den Gesellschaften des realen Sozialismus.

Aussage vom „rückschrittlichen Beginn Rußlands“: „Diese Rückständigkeit sowie die dauernde äußere Bedrohung durch die imperialistischen Mächte machten es unerlässlich, in kurzer Frist durch die Zentralisierung aller Kräfte eine moderne Industrie aus dem Boden zu stampfen und eine kulturelle Revolution in Angriff zu nehmen“.

Die Rückständigkeit macht den Zentralismus erforderlich?[6] Falsch, grundfalsch. Das hebt geradezu die marxistische Gesellschaftskritik auf. Der Zentralismus im Eigentlichen, der den Sozialismus/Kommunismus charakterisiert, erklärt sich aus der Aufhebung des Privateigentums in der Ökonomie (egal, auf welcher Entwicklungsstufe sich dieses am Beginn der Revolution befand). Man muß folglich jeden Zentralismus im Kommunismus immer mit der Aufhebung des kapitalistischen Eigentums begründen, die zentrale, allgemeine und völlige Aufhebung von Eigentum an der besonderen Gegenständlich - wie Lebendigkeit an Arbeit erklärt sich immer aus der Gemeinsamkeit der Aneignung, Zentralismus ist also konstituierendes Element des Kommunismus an sich, Kommunismus ist nicht anders zu erklären als durch Zentralismus (Einheit) im Verhalten zu den Grundbedingungen des Lebens, dieser Gedanke des Systems im Verhalten/Verhältnis ist nicht historisierbar, weil von allgemeinem Historismus, allgemeiner Gültigkeit.

Es gehört aber zum Grundkurs des Revisionismus des Sozialismus/Kommunismus, die Verifizierbarkeit/Austauschbarkeit des Systematischen Ansatzes im Kommunismus der Bedingungen des Aufbaus der neuen, der sozialistischen bzw. kommunistischen Gesellschaft ins Gespräch zu bringen, deshalb der Versuch der Revisionisten, ihn den Zentralismus zu historisieren, in ein Verhältnis zu einem historisierbaren Faktor des Kommunismus zu bringen, ihn möglichst an den Anfang zu verlagern, der auch bald historisch so schnell wie möglich zu überwinden möglich sei, und um so schneller auf den „eigentlichen ‚Zentralismus‘“, den ihrer Meinung nach anzustrebenden Dezentralismus, die Aufhebung des Anfangs, zu sprechen zu kommen. Dass sie damit die Grundlagen des Sozialismus/Kommunismus abschaffen würden, sagen sie nicht, meinen sie aber.

Das ist das Musterbeispiel für die indirekte, unausgesprochene Annäherung der Revolution an die Reform (der DKP an die PDS auch, oder einfach der Anpassung an das scheinbar richtig Gewordene, an den „sozialistischen“ Mainstream).

Marxistisch ist also, den Zentralismus (Plan, herrschendes Subjekt über das Objekt usw.) immer mit resp. aus der Aufhebung des Privateigentums zu begründen; nur dadurch wird das Subjekt des Kommunismus, der Arbeitende, frei, gesellschaftlich frei. Vom Ansatz her ist es falscher Marxismus, das Machtverhältnis des Kommunismus aus einem historischen Element, also nicht dem maßgebenden formatorischen Moment, dem Eigentumsverhältnis, zu begründen. Diese ganze Textpassage müßte also dem Rotstift anheim fallen.

„Dies wurde allerdings dann noch beibehalten (d.h. der Zentralismus, führende Rolle des ökonomisch-politischen Subjekts - sprich Partei wurde dann noch „beibehalten“!), als sich im Ergebnis der Industrialisierung und der Kulturrevolution die Bedingungen (sic!) verändert hatten. Partei und Staat verschmolzen mehr und mehr zu einem administrativ-bürokratischen Apparat. (Es klingt ja gerade so, als würde man sich den Sozialismus ohne jegliche Administration vorstellen, als sei er die Rückkehr zu der einfachsten Form der menschlichen Existenz.) An die Stelle wirklicher Vergesellschaftung trat mehr und mehr bloße Verstaatlichung. Die Folge war eine zunehmende Entfremdung vom sozialistischen (!) Eigentum". (Zunehmende, am Anfang also gleich Null Entfremdung?).

Apropos: Das ist der Standardsatz, mit dem die DKP ihre eigene Entfremdung vom realen Sozialismus zum Ausdruck bringt. Und nun lese man alle vorherigen bekennenden Sätze noch einmal. Was ist denn das jetzt noch wert? „Entfremdung“ vom Sozialismus - als „höchste Errungenschaft“?

Partei und Eigentum (Ökonomie) sollen also nicht verschmelzen? Das Subjekt nicht mit dem Objekt? Der Arbeiter als gemeinsamer nicht mit der Arbeit als ganzer?

Bekenntnis zur Planwirtschaft?

„Durch die staatliche Durchdringung (was, bitte, ist das anderes als Planung der Wirtschaft, oder ‚durchdringt‘ der Staat zweimal, als Plan - und als was noch?) aller Bereiche der Gesellschaft (ja, warum nicht der Gesellschaft, was wäre denn besser als weniger als alle, als die ganze?) wurde die Eigeninitiative gehemmt“.

Wie war das noch? Das Proletariat erobert das Kapital, das Kapital ist die vergegenständlichte Arbeit der Gesellschaft; indem also das Proletariat, der Arbeiter, das Kapital erobert, erobert er die gegenständlichen Bedingungen seiner Existenz und setzt sich als Subjekt. Aber dann wird laut DKP-Programmentwurf alles anders: Er vernichtet, indem er erobert, nur die Bedingungen seiner Eigeninitiative, er beraubt sich – so die DKP - der Fähigkeit, eigeninitiativ zu sein. Und wodurch? Dadurch, dass er alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt! Also dadurch, dass er alle Bedingungen besitzt, statt sich in dienerhafter Bescheidenheit mit einigen wenigen zufrieden zu geben. Was für ein Depp ist er doch, dass er den Einzelbesitz, den er nicht einmal besaß, gegen den Gesamtbesitz austauscht, den er nun besitzt, mit dem er nun in die Geschichte eintritt. Für den DKP-Entwurf ist nun schon alles falsch und deshalb ist alles zu Ende...Schon der Anfang des Kommunismus, das Setzen des Proletariats als herrschende Klasse, wird als falsch und als dem Kommunismus wesensfremd hingestellt. Wie ... restaurativ!

Für wen ist hier Geschichte geschrieben? Für den Kapitalisten wäre das ja noch logisch, aber wieso auch für den Arbeiter, den An-sich-Nichtbesitzer? Der als Einzelbesitzer nicht besitzen kann, sondern nur mit allen anderen Einzelnen gemeinsam. Was ist denn das für eine gesellschaftliche Form? Das muß doch die DKP beantworten können. Denn das war doch beantwortet, die Geschichte der Antwort ist doch da.

Aber nennt sie doch mal, die Eigeninitiative, die Nichtentfremdung von der Bewegung. Was durften wir denn nicht sein?

Die Kommunisten haben seit der Konterrevolution das Problem, sich gedanklich das zu erhalten, was der Sozialismus/Kommunismus an Geschichte vorzuweisen hat; sie müssen ringen um diesen Bestand, dürfen ihn nicht aufgeben, sonst wird der Kommunismus nicht weiterhin sein, wird er nicht wiederkehren.

Dies als kleiner Denkanstoß für alle Kommunisten, die weiterhin denken wollen.

Die DKP glaubt nicht mehr, die Aussage treffen zu können, dass der reale Sozialismus die Umsetzung der gesellschaftsformatorischen Vorstellung des Kommunismus/Marxismus war, und sie glaubt aber auch nichtin die kapitalistische Gesellschaft (oder BRD) zurückkehren zu müssen. Sie nimmt also weder die Vergangenheit noch an, noch die Gegenwart schon auf. Sie will eine andere, neue Zukunft, eine solche Zukunft, die die Vergangenheit wiederholt, aber auf bessere Weise.

Auf den Leidensweg, den die Entwürfe eines neuen Parteiprogramms für die DKP durchlaufen, ist schon mehrfach hingewiesen worden. Wird es nun mit jener „Diskussionsgrundlage“ für ein neues Programm, der die DKP auf der ersten Tagung ihres neuen Parteivorstandes im März die Zustimmung gab, anders sein? Ich denke nicht.[7] Diese Diskussionsgrundlage ist einfach noch nicht die Notwendige. Dafür lässt sie zuviel von dem, was zu sagen ist, aus, sie legt einfach noch nicht „den Finger auf die Wunde“ (ich meine den Sozialismus-Teil betreffend). Sie wird den Notwendigkeiten bzw. Problemen, die die Entwicklung des realen Sozialismus aufgeworfen hat, nicht gerecht, spiegelt diese zum Teil gar nicht wider oder reflektiert sie falsch. Ohne offen auszusprechen um was es geht, reflektiert sie die maßgebliche Frage des realen Sozialismus gerade in dem Sinne, die bereits eine Parteinahme bedeutet und mit der man eben aus Gründen der Kontinuität nicht einverstanden sein kann. Das gilt insgesamt für die „östliche Meinung“, d.h. den Teil der Kommunisten, die die DDR real erlebt haben. Eine Programm-Diskussion wird es zwar geben, aber diese wird, wenn sie kommt, über diese veröffentlichte Grundlage hinaus gehen müssen, und dann wird sich zeigen, ob die DKP noch folgt und die Diskussion als die ihre anerkennt.

Das Problem DKP ist in Wahrheit das Problem DDR resp. SED. Ich will das Problem kurz nennen: Der reale Sozialismus war nicht der reale Sozialismus, sondern er war an einen Zustand der Spaltung geraten, es hatten sich zwei Auffassungen im resp. vom Sozialismus entwickelt, und das kann nicht aus einer heutigen Auffassung oder Diskussion heraus genommen sein, sondern muß ihren Gegenstand bilden; er ist auch offen auszusprechen und nicht indirekt und „verborgen“, wie in der Diskussionsgrundlage der DKP geschehen. Von einer Programmdiskussion in der DKP, die länger lebt als die SED, ist zu erwarten, dass sie der SED nicht mehr nur folgt, sondern dass sie sich über sie stellt, d.h. sie kritisch verarbeitet. Aber wie nun? Jedenfalls nicht so.

Eine grundsätzlich Bemerkung, wenn es um ein Programm gehen soll: Frage an eine kommunistische Partei ist immer die nach ihrer Gesellschaftsauffassung, dies gilt für alle kommunistischen Parteien auf dieser Welt; nur als besondere Gesellschaft ist der Kommunismus-Gedanke von Interesse. Eine Form der Kritik am Kapitalismus, selbst eine sehr radikale Kapitalismus-Kritik, muß man nicht schon deshalb kommunistisch, Kommunismus nennen. Kommunistisch ist sie nur, sofern sie die Kritik bis auf die Frage nach der eigenen Gesellschaft nur der Arbeit und der Arbeiter ausdehnt.[8] Und diese Frage muß man, an eine Partei gestellt, entweder für die Theorie der Partei stellen, oder, sofern vorhanden oder geschichtlich schon einmal gegeben, an die Praxis dieser Partei. Also: War der reale Sozialismus diese Gesellschaft des Kommunismus? Das muß in einer Diskussion (oder auch in einem Entwurf zu einem Programm resp. diesem Programm selber) beantwortet werden. Und diese Aussage fehlt. Es fehlt dieser Satz des eindeutigen, verlangbaren Bekenntnisses: Ja, der reale Kommunismus war resp. ist der Kommunismus in der Kommunismusvorstellung des Marxismus resp. der Arbeiterbewegung. Die historische Situation, in der die DKP (oder andere sozialistische/kommunistische Parteien) heute existieren - sie war eine des realen Kommunismus -, verlangt entweder dieses klare Ja, oder wenn nicht, eben ein ebenso klares Nein. Ein Ja ist eine Integration der jetzigen in jede frühere Bewegung, ein Nein - dieser Form! - eine Gegenüberstellung der jetzigen zur bisherigen Bewegung. Im bejahenden Urteil wahrt man die Kontinuität, denn das war ja die Meinung der herrschenden kommunistischen Parteien bis 1989/90, und dann braucht man die Bewegung nicht zu erneuern, im verneinenden Urteil muß man erneuern, von einer Erneuerung, von neuen Sozialismus-Vorstellungen sprechen, und kann dies entweder offen und direkt oder versteckt und indirekt aussprechen, indem man beispielsweise ein Bekenntnis der geringeren Güte zum Sozialismus ablegt oder eine Kritik der Art vorlegt, die nur noch eine gründliche Reform des bisherigen Sozialismus, also seine gesellschaftliche Kritik zulässt.

Man muß der DKP dankbar sein, dass sie überhaupt ein Programm aufgrund der sozialistischen Erfahrungen bestimmen will. Immerhin ist die DKP die einzige Partei in Deutschland, die noch ein Programm für notwendig hält, wo auch der Begriff Sozialismus - oder Kommunismus - drin vorkommt. Das zeichnet sie vor allen anderen („linken“) Parteien in Deutschland aus. Woanders liest man ja nur vom Bruch (und wenn, auch unter dem Pseudonym Stalinismus). Damit sind die Traditionen der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung auf die DKP übergegangen, zumindest dem Diskurs nach. Sie ist - wie unterschiedlich man im Einzelnen an dieses Programm herangeht - ein Hort für die Wahrung des Kommunismus geworden; sofern von Kontinuität (dieser Art) gesprochen werden kann, ist sie in der DKP aufgehoben. Damit ist aber auch eine gewisse Pflicht verbunden. Wenn wir von der DKP als einem Unterschied bis Gegensatz zur PDS z.B. sprechen, so ist das auf diesen programmatischen Unterschied (oder Unterschied im Verhältnis zur Programmatik oder im Verhältnis zum realen Sozialismus) zurückzuführen. Andere Parteien (die ebenfalls aus dieser Geschichte sich herleiten) tun dies ja nicht; sie brechen lieber. Das also tut die DKP nicht, sie tut es jedenfalls nicht direkt. Aber sie will erneuern, sie ist auch eine Partei der Erneuerung; eine Partei des Bekenntnisses und eine Partei der Erneuerung (gegenüber der Gesellschaftsauffassung (!) des Kommunismus). Geht das überhaupt? Ist das nicht ein Spagat, wird das nicht ein Spagat?

Ansonsten aber muß man nicht euphorisch sein. Wichtig ist, dass wir uns nicht in Bezug auf den realen Sozialismus wie zu einem Bekenntnis verhalten können, sondern nur zu einem Bekenntnis unter Bedingung eines Verhältnisses zur Kritik am realen Sozialismus. Es kann also nicht um ein einfaches Bekenntnis gehen, in dem alle Schwierigkeit ausgeblendet ist, sondern nur um ein Bekenntnis, in dem die Kritik an ihm der Gegenstand ist. Die Dialektik der Auseinandersetzung ist nicht nur eine objektive, sie ist zugleich eine subjektive, zugleich eine der Politik. Es muß um Parteinahme, um Parteilichkeit gehen.

Unter dem Gesichtspunkt der Kritik ist zu fragen, ob denn die Reformen (von 1962 usw.) erst die Frage beantworten, wie denn die Gesellschaftsformation des Kommunismus auszusehen habe; waren die Reformen berechtigt, oder sind sie im Gegenteil der Übergang des Kommunismus zum Revisionismus und zurück zur bürgerlichen Restauration. Erschöpft sich damit der Gegenstand der Kritik, oder ist eine andere Auffassung von Kritik am realen Sozialismus notwendig und möglich. Muß sie - als eine neue Form der revolutionären Überprüfung des Kommunismus/Marxismus - der restaurativen des Reformismus entgegengesetzt werden, so dass gegenüber dem Revisionismus der reale Sozialismus als revolutionär und richtig verteidigt werden muß, aber gleichzeitig besser, richtiger noch verteidigt werden kann; d.h. ist die gewisse Ambivalenz, das Janusköpfige was im realen Sozialismus angelegt war - und sowohl den Revisionismus als auch die höhere Form der Revolution herausgefordert hat - zu überwinden, als der neue Ausblick in den zukünftigen Kommunismus?

Man kann sich a) mit der bloßen Verteidigung des realen Sozialismus begnügen, b) zur revisionistischen Kritik übergehen, c) zur revolutionären Kritik des realen Sozialismus übergehen, die, vom realen Sozialismus als der realen Revolution ausgehend die revolutionäre Kritik anwendet und das Verständnis dessen, was Kommunismus ist, beantwortet und endlich auf seine richtige Grundlage stellt.

Also: Die Grundlage verteidigen, die Grundlage erweitern und verständlicher machen.

Davon ausgehend beurteilen wir nun die „Diskussionsgrundlage“, inwieweit sie den genannten Anforderung genügt resp. entgegenkommt, sie auch ausspricht. 1. Die Erweiterung auf die Aussage, der reale Sozialismus war die erste Form/Erscheinung der kommunistischen Gesellschaftsordnung, sie war der Kommunismus, fehlt; man bleibt beim Begriff der „höchsten Errungenschaft“ hängen; 2. Die Charakteristik der Reform als revisionistisch fehlt. Die Reformen werden überhaupt nicht erwähnt. D.h. die „Diskussionsgrundlage“ umgeht die beiden entscheidenden Fragestellungen - in der direkten Reflektion, wenn auch nicht in der indirekten.

Wir kommen dahin, dass die DKP ein schwaches Bekenntnis zum (realen) Sozialismus ablegt, aber mit einer starken Kritik an ihm aufwartet. Im Grunde genommen ist der reale Sozialismus von der DKP verworfen, auf alle Fälle seine „letzte Entwicklung“. (Oder eher seine erste?) Ohne dass die Reform ausgesprochen ist, dass ein Bekenntnis zu ihr abgelegt worden wäre, werden aber alle die Punkte bedient, die den Kern der revisionistischen Kritik am realen Sozialismus ausmachen.

Hermann Jacobs, Berlin

[6] Dass Überwindung von Rückständigkeit ihn auch erforderlich machen kann, macht ja nicht seine Gesellschaftlichkeit. Das aber ist zu erkennen: Die Gesellschaftlichkeit des kommunistischen Zentralismus!

[7] Ich muß mich insofern revidieren, als der Vorabdruck eines Beitrages von Willi Gerns und Nina Hager aus den „Marxistischen Blättern“ 3/05 in der UZ vom 27. Mai („Kontinuität und Erneuerung“) offensichtlich eine Richtungsbestimmung sichtbar macht, deren Wert sich erst herausstellen sollte.

[8] Darin ist ausgesprochen, dass die Probleme des Arbeiters nur in einer anderen Gesellschaftsordnung, nicht in einem verbesserten Kapitalismus gelöst werden können; d.h. ihre Lösung verlangt eine andere gesellschaftliche Form als bürgerliche gesellschaftliche Form (was nicht ausschließt, dass man natürlich um den besten Kapitalismus für den Arbeiter kämpfen muß).


Zur Geschichte des Sozialismus

Fritz Dittmar

Scheitern – Verrat – Lernprozesse

Das Thema „Geschichte des Kommunismus im 20. Jahrhundert“ und insbesondere die SU zu Stalins Zeit sind in der Offensiv ausführlich behandelt worden. In anderen Teilen der Linken besteht aber offensichtlich weiter großer Diskussionsbedarf zu dem Thema. So ist im „Verlag Marxistische Blätter“ ein Heft mit zwei Essays zu diesem Thema von Losurdo und Marquit erschienen[9], und beide fand ich marxistischer Kritik bedürftig. Ich habe den Text unten dazu geschrieben und dem Verlag Marxistische Blätter gesandt. Dieser hat aber nicht auf meinen Vorschlag zur Veröffentlichung reagiert. Fritz Dittmar

Für Marxisten gilt seit dem Manifest der kommunistischen Partei: „In allen diesen Bewegungen heben (die Kommunisten) die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor“ (Marx/Engels: Manifest)

Losurdo dagegen stellt drei gleichberechtigte Grundfragen nebeneinander, wenn er die „historische Bilanz der kommunistischen Bewegung im 20. Jahrhundert“ zieht: Sein Thema ist die „Überwindung der drei großen Diskriminierungen (der rassischen, klassenbedingten und sexuellen)“

Nun beschränkt dieser Aspekt die Bilanz von vornherein auf den „demokratischen“ Aspekt. Diskriminierung ist „unterschiedliche Behandlung, willkürliche Benachteiligung“ (DTV-Lexikon) Was nicht willkürlich, sondern im Rahmen bestehender bürgerlicher Gesetze geschieht, insbesondere der „freiwillige“ Verkauf der Arbeitskraft, mit seinen bekannten Ergebnissen, gehört eigentlich nicht in diese Jahrhundertbilanz. Auch eine Gesellschaft auf der Basis des Privateigentums an Produktionsmitteln hätte in L.s Sichtweise also die historische Jahrhundertaufgabe gelöst, wenn sie denn diese willkürlichen Benachteiligungen überwunden hätte. Nun hatten sich aber die Kommunisten selbst eine ganz andere Aufgabe gestellt. Sie wollten eine Gesellschaft auf der Grundlage des Kollektiveigentums an Produktionsmitteln schaffen. Mit anderen Worten: Für L. haben die Kommunisten ein wahnhaftes Ziel verfolgt. Seine Bilanz untersucht, wie sie in ihrem Wahn dennoch Gutes oder Schlechtes für die eigentlichen aktuellen Aufgaben des Jahrhunderts bewirkten.

Dabei fällt die Bilanz, die er für diese Bewegung zieht, dann recht positiv aus. Er betrachtet die Rückwirkungen des Oktober und des „Realsozialismus“ auf die weltweite Entwicklung. Diese Rückwirkungen stellt er realistisch und anders als in der sonstigen bürgerlichen Geschichtsschreibung dar. Zu Recht betont er die Ermutigung für die Opfer der drei Diskriminierungen und die Angst der Herrschenden vor dem verderblichen Beispiel, die sie dazu brachte, Kompromisse zu schließen oder mit Reformen von oben der Rebellion von unten zuvor zu kommen.

Ich bin weit davon entfernt, den Kampf gegen L.s drei große Diskriminierungen gering zu achten. Die Bilanz dieses Kampfes ist aber unvollständig, wenn sie nicht folgende drei Aspekte mit reflektiert :

1.) Reicht die Abschaffung der Diskriminierungen? 2.) Wie weit reichen die Erfolge? 3.) Sind sie dauerhaft gesichert?

1. Reicht die Abschaffung der Diskriminierungen?

Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz bedeutet nach B. Brecht, dass es Reichen und Armen in gleicher Weise verboten ist, Brot zu stehlen und unter Brücken zu schlafen. Wenn es darum geht, alle Zustände umzuwälzen, in denen der Mensch ein verlassenes, zertretenes, verächtliches Wesen ist, dann ist Gleichheit vor dem Gesetz eine günstige Voraussetzung, aber keineswegs das Ziel, das Marxisten in der Gesellschaft anstreben. Sie meinen sogar, anders als bürgerliche Demokraten, dass die bürgerliche Demokratie erst den Boden bietet, auf dem der Klassenkampf ausgefochten wird.

Unter dem Blickwinkel der realen Lebensbedingungen muss man nicht lange darüber reden, dass die Frauen in der realen Gleichstellung nicht wesentlich vorangekommen sind, auch wenn sie juristisch gleichberechtigt sind.

Unter rassischer Diskriminierung fasst L. den Rassismus in den Metropolen und die Verweigerung staatliche Konstituierung der Nationen in der Dritten Welt zusammen. Auch hier kennt jeder die Diskriminierung durch den alltäglichen Rassismus, der bei uns die MigrantInnen ausgesetzt sind. Und dass in der Dritten Welt die Länder ihre „Unabhängigkeit und Würde“ erlangt haben, wie L. sagt, abstrahiert von den realen Bedingungen. Mit Hilfe ihrer Verschuldung zwingen die Metropolen vielen Ländern Marionettenregierungen auf, die für den IWF das Geschäft der Ausplünderung besorgen. Wer dort heute verhungert, dem hilft es nicht wirklich, dass er es in Unabhängigkeit und Würde tun kann.

2. Wie weit reichen die Erfolge?

Bei diesen beiden Bereichen wurde die formale Diskriminierung weitestgehend beseitigt, ohne dass sich das reale Leben dadurch wesentlich verbessert hätte.

Bei der klassenbedingten Diskriminierung ist offenbar für L. selbst der Widerspruch zwischen der formal – rechtlichen Gleichberechtigung und der realen Unterdrückung so krass, dass er über den Aspekt der Diskriminierung hinaus die Entwicklung des Sozialstaats einbezieht. Er behauptet kühn: „ Zur Demokratie, wie sie heute im Allgemeinen verstanden wird, gehören auch die wirtschaftlichen und sozialen Rechte.“ Gilt Indien im allgemeinen Verständnis etwa nicht als Demokratie? Westerwelle und Co würden vehement dagegen protestieren, dass es die Demokratie in Deutschland einschränkt, wenn der Lebensstandard auf Kalkutta – Niveau gebracht wird. Und Marx würde ihnen dabei Recht geben!

In diesem Bereich sind , unterstützt durch das Beispiel des Realsozialismus, Zugeständnisse an die Arbeiterklasse in den Metropolen erreicht worden, die weit über die formale Gleichberechtigung hinausgingen, wie L. an Zitaten von Hayek und Kissinger bestätigt. Dennoch stellten diese Zugeständnisse nur einen Klassenkompromiss dar. Die Arbeiter verzichteten für das Linsengericht relativen Wohlstands und sozialer Sicherheit so lange auf ihr Erstgeburtsrecht („Sie haben eine Welt zu gewinnen“), bis die Herrschenden nach dem Ende des Realsozialismus wieder Mut fassten und den Kompromiss aufkündigten.

3. Sind die Erfolge abgesichert?

Hier sieht auch L. nach der Wende einen „allgemeinen Rückschritt“, nicht nur im Abbau des Sozialstaats, sondern tendenziell sogar in der Rückkehr von Teilen der „großen Diskriminierungen“. Letzteres belegt er allerdings nur mit theoretischen Aussagen.

Wenn aber die US – Regierung den Irak als „Schurkenstaat“ benennt, unter nichtigen Vorwänden überfällt und dort ein durch ihren Agenten Allawi nur wenig verschönertes Besatzungsregime errichtet, so ist das bereits die Rückkehr der rassischen Diskriminierung in die politische Praxis.

Nebenbei: Hier zeigt sich, dass der Begriff „rassische Diskriminierung“ schief ist. Mit der Souveränität Jugoslawiens, das zu Europa gehört und nie Kolonie war, ist ähnlich Schlitten gefahren worden wie mit der des Irak.

Von einer dauernden Beendigung der drei großen Diskriminierungen kann also keine Rede sein. Es ist vielmehr abzusehen, dass die Herrschenden jetzt versuchen, möglichst alle Zugeständnisse zurückzufahren, zu denen sie sich unter dem Druck der realsozialistischen Konkurrenz gezwungen sahen. Die „Bilanz der kommunistischen Bewegung im 20. Jahrhundert“ fällt negativ aus.

Von neuem und verschärft steht die Menschheit vor der Alternative Rosa Luxemburgs: Sozialismus oder kapitalistische Barbarei.

Was als wichtigstes von der kommunistischen Bewegung im 20. Jahrhundert bleibt, ist die Erfahrung, dass es möglich war, den Sozialismus zu schaffen, und was er trotz widrigster Umstände für die Menschen zu leisten in der Lage war. Aber auch diese Errungenschaft ist keineswegs gesichert. Die Herrschenden setzen vielmehr alles daran, diese Erfahrung aus dem historischen Gedächtnis der Völker zu verdrängen oder sie in eine Geschichte ausschließlich von Willkür, Schrecken und Not umzufälschen. Was für die Kommunisten bleibt, ist eine doppelte Aufgabe: Aus den Erfahrungen die richtigen Schlüsse für künftige Anläufe zu ziehen, und die Erinnerung an die bereits erreichten Errungenschaften wach halten, wenn sie die Notwendigkeit des Sozialismus vertreten.

Schlusswort:

„Sind wir also einmal geschlagen, so haben wir nichts anderes zu tun, als wieder von vorn anzufangen.“ (Engels, MEW Bd 8 S.6);

„Proletarische Revolutionen… kritisieren beständig sich selbst, unterbrechen sich fortwährend in ihrem eigenen Lauf, kommen auf das scheinbar Vollbrachte zurück, um es wieder von neuem anzufangen, verhöhnen grausam–gründlich die Halbheiten, Schwächen und Erbärmlichkeiten ihrer ersten Versuche, scheinen ihren Gegner nur niederzuwerfen, damit er neue Kräfte aus der Erde sauge und sich riesenhafter ihnen gegenüber wieder aufrichte, schrecken stets von neuem zurück vor der unbestimmten Ungeheuerlichkeit ihrer eigenen Zwecke, bis die Situation geschaffen ist, die jede Umkehr unmöglich macht, und die Verhältnisse selbst rufen: Hic Rhodus, hic salta! Hier ist die Rose, hier tanze!“ (Marx, MEW Bd. 8 S.118)

Zu dem „Bedürfnis nach einer ausgewogenen Neubewertung der UdSSR“

Eigentlich ist ein Essay, der mit diesem Anspruch im Titel daher kommt, schon durch die Feststellung erledigt, dass er mit keinem Wort (!) auf den zweiten Weltkrieg eingeht. Ein wahrhaft unpassender Beitrag zum 60. Jahrestag des 8. Mai 45 !

Ich schenke mir Betrachtungen, was ein Sieg der Faschisten für die Welt bedeutet hätte, es genügt für das Folgende, dass der Weltkrieg die Frage von „Sein oder Nichtsein“ für die UdSSR stellte. Deshalb kann kein einziger der von Marquit untersuchten Aspekte losgelöst davon betrachtet werden.

Die NÖP war nach Lenin ein schmerzlicher, aber notwendiger Kompromiss, um dem Land nach den Verwüstungen durch Bürgerkrieg und imperialistische Intervention die notwendige Atempause zu verschaffen und das Land ökonomisch zu stabilisieren. Dies ist bis zum Ende der zwanziger Jahre auf niedrigem Niveau gelungen. Bei der Bestimmung der Strategie für die folgenden Jahre kam es darauf an, die weltweite Entwicklung richtig zu beurteilen; erst von dieser Fragestellung aus kann man die angemessene Politik und „rechte“ und „linke“ Abweichung beurteilen.

Denkbar wären folgende Perspektiven gewesen:

a.) Proletarische Revolutionen in wichtigen Industrie–Ländern kommen der SU zu Hilfe.
b.) Die SU kann sich auf eigener Grundlage friedlich entwickeln.
c.) Die SU wird vom Imperialismus angegriffen und geht unter.
d.) Die SU wird angegriffen und behauptet sich.

Hier liegt Stalins unbestreitbares Verdienst als Repräsentant und Führer derjenigen, die auf die Perspektive d) orientierten. Als geradezu genial muss seine Prognose gelten, dass der SU ca. 10 Jahre für die Vorbereitung blieben.

Die „linke Abweichung“ drückte kleinbürgerliche Verzweiflung vor der gigantischen Aufgabe aus, die sich aus dieser Perspektive ergab. Trotzki als ihr Repräsentant setzte nach dem Oktober auf a), obwohl die revolutionäre Nachkriegskrise spätestens 1923 mit der Niederlage des Hamburger Aufstands beendet war. Seine Orientierung für die SU war, die Revolutionen in den fortgeschrittenen Ländern zu provozieren, wenn sie sich denn nicht schnell genug von allein entwickelten. Ein solcher „Export der Revolution“ mit Hilfe der Roten Armee wäre verzweifeltes Abenteurertum gewesen und hätte angesichts des internationalen Kräfteverhältnisses unausweichlich zum sofortigen Untergang der SU geführt. In seinem letzten Werk „Die verratene Revolution“ ging er dann auf die Perspektive c) über. Er erklärte es für unvermeidlich, dass die imperialistischen Mächte sich zur Vernichtung der SU vereinigen würden, was ebenfalls den Untergang bedeutet hätte.

Verzweifelter Aktionismus oder tatenlose Verzweiflung, beides hätte die SU ruiniert.

Über die „rechte Abweichung“ vermute ich, dass ihren Repräsentanten der Blick für das weltweite Kräfteverhältnis fehlte oder getrübt war. Ihrer Politik lag mehr oder weniger die Perspektive b) zugrunde. Die Frage nach dem Tempo der Industrialisierung konnte aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Situation innerhalb der SU beantwortet werden.

Hätte man sich 30 statt 10 Jahre genommen, um den Entwicklungsrückstand von 100 Jahren aufzuholen, so wären die Umgestaltungen glatter, demokratischer, menschlicher und weniger brutal verlaufen. Nur: diese 30 Jahre standen nicht zur Verfügung, niemand konnte sie der SU geben. So hätte auch die „rechte Abweichung“ in den Untergang geführt. Der Angriff des Imperialismus war unvermeidlich, und wenn man ihn bestehen wollte, musste man eben dann vorbereitet sein, wenn er kam.

Stalin tat noch ein weiteres, um das Überleben der SU zu sichern. Er hatte nicht nur die Frist richtig eingeschätzt, die der SU zur Vorbereitung blieb, es gelang ihm auch, sie um fast zwei Jahre zu verlängern. Anders als Trotzki beurteilte er die Widersprüche zwischen den Imperialisten richtig und verstand, sie auszunutzen.

Wenn es nötig ist, müssen Kommunisten auch mit dem Teufel einen Kompromiss schließen, der ihrer Sache dient. So war Lenins NÖP ein Kompromiss mit den Kulaken, den Todfeinden der Revolution. Und so schloss Stalin einen nötigen Kompromiss mit Hitler, gewann Zeit und Gelände für den Krieg und bereitete die Anti–Hitler–Koalition vor, indem er Chamberlains Absichten durchkreuzte, Hitlers Aggression direkt auf die SU zu lenken.

All diese Aspekte fehlen in M.s Essay, und so ist es kein Wunder, dass er weitgehend die Positionen der „rechten“ Führer vertritt. Welcher Humanist täte das nicht, wenn genügend Zeit für einen sanften Aufbau des Sozialismus zur Verfügung gestanden hätte! Wenn M. aber argumentiert, die Vorschläge von Bucharin u.a. für niedrigere Zielzahlen in Industrie und Landwirtschaft hätten gar nicht zu geringerem Wachstum geführt, scheint mir das abenteuerlich.

Letzten Endes hat Stalins Politik erreicht, dass trotz der riesigen Gebietsverluste in den ersten Kriegsjahren die geschaffenen Produktivkräfte zum Siegen genügten.

Über die weiter von M. angeführten Fehler, Verbrechen und antisemitischen Entgleisungen Stalins will ich hier nur so viel sagen:

Zu den Fehlern: Niemand wird bestreiten, dass bei dem ersten Versuch, den Sozialismus aufzubauen, Fehler unvermeidlich waren. Nach Lenin ist klug, wer keine besonders schweren Fehler macht und seine Fehler leicht korrigiert. Ein besonders schwerer Fehler mit tödlichen Konsequenzen wäre die Wahl der falschen Perspektive und der falschen Strategie gewesen. Über die weniger schweren Fehler mögen die Historiker streiten. Zu den Verbrechen: Es ist wohl unstrittig, dass die „Säuberungen“ nicht rechtstaatlichen Grundsätzen genügten und dass Unschuldige zu Opfern wurden. Dennoch muss bei ausgewogener Neubewertung auch die Frage erwogen werden, ob am Vorabend des Weltkriegs Maßnahmen zur Sicherung des Hinterlands nicht tatsächlich nötig waren, und wie sie hätten aussehen müssen. Ich kenne Untersuchungen, die M.s Sicht bestätigen oder sogar noch zuspitzen, z.B. das Schwarzbuch, ich kenne aber auch Texte, die dieser Sicht widersprechen. Ich habe mich mit der Seriosität dieser Quellen aber nicht so gründlich befassen können, um hier im Einzelnen richtig zu urteilen. Nur zwei kurze Anmerkungen: Wenn obskure Quellen abenteuerliche Opferzahlen produzieren, so muss es möglich sein, dem richtige Zahlen entgegenzusetzen, ohne dass dies als Verharmlosung verdächtigt wird. Und was die Angaben der Stalintochter über seine antisemitischen Entgleisungen betrifft, entsinne ich noch, wie ihre Äußerungen nach ihrer Flucht in den Westen auch von bürgerlichen Zeitungen mit Misstrauen aufgenommen wurden.

Insgesamt bleibt der Anspruch auf ausgewogenes Urteil über Stalin uneingelöst, wenn seine entscheidenden Beiträge zur Rettung der SU vor der faschistischen Vernichtung unter den Tisch fallen.

Soweit ich weiß, fehlten diese Aspekte aber auch in der Rede Chruschtschows auf dem XX. Parteitag, und so bedeutete diese Rede eine Verunglimpfung nicht nur Stalins, sondern des ganzen Sowjetvolks, und sie fügte der kommunistischen Weltbewegung schweren Schaden zu .

Wie Peter Hacks schrieb: „Als sie Stalin kippten, das war klar, war auch Lenin nicht mehr lang zu haben.“

Was den von M. gepriesenen Weg Chinas und Vietnams angeht, so habe ich meine Zweifel. Meiner Erinnerung nach waren die industriellen Wachstumsraten während der beiden ersten Fünfjahrpläne der SU höher als sie heute in China sind. Ich bezweifle, dass die SU nur auf das chinesische Modell einer „Marktwirtschaft mit sozialistischer Orientierung“ hätte kommen müssen, um die Härten und Leiden bei ihrem Aufbau zu vermeiden und dennoch die gleichen Erfolge zu erzielen, wie M. es darstellt. Eher denke ich, dass die Stärke und weitgehende Unipolarität des Imperialismus China und Vietnam zu dieser Lösung als Kompromiss zwingt, dessen langfristigen Erfolg ich ihnen zwar von Herzen wünsche, der mir aber weniger aussichtsreich erscheint als damals der Weg der SU.

Fritz Dittmar, Hamburg

[9] Marxistische Blätter, Flugschriften, Nr. 20


Irene und Gerhard Feldbauer

So siegte Vietnam[10]

Panikartig flohen die Amerikaner vor 30 Jahren aus Saigon

Die Bilder sind um die Welt gegangen: Ein T-54 rammt das schmiedeeiserne Tor des Doc Lap-Palastes in Saigon auf. Soldaten der Befreiungsstreitkräfte beziehen mit aufgepflanztem Bajonett Posten. Während General Minh, Washingtons letzter Marionettenpräsident, vor einem Panzerobersten bedingungslos kapituliert, starten vom Dach der US-Botschaft die letzten „Avican“-Helicopter, mit denen ranghohe Offiziere und Beamte der Besatzungsmacht auf die Kriegsschiffe der 7. US-Flotte flüchten. Botschafter Martin Graham, der letzte amerikanische Statthalter in Saigon, hatte bereits Stunden vorher das Weite gesucht.

Es ist der 30. April 1975. Saigon ist gefallen, Südvietnam nach zwei Jahrzehnten amerikanischer Besatzungsherrschaft befreit; die Ketten eines fast ein Jahrhundert währenden Kolonialjochs, das einst Frankreich errichtete, sind zerbrochen. Mit Saigon, mit Vietnam feiern am nächsten Tag Millionen in aller Welt, die an der Seite Vietnams standen, den 1. Mai als Tag des Sieges. Aus Saigon wird Ho Chi Minh-Stadt.

Von 1967 bis 1970 berichteten wir als Auslandskorrespondenten der Deutschen Demokratischen Republik für die Nachrichtenagentur ADN und Neues Deutschland in Wort und Bild aus Nordvietnam, das damals Demokratische Republik Vietnam hieß, sowie aus Laos und Kambodscha. Wir erlebten Nordvietnam unter dem Hagel amerikanischer Bomben, sahen unsägliches Leid, aber auch den unbeugsamen Willen von Menschen, die ihre unter unsagbaren Opfern errungene Freiheit und Unabhängigkeit verteidigten. Wir erlebten das Scheitern der barbarischen US-Luftaggression und während des Tetfestes im Frühjahr 1968 die strategische Wende im Befreiungskampf in Südvietnam.

Die Grundlagen des Sieges

Das vietnamesische Volk siegte über die Militärmacht der USA, die stärkste der westlichen Welt. Die Vereinigten Staaten hatten 1954 die Genfer Indochina-Abkommen gebrochen und seit 1955 Vietnam mit einem barbarischen Vernichtungskrieg überzogen. 540.000 US-Soldaten und über eine halbe Million Saigoner Söldner standen der Befreiungsarmee der Republik Südvietnam (RSV)[11] gegenüber. Die große Hilfe des damals existierenden sozialistischen Lagers, darunter modernste konventionelle Waffen aus der UdSSR und Lieferungen aus der VR China, die weltweite Solidarität der Völker und ihrer Friedenskräfte, eingeschlossen die in den USA, waren entscheidende Grundlagen dieses Sieges. Aber die letztlich ausschlaggebende Bedingung, dass diese Faktoren zur Geltung kommen konnten, war der nicht zu brechende Widerstandswille des Volkes, der in den Traditionen nationalen und antikolonialen Widerstandes wurzelte, die zu mobilisieren eine kommunistische Partei verstand, die der legendäre Führer Ho Chi Minh gegründet hatte.

Wir hatten das große Glück, dreimal persönlich mit Ho Chi Minh zusammen zu treffen. Es sind bis heute unvergessliche Erlebnisse. Seine Anwesenheit spürten wir aber auch bei den vielen Gesprächen mit den Menschen Vietnams, in deren Herzen er nach seinem Tod weiter lebte. Ho Chi Minh war ein legendärer Führer, wie die kommunistische Weltbewegung nur wenige hervorbrachte.

Als er während des erbitterten Kampf gegen die USA-Aggressoren im September 1969 starb, spekulierten seine Feinde, ohne ihn könnten sie das Land nunmehr in die Knie zwingen. Es war ein Trugschluss. Ho hinterließ kein Vakuum, sondern eine im Kampf gestählte Vorhut mit einem starken Führungskollektiv, die sein Werk fortsetzte und zum Sieg führte. Er blieb die Seele des Widerstandes.

Ho Chi Minh, der Gründer der Partei

Unter Ho Chi Minhs Führung bewies die KPV von Anfang an, dass man die Mehrheit des Volkes in der revolutionären Aktion gewinnt und dass diese nicht erst begonnen werden kann, wenn die Massen zum Kampf bereit sind. Sein erster Zirkel zur Vorbereitung der Parteigründung erfasste 1925 ganze 20 Genossen. Nach ihrer Gründung am 3. Februar 1930 zählte die Partei dann etwa 1.800 Mitglieder. Im Herbst stellte sie sich an die Spitze eines spontan ausgebrochenen Bauernaufstandes in Zentralvietnam, in dessen Verlauf in zwei Provinzen Sowjets entstanden. Sie formierten 40.000 Kämpfer zählende Rote Garden, die sich über ein Jahr gegen eine erdrückende Übermacht von 100.000 Mann der Kolonialtruppen verteidigen. Die Lehren dieser Massenbewegung wurden zu einer entscheidenden Grundlage für den Sieg des bewaffneten Aufstandes der Augustrevolution von 1945, aus der die Demokratische Republik Vietnam hervorging. Diese Revolution, mit welcher der französische Kolonialismus und der zu dieser Zeit mit 200.000 Mann Besatzungstruppen in Vietnam stehende japanische Militarismus geschlagen wurden, leitete auf internationaler Ebene den Zerfall des Kolonialsystems ein. Sie war weltweit die erste nationale Befreiungsrevolution, die unter Führung der Arbeiterklasse mit einer kommunistischen Partei an der Spitze siegte.

Die furchtbaren Verbrechen der USA-Aggressoren

Unter der 20jährigen Okkupationsherrschaft des USA-Imperialismus erlitt das vietnamesische Volk ungeheuere Opfer an Leben, Hab und Gut: Zwei Millionen Kriegstote, davon allein 1,5 Millionen in Südvietnam. Über eine Million Kriegswaisen. In Nordvietnam lagen die meisten Städte in Trümmern, Hunderttausende Hektar Reisfelder waren vernichtet, über 1000 Deichabschnitte aufgerissen, 2.923 Schulen, 495 Pagoden und Tempel, 484 Kirchen, 250 Krankenhäuser, 1.500 Pflege- und Entbindungsstationen zerstört. Im Süden waren über zehn Millionen Bauern, die Hälfte der Bevölkerung, durch Bomben oder Gewalt aus ihren Dörfern vertriebenen worden. Eine Million Hektar Boden waren dioxinverseucht, über die Hälfte des Waldes schwer geschädigt, 40 Prozent der Gummiplantagen völlig zerstört. Zum Erbe der USA-Besatzungsmacht gehörten im Süden drei Millionen Arbeitslose, 500.000 Prostituierte, davon 50.000 in Saigon, 500.000 Drogenabhängige, 300.000 Geschlechtskranke, eine Million Tbc- und 10.000 Leprakranke, eine Million Orange-Agent-Opfer, vier Millionen Analphabeten, 400.000 Soldaten der Saigoner Armee, die kapituliert hatten, 120.000 Polizisten, Zehntausende Politiker, Beamte und Angehörige reaktionärer Organisationen, Unternehmer, Kaufleute und Wucherer, die sich an der Unterdrückung des Volkes beteiligt hatten. Die von der RSV und der DRV betriebene Politik der nationalen Versöhnung wirkte sich nur sehr allmählich auf diese Schichten und auch nicht auf alle Menschen aus.

Die USA verhängten sofort einen totalen Wirtschaftsboykott über Südvietnam und versuchten, gestützt auf die einheimische Reaktion jeden möglichen Widerstand gegen die Volksmacht zu organisieren. Etwa 200.000 unerkannt zurück gebliebene einheimische Agenten der CIA, darunter rund 30.000 für Mordkommandos ausgebildete Spezialisten, bildeten konterrevolutionäre Banden, terrorisierten die Bevölkerung und planten Putsche. Die USA verweigerten die im Pariser Abkommen von 1973 festgelegte Wiedergutmachung für die angerichteten Kriegsschäden. Ihr erklärtes Ziel war, Vietnam „in den ökonomischen Bankrott zu treiben“. Sie haben es genauso verfehlt wie von 1955 bis 1975 das militärische.

Dem Sozialismus die Treue gehalten

Schier unüberwindliche Schwierigkeiten existierten in der Wirtschaft. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln war lahm gelegt. Die Großhändler horteten ihre Waren und weigerten sich, an der lebensnotwendigen Versorgung der Bevölkerung teilzunehmen. Diese musste zunächst beträchtlich aus dem Norden übernommen werden. Früher als vorgesehen beschlossen die DRV und die RSV unter diesen Bedingungen bereits im Frühjahr 1976 über die Wahl einer Nationalversammlung beide Landesteile zur Sozialistischen Republik Vietnam (SRV) zu vereinigen. Angesichts der sozial-ökonomischen aber auch politisch-moralischen Zerrüttung des Südens konnte nur das nordvietnamesische Entwicklungsmodell eine Perspektive bieten.

Mit der Wiedervereinigung wurde der Konterrevolution im Süden die staatliche Basis entzogen, was über ein Jahrzehnt später zu einer wichtigen Grundlage wurde, dass die SRV die Niederlage des Sozialismus in Europa überstand. Hoffnungen ihrer Gegner, die KPV werde den Weg osteuropäischer „kommunistischer und Arbeiter-parteien“ gehen und den Pfad der Sozialdemokratie einschlagen, erwiesen sich als Trugschluss. Die Partei Ho Chi Minhs und seiner Nachfolger hat sich nicht „gewendet“ oder den von Reformisten gepredigten „Zeitgeist“ angepasst. Während in Osteuropa die KPs zerfielen, stieg die Mitgliederzahl der vietnamesischen in dieser Zeit um rund 500.000 auf 2,5 Millionen an.

Die KPV-Führung verschweigt nicht die ungeheueren Schwierigkeiten, die nicht im sozialistischen Entwicklungsmodell wurzeln, sondern sich aus den Kriegsfolgen, aus der Langzeitwirkung der kapitalistischen Überreste des Südens ergeben, aus dem Verlust der internationalen sozialistischen Kooperation, dem daraus resultierenden Zwang zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der kapitalistischen Welt.

Mehrheit des Volkes hinter der Partei

Der 9. Kongress der KPV im April 2001 veranschlagte etwa zwei Jahrzehnte, um die sozialistische Entwicklung auf eine solide wirtschaftliche Basis zu stellen, welche die Bedürfnisse der Menschen besser befriedigen kann. Grundlage bleibt die Sicherung des gesellschaftlichen Eigentums an den entscheidenden Produktionsmitteln. Wirtschaftliche Reformen dienen nicht einer Öffnung gegenüber dem kapitalistischen System, sondern der sozialistischen Zukunft. Die KPV konnte ein weiteres Mal feststellen, dass die Mehrheit des Volkes ihr folgt, was nicht ausschließt, dass es Abseitsstehende und auch noch Gegner ihres sozialistischen Weges gibt.

Es gibt beachtenswerte Leistungen: Die öffentlichen Investitionen stiegen 2003 auf 35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Industrieproduktion wuchs um 24,3 und das Bruttoinlandsprodukt um 10,37 Prozent. Es entstehen neue Industriebetriebe, das Straßennetz wird ausgedehnt und modernisiert, die Erdölförderung ausgebaut. Sie beträgt derzeit etwa 18 Millionen Tonnen pro Jahr. Es werden fünf Millionen Hektar Wald aufgeforstet.

Während in vielen Ländern der Dritten Welt unzählige Menschen Hunger leiden, sind die Vietnamesen zufriedenstellend mit Grundnahrungsmitteln versorgt. 2003 wurden 35,6 Millionen Tonnen Reis geerntet und das unter Bedingungen, wo auf einem Hektar Anbaufläche im Durchschnitt noch 300 Blindgänger liegen. Das Analphabetentum, das nach der Befreiung vom Kolonialjoch in Nordvietnam schon überwunden war, ist im ganzen Land so gut wie beseitigt. 2002/3 wurden 168.000 Studenten gezählt, 5 Prozent mehr als ein Jahr vorher.

Erfahrungen für den irakischen Widerstandskampf

Mit dem Überfall auf Afghanistan und der Aggression gegen Irak hat der USA-Imperialismus einen neuen Anlauf genommen, seine alten Weltherrschaftspläne durchzusetzen. Unter diesem Gesichtspunkt vermitteln Kampf und Sieg Vietnams wertvolle Lehren und Erfahrungen. Darunter vor allem die, dass die USA-Aggressoren scheitern werden: am Widerstandswillen, am unbändigen Freiheits- und Unabhängigkeitsdrang des Volkes.

Irene und Gerhard Feldbauer

[10] Der Beitrag erschien in der Zeitung der Partei der Arbeit Belgiens Solidaire, Ausgabe Nr. 18 vom 11. Mai 2005. Wir veröffentlichen ihn mit freundlicher Genehmigung von Solidaire und der Autoren; d. Red.

[11] Nachdem die Front National de Liberation zwei Drittel Südvietnams befreit hatte, proklamierte sie im Juni 1969 die RSV und bildete eine provisorische revolutionäre Regierung.

Wir empfehlen unseren deutschsprachigen Lesern das Buch von Irene und Gerhard Feldbauer „Erinnerungen an Vietnam“, das gerade im Verlag Pahl Rugenstein Nachf. Köln erschien.


Resonanz

Samy Yildirim

Antwort an meine Kritiker. Teil 3 und Schluss

5) Bedingungen für den Sozialismus.

- Station Nr. 1: Alter Orient.

Hier müssen wir sehr weit zurückgehen, bis in die Zeit des Alten Orients, der Wiege des westlichen Zivilisation. Die Fragen, mit denen wir es hier zu tun haben, treiben die Menschen schon seit längerer Zeit um. Es wäre in der Tat idealistisch anzunehmen, eine Erkenntnis käme fix und fertig auf die Welt, genauso wie der frommen Legende zufolge die Pallas Athene, die Schutzgöttin Athens, komplett mit Eule und Rüstung dem Haupte ihres Vaters, Götterkönig Zeus, entsprungen sein soll.

Zeitlich umfasst der Alte Orient die letzten drei Jahrtausende v. Chr.; räumlich umfasst er die Gebiete der heutigen Staaten Ägypten, Israel, besetzte Palästinensergebiete, Jordanien, Libanon, Syrien, Türkei, Irak, Kuwait, Iran und der arabischen Halbinsel, wenn wir großzügig rechnen.

Zu den Ältesten sozialkritischen Schriften der westlichen Zivilisation zählen die in den alttestamentlichen Kanon aufgenommenen Schriften der sozialkritischen Propheten Amos, Hosea und Micha, welche alle aus dem alten südlichen Königreich Judäa stammten. Während  Amos  und Hosea in das benachbarte und deutlich wohlhabendere alte nördliche Königreich Israel auswanderten, blieb Micha in Judäa. Amos und Hosea erlitten in Israel das typische "Gastarbeiterschicksal"; die bürgerliche Soziologie spricht hier von der "marginal man's position", also von der "Position des Mannes am Rande (der Gesellschaft)"; ihre Wirkung entfalteten sie in Zirkeln von anderen Judäern, die ähnliches erlitten hatten. Micha hingegen predigte im öffentlichen Raum in Judäa und geißelte die Verantwortungslosigkeit der Herrschenden gegenüber den werktätigen Massen, wozu eine ordentliche Portion an Zivilcourage gehörte.

Nach dem durch die Assyrer gegen Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr. herbeigeführten gewaltsamen Ende des alten nördlichen Königreiches Israel ergoss sich ein Strom von Flüchtlingen nach Judäa, wodurch dort eine Gruppe religiöser Fanatiker ans Ruder kam, die Deuteronomisten. Diese initiierten eine sehr interessante Entwicklung, welche rund 200 Jahre währte, und die schließlich die Bekehrung der Judäer zum JHWH-Monotheismus bedeutete, und als "hiskianisch-josianische Reform" oder auch als "JHWH-monotheistische Revolution im westjordanischen Bergland" bezeichnet wird. Dabei nahmen die Deuteronomisten auch die in den Schriften von Amos, Hosea und Micha enthaltenen Ideen in ihr Programm auf. Ihr Programm gossen die Deuteronomisten nicht zuletzt in die Form der insgesamt 248 Gebote und 365 Verbote, zusammen also 613 mitzwot (= religiöse Pflichten), an welche orthodoxe Juden sich bis heute zu halten haben, wollen sie ihren Glauben streng praktizieren. Viele heutige Linke wundern sich über die Heterogenität des Programms sog. "Rechtspopulisten", welche "linke" Forderungen genauso wie "rechte" Forderungen gleichermaßen zu erfüllen versprechen; im westjordanischen Bergland gingen solche Sache schon vor über zweieinhalb Jahrtausenden zusammen.

Nun wurde aber auch Judäa in die politischen Auseinandersetzungen hineingezogen, welche während des 7. Jahrhunderts v. Chr. im Alten Orient tobten. Zu den Opfern gehörte auch der judäische König Josia (regierte von 639 bis 609 v. Chr.), der vom ägyptischen Pharao Necho II. nach Unterweltmanier (was damals dort allerdings üblich war) beseitigt wurde. Da Josia aber ein Promotor der JHWH-monotheistischen Revolution war und der Liebling der Deuteronomisten, welche ihn als "besten judäischen König seit David bewerteten, erschütterte seine Ermordung die Position der Deuteronomisten. Es kam wieder zum Aufleben der alten polytheistischen und synkretistischen Kulte in Judäa.

- Station Nr. 2: Antikes Attika.

Aus deuteronomistischer Sicht aber war am schlimmsten, dass Josias Nachfolger sich Ausländer ins Land holten, um die Schlagkraft der Armee zu verbessern. Der historische Zufall wollte es, da alle diese Söldner aus Attika kamen. In Judäa selbst blieben sie nur rund 12 Jahre, denn nach dem Ersten babylonisch-judäischen Krieg (597 v. Chr.) bestand das siegreiche Babylon auf ihrem Abzug. Aber zurück in Attika sollten diese Söldner noch für Veränderung sorgen.

Aus den uns erhalten gebliebenen Briefen, die die attischen Söldner an ihre Verwandten zu Hause schickten, wissen wir, da sie sehr beeindruckt waren von den Errungenschaften der Judäer auf den Gebieten des Rechts- und des Sozialstaates. Zurück in Attika begannen sie, das in Judäa Gelernte in die Praxis umzusetzen. Wenn also Adolf Hitler erklärte, dass Demokratie, Rechtsstaat und Kommunismus "jüdische Sachen" seien, dann gibt es für diese Auffassung ein fundamentum in re. Wäre es Adolf Hitler um Aufklärung gegangen, so würde er erklärt haben, dass sie zumindest judäisch inspiriert seien, da seinerzeit die attischen Söldner während ihres Aufenthaltes in Judäa auf diese Gedanken gebracht wurden. Aber um Aufklärung ging es Adolf Hitler ja nie.

Zwei Namen sind besonders wichtig: Drakon und Solon. Sie stammten aus dem attischen Adel und bekleideten entsprechend hohe militärische Ränge. Sie gehörten zu diesen Söldnern und begründeten eine europäische Tradition: die des kämpferischen Sozialreformismus. Sie gingen mit der sprichwörtlich gewordenen "drakonischen Härte" vor, sowohl gegen die reformunwilligen Teile ihrer Klasse als auch gegen jene, welche weitergehende Vorstellungen im Hinblick auf gesellschaftlichen Fortschritt hatten: die beiden ersten Sozialdemokraten Europas.

- Station Nr. 3: Aristoteles.

Von Berthold Brecht (1898 bis 1956) stammt der Vorschlag, zwischen der kommunistischen Sehnsucht nach der herrschaftsfreien Gesellschaft (also der Gesellschaft ohne Herren und also auch ohne Knechte) und der sozialdemokratischen Sehnsucht nach dem guten Herren. Im westjordanischen Bergland wurde die letztere formuliert; auf den Gedanken, weiterzugehen, kamen erst die Griechen.

Aristoteles fragte sich, welche Bedingungen notwendig seien, um eine solche Gesellschaft ohne Herren und also auch ohne Knechte zu realisieren. Er zählte dann mehrere Bedingungen auf, die er aber allesamt für unerfüllbar hielt. Diese Bedingungen decken das ganze Spektrum ab von "ganz Überbau" bis "ganz Basis". Ich habe Konsens mit Aristoteles: ich halte ebenfalls alle diese Bedingungen für notwendig. Ich habe aber auch Dissens mit Aristoteles: ich halte alle diese Bedingungen für erfüllbar.

Die Mentalitätsbedingung verlangt eine geistig-moralische Wende in den Beziehungen der Menschen untereinander; sie müssen den jeweils Anderen um seiner selbst willen lieben, was er in seiner "Nicomachischen Ethik" ausführlicher darlegte. Kant machte daraus den "Praktischen Imperativ", keinen Menschen nur als Mittel zum Zweck zu gebrauchen, sondern ihn stets in seiner Selbstzweckhaftigkeit zu akzeptieren. Bei Marx wurde daraus der "Revolutionäre Imperativ", alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes Wesen sei.

Die Planungsbedingung verlangt, dass die Gesellschaft alle sie in ihrer Gesamtheit anbelangenden Probleme nach einem im Vorhinein verabredeten Plan regele. In praxi verlangt dies nach Vergesellschaftung der Produktion und zentraler Planung ebenso wie nach entsprechenden Institutionen und Mentalitäten.

Die Arbeitsproduktivitätsbedingung verlangt, dass die Arbeitsproduktivität hinreichend hoch entwickelt sei; "hinreichend" bedeutet hier, Aristoteles zufolge, dass die Arbeitsinstrumente gleichsam von selbst sich sinnvoll hin und her bewegen.

Der erste, der die Arbeitsproduktivitätsbedingung als erfüllbar ansah, war Antipater, der um 100 v. Chr. in Alexandrien in Ägypten lebte. Den Bau von Windmühlen, mit denen eine im Besitz der königlichen Familie befindliche Manufaktur betrieben wurde, nahm er zum Anlass für ein Gedicht, das den ersten jemals verfassten Lobgesang auf den technischen Fortschritt darstellt. Antipater war der erste Mensch, der dies jemals erkannte: der Weg zur Erfüllung der Aristoteles'schen Arbeitsproduktivitätsbedingung führt über die Ersetzung leicht erschöpflicher Lebewesen (üblicherweise: Menschen, Rinder, Pferde) durch prinzipiell unerschöpfliche Naturvorgänge (hier: der Wind) als industrieller Kraftquelle.

- Station Nr. 4: Der sog. "real existierende Sozialismus".

Das Scheitern des sog. "real existierende Sozialismus" ist der zu erklärende Sachverhalt. Wenn wir davon ausgehen, da es keine wesentlichen Fehler gab, die vom sog. "real existierenden Sozialismus" begangen wurden, dann heißt das, dass der Westen seine Überlegenheit bewiesen habe. Dann aber verbietet sich die Propagierung sozialistischer Lösungsansätze für die weltweit zu beobachtenden Probleme. Wenn wir also ausgehen, dass es wesentliche Fehler gab, die vom sog. "real existierenden Sozialismus" begangen wurden, dann müssen wir fragen, welcher Art diese waren.

Die von Aristoteles entwickelte "Methode der Aufzählung aller notwendigen Bedingungen" (Wodurch wohl wurde Aristoteles auf den Gedanken gebracht, diese Methode zu entwickeln?) legt den Schluss nahe, da es mindestens eine notwendige Bedingung gab, die nicht erfüllt war. Bloß welche?

Wer die entscheidende Ursache für den Sieg des Westens in der Systemauseinandersetzung im Überbau erblickt, der wird gerne als "Idealist" bezeichnet. Wer die entscheidende Ursache für den Sieg des Westens in der Systemauseinandersetzung in der Basis erblickt, der wird gern als "Trotzkist" bezeichnet. Wie aber ist der zu bezeichnen, der, wie Gerald Hoffmann, keine entscheidenden Fehler des sog. "real existierenden Sozialismus" als Ursache für den Sieg des Westens in der Systemauseinandersetzung auszumachen weiß?

Die Basis kennt Produktivkräfte und Produktivverhältnisse. Von Leuten wie Trotzki und Bucharin stammt die These, dass die Produktivkräfte in der UdSSR nicht weit genug entwickelt gewesen wären für sozialistische Produktivverhältnisse. Von Extremrechten wie etwa Hagen Fritz Thorgesson oder Friedrich August von Hayek stammt die dazu antisymmetrische These, dass in der UdSSR die Produktivkräfte den sozialistischen Produktivverhältnissen über den Kopf gewachsen wären.

Ich gehe hierin mit Kurt Gossweiler konform, dass die entscheidende Ursache für den Sieg des Westens in der Systemauseinandersetzung im Überbau der UdSSR und ihrer Verbündeten zu suchen ist, und zwar aufgrund einer zunehmenden revisionistischen Entartung von KPdSU und UdSSR, und da diese Entartung nicht bedingt war durch etwaige wirtschaftliche Probleme, sondern diese erst seinerseits verursacht hat. Folglich war es konsequent von mir, Fragen des Überbaus zu thematisieren.

Hätten Hansi Oehme und Gerald Hoffmann die Absicht gehabt, ernsthaft zu diskutieren, so würden sie mich gefragt haben, welche Bedeutung ich Fragen des Überbaus bzw. der Basis jeweils beimesse. Ich empfehle ihnen daher, sich fortan ein Beispiel an der "Sesamstraße" zu nehmen. Das "Sesamstraße"-Lied geht so: "Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum. / Wer nicht fragt, bleibt dumm. / Tausend schöne Sachen gibt es überall zu sehen. / Manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen."

Anhand der Methode der Aufzählung aller notwendigen Bedingungen können wir unterscheiden: jemand mit einer Frage gibt nicht die Bedeutung einer notwendigen Bedingung zu - jemand mit dieser Frage gibt diese Bedeutung zu, hält sie aber für unerfüllbar - jemand sieht diese Beding als notwendig und als bereits erfüllt an. In jedem Falle spricht er dann wenig darüber. Da ich der Auffassung war und bin, dass die Produktivkräfte sehr wohl weit genug entwickelt waren im Rußland des Jahres 1917, und ich alle wirtschaftlichen Probleme für lösbar halte mittels Gesellschaftseigentum und zentraler Planung, kann ich die entscheidende Ursache für den Sieg des Westens in der Systemauseinandersetzung nicht in der Basis erblicken. Dann muss diese wohl im Überbau zu suchen sein.

6) Definition und Herkunft des Revisionismus.

Unter Revisionismus verstehe ich ein (durchaus systematisierbares) Konglomerat von gegen den Marxismus-Leninismus gerichteten Ansichten (samt daraus sich mit gewisser Notwendigkeit ergebender Handlungen), welche sich aber des Vokabulars und zumindest einiger Argumentationsmuster des Marxismus-Leninismus bedienen und vorgeben, Ausdruck bzw. Variante des Marxismus-Leninismus, ggf. sogar eine Weiterentwicklung desselben, zu sein. Dieser Widerspruch von Form und Inhalt kann vorsätzlicher Täuschung geschuldet sein, kann aber auch auf ungenügender Kenntnis des Marxismus-Leninismus seitens des Revisionisten beruhen. Im ersten Fall weiß der Betreffende, was er tut, ist also als Agent des Klassenfeindes anzusehen; im zweiten Fall ist er sich dessen nicht bewusst und daher als Irregeführter anzusehen.

Bei dieser Definition gehe ich von den Gedanken aus, die ich im Abschnitt "Denken und Handeln" dargelegt habe. Wem das zu subjektivistisch ist, der möge bedenken, dass in der Gesellschaft und in der Geschichte nichts von alleine geschieht, sondern dass Menschen sich bereit finden müssen, es zu tun, also zu handeln, und diese Menschen haben Ansichten und Absichten. Da das Denken und Handeln sich nicht irgendwo abspielt, sondern im Hier und Jetzt einer Klassengesellschaft, sind Denken und Handeln immer auf die Klassenstruktur der Gesellschaft zu beziehen, gleichsam zu "erden". In einer dialektisch-materialistischen Psychologie (= Lehre vom Bewusstsein) wir diese "Erdung" auch vorgenommen; in einer bürgerlich-idealistischen Psychologie eben darum nicht.

Gerald Hoffmann gibt seinerseits eine bemerkenswerte Erklärung für die Herkunft des Revisionismus; in der Fußnote 102 auf Seite 77 der "offen-siv" Nr. 02/2004 schreibt er: "Aphoristisch gesprochen: aller Revisionismus basiert auf dem Unverständnis von 13 Seiten Kapital, nämlich des Abschnittes ''Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis''. Dessen Verständnis setzt voraus, den Unterschied von a) qualitativer / quantitativer Wertbestimmung (abstrakte Arbeit ist Wertsubstanz / notwendige Arbeitszeit ist Wertmaß) und b) Wertform (Tauschverhältnis  von Privatproduzenten) andererseits zu begreifen."

Demnach wird man Revisionist, wenn man diesen Abschnitt des Ersten Bandes des Kapital von Marx, "Der Produktionsprozess des Kapitals" nicht begreift. Da Begreifen eine Sache des Bewusstseins ist, macht also auch Gerald Hoffmann Gebrauch von den Überlegungen, die ich explizite im Abschnitt "Denken und Handeln" dargelegt habe.

In seiner Kritik an meiner Kritik an seinem Revisionismus-Beitrag erwähnt Gerald Hoffmann den Begriff der "aufrechten Reformkommunisten", welche ehrlich davon überzeugt waren, den Marxismus-Leninismus weiterzuentwickeln, indem sie sich vom sog. "Stalinismus" entfernten, und dann überrascht waren, als es zur sog. "Wende" kam, und auch heute noch so denken wie vor rund 20 Jahren.

Solche "aufrechten Reformkommunisten" gab es allerdings, was ich aus persönlicher Erfahrung bezeugen kann; sie fallen unter den zweiten Fall meiner Definition des Begriffs Revisionismus und können als von Gorbatschow und Konsorten Irregeführte bezeichnet werden - ganz so, wie Robert Steigerwald und Klaus Steiniger als von Chrustschow (wenngleich auch nachträglich) Irregeführte bezeichnet werden können. Wie kommt Gerald Hoffmann auf den Gedanken, mit dem Verweis auf solche Menschen mich widerlegt zu haben?

Die Spitzenrevisionisten allerdings fallen unter den ersten Fall meiner Definition des Begriffs Revisionismus. Oder glaubt Gerald Hoffmann etwa, Chrustschow und später Gorbatschow wären
ebenfalls "aufrechte Reformkommunisten" gewesen? Ich hoffe doch nicht, dass er dies glaubt. Allenfalls wäre ich bereit, etwa Manfred Behrend und die anderen Autoren des "Hintergrund" als "aufrechte Reformkommunisten" zu bezeichnen.

Nun müssen wir uns aber fragen, wie es zu solchen Überlegungen und Handlungen kommen kann. Dabei ist zwischen den Spitzenrevisionisten und den "aufrechten Reformkommunisten" zu unterscheiden.

Es kann sein, dass jemand aus einer Ausbeuterfamilie kommt, und sich den Revolutionären anschließt; sei es aus Opportunismus, aus gewandelter Überzeugung oder aus der Absicht heraus, die Revolutionäre zu unterwandern und von innen heraus zu bekämpfen. Solche Menschen werden ganz bestimmt keine "aufrechten Reformkommunisten" werden. Ludo Martens diskutiert mehrere solcher Fälle.

Es kann sein, dass jemand aus einer Familie von Ausgebeuteten kommt und durch die Revolution auf einen hohen Posten gesetzt wird. Dort könnte er charakterlich verdorben werden, etwa indem er sich an autoritäres Auftreten und hohes Einkommen (im Vergleich zu früher und zu seinen nicht beförderten Bekannten von früher) gewöhnt und/oder indem er von in seiner neuen Umgebung befindlichen Menschen aus Ausbeuterfamilien entsprechend ihren Vorstellungen "umerzogen" und so zu einem der ihren wird. Je nach dem Grad, in welche ihm dies bewusst wird, wird aus so einem Menschen eher ein Revisionist im ersten oder im zweiten Fall meiner Definition.

Es kann sein, dass jemand angesichts der Schwierigkeiten resigniert und dann für Defätismus empfänglich wird. Dies trifft sicher auf viele der Rechten im Fraktionskampf der Zwanziger zu, deren Gedanken Bucharin artikulierte.

Es kann sein, dass jemand angesichts der Schwierigkeiten "sein Heil in der Flucht" (nach vorne) sieht und für überstürztes Vorgehen optiert. Dies trifft sicher auf viele der Linken im Fraktionskampf der Zwanziger zu, deren Gedanken Trotzki artikulierte.

Es kann sein, dass jemand aus den Erfolgen beim sozialistischen Aufbau zu der Überzeugung kommt, dass dem Menschen nichts unmöglich sei, und dass es insbesondere die Sowjetmacht vermöge, "die Gesetze der Wissenschaft umzustoßen und durch eigene Gesetze zu ersetzen", wie Stalin es "über die Mängel der Parteiarbeit" schrieb (Domenico Losurdo machte daraus dann den "Daniel-Düsentrieb-Optimismus", den er bei Chrustschow am Werke sah), und was Kurt Gossweiler als "Neigung jüngerer Kader" bezeichnete, zu glauben, "selber ein besseres und reiferes Urteil" zu haben als praxiserfahrene ältere Kader.

Es kann sein, dass jemand ... . Hier bitte ich die Liste selber weiterzuschreiben; sie ist nämlich bei weitem nicht vollständig.

Ich hoffe doch sehr, dass nun alle einsehen, dass wir uns ansehen müssen, was die Revisionisten denken und tun, denn auch die Revisionisten sind Menschen und keine Außerirdischen. Es sollte klar geworden sein, dass es eben nicht "idealistisch" oder "trotzkistisch" oder "freudianistisch" ist, sich mit Frage des Bewusstseins zu beschäftigen. Schließlich ist bei dem hier dargelegten Gedankengang die geforderte "Erdung" gegeben: ich nehme Bezug auf die Herkunft und die nunmehrige Umgebung eines Menschen sowie auf wirtschaftliche und sonstige Gegebenheiten, die einem Menschen zum Denken und Handeln Anlass geben können.

Wir müssen uns fragen, wie die Revisionisten in leitende Positionen kommen, ob sie als Revisionisten Karriere machen, oder ob sie während ihrer Karriere zu Revisionisten werden. Anzunehmender Weise werden bewusste Revisionisten einander erkennen und fördern, während "aufrechte Reformkommunisten" üblicherweise nicht in Spitzenpositionen gelangen, da ihnen andernfalls ein Licht aufgehen könnte und sie bemerken würden, von den bewussten Revisionisten als "nützliche Idioten" benutzt worden zu sein. Es ist allerdings auch möglich, dass aus einem "aufrechten Reformkommunisten" ein bewusster Revisionist wird aufgrund seiner Karriere. Selbstverständlich müssen dabei auch Fragen des Umganges miteinander und der Zivilcourage erörtert werden. Wo wird es Revisionisten leichter gemacht: wo man sich aussprechen kann oder wo man sich rechtfertigen muss für seine Lektüre?

7) Die Politik der UdSSR von 1953 bis 1991.

Gerald Hoffmann sieht in der Politik der UdSSR nach 1953 "revisionistische Tendenzen"; mir wirft er vor, ich betrachtete die UdSSR als eine im Wesentlichen revisionistische Macht seit 1956. Das wirft die Frage auf, seit wann denn Gerald Hoffmann die UdSSR als eine im Wesentlichen revisionistische Macht sieht: etwa erst seit 1985?

Wenn an der Einstellung zu Stalin entschieden werden kann, ob wir es mit Revisionisten zu tun haben, dann sind die Parteitage 1956 und 1961 zumindest als Meilensteine der revisionistischen Entartung von KPdSU und UdSSR anzusehen.

Wir wollen uns ein wenig die Politik der UdSSR nach 1953 anschauen und nach weiteren "Meilensteinen" Ausschau halten; vielleicht können wir dann die Frage beantworten, wann der sprichwörtliche Rubikon überschritten wurde.

1953: Stalin stirbt. Machtkampf im Politbüro. Berija wird entmachtet und erschossen, später als "Revisionist" bezeichnet. Chrustschows Politik führt zu den Unruhen in der DDR. Fortan wird die Frage der Deutschen Einheit zu einer Waffe des Westens gegen den Osten.

1954: Auf Betreiben Chrustschows wird die Krim von Ruland an die Ukraine übertragen. Damit wird ein Präzedenzfall geschaffen, der zur Infragestellung aller Grenzen innerhalb der UdSSR führen kann.

1955: Adenauer erreicht die Freilassung von als Kriegsverbrecher verurteilten ehemaligen Angehörigen der NS-Wehrmacht aus der Haft in der UdSSR. Chrustschow in Belgrad; noch auf dem Flugplatz spricht er Tito von den Beschuldigungen von 1948 frei.

1956: XX. Parteitag der KPdSU. Beginn der sog. "Entstalinisierung". Antikommunistische Umtriebe in Polen und Ungarn. Auflösung der Kominform. Beginn des Auseinanderdriftens der diversen kommunistischen und Arbeiterparteien.

1957: Ausschluss der Gruppe um Molotow und Malenkow als "parteifeindlich".

1958: Chrustschow provoziert eine Krise um West-Berlin und treibt die Zahl der Republikflüchtlinge aus der DDR in die Höhe, was zu einer weiteren Destabilisierung und Delegitimierung der DDR führt.

1959: Camp-David-Gespräche. Chrustschow beschwört den "Geist von Camp David" und macht damit deutlich, dass er eine Beteiligung der Massen nicht wünscht; stattdessen sollen diese auf die Führer - auch des Westens ! - vertrauen. Im Antarktis-Vertrag trifft die UdSSR mit den anderen Unterzeichnerstaaten (allesamt imperialistische Großmächte) eine Absprache, den südlichsten Kontinent "gütlich" untereinander aufzuteilen. Botschaft: die Erde gehört unter die "Großen der Welt" aufgeteilt, und die UdSSR ist mit dabei.

1960: Abbruch der Unterstützung der VR China durch die UdSSR. Trotz der fortgesetzten Verletzung der Souveränität der UdSSR durch US-amerikanische Spionageflugzeuge ("Gary-Powers-Zwischenfall") besteht Chrustschow darauf, den USA sei "guter Wille" zu attestieren. Peinlicher Auftritt von Chrustschow vor der UNO-Vollversammlung in New York.

1961: XXII. Parteitag der KPdSU. Annahme des hirnrissigen Chrustschow'schen Parteiprogramms, das Unerfüllbares verspricht. Erste ernste Störungen der wirtschaftlichen Entwicklung der UdSSR. Entfernen der Leiche Stalins aus dem Mausoleum und Umbenennung Stalingrads in Wolgograd: deutlichstes Zeichen der sog. "Entstalinisierung".

1962: Professor Liebermann in der UdSSR und Ota Sik in der CSSR erklären öffentlich, dass nur der Übergang zur Marktwirtschaft eine sinnvolle Reform sei. Die Planwirtschaft wird als "überholt" bezeichnet. "Kuba-Krise", bei der Chrustschow und Kennedy praktisch die ganze Welt in atomare Geiselhaft nehmen und sich anschließend als Beschützer aufspielen.

1963: Auseinandersetzung der KP Chinas mit der KPdSU über die Generallinie der kommunistischen Bewegung. Darinnen werden auch wirtschaftliche Fragen behandelt. Die KPdSU reagiert mit Ablehnung und verweigert die Diskussion.

1964: Chrustschow wird gestürzt, bevor er die KP Chinas als "Trotzkisten" verurteilen lassen kann. Breschnew wird Nachfolger und setzt diese falsche Politik auf weniger spektakuläre Weise fort. Ich bringe einige "Meilensteine".

1968: "Prager Frühling" in der CSSR. Anstatt auf berechtigte Kritik der Werktätigen einzugehen und dadurch bis dahin verspieltes Vertrauen zurück zu gewinnen und die reaktionären Kräfte zu isolieren, wird auf Gewalt gesetzt. Dadurch weiterer Vertrauensverlust und  Isolierung der fortschrittlichen Kräfte, da nunmehr als "Panzerkommunisten" verschrien. Breschnew verkündet die Doktrin von der begrenzten Souveränität der mit der UdSSR verbündeter Staaten. Auf Initiative von Breschnew schließen UdSSR, USA und UK den Atomwaffensperrvertrag in der Absicht, ein atomares Direktorium über die Erde zu errichten.

1969/70: Breschnew provoziert militärische Zusammenstöße zwischen UdSSR und VR China entlang der Amur-Ussuri-Grenze.

1971: Breschnew widersetzt sich der Ersetzung Taiwans durch die VR China als ständiges Mitglied im Sicherheitsausschuss der UNO.

1972: Höhepunkt der sog. "Entspannungspolitik": UdSSR und USA unterzeichnen den ABM-Vertrag und versichern einander schriftlich, fortan "auf der Grundlage der Gleichberechtigung" die Weltpolitik in ihrem Sinne zu regeln.

1975: Höhepunkt der Kollaboration von UdSSR und USA in der Weltraumfahrt. In den folgenden Jahren profitiert auch die UdSSR von der Ausbeutung indischer und pakistanischer Billigarbeitskräfte bei der Verschrottung außer Dienst gestellter Schiffe. Auch dies öffnet vielen Menschen in der sog. "Dritten Welt" die Augen über den wahren Charakter der Nach-Stalin-UdSSR.

1985: Gorbatschow wird Generalsekretär der KPdSU und beginnt die letzte Phase der Konterrevolution.

1986: XXVII. Parteitag der KPdSU beschließt die sog. "Perestroika".

1987: Die Wirtschaftsbeschlüsse des Sommers bedeuten den Abschied von der Planwirtschaft zum Beginn des folgenden Jahres.

1988: Beginn der ernsten Wirtschaftskrise der UdSSR. Beginn der sog. "Aufarbeitung der Geschichte". Offen antikommunistische Behauptungen westlicher Autoren werden zu neuen Forschungsergebnissen der UdSSR-Wissenschaft erklärt.

1989: Jelzin wird neuer "starker Mann" in der Russischen SSR und kündigt an, UdSSR auflösen zu lassen. "Wende" in Osteuropa.

1990: Zerfall der UdSSR beschleunigt sich. Der XXVIII. Parteitag der KPdSU erklärt den Sozialismus für gescheitert. Gorbatschow bittet USA-Präsident Bush um Ausleihung des White-House-Beamten Sununu, um die Probleme der UdSSR lösen zu helfen. Jelzin nennt sich "Präsident Rußlands". Austritt der baltischen SSRen. "Pullover-Gespräche" von Gorbatschow und Kohl im Kaukasus. Gorbatschow erscheint als Mann, der seine letzten Habseligkeiten ins Pfandhaus bringt. Kohl erscheint als der zukünftige "Iron Chancelor of Europe", wie ihn  das US-amerikanische "TIME"-Magazin denn auch einmal nennen wird.

1991: Ende der UdSSR. Gorbatschow erklärt seine Lebensaufgabe für erfüllt, und hierin stimme ich ihm zu. Die kulakische Herkunft von Gorbatschow und Jelzin wird enthüllt.

Frage: wann wurde der Rubikon überschritten?

Abschließende Bemerkungen.

Dass die Linke im weitesten Sinne dieses Wortes 1989/90/91 so sehr besiegt wurde, ist rational zu erklären. Diese Erklärung umfasst notwendiger Weise das Verhältnis, das viele Linke zur Wirklichkeit haben und das nur dem Namen nach dialektisch und materialistisch ist.

Zu vieles wird aus der unter Linken verbreiteten Weltsicht ausgeklammert, und wer sich an die Erforschung des Ausgeblendeten macht, der wird diffamiert. Jedweder "index librorum prohibitorum" aber ist prinzipiell unvereinbar mit demokratisch-rechtsstaatlichen Verhältnissen, und über diese ist hinauszugehen, nicht aber hinter diese zurückzufallen, wie Marx und Engels nicht müde wurden zu betonen.

Wer Aufklärung verspricht und dann nur Bekanntes wiederkäut, und schlechter noch als anderswo üblich, der schadet der Sache, die er zu vertreten meint (oder auch nur zu vertreten vorgibt und glauben machen will). Da meine Kritiker zwar Motiv, nicht aber Mittel und Möglichkeiten haben, den mit ihren Worten verbundenen Gedanken in die Tat umzusetzen, den bösen Worten also noch bösere Taten folgen zu lassen, verstehe ich die Gehässigkeiten der drei abgedruckten Zuschriften.

Samy Yildirim, Zaandam, Niederlande


Aufruf

Solidarität mit dem irakischen Volk und seinem legitimen Widerstand!

Das irakische Volk ist tagtäglich das Opfer einer so genannten „Neuen Weltordnung“, die durch die wachsende Aggressivität des Imperialismus charakterisiert wird. Die Konkurrenz der imperialistischen Hauptmächte verschärft sich, sie ringen immer aggressiver um eine Neuaufteilung der Welt, ihrer Absatzmärkte und Rohstoffe, die reaktionäre Formierung bis hin zur Faschisierung ihrer Gesellschaften und staatlichen Strukturen schreitet dementsprechend voran und jeder Widerstand gegen diese so genannte „Neue Weltordnung“ soll mit allen Mitteln ausgetreten werden. Insbesondere in der rohstoffreichen Region des Nahen und Mittleren Ostens strebt der US-Imperialismus danach, seine absolute Dominanz gegen alle Konkurrenten zu erhalten und auszubauen. In diesem Sinne soll diese Region neu „geordnet“ werden. Für das irakische Volk bedeutet dies: brutalste Besatzung nach einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, Zerstörung des Landes und Ausplünderung seiner Ressourcen, Folter, Mord und Terror durch die Besatzer.

Hiergegen hat sich das irakische Volk seit der völkerrechtswidrigen Besatzung seines Landes von Beginn an erhoben. Sein Widerstand entwickelt sich dynamisch und auf allen Ebenen. Dies schließt den legitimen bewaffneten Widerstand ein, der u.a. auch durch Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen gedeckt wird.

Um den wachsenden Widerstand des irakischen Volkes zu brechen, setzen die von den USA geführten Besatzer immer brutalere Methoden ein: willkürliche Massenverhaftungen und Folter, die Einrichtung von Konzentrationslagern, eine Kriegführung gegen den Widerstand, die darauf abzielt, den Irak in Schutt und Asche zu bomben, der Einsatz international geächteter Massenvernichtungswaffen einschließlich von Giftgas wie in Falludscha oder die Ausschaltung von politischen Führern des irakischen Widerstandes wie durch die Verhaftung des Vorsitzenden der „Irakischen Patriotischen Allianz“, Abduljabbar al-Kubaysi, am 2. September 2004. Inzwischen schmachten Tausende politischer Gefangener in den Folterkammern der Besatzer.

Ein Element der Unterdrückung des wachsenden irakischen Volkswiderstandes ist auch eine gezielte Diffamierungskampagne, die darauf abzielt, diesen als „terroristisch“ oder „islamistisch“ abzustempeln und international zu isolieren. Diese Kampagnen, unterfüttert von Desinformationen der CIA, des israelischen MOSSAD und anderer westlicher Geheimdienste, werden nicht nur von Medien und politischen Kräften geführt, die die Besatzung des Irak offen unterstützen, sondern zum Teil auch „unter linker Flagge“ vorgetragen, um insbesondere jene Menschen negativ zu beeinflussen, die sich aufrichtig gegen die Besatzung des Irak und für eine Solidarität mit dem Widerstand des irakischen Volkes engagieren möchten.

Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die so genannte „Irakische Kommunistische Partei“ (wie auch ihre Vorfeldorganisationen), die einen Minister in der von den USA eingesetzten, von ihr komplett abhängigen und mit direkten CIA-Agenten durchsetzten so genannten „Übergangsregierung“ stellt und bisher alle Terrormaßnahmen der Besatzer und ihrer Marionetten gegen das irakische Volk mitgetragen hat.

Gerade nach dem Massaker von Falludscha erklären die Unterzeichner ihre Solidarität mit dem irakischen Volk und seinem legitimen Widerstand und fordern:

Bisherige Unterzeichner:

Günter Ackermann, Duisburg; Hanna Ackermann, Duismur; B. Albrecht, Leipzig; M. Albrecht, Leipzig; Tülin Arslan, Saarbrücken; Dr. Alexander Bahar, Heilbronn; M. Beckmann, Jena; Bärbel Bedenthal, Wandlitz; Horst Bedenthal, Wandlitz; Erika Beltz, Gießen; Michael Beltz, Gießen; Harry Below, Schwedt; Heinz Berg, Prenzlau; Hans-Ulrich Bierhahn, Winsen; Heinz Blöth, Jena; H. Böhme, Jena; John Böhme, Gera; Helmut Bohn, Jena; Gabriele Brandt, Grünow; Regina Brechein, Wandlitz; Erich Buchholz, Berlin; Sophia Deeg, München; Deutsches Solidaritätskomitee Freier Irak; DKP-Jena; Stefan Eilers, Raesfeld; Elli Elberg, Prenzlau; Hermann Elberg, Prenzlau; Gerhard Feldbauer, Poppenhausen; Hans Fischer, Berlin; Wiethold Fischer, Jena; Peter Franz, Weimar; Frank Flegel, Hannover; Dieter Frielinghaus, Brüssow; Gisela Frielinghaus, Brüssow; Günter Fuchs, Möttingen; Rolf Garten, Stolzenhagen; Ursula Garten, Stolzenhagen; Gerhard Gasenzer, Leipzig; Ina Gasenzer, Leipzig; Dirk Gilbers, Borken; Kurt Gossweiler, Berlin; Astrid Guericke, Prenzlau; Albrecht Haase, Wandlitz; Christen Haase, Wandlitz; H. Hässelbart, Leipzig; Dieter Hainke, Magdeburg; Heinz W. Hammer, Essen; Ewald Harmeling, Borken; Klaus Hartmann, Offenbach; Erich Hartwig, Schwedt; Anna C. Heinrich, Hannover; H. Herling, Altenburg; Wolfgang Herrmann, Grünow; Wolf-Jürgen Herzog, Frankfurt/M; Hans Dieter Hesse, Recklinghausen; Rosl Hesse, Recklinghausen; Ronny Hirsch, Hermsdorf; Adolf Hoffmann, Schwedt; Gerald Hoffmann, Berlin; Heiner Holl, Nördlingen; Ulrich Huar, Berlin; Thomas Huck, Jena; Bernd Kettendorf, Duisburg; Bernd Klagge, Bonn; Berhard Knüwer, Raesfeld; René Köhler, Jena; Rudi Körner, Leipzig; Bernhadt Köster, Prenzlau; Reinhard Kreusel, Prenzlau; Monika Krotter-Hartmann, Offenbach; Klaus Kuhmann, Borken; Günther Lange, Neuenhagen; H. Linke, Geußnitz; Brigitte Niebling, GroßDölln; Volker Lobing, Jena; Helmut Lucas, Bremen; Rainer Marchke, Gartz; Necati Mert, Saarbrücken; Horst Mette, Palingen; Annaliese Miksch, Berlin Wartenberg; Manfred Miksch, Berlin Wartenberg; Helga Möller, Jena; Klaus Möller, Jena; Elisabeth Monsig, Hohenfelde; Friedrich Morche, Vietmannsdorf; Regina Morche, Vietmannsdorf; Bernd Müller, Cottbus; Kai Müller, Jena; Ali Nadji; Willi Opitz, Potsdam; Michael Opperskalski, Köln; Organisation of Iranian Peoples Fedaii Guerillas; Constanze Parsiegel, Raesfeld; Herbert Polifka; Klaus von Raussendorff, Bonn; Revolutionäre Kommunistische Liga Thüringen; Margot Richter, Templin; Uwe Ridder, Raesfeld; Bernd Rohde, Prenzlau; Karl-Heinz Sabelleck, Essen; Prof.Dr. Ekkehard Sauermann, Halle; Rosmarie Scherb, Nähermemmingen; Karin Schmidt, Nördlingen; P. Schmidt, Nördlingen; Elisabeth Schneider, Frankfurt/M; Andrea Schön, Essen; Jérome Schretter; Bodo Schulz, Heidenau; Alfred Schupp, Kempten i.Br.; Gerda Schupp-Schied, Appetshofen; Hansjörg Schupp, Appetshofen; Werner Schuren, Winsen; Manfred Segeler, Gronau; Ursula Siegmayer, Pforzheim; Rolf Stoll, Eckolstädt; Arne Taube, Mahlow; Arnd Tertucha, Raesfeld; H. Torres, Jena; Dimitri Tsalos, Duisburg; André Vogt, Dresden; Andrea Vogt, Dresden; Boris Vojvodic, Reutlingen; Reinhard Voß, Raesfeld; Oliver Wagner, Trier; H. Wechsung, Kahla; H. Weber, Suhl; K. Werner, Leipzig; Petra Zill, Leipzig.Gisela Zillmann, Leipzig; Gunther Zillmann, Leipzig; Lydia Zimmermann, Augsburg.