Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 05/07

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)

Spendenempfehlung: 3,00 €


Ausgabe Mai / Juni 2007


Inhalt

Redaktionsnotiz

Die „offen-siv“ und die Ökonomie, das ist nicht immer ganz einfach. Uns erreichten unterschiedlichste Reaktionen auf die Veröffentlichung des Heftes von Herman Jacobs über die Wertform und ihre Negation. Während die einen das Heft als wissenschaftliche Leistung lobten, bekundeten andere ihr größtes Missfallen, da das Ganze sowieso unverständlich bleibe und niemandem nutze, und während es einerseits etwa 100 Nachbestellungen gab, hielten andererseits einige das Heft für das Machwerk eines „Idioten“, für pure Geldverschwendung bzw. für verknöcherte Theorie.

Das gibt zu denken.

Unser Herausgebergremium hatte vor etwa dreieinhalb Jahren angeregt, der Ökonomie in der Veröffentlichungspolitik der „offen-siv“ mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Dementsprechend haben wir erst in unregelmäßiger Folge, bald aber ziemlich regelmäßig Artikel zu ökonomischen Grundproblemen und zur politischen Ökonomie des Sozialismus veröffentlicht. Dass es dabei irgendwann auch um die ökonomische Entwicklung des Sozialismus in der UdSSR und in der DDR gehen würde, ließ sich vorhersehen. Aber selbstverständlich wird es damit auch schwieriger, denn man muss sich die Frage stellen, ob man einen kritischen Blick auf die Ökonomie der Sowjetunion in den Zeiten von Chruschtschow, Kossygin/Breschnew und Gorbatschow und ebenso auf die Ökonomie der DDR (Ulbricht/Honecker) werfen kann, ohne in den Verdacht zu geraten, nun dem Chor der konterrevolutionären Sozialismusfeinde zugeordnet zu werden. Das ist uns nicht immer gelungen, wie ein weiterer Leserbrief zeigt, der uns genau dies vorwirft, dass nämlich „`Offensiv´ die antikommunistische Front der DDR-Verleumder mit einer neuen Kampffront bereichert“ hat. Daher hier folgende Klarstellung: es geht uns nicht um eine Verleumdung des Sozialismus und es geht uns auch nicht um die Förderung der Konterrevolution, sondern - ganz im Gegenteil - um ihre künftige Verhinderung. Schließlich hat sie ja in Europa gesiegt. Das sollte ihr kein zweites Mal gelingen. Deshalb müssen wir aus unserer Niederlage lernen. Und deshalb stellt sich die Frage (die gestellt wird auf dem Boden grundsätzlicher und bedingungsloser Orientierung am kommunistischen Ziel, der Überwindung des Kapitalismus und des Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft), ob wir Fehler gemacht haben - und wenn ja, welche? 

Und weil das alles so ist, geben wir auch in diesem Heft keine Ruhe. Auch hier gibt es wieder eine nicht gerade kleine Rubrik: Politische Ökonomie des Sozialismus, und wir legen Euch dabei ganz besonders die Arbeit von Harpal Brar zur Wirtschaftsgeschichte der Sowjetunion ans Herz.

Ihr findet außerdem im Heft eine Menge Nachrichten und Berichte über Cuba, Lateinamerika, die Ukraine, über den 17. Juni und über Ernst Thälmann, über eine interessante Konferenz in Prag und eine etwas weniger interessante in Berlin, eine Kritik an Heinz Dieterichs „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ und einiges mehr.

Finanziell haben wir Positives zu vermelden: unser Freundeskreis hat in den ersten vier Monaten seiner Existenz 690,00 € aufgebracht. Das ist ein beachtlicher Anfangserfolg. Und das ist noch nicht alles: unser treuer Genosse und Leser Leo Kever aus Köln hat uns die unglaubliche Summe von 1.000,00 € überwiesen! Das entspannt die Lage und wir können z.B. ein solches Heft wie dieses mit Überlänge machen, ohne Gefahr zu laufen, im September dann gar kein Heft mehr machen zu können. Vielen Dank Leo! Vielen Dank all den anderen, die uns mit Spenden unterstützen. Aber nun keine Müdigkeit aufkommen lassen. Weiter geht’s, wir haben viel vor!

Und eine Bemerkung noch: lieber „Anonymus“, wer immer Du seiest, Deine Spende ist angekommen. Wir ziehen den Hut und sagen Danke!

Spendenkonto Offensiv:

Inland: Konto Frank Flegel, Kt.Nr.: 30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort: Offensiv

Ausland: Konto Frank Flegel,

Internat. Kontonummer(IBAN): DE 10 2505 0180 0021 8272 49,

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Redaktion Offensiv,
Hannover

Nachrichten und Berichte

FG BRD-Kuba, Gruppe Essen:
Presseerklärung - Über die Arroganz der Macht

Am 16. März 2007 sandte die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. (FG), Regionalgruppe Essen, einen ausführlichen Brief an die Bundeskanzlerin Merkel, den SPD-Parteivorsitzenden Beck, den SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Struck, den Bundesaußenminister Steinmeier, das Bundestagspräsidium sowie den Bundesältestenrat.(1)

Anlass war die offensichtliche Unterstützung der Bundesregierung für eine internationale anticubanische Hetzkonferenz Ende April in den Räumen der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin, gegen die die FG Essen Protest einlegte und die Adressaten um eine inhaltliche Stellungnahme bat. Obwohl die Angeschriebenen mehrmals (04.04.(2) und 16.04.07(3)) um Antwort gebeten wurden, hielt es niemand für nötig zu reagieren; ja es gab nicht einmal eine im Geschäftsverkehr übliche Posteingangsbestätigung.

In einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung zur o.g. Konferenz vom 04.04.07 (Drucksache 16/4986)(4) bezog sich die Linksfraktion in zwei Punkten ausdrücklich auf den Brief der FG Essen und fragte u.a. nach:

»8. Wie und mit welchem Inhalt beabsichtigt die Bundesregierung, auf einen offenen Brief der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba aus Essen an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und das Bundestagspräsidium bezüglich der Konferenz „Demokratie auf Kuba“ zu antworten?

9. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, daß die Konferenz „Democracy in Cuba“ „den Umsturz der Regierung eines Drittlandes, hier Cuba“ zum Ziel habe und dies „völkerrechtswidrigen Charakter“ habe?«

Die Bundesregierung hat nun diese parlamentarische Anfrage beantwortet(5). Zu Punkt 8 heißt es lapidar: »Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, auf offene Briefe zu antworten.«

Wie sich die Zeiten ändern! Im Januar 1991 hatte die FG Essen, Bezug nehmend auf die einseitige Aufkündigung der Entwicklungszusammenarbeit und der Milchpulverlieferung für Cubas Kinder durch die (neue) BRD einen ähnlich »hochkarätigen« Adressatenkreis angeschrieben. Damals haben sämtliche Bundestagsfraktionen in z.T. sehr ausführlichen Briefen geantwortet, wie in einer damals von uns erstellten Dokumentation nachzulesen ist. 16 Jahre später hat die Arroganz der Macht hierzulande unerträgliche Ausmaße erreicht. Die Regierenden verweigern den Regierten selbst einfachste Umgangsregeln.

Nun könnte man dieses Verhalten als typische Dialogunfähigkeit der bundesdeutschen Nomenklatura abtun wenn es nicht um Prinzipielles ginge.

* Denn mit derselben Arroganz der Macht wird den Ländern der 3. Welt eine gleichberechtigte Zusammenarbeit verweigert.

* Mit derselben Arroganz der Macht wird die permanente, völkerrechtswidrige Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder wie selbstverständlich praktiziert.

* Mit derselben Arroganz der Macht wollen diese Regierenden dem souveränen Cuba und anderen Ländern des Trikont ihre Vorstellungen von »Demokratie« vorschreiben.

Wir hingegen bestehen auf unseren Forderungen an diese Bundesregierung, nicht nur uns eine inhaltliche Stellungnahme zu senden, sondern vor allem nach sofortigem Schluss der Blockade gegen Cuba. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Funktion als derzeitige EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen, um eine Cuba-Politik der EU auf Basis des Völkerrechts zu entwickeln, wie sie in dem aktuellen Aufruf »Öffentliche Stellungnahme - Für eine neue und zukunftsfähige EU-Politik gegenüber Kuba«(6) formuliert wird: »Der destruktive „Gemeinsame Standpunkt der Europäischen Union betreffend Kuba“ aus dem Jahr 1996 muss aufgegeben und statt dessen eine faire und angemessene Basis für die Kuba-Politik der EU entwickelt werden«!

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V.,
Regionalgruppe Essen

i.A. Heinz-W. Hammer,
Vorsitzender, 27. 4. 07

1, 2, 3, 4, 5, 6 - Alle mit Fußnoten versehenen Dokumente sind ungekürzt unter www.cubafreundschaft.de ....Hintergründe veröffentlicht.  

Brigitte Queck:
Erlebnisbericht von der konterrevolutionären Kuba-Konferenz der Adenauer-Stiftung

Im Beisein vieler US-freundlicher ehemaliger Regierungsvertreter der Welt sowie kubanischer Oppositioneller fand vom 24. - 26. April 2007 eine Konferenz unter dem Motto : „Demokratie in Kuba - Suche nach gemeinsamen Initiativen“ statt. Diese Konferenz wurde vom Internationalen Komitee für Demokratie von Tschechien aus geleitet, wohl um der deutschen Regierung den Vorwurf einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zu ersparen.

In den Eingangsreferaten des CDU-Vertreters Vogel, Vaclav Havels u. a. strotzte es nur so von Aufrufen, Castro zu stürzen, da man ja in Kuba angeblich keine wirkliche „Demokratie“ und keine „Menschenrechte“ kenne. Die Bevölkerung dort müsse endlich von diesem „Diktator“ befreit werden und dazu müssten solche Organisationen wie die „Frauen in weiß“, die „PD 30“, die „christlichsozialen Gruppen“, die, wie man sagte, schon eine „gute Vorarbeit“ geleistet hätten, sowie die „Gruppe 90“ stärker aktiviert und finanziert werden.

Vogel gab freudestrahlend bekannt, dass man nach dem Sturz der Berliner Mauer endlich in ganz Deutschland Demokratie habe. Aus diesem Grunde könne heute jeder, egal ob rechts oder links eingestellt, seine Meinung sagen.

Ich wollte dies ausprobieren. Nachdem laut Plan um 11.00 Uhr eine Pause anberaumt war, vor der die Stellvertretende USBotschafterin noch eine Grußbotschaft der ehemaligen USAußenministerin Albright vorgelesen hatte, stand ich auf, drückte das vor mir stehende Platzmikrofon und wandte mich an den im Präsidium sitzenden Vaclav Havel:

„Herr Havel, können Sie mir, bevor Sie wieder abreisen, zwei Fragen beantworten?

Ich hatte kaum „Prostitution“ gesagt, als ein frenetischer Beifall aufbrandete eine wohl vorher abgesprochene Taktik im Falle unliebsamer Redner.

Das Mikrofon wurde mir von Herrn Vogel vom Präsidium aus abgestellt. Daraufhin eilten mehrere „Saalordner“ auf mich zu und riefen: „Verlassen Sie sofort den Saal!“

Da man ich saß in der Mitte nicht zu mir vordringen konnte, nutzte ich die Gelegenheit und rief nochmals in den Saal: „Frau Albright wurde kürzlich von einem Journalisten gefragt, ob die seitens der USA im Irak eingeführte `Demokratie´ über 1 Million toter Iraker, einschließlich 600 000 Kinder, wert gewesen sei. Sie hat diese Frage mit Ja beantwortet. Diese, Ihre Demokratie, die Sie in Kuba einführen wollen, ist keine Volksdemokratie, sondern eine Demokratie im Sinne des Kapitals!“

Zwei Exilkubaner, die sahen, wie Sicherheitsbeamte mich zum Ausgang geleiteten, riefen : „Bleiben Sie hier, wir haben in Deutschland doch eine Demokratie!!“

Brigitte Queck,Potsdam

Heinz W. Hammer:
José Martí - Denkmal eingeweiht

Feierliche Zeremonie in der Bonner cubanischen Botschaft

»Mein über alles geliebter Bruder! (…) Täglich bin ich der Gefahr ausgesetzt, mein Leben für mein Land hinzugeben und damit meine Pflicht zu erfüllen — denn so begreife ich sie, und ich habe den Mut, sie zu erfüllen —, durch die Unabhängigkeit Kubas rechtzeitig zu verhindern, daß sich die Vereinigten Staaten über die Antillen ausbreiten und mit der auf diese Weise ausgedehnten Macht in die Länder Unseres Amerika einfallen. Was ich bisher tat und noch tun werde, tat ich in diesem Sinne. (…) Dieselben zweitrangigen und öffentlichen Rücksichten jener Völker, die wie das Ihre und das meine leidenschaftlich daran interessiert sind, zu verhindern, daß durch die Annexion seitens der Imperialisten aus dem Norden und seitens der Spanier in Kuba jener Weg geöffnet wird, der versperrt werden muß und den wir jetzt mit unserem Blut versperren, den Weg der An­nexion der Völker Unseres Amerika durch den in Aufruhr versetzten und brutalen Norden, der uns verachtet; dieselben Rücksichten hatten ihnen die ostentative Billigung und ein­deutige Unterstützung dieses Opfergangs untersagt, den wir zu unserem unmittelbaren Wohl wie auch zu ihrem Wohl unter­nehmen. Ich habe in dem Ungeheuer gelebt und kenne seine Ein­geweide: meine Schleuder ist die Davids…« Dies schrieb José Martí am Abend des 18. Mai 1895 an seinen mexicanischen Freund Manuel Mercado. Der Brief blieb unvollendet. Der cubanisch Nationaldichter und held, Denker, militärische Stratege und Revolutionär fiel am Folgetag, als er an der Spitze einer berittenen Gruppe im Befreiungskrieg gegen die spanische Kolonialmacht in der Nähe der Ortschaft Dos Díos in der Provinz Oriente von drei Kugeln tödlich getroffen wurde.

Anläßlich seines 112. Todestages hatte die Außenstelle der Botschaft der Republik Cuba in Bonn am 19. Mai eingeladen zur feierlichen Einweihung eines José Martí-Denkmals auf dem Botschaftsgelände. Über 50 Gäste aus der Bundesrepublik, Cuba und anderen lateinamerikanischen Ländern nahmen an der eindrucksvollen Zeremonie, die nur durch gelegentlichen Sommerregen beeinträchtigt wurde, teil.

Zunächst wurde ein Brief des »Centro Estudios Martianos«, dem am 19.Mai 1997 auf Initiative des damaligen Kulturministers Armando Hart gegründeten »Zentrum für martianische Studien«, das sich der Erforschung und Verbreitung des Werkes José Martís widmet, verlesen. In dem Gruß aus Havanna  wurde neben der angemessenen Würdigung des cubanischen Nationalhelden allen Solidaritätsgruppen, die durch materielle und personelle Unterstützung an der Errichtung des Denkmals beteiligt waren, gedankt.

Dem folgte die Verlesung einer Grußadresse des Botschafters der Republik Cuba in Berlin, Gerardo Peñalver Portales, der versicherte, dass das gesamte Berliner Kollektiv in Gedanken bei dieser wichtigen Manifestation sei und grüßte alle Teilnehmer/innen u.a. mit José Martís Wort »Ehren ehrt«.

In seinem Beitrag »José Martí und die Cuba-Solidaritätsbewegung« schlug Heinz-W. Hammer (FG Essen), Bezug nehmend auf José Martís Postulat »Wenn Cuba sich rettet, rettet es Lateinamerika«, den Bogen von der Gleichwertigkeit der materiellen und politischen Solidarität über Cubas entscheidende Rolle bei der aktuellen progressiven Entwicklung Lateinamerikas zum anhaltenden, weltweiten Kampf um die Befreiung der »Miami 5« und bekräftigte dies mit hochaktuellen Zitaten aus dem Werk des cubanischen Nationaldichters. Von dessen bahnbrechenden Ideen und auch historischen Optimismus’ seit weiterhin zu lernen. Ein Lebensbekenntnis Martís ziere die Startseite der Essener FG-Homepage (www.cubafreundschaft.de): »Ich habe gelebt:/ Der Pflicht habe ich meine Waffen verschrieben / und nicht einmal verschwand /  die Sonne hinter den Bergen, / ohne meinen Kampf / und meinen Sieg zu sehen.«

In dem Grußwort des Bundesvorstandes der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. an die Veranstaltung betonte deren Vorsitzende Renate Fausten unter dem Thema »Wer sich mit Cuba erhebt, erhebt sich für alle Zeiten« die Universalität des Werkes Martís, das über Cuba und Lateinamerika hinaus reiche: »Patria es Humanidad Vaterland ist Humanität«. In diesem Sinne zeigte sie die Kontinuität zu Che Guevara auf, der gefordert hatte, dass jeder den Schmerz am eigenen Leib spüren müsse, den jemand irgendwo auf der Welt einem anderen zufüge. Als besondere Geste überreichte die Rednerin dem Leiter der Außenstelle einen Stein aus Dos Ríos, der uns als für die Geschichte Verantwortlichen mitgegeben worden sei, um damit José Martís Geist auch nach Deutschland zu bringen. Auch sie betonte die Notwendigkeit des anhaltenden Engagements für Befreiung der fünf Patrioten und legte namens der FG weiße Rosen am neuen Denkmal nieder, die an Martís Text »Guántanamera« erinnern sollen: »Cultivo la rosa blanca en junio como en enero Ich pflanze weiße Rosen im Juni wie im Januar«.

Abschließend ergriff der Leiter der Außenstelle der Botschaft der Republik Cubas, José Carlos Rodrígues Ruiz, das Wort und hob die Zukunftsfähigkeit des umfassenden Werkes José Martís hervor. Unter Verweis auf Martís letzte Schlacht am 19. Mai 1895 führte der Diplomat u.a. aus: »Das ist eines der wichtigsten Bilder, das wir in der Erinnerung halten. An diesem Tag hat José Martí, mit seinem gesamten Werk, endgültig den Weg zur Unvergänglichkeit eingeschlagen. Aus diesem Grund bedeutet José Martí ewiges Leben. Deswegen gedenken wir heute hier in Bonn, Deutschland, dieses Mannes, der nicht mehr ein ausschließliches Erbe der Cubaner ist, indem wir ihn mit dieser Gedenkstätte ehren.(…) Verpflichtung und Treue: Das ist ihre Bedeutung.« Er bedankte sich ausdrücklich nochmals beim Bonner Botschaftskollektiv und den Cuba-Solidaritätsgruppen im Rheinland für die Unterstützung sowie schließlich bei Bernd und Francisco für deren bauliche Realisierung des Denkmals. Der Redner belegte, Fidel Castros weltberühmte Rede »Die Geschichte wird mich freisprechen« von 1953 zitierend, das José Martí Urheber und Begründer für die cubanische Revolution, für ihre humanistische Entwicklung und aktuelle, internationalistische Politik gewesen sei und bleibe: »Diese Gedenkstätte soll eine ständige Einladung für Cubaner sein, die ihr Heimatland lieben. Sie wird von Pinien und Rosen bewacht, einmal weiß, einmal rot, wie die Reinheit und die Leidenschaft bei der Hingabe; es sind fünf Pflanzen wie die fünf Spitzen unserer Fahne. Auch zu fünft sind die jungen Cubaner, die wir nicht unerwähnt lassen dürfen, die in US-Strafanstalten einfach dafür büßen müssen, ihr Land vor der Aggressivität zu schützen, die aus dem US-Territorium ausgeübt wird. In diesem Land, zur Schande und Gefahr für die Welt, wird u.a. Luis Posada Carriles, der größte Terrorist des amerikanischen Kontinents, beschützt. Ich empfinde, dass Fernando, Ramón, Gerardo, René und Antonio uns am heutigen Tag begleiten. Ihnen gilt unser Beistand und unsere Verpflichtung für ihre Freilassung!«

Der Redner beendete seinen Beitrag mit einer Einladung an die in Frage kommenden Gäste zum II. Treffen der in Europa lebenden Cubanerinnen und Cubanern, das am 20. und 21. Oktober in Berlin stattfinden wird. Nähere Informationen zu diesem Treffen sowie zur Gedenkveranstaltung selbst gibt es auf der neuen, ebenfalls am 19. Mai eröffneten Homepage der Bonner Botschaft: http://emba.cubaminrex.cu/bonn (spanisch und deutsch).

Die Gedenkveranstaltung wurden künstlerisch umrahmt von dem in Köln lebenden argentinischen Künstler Daniel Rodriguez, der zum Schluss ein von ihm vertontes Gedicht Antonios (»Miami 5«) zur Gitarre vortrug und damit die Anwesenden tief bewegte.

Heinz-W. Hammer,
Essen

Irene Eckert:
Ecuador eine Reise ins jüngste Land des lateinamerikanischen Frühlings

„No queremos, y no nos da la gana, de ser un colonia Norte Americana y si queremos, y si nos da la gana de ser America Latina libre y soberana“.

Wir haben keine Lust darauf ein US-amerikanische Kolonie zu sein, wir wollen ein freies und souveränes Lateinamerika.

Dieser Slogan, eingefangen auf dem ersten internationalen Kongress gegen ausländische Militärstützpunkte in aller Welt in Quito und Manta/Ecuador vom 5.- 9. März, bringt die Haltung einer Bevölkerungsmehrheit zum Ausdruck, die dem Wirtschaftswissenschaftler Rafael Correa im November 2006 zum Wahlsieg verholfen hat. Mit ihrem Ja zum Referendum für eine verfassungsgebende Versammlung wurde seine Wahl erst kürzlich mit Nachdruck bestätigt. Das Referendum war Teil eines Programms, mit dem der „Linkspopulist“ (FAZ) das Präsidentenamt  am 15. Januar 2007 antrat. Seine Regierung (7 von 17 wichtigen Ämtern sind mit Frauen besetzt worden) will auch den Vertrag über die Nutzung des US-Luftwaffenstützpunktes in Manta 2009 nicht verlängern. Vor diesem wohlwollenden Hintergrund tagten Anfang März die Gegner einer imperialen Strategie, die weltweit ein dem Kriege geweihtes System von 1000 Militär-stützpunkten in über 130 Ländern aufrechterhält.

400 führende Aktivisten aus 40 Ländern wurden in der Andenstadt Quito (Teil des UNESCO-Weltkulturerbes) vom Bürgermeister Paco Moncayo herzlich empfangen. Rektor Manuel Corrales der katholischen Pontifikaluniversität, direkt gegenüber dem Gebäude der US-amerikanischen Botschaft, öffnete die Tore der Eliteuniversität für das Anliegen der Konferenzteilnehmer weit. Mit dem Hinweis darauf, dass es ohne Gerechtigkeit keinen Frieden geben könne, begrüßte er seine Gäste und forderte die Verschrottung aller Atomwaffen. Der von Correa entsandte Vertreter des Verteidigungsministeriums präzisierte:

Es ist dies kein Friede, wenn 40% des ecuadorianischen Volkes in Armut lebt. Wir brauchen einen weiten Begriff von Sicherheit, der den Abbau struktureller Ungleichheit anvisiert, der den Analphabetismus zu überwinden trachtet, der dem Wassermangel den Kampf ansagt und der für die gesamte Bevölkerung eine Gesundheitsversorgung bereitzustellen vermag.

Solche Töne klangen vor allem in europäischen Ohren fast visionär und sie verkörpern etwas von den Hoffnungen und Erwartungen, die viele von uns mit den Umwälzungsprozessen in Lateinamerika verbinden.

Junge, uniformierte Sicherheitsbeamtinnen wurden zum Schutz der Veranstaltung aufgeboten.

Frau Nieve Solorzano, die charmante Vertreterin der ecuadorianischen Menschenrechtsor-ganisation INREDH forderte im Namen des Respekts für nationale Würde und im Zeichen der Souveränität des Landes die Annulierung des 1999 unter erpresserischem Druck zustande gekommenen Vertrages über den Luftwaffenstützpunkt in Manta. Der Kampf gegen den Drogenhandel sei ein durchsichtiger Vorwand, ebenso wie die Antiterrorbekämpfung im Zeichen des „Planes Kolumbien“. Die ortsansässige Bevölkerung trage die empörenden Folgen, die in ähnlicher Weise aus allen Teilen der Welt bestätigt wurden, wo sich die Menschen gegen die fremden Militärbasen und ihre Belastungen zur Wehr setzen: Kinderprostitution, Ver-nichtung der Existenzgrundlage für Fischer, Enteignungen, zerstörte Boote, Slums, Umwelt-schäden. Frau Corazon Valdez aus den Philippinen erinnerte daran, dass das Netzwerk www.no-bases.net 2004 beim Weltsozialforum in Mumbai aus der Taufe gehoben wurde und bereits über 200 lokale Kampagnen einschließe.

Die Gäste von Nah und Fern wurden im Laufe des Seminars nicht nur in der Landeshauptstadt, der Stadt des ewigen Frühlings, herzlichst begrüßt, sondern sie zogen am 8. Marz in einer von Frauen organisierten Buskarawane von den Anden hinab 18 Stunden lang quer durchs Land in die Hafenstadt Manta, wo am 9. März die Tagung an der dortigen Universität ihre Fortsetzung fand, mit gut doppelt so vielen Teilnehmern. Örtliche Initiativen hatten in drei Städten einen Empfang organisiert.

Nach dem Finale, das der Protestmarsch zum Militärstützpunkt in Manta bildete, in US-offizieller Terminologie allerdings „nur“ eine FOL (Forward Operating Location) eine „vorne operierende Örtlichkeit“ zum Schutz der Einheimischen, die in unmittelbarer Nähe in Elendsquartieren hausen, reisten einige Kongressteilnehmer weiter durch das  Land.

In Puerto Lopez, einem Ferienort, trafen wir auf einzelne aus der großen US-amerikanischen Aktivistenschar. Da waren Menschenrechtler, die darüber reflektierten, wie der Widerstand gegen die „Schule der Amerikas“, einer Elite-Militärakademie für Führungspersonal nur aus Lateinamerika, gestärkt werden könne. Die „Akademie“ heißt in der Sprache der Opposition  www.soaw.org „School of the Assassins“, also „die Schule der Mörder“, den solche werden dort seit 1946 „für ihre schmutzige Arbeit in Lateinamerika“ mit US-Steuermitteln in spanischer  Sprache ausgebildet. Nach öffentlichen Protesten, so hörte man, wurde die Schule 2001 umgesiedelt nach Fort Benning, Georgia und umbenannt in „Western Hemisphere Institute for Security Cooperation“, das Unterrichtsprogramm ist dasselbe geblieben.

Nachgedacht wurde unter tropischer Sonne auch über die Verschleppung der Ureinwohner der Insel Diego Garcia, der Chagossians, die die Briten Ende der 60iger nach Mauretanien verbracht haben, um die Insel vertragsgerecht unbewohnt dem US-amerikanischen Staat als Militä-stützpunkt zu überlassen. Diego Garcia ist einer der vielen Orte, von denen aus die Bomberpiloten in den Irak  gestartet sind. In einem Land wie Ecuador, wo 40% Bevölkerung indigen sind und  nicht nur mit ihren Trachten und ihrem Kunstgewerbe das Leben bereichern, nimmt man am Schicksal der Indigenen in andern Erdteilen regen Anteil. Die stellvertretende Bürgermeisterin von Quito zeichnete deswegen die mauretanische Schriftstellerin Lindsey Collen als Ehrenbürgerin der Stadt aus, weil sie sich  ganz besonders für die Rechte der Inselbewohner von Diego Garcia im Indischen Ozean stark macht. Diese weise Frau sieht in der Bewegung gegen die Militärbasen übrigens einen zentralen Ansatzpunkt für die Überwindung der Strategie globaler Dominanz.

Einige Kongressteilnehmer reisten noch weiter gen Süden, nach Guayaquil, der reichen Metro-pole am Fluß des Guaya. Dort war etwas von den Kämpfen spürbar, die noch nicht zu Ende ausgefochten sind. Die Straßen dampften von Anhängern Correas, aber auch von denen seines Gegners, des Bürgermeisters der „wirtschaftlichen Lokomotive“ des Landes, der separatistische Neigungen pflegt. 50 reiche Familien bilden einen mächtigen Block gegen den populären Präsidenten, der im Geiste Simon Bolivars ein unabhängiges Lateinamerika unterstützt, zum Beispiel indem er die Schulden gegenüber dem IWF zurückbezahlt hat und die „Banco del Sur“ mit  auf den Weg bringen will.

Die kleinen Gewerbetreibenden und Bauern stöhnen aber auch und vor allem über den Freihandelsvertrag CAFTA (spanisch TCL). Dieser Vertrag wäre ihr völliger Ruin. Viele Menschen fürchten den TCL noch mehr wie die Base in Manta und von der Regierung Correa erwarten sie auch hier Unterstützung für ihren Widerstand.

Vom Schuhputzer in Guayaquil über die Zeitungsverkäuferin in Cuenca bis zu den Studenten der Eliteuniversität in Quito gilt Rafael Correa als der Hoffnungsträger: Er ist jung, versteht etwas von Wirtschaft, ist weltbewandt und spricht neben Englisch und Französisch auch noch die Sprache vieler Indigenas, Quechua.

Mit Ecuador tritt derzeit ein weiteres Land dem Hegemon auf die Füße, aber ohne strukturelle Veränderungen auch in der westlichen Hemisphäre, so hörte man während der Kongresstage häufig, wird es kaum möglich sein, das neoliberale Diktat zu brechen. Der lokale, regionale und nationale Aufstand gegen die Militärbasen und ihre Zumutungen für die ortsansässige Bevöl-kerung könnte der Beginn einer Gegenbewegung sein, wie sie man in Deutschland etwa an Ostern wieder in der Freien Heide in Fretzdorf spüren konnten.

Literaturhinweise :

Irene Eckert,
Berlin

Daniel Weigelt:
Ein Iraker berichtet vom Widerstand in seinem Land

Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, mich mit einem Iraker zu unterhalten. Der junge Mann, ich nenne ihn hier Talib, studiert in Deutschland und fährt jedes Jahr in seine Heimat. Im Folgenden einige Aussagen von ihm über die Geschichte und die derzeitige Lage im Irak. Ich gebe nur seine Worte wieder, eigene Kommentare bringe ich in den Fußnoten.

Gehirnwäsche in Europa

Die Menschen in Europa unterliegen, was Informationen aus dem Irak betrifft, einer regelrechten Gehirnwäsche. Talib hatte hier öfters die Gelegenheit zu schauen, was z.B. im Fernsehen läuft. Das entspricht in den wenigsten Fällen der Wahrheit. So lobte ein Gast bei Sabine Christiansen die Besatzung. Ruft man dagegen bei Christiansen an und die Redaktion bemerkt, man ist ein Gegner der Besatzung, so wird das Gespräch recht schnell abgewürgt. Gegner der Besatzung sind für die Medien einfach nicht von Interesse. Diese Erfahrung hat Talib selber gemacht.

Selbst im Wetterbericht wird gelogen. So konnte man im August auf CNN sehen, das in Bagdad Temperaturen von 30-35°Celsius angesagt sind, dabei weiß jeder Iraker, dass im Sommer die Temperaturen in Bagdad auf über 50° Celsius steigen. Das dient wohl vor allem dazu, dass sich die Angehörigen der Soldaten nicht so viele Sorgen machen.

Genauso oft hört man auch von der tief verwurzelten Feindschaft zwischen Sunniten und Schiiten. Talib erklärte dazu, die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen fasse ein Iraker schon als Beleidigung auf. Alle sähen sich als Iraker, sogar die Kurden. Heute ist es das Ziel der US-Amerikaner, das Land zu spalten. Doch das ist nicht möglich, denn in vielen Familien ist der Vater beispielsweise ein Schiit und die Mutter eine Sunnitin.

Die Gründe für die Besatzung

Als Begründung für den Krieg gegen den Irak wurde immer wieder angegeben, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen und habe Verbindungen zu al-Qaida.

Die ganze Welt wusste, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen besaß. Die Inspektoren haben alles durchsucht, sogar die Präsidentenpaläste, sie haben nichts gefunden. Der Grund war ganz einfach, es gab keine Massenvernichtungswaffen.[1]

Auch die angeblichen Verbindungen zu al-Qaida waren eine Lüge. Der Irak und sein Präsident Saddam Hussein hatten eine völlig andere Ideologie als al-Qaida, diese Terror-Organisation bekam keinen Fuß in den Irak.

Die Amerikaner sagen, mit Saddam Hussein sei ein großer Tyrann weg, doch für die Iraker war Saddam ein großer Präsident, der viel für das Land getan hat.

Die Gründe für die Besatzung waren ganz andere. Öl, Öl und noch mehr Öl. Doch dafür ist ein kleiner Ausflug in die Geschichte des Irak nötig.

Aus der Geschichte des Irak

Der Krieg gegen den Irak hat inoffiziell 1972 begonnen, so Talib. Nämlich als britische, französische und US-amerikanischer Konzerne enteignet wurden und die irakische Ölgesellschaft Staatseigentum wurde. 1979 wurde Saddam Hussein regulär Präsident des Irak. In der folgenden Zeit begann ein großer Aufschwung im Land. Es wurde eine Alphabe-tisierungsrate von fast 100% erreicht. Motto war damals: Jeder Bauer soll lesen und schreiben können, damit er weiß, was er unterschreibt, wenn er Geschäfte macht. So gab es spezielle Schulen für alte Menschen und Bauern.[2] Der Irak hatte eines der besten Gesundheitssystem im Vorderen Orient.[3] Allgemein machte das Land, nicht zuletzt durch seine großen Ölreserven, eine gute Entwicklung durch.

Kriege gegen den Iran und Kuweit.

1979 fiel dann der Iran in den Irak ein. Langsam aber sicher rückte er Kilometer für Kilometer vor. Der Irak schrieb mehrere Briefe an die UNO, doch ergebnislos. Als die iranische Luftwaffe schließlich eine Universität in Bagdad bombardierte, rief Saddam Hussein 1980 zum Vertei-digungskrieg auf. Mehrere Waffenstillstandsangebote wurden jedoch vom Iran ignoriert. Auch UNO-Resolutionen interessierten den Iran nicht. Am Ende war der Irak der Sieger des Krieges. Hatte er anfangs nur eine kleine Armee, so verfügte er 1988, am Ende des Iran-Irak-Krieges, über die viertgrößte Armee der Welt.

1987/88 lag der Ölpreis bei über 20 Dollar je Barrel. Es gab mit der OPEC vereinbarte Förderquoten, diese wurden jedoch vom Kuwait kontinuierlich ignoriert. So sank der Ölpreis in den folgenden Jahren auf fast 10 Dollar je Barrel. Obwohl 2 Jahre darüber mit Kuwait diskutiert wurde, ignorierte das Land die vereinbarten Quoten. Deshalb marschierten 1990 irakische Truppen in das Land ein. Das führte 1991 zum bekannten 2. Golfkrieg.[4]  Der Krieg endete damit, dass die US-Amerikaner ein regelrechtes Massaker an den sich zurückziehenden irakischen Soldaten verübte. Nach dem Krieg wurde der Irak mit Sanktionen belegt, die international wohl einmalig waren und das Land in eine tiefe Armut stürzte.[5]

Der Krieg des neuen Jahrtausends

Nachdem bis 2003 immer noch keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden wurden, begann der neuerliche offene Krieg gegen den Irak unter Führung der USA.[6] Zwar gelang es den US-Amerikanern, den Präsidenten des Iraks, Saddam Hussein, zu stürzen und 2006 auch zu ermorden, doch stürzte die Besatzung das Land in ein nie dagewesenes Chaos. Nach Aussagen von Talib starben alleine auf US-Seite dabei bisher 38.000 (achtunddreißigtausend!) Soldaten. Offiziell wird dabei zwar eine fast um den Faktor 10 geringere Zahl angegeben, aber, so Talib, auch im Vietnam-Krieg wurden die Opferzahlen lange weit nach unten „geschönt“, bis letztlich doch die ganze Wahrheit ans Licht kam. Heute stehen die US-Amerikaner vor einem Chaos, dessen sie nicht mehr Herr werden können.

Behandlungen von Gefangenen durch die USA

Talib war 8 Monate im Irak Gefangener der US-Truppen. Dabei wurde er auch gefoltert und schwer misshandelt. Er hat auf einem Ohr das Gehör verloren. Das fiel den US-Amerikanern erst auf, als er bei einem Verhör wegen des fehlenden Gleichgewichtssinn immer wieder auf eine Seite fiel. Man hat ihn schließlich nur unter der Bedingung frei gelassen, dass er unterschreibt, er wäre nur 14 Tage in Gefangenschaft gewesen. Dieses Angebot musste er letztendlich annehmen, doch eine Entschädigung wird er wohl niemals bekommen.

Gefangene der US-Amerikaner haben keine Namen sondern Zahlen auf einem Plastikband um den Arm.[7] Diese werden auf Englisch angesagt, wenn sie jemand nicht versteht, dann muss sich ein anderer melden, sonst werden wieder alle Gefangenen gefoltert.

Abzug der USA

Talib sagt, er habe selber gesehen, dass die US-Amerikaner großes Kriegsgerät aus dem Irak fortgeschafft haben. Dies sähe ganz nach einer Vorbereitung der Flucht aus. Er denkt, 2007 wird das Jahr des Rückzuges der USA aus dem Irak sein. Am Ende wird es ihnen wie den US-Amerikanern 1975 in Vietnam gehen. Dafür ist der Widerstand im Irak gegen die Besatzung einfach zu groß und nicht zu brechen.

Der irakische Widerstand

Das Wichtigste ist wohl: Das irakische Volk akzeptiert keine Besatzer.

Im Gegensatz zu Vietnam hat der Irak zwar keine internationalen Verbündeten[8], doch der irakische Widerstand verfügt heute über ein Arsenal konventioneller Waffen, das es ihm ermöglicht, noch 50 Jahre den Kampf gegen die Besatzer führen zu können. Dieser Widerstand ist sehr gut organisiert. Es war bereits vor 2003 klar, dass es einen Krieg gegen den Irak geben wird. Der Irak machte damals niemals Angaben an die Inspektoren über konventionelle Waffen. Heute ist zum Beispiel eine Panzerfaust so von irakischen Technikern umgerüstet, dass sie auch gegen Hubschrauber eingesetzt werden kann.

Der Widerstand wird von der Baath-Partei finanziert. Sie gibt Informationen, Geld und Waffen an alle andere Gruppen, die den Irak befreien wollen. Selbst wenn diese Gruppen der Baath-Partei gegenüber nicht freundlich gesonnen sind. Es gibt keine Feindschaft unter den Irakern, das Ziel, die Befreiung des Iraks, ist das alleinige und wichtigste Ziel für alle. Flugblätter, die die Bevölkerung über Widerstandsaktionen aufklären, werden alle im Namen der Baath-Partei herausgegeben.

Allerdings hat die al-Qaida-Ideologie nach wie vor keine Chance im Irak. Auch die Gruppe, die die zwei Deutschen entführt hat, ist bisher unter den irakischen Widerstandsgruppen nicht bekannt.

Zwar organisiert der vom Iran gesteuerte Al Sadr Demonstrationen mit hunderttausenden Menschen gegen die Besatzung durch die US-Amerikaner, doch von Politik hat Al Sadr keine Ahnung. Die Hunderttausende sollen lieber kämpfen statt demonstrieren, so Talib.

Selbstmordattentäter

Er bezeugte, er habe selber ein Auto gesehen, welches leer war. Kurz darauf ist das Auto explodiert. Diese Selbstmordattentate gegen die eigene Bevölkerung werden hauptsächlich von westlichen Geheimdiensten organisiert.[9] Die Taktik dabei ist, immer wieder Öl in das Feuer zu gießen, um die verschiedenen irakischen Volksgruppen gegeneinander aufzuhetzen. Dies wird jedoch nicht gelingen, das irakische Volk lässt sich nicht provozieren, es erkennt seinen Gegner.

Nach der Befreiung

Die Baath-Partei sagt heute, wer für die Befreiung des Iraks kämpft, wird später den Irak auch regieren. Dabei sieht sich die Baath-Partei nur als ein Teil der künftigen Regierung. Die heutigen Regierungsparteien werden, als Kollaborateure der US-Amerikaner, sicherlich nicht dazugehören. Das gilt auch für die Kommunisten, die im Parlament sitzen.

Die Kommunistische Partei des Irak

Die Kommunistische Partei war vor 2003 eine einheitliche Partei im Irak. Sie hatte, so erzählte Talib, 23 Sitze im Parlament, das entsprach 1/6 aller Sitze. Zwar putschte die Baath-Partei 1969 gegen die Kommunisten, denn diese verschenkten den Irak an die Sowjetunion. Die Kommunisten sagten damals: „Wir sind Teil der SU“.

Heute haben die Besatzer die Partei gespalten. 3 Teile sind im Irak im Parlament vertreten. Es ist für Talib und für viele andere Menschen unerklärlich, wie eine sich kommunistisch nennende Partei mit den US-Imperialisten zusammenarbeiten kann, die das Land besetzen. Doch diese Kommunisten werden von den US-Amerikanern bezahlt.

Ein irakische kommunistische Partei operiert vom Exil in Norwegen heraus gegen die US-amerikanische Besatzung.

Daniel Weigelt,
Dresden,
1@woschod.de

Brigitte Queck, Hans-J. Falkenhagen:
Die Ukraine Kettenglied der „bunten Revolutionen“ einer erträumten US-Weltherrschaft

Dass der Ukraine im Rahmen der sogenannten „bunten Revolutionen“ eine wichtige Rolle bei der Beschneidung der Macht Russlands in diesem Raum und der ganzen Welt zukommt, hat schon der frühere US- Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski erkannt, indem er in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“ schreibt: Die Ukraine ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt ....Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasischer Staat mehr.“ ( vgl. ebenda S. 74 ).

In diesem globalem Zusammenhang müssen wir die Ereignisse in der Ukraine im Jahre 2004, unter dem Namen „orange Revolution“ bekannt geworden, sowie den derzeitigen Machtkampf zwischen dem Noch-Präsidenten Juschtschenko sowie dem Ministerpräsidenten Janukowitsch, der, wie die Wahlen vom März 2006 und derzeitige Umfragewerte ergaben, von der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung unterstützt wird, betrachten.

Beim Staatsbesuch von Präsident Juschtschenko in den USA im April 2005 gab es Gespräche über die Einbeziehung der Ukraine nicht nur in die NATO, sondern auch in ein Raketen-abwehrsystem der USA, d. h. eine Vorverlegung dieses Systems direkt an die Grenzen Russ-lands. Das bedeutet eine erhebliche Einschränkung, wenn nicht Paralysierung der russischen Möglichkeiten, auf eine Bedrohung durch US-Atomwaffen zu reagieren.(s. u.a. „Junge Welt“ vom 23. November 2006, Seite 11). Um die Ukraine in die Hand zu bekommen, wurden von den USA und anderen westlichen Staaten sowie durch sogenannte Nichtregierungsorganisationen u.a. des Multimilliardärs Soros schon Milliardenbeträge an die Juschtschenko-Anhänger über-geben.

Wie eindeutig beschrieb Soros doch in seinem Buch: „Die Vorherrschaft der USA eine Seifenblase“ die Rolle seiner Stiftungen auch beim Sturz des sozialistischen Weltsystems: „Meine Stiftungen trugen zu den Regimewechseln in der Slowakai (1998), Kroatien ( 1999) und Jugoslawien (2000) bei und mobilisierten die Zivilgesellschaft, um Wladimir Meciar, Franco Tudjman und Slobodan Milosevic aus ihren Ämtern zu vertreiben. Dies sind nur einige der wichtigsten Erfolge. Die Aufgabe meiner Stiftungen bestand darin, den Übergang von geschlossenen zu offenen Gesellschaften zu begleiten und zu fördern.“ ( vgl. ebenda, S. 135 ).

Die frühere Außenministerin und Vorsitzende des National Democratic Institute, Madeleine Albright, hat auf einer Veranstaltung der  Soros Foundation in Kiew am 17. Februar 2002 die in der Ukraine tätigen 280 NGOs aufgefordert, gegen die herrschende Regierung Front zu machen, weil diese zu sehr mit Russland zusammenarbeitet und auch die Privatisierung nicht hinreichend zugunsten westlicher Investoren betreiben würde. Deswegen sei „Demokratisierungshilfe“ vonnöten, um die Entwicklung der Ukraine von der geschlossenen zur offenen Gesellschaft voranzutreiben. Und so flossen Unsummen von Geldern in die sog. „orange Revolution“, die Ende 2004 die Marionette der USA, Juschtschenko, an die Macht brachte. Allein von Seiten der Regierung der USA flossen bis 2005  3,3 Mrd. US $. Rund zwei Drittel davon wurden über die US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAID) vermittelt (s. Demokratieexport nach Osteuropa: US-Strategien in der Ukraine, in: „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Nr. 12/2005).

Nach dem Juli 2006 wurden erneut hohe Dollarbeträge bereitgestellt, diesmal mit dem Ziel, den im August 2006 vom Parlament gewählten neuen Ministerpräsidenten Janukowitsch zu stürzen. Beträge von weiteren Hunderten von Millionen US-Dollar- und Eurobeträge wurden auch von den EU-Staaten für die sog. Ukrainehilfe zur Verfügung gestellt, die bis 2004 und wieder ab Anfang August 2006 für die Unterstützung der sog. Oppositionskräfte, im Klartext für subversive Arbeit dienen. In diesem Zusammenhang wurden auch für die Einflussnahme über die Medien bedeutende Finanzmittel gewährt.

Wie kam es dazu, dass der anfangs  im Rahmen der „orange Revolution“ umjubelte Juscht-schenko nun nicht mehr den Rückhalt in der ukrainischen Bevölkerung besitzt ?

Ein wesentlicher Grund dafür war nicht nur die prowestliche Haltung von Präsident Juschtschenko, der kompromisslos den Beitritt seines Landes in die NATO befürwortet, sondern auch der nicht von der Hand zu weisende wirtschaftliche Aufschwung in den 9 Monaten der Amtszeit  der Parlamentsregierung unter Janukowitsch.

So wuchsen das Bruttoinlandprodukt und die Industrieproduktion ab August 2006 bis März 2007 auf das Jahresmittel bezogen um 18 % .Das fand auch seinen Niederschlag in um 25 % gestiegenen Arbeitslöhnen und Renten. Auch die Inflationsrate ging in beträchtlichem Maße zurück.

Da aber die NATO Länder schon Milliardenbeträge zum Sturz der pro-russischen ukrainischen Regierung unter Janukowitsch ausgegeben haben, versuchen sie nun 3 Jahre nach der gescheiterten „orange Revolution“ in der Ukraine zum erneuten Angriff überzugehen. Nach der Rückkehr Juschtschenkos aus den USA verkündete dieser am 2. April 2007 ein Dekret (Ukas) zur Auflösung  des Parlaments und beraumte für den 27. Mai diesen Jahres völlig  gesetzwidrig Parlamentsneuwahlen an.

Das am 2. April 2007 von Juschtschenko erlassene Dekret ist dem Wesen nach ein Staatsstreich, zielt auf die Liquidierung der parlamentarischen Demokratie und ist letztlich ein Umsturz-versuch zur Änderung der Machtverhältnisse auf ukrainischem Boden zugunsten der USA und der anderen NATO Länder, zuungunsten Russlands sowie zur Einschränkung der Souveränität der Ukraine. 

Das aber ist nicht nur das Werk eines in Panik geratenen ukrainischen Präsidenten, der seine persönliche Machtbasis schwinden sieht. Das Ganze ist mit Sicherheit wie schon im Jahre 2004 mit gewissen NATO-Politikern abgestimmt. Es lag dabei von vornherein in der Absicht Juschtschenkos, die Wahlen  zu manipulieren und somit auch keine fairen Wahlen zuzulassen, weil seine Fraktion haushoch verlieren würde (nach derzeitigen Umfragewerten würde nämlich die JuschtschenkoFraktion weniger als 10 % der Wählerstimmen erhalten!). Deswegen will Juschtschenko Neuwahlen zu seiner beabsichtigten Präsidentendiktatur nicht unter parla-mentarischer Kontrolle durchführen, wie dies bei normalen Parlamentswahlen üblich ist, bei denen die Auflösung des alten Parlaments erst nach dem Tag der Neuwahlen erfolgen würde.

Wahlen unter Ausnahmebedingungen ohne parlamentarische Kontrolle aber kämen einer Art Ermächtigungsgesetz wie 1933 unter Hitler gleich.

Um diesem Ziel näher zu kommen, erließ Juschtschenko folgende verfassungswidrige Maßnahmen :

- den von ihm ernannten Verteidigungsminister Anatolij Grytsenko ließ er erklären, er werde Juschtschenko, der noch immer als Oberbefehlshaber des Landes fungiert, folgen und wenn nötig, auch mit bewaffneter Macht eingreifen;

- das Amt des Sicherheitsdienstchefs, das z. Z. vakant ist und gegenwärtig von einem vom Präsidenten provisorisch eingesetzten Sicherheitschef verwaltet wird, nutzte Juschtschenko zu seinen Zwecken aus, indem er ihn veranlasste, illegal Telefongespräche von Parlamentariern, Richtern des Verfassungsgerichtes, der allgemeinen Gerichte, der Zentralen Wahlkommission usw. abzuhören und gegen diese auch Personenüberwachungen durchzuführen;

- da er mit seinem angekündigten Dekret zur Parlamentsauflösung nicht nur im Parlament, sondern auch in den höheren Armeekreisen sowie der Bevölkerung auf Widerstand gestoßen war, ließ Juschtschenko verkünden, dass er einer Fortsetzung der Parlamentsarbeit und auch der Verabschiedung verschiedener Gesetze zustimme, sich aber gegen die nunmehr vom Parlament ins Auge gefassten sowohl Parlaments-, als auch Präsidentenneuwahlen, die nunmehr bis spätestens zum 9. Dezember 2007 stattfinden sollen, wende;

- am 2. und am 10. Mai mischte er sich in ungesetzlicher Weise in die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtes ein, indem er drei Verfassungsrichter eigenmächtig entließ, darunter die Verfassungsrichterin Sjusanna Stanik, Stellvertretende Vorsitzende des Verfassungsgerichtes, die noch unter Kutschma für eine 9-jährige Amtszeit berufen worden war, sowie den Verfassungsrichter Walerij Pschenitschnij;

- er entließ ferner und ebenso gesetzwidrig die Mitglieder des Rates für Nationale Sicherheit, O.  Medwedko und W. Onopenko; er berief den durch ihn ernannten Generalstaatsanwalt S. Piskun zum Mitglied seines Nationalen Rates für Sicherheit und Verteidigung; er entließ verfassungs-widrig den Sekretär des Nationalen Rates für Sicherheit und Verteidigung, Witali Gajduk und setzte an seine Stelle Iwan Pljuschtsch; er berief per Dekret eigenmächtig auch den Leiter des Sicherheitsdienstes des Gebietes von Odessa, W. Turiz, ab.

Sowohl Juschtschenko als auch Janukowitsch waren vor kurzem in Brüssel. Beide erklärten überraschend, dass sie gegen einen NATO Beitritt ihres Landes nichts einzuwenden hätten.

Das wiederum veranlasste einige Medienvertreter zu der Schlussfolgerung, Juschtschenko und Janukowitsch würden 2 Seiten der gleichen Medaille repräsentieren.

Aber der „kleine Unterschied“ zwischen beiden ist der, dass Juschtschenko seit seinem Amtsantritt als Präsident nicht müde wird, für einen schnellen NATOBeitritt seines Landes einzutreten, während Janukowitsch dies stets von einer Volksabstimmung abhängig gemacht hat. Und wegen diesen „kleinen Unterschieds“ darf man gespannt sein, ob man am Volk vorbei, quasi über eine Präsidentendiktatur durch Juschtschenko, die Ukraine in ein NATOProtektorat verwandelt, oder ob das ukrainische Volk frei entscheiden kann, ob es diesen Weg gehen will.

Auch wurde fälschlicherweise das Treffen zwischen Juschtschenko und Janukowitsch am 4. Mai als Kompromiss zwischen beiden eingeschätzt.

Doch wie sah dieser angebliche „Kompromiss“ aus? Nachdem der ukrainische Präsident erst per Dekret bis zum 26. Mai, dann bis zum 24. Juni Parlamentsneuwahlen mit der Forderung nach einer Auflösung des derzeitigen Parlaments angeordnet hatte, wurde das von Janukowitsch und dem Parlament abgelehnt. Im Interesse der Stabilität der Ukraine erklärten sich Ministerpräsident Janukowitsch sowie das Parlament schließlich bereit, Parlamentsneuwahlen zuzustimmen, diese aber mit Präsidentenneuwahlen zu verknüpfen. Präsidentenneuwahlen wurden und werden von Juschtschenko nach wie vor abgelehnt, während das Parlament für beides Parlaments- und Präsidentenneuwahlen bis spätestens am 9. Dezember plädiert. Inzwischen aber hat Juschtschenko nunmehr den 3. Verfassungsrichter entlassen und damit die Arbeit des Verfassungsgerichtes bezüglich der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit seiner Präsidentendekrete weiterhin blockiert. So kommentierte der ukrainische Parlamentsvorsitzende Olexander Moros diesen von vielen Zeitungen angeblich erzielten Kompromiss zwischen dem ukrainischen Präsidenten und dem Parlament wie folgt:

„Die Worte des Präsidenten über einen Kompromiss sind ein Bluff“. O. Moros sowie die Mehrheit des ukrainischen Parlaments kritisierten in scharfen Worten das insgesamt gesetz-widrige Vorgehen Juschtschenkos und erklärten, dass sie ab sofort formelle und informelle Gespräche mit dem Präsidenten solange ruhen lassen wollen, bis der Status quo wieder-hergestellt ist, d.h. bis dieser alle verfasssungswidrigen Dekrete bezüglich der Vertreter der Rechtssprechung, aufhebt. Denn ein Eingriff in ein schwebendes Verfahren des Verfassungs-gerichtes, das zudem in seiner Arbeit durch den Präsidenten ständig behindert wird, würde überall auf der Welt als ein Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz bewertet werden (vgl. rada.kiev.ua vom 11. und 12. Mai 2007) .

Dr. Hans-J. Falkenhagen, Berlin,
Brigitte Queck Potsdam,
5. Mai 2007

Daniel Weigelt:
Jugendkongreß „Notstand der Republik“

Am 2. Mai-Wochenende fand in Berlin ein Jugendkongreß mit dem Thema „Notstand der Republik“ statt. Es nahmen Jugendliche aus verschiedenen Organisationen teil: Arbeiterbund, Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder, FDJ, IGM-Jugend, Jugendensemble „Die Tage der Commune“ (Brecht/Eisler), KPD(B), PDS, SJD Die Falken, Ver.di Jugend, Young Socialist Gotha. Organisiert wurde diese Veranstaltung maßgeblich durch den Arbeiterbund zum Wiederaufbau der KPD.

Thema waren die aktuellen Repessionsmaßnahmen von staatlicher Seite gegen fortschrittliche Kräfte unter dem Deckmantel der konstruierten Terrorgefahr. Themen, die nicht nur politisch links denkende Menschen angehen, sondern jeden Bürger in Deutschland betreffen.

Samstags hielten mehrere Jugendliche Vorträge, die sich mit dem Staatsumbau, der Bundeswehr im Inneren, dem so genannten „Heimatschutz“, den Abhörmaßnahmen und weiteren Themen beschäftigten. Anschließend wurden diese Vorträge lebhaft diskutiert.

Am Abend gab es ein Kulturprogramm mit verschiedenen Agitprop-Gruppen, dabei wurde die öffentliche Vorstellung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin nicht genehmigt.

Sonntag Vormittag, am zweiten Tag des Kongresses, sprach man dann über Möglichkeiten des Widerstandes, wobei die einzelnen Organisationen auch eigene Projekte vorstellten. Es wurden weitergehende Maßnahmen beschlossen, wie beispielsweise ein gemeinsam durchzuführender Aktionstag sowie Informationsveranstaltungen und Proteste in den einzelnen Regionen. Abschließend wurde eine Erklärung des Kongreß verabschiedet.

Erklärung der Teilnehmer des Jugendkongresses - Notstand der Republik:

Wir verurteilen die Maßnahmen der Regierenden, welche die Demokratie in diesem Land gefährden. Dazu zählen wir insbesondere:

Die verfassungswidrige Zentralisierung von Polizeien und Geheimdiensten, wie z.B. im Gemeinsamen Terrorismus Abwehrzentrum.

Den Einsatz der Bundeswehr im Inland sowie die Militarisierung der Gesellschaft, speziell durch die flächendeckende Einführung des Heimatschutzes, durch den die Reservisten der Bundeswehr in sogenannten Verbindungskommandos organisiert werden und zahlreiche zivile Verbände und Hilfsorganisationen unter das Kommando der Bundeswehr gestellt werden.

Und nicht zuletzt die Entrechtung großer Teile der Bevölkerung durch die Hartz-Gesetze.

Wir verurteilen sie, weil durch sie nicht nur der Krieg gegen das eigene, sondern vor allem auch der Krieg gegen andere Völker vorbereitet wird. Das ist die Zukunft, welche die Herrschenden für uns vorbereiten. Wir aber werden nicht Mörder an unseresgleichen. Wir werden weder gegen unser Volk, noch gegen andere Völker in den Krieg ziehen.

Im Kampf für unsere Zukunft brauchen wir jedes bisschen Demokratie. Aus diesen Gründen erklären wir, dass wir gegen den Umbau des Staates kämpfen werden.

Wissend, dass dieser Schuh noch ein wenig zu groß für uns ist, treten wir damit in die Fußstapfen der Bewegung, die in den 60er Jahren gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze gekämpft hat unter der Losung „Notstand der Demokratie“ und kämpfen heute gegen den „Notstand der Republik“, so wie auch damals der Kampf von der Jugend begonnen wurde.  Berlin, 13. Mai 2007

25 kommunistische und Arbeiterparteien Europas:
Beendet die Eskalation der antikommunistischen und antidemokratischen Anschläge in Europa

Gemeinsame Erklärung von fünfundzwanzig Kommunistischen und Arbeiterparteien Europas vom 8. Mai 2007

Die Entscheidung der Regierung von Estland, das Denkmal zu entfernen, das dem ehrenden Andenken der 270.000 Rotarmisten gewidmet ist, die im anti-faschistischen Kampf gefallen sind, sowie die anschließenden brutalen Polizeiübergriffe in Tallin, die Akte des Vandalismus gegen das Grab von Janos Kadar in Budapest am 2. Mai, die Durchsetzung des neuen gegen 700.000 Personen gerichteten "Lustrationsgesetzes" in Polen, das anti-kommunistische rumänische Nationale Sicherheitsgesetz, die anti-kommunistischen Ausfälle des rumänischen Präsidenten Traian Basescu und die Teilrehabilitierung des früheren faschistischen rumänischen Premierministers I. Antonescu sind nur einige wenige der neuen anti-kommunistischen und anti-demokratischen Angriffe, die sich in jüngster Zeit in Europa ereignet haben.

Unsere Parteien protestieren energisch gegen diese Maßnahmen, die sich nicht nur gegen die Kommunisten, die heldenhaften anti-faschistischen Kämpfer, gegen die Kämpfer der internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg und gegen den Sieg über den Faschismus im Zweiten Weltkrieg richten sondern auch gegen elementare demokratische Rechte und Freiheiten.

Wir meinen, dass die Europäische Union dafür zur Rechenschaft zu ziehen ist, wenn man verschiedene Erklärungen und Entscheidungen bedenkt, die für diese Entwicklungen den Boden bereitet haben, wie auch für die Ablehnung jeglicher Maßnahmen, um diese Zustände zu beenden.

Anlässlich der großen Kampagne gegen den anti-kommunistischen Antrag im Europarat im Januar 2006 warnten unsere Parteien und andere fortschrittliche Kräfte aus allen Ländern vor den wirklichen Zielen und Absichten der Angriffe gegen Kommunisten und ihre Weltanschauung.

Das Ziel dieser Maßnahmen besteht in dem Versuch der herrschenden Kräfte in den europäischen Ländern, in der EU, in der NATO und in anderen imperialistischen Zentren, dem wachsenden Widerstand gegen die antisoziale und arbeiterfeindliche Politik der Regierungen und ihrer Anhänger mit Einschüchterungen zu begegnen.

Angesichts des wachsenden Einflusses der Ideen der Sozialistischen Oktoberrevolution und der Errungenschaften, die - ungeachtet der Fehler und Irrtümer des Sozialismus des 20. Jahrhunderts - in einem scharfen Kontrast zur Alltagswirklichkeit von Millionen stehen, werden die Versuche noch zunehmen, die Geschichte umzuschreiben und den staatlich geförderten Anti-Kommunismus auf die Spitze zu treiben.

Trotz alledem sind wir zuversichtliche, dass niemand, gleich ob politische Kraft, Regierung, NATO oder EU, in der Lage sein wird, die Wirkung der kommunistischen Ideen in der Arbeiterklasse und unter der Jugend aufzuhalten, einfach deshalb, weil sie sich mehr denn je als wahr erwiesen haben und als der Weg zur Verwirklichung der Vorstellungen und Forderungen breiter Bevölkerungskreise.

Auf diesem Weg werden wir unsere Anstrengungen für gemeinsame Aktionen verstärken, zur Unterstützung der Kämpfe breiter Bevölkerungskreise, vor allem der Arbeiterklasse, aber auch einer breiten Bewegung für demokratische Rechte und Freiheiten.

Es ist an der Zeit, dass sich alle fortschrittlich gesinnten Menschen in Europa der katastrophalen Folgen eben dieser Politik in der Geschichte unseres Kontinents erinnern.

Es ist an der Zeit, energisch zu reagieren und jegliche anti-demokratische, anti-kommunistische Vorgehensweise mit allen Mitteln zu verurteilen.

Wir fordern

Die Parteien:

  1. Communist Party of Belarus
  2. Workers' Party, Belgium
  3. Communist Party of Bulgaria
  4. Party of Bulgarian Communists
  5. New Communist Party of Britain
  6. AKEL, Cyprus
  7. Communist Party in Denmark
  8. Communist Party of Estonia
  9. Communist Party of Finland
  10. Communist Party of Greece
  11. Communist Party of Ireland
  12. Socialist Party of Latvia
  13. Socialist Party of Lithuania
  14. Communist Party of Luxemburg, KPL
  15. New Communist Party of Netherlands
  16. Communist Party of Norway
  17. Communist Party of Poland
  18. Portuguese Communist Party
  19. Socialist Alliance Party, Romania
  20. Communist Party of the Russian Federation
  21. Communist Workers Party of Russia-Party of Communists of Russia
  22. Communist Party of Slovakia
  23. Communist Party of Peoples of Spain
  24. Communist Party of Sweden
  25. Communist Party, Turkey

Beiträge zur Geschichte des Sozialismus

Dieter Hainke:
Was war der 17. Juni 1953?

Demnächst steht wieder ein Datum an, das von den in diesem Staate Herrschenden sicher wieder dazu genutzt wird, das abgedroschene Argument von einem sogenannten Arbeiteraufstand am 17. Juni  1953 in der DDR zu wiederholen. Nun war das allerdings kein Arbeiteraufstand son-dern ein Streik, an dessen Spitze sich konterrevolutionäre Kräfte setzten, die ihn in einen konter-revolutionären Umsturz umwandeln wollten. Ein Arbeiteraufstand macht nur Sinn, wenn er gegen jene gerichtet ist, die den Arbeiter ausbeuten, gegen die Kapitalisten. Wenn gerade die Kapitalisten den 17. Juni 1953 so groß als historisches Ereignis feiern und seinen Misserfolg so sehr bedauern, so zeigt das unmissverständlich, wessen Interessen damit verbunden waren. Nur wer die damaligen Ereignisse im Zusammenhang mit der damaligen weltpolitischen Lage sieht, kann diese Ereignisse richtig verstehen.

Nun ist es unstrittig, dass am 17. Juni 1953 Werktätige gestreikt haben, zwar begrenzt auf  industrielle Zentren, aber doch in einer nicht als Bagatelle abzutuenden Zahl. Die meisten von ihnen waren nicht politisch motiviert oder gar organisiert, sondern einfach wegen der schlechten Lebenslage frustriert. Ursache und Wirkung waren nicht immer allen richtig bewusst.

Nach dem Krieg gab es in Deutschland mehr Trümmer als Maschinen. Während die Ostzone und später die DDR allein die Reparationen für ganz Deutschland an die SU zahlte, über die die Kriegsfurie über tausende von Kilometern einmal hin und einmal zurück hinwegfegte, was ohnehin nicht die gewaltigen materiellen Verluste der SU ausgleichen konnte, verzichteten die westlichen Alliierten weitgehend auf Reparationszahlungen und verhinderten Zahlungen an die SU. In begrenztem Maße gab es Forderungen Frankreichs, insbesondere in Form von Kohlelieferungen.

Das Kapital unter Hegemonie der USA dachte weit voraus. In dem enorm gewachsenen Prestigegewinn der SU bei den Völkern der Welt und ihrem vergrößerten territorialen Einfluss-bereich sah das internationale Kapital eine ernste Gefahr. Es wollte verhindern, dass der Einfluß der SU weiter wächst und den gestiegenen Einfluß zurückdrängen. Der kalte Krieg war in vollem Gange, das „roll back“ Zielstellung. Der Antikommunismus war die ideologische Fahne, die diesem Prozess vorangetragen wurde.

Die Klasse der Kapitalisten in Deutschland war durch den Sieg der Antihitlerkoalition über den Faschismus in Deutschland, der zur damaligen Zeit höchsten Form der Konzentration des Kapitals,  arg geschwächt und auf dem Territorium der DDR nahezu ohne Einfluß.

Die Sowjetunion hatte die größte Last bei der Zerschlagung des Faschismus getragen und auch die größten Opfer an Menschen und Material gebracht, aber der eigentliche Gewinner dieses Krieges waren die USA. Ohne Verluste auf dem eigenen Territorium erleiden zu müssen, haben die amerikanischen Konzerne riesige Gewinne gemacht. 

Wie waren Kräfteverhältnis und Interessenlage am Ende des zweiten Weltkrieges?

Deutschland war militärisch besiegt und von fremden Truppen besetzt und nicht handlungsfähig. Es war Verhandlungsgegenstand der Siegermächte. Die Siegermächte allerdings hatten sehr unterschiedliche Interessen. Die Hoffnungen der französischen Bourgeoisie, den Erzfeind Deutschland endgültig im Kampf um die Vormachtstellung in Europa niedergerungen zu haben, scheiterten an den Interessen der USA. England lag zu sehr am Rand und konnte auch weder militärisch noch ökonomisch mit den USA mithalten. Es diente sich trotz aller ökonomischen Konkurrenz als Juniorpartner der USA an, welche Rolle es noch heute ausübt. Die drei imperialistischen Siegermächte einigte im Prinzip nur der Antikommunismus.

Lagen die geopolitischen Interessen der USA bis zum zweiten Weltkrieg mehr im pazifischen Raum, und natürlich auf dem amerikanischen Kontinent, so richteten sie jetzt ihre Haupt-aufmerksamkeit auf Europa, als Voraussetzung zur endgültigen Durchsetzung ihrer Weltherr-schaftsansprüche. Dazu brauchten sie einen zuverlässigen Stützpunkt in Europa. Das konnten weder Frankreich noch England sein, denn sie standen im wirtschaftlichen und damit auch politischen Konkurrenzkampf mit den USA. Deutschland, wenn auch nur der westliche Teil, erwies sich als besser geeignet. Territoriell direkt an das sozialistische Lager angrenzend, mit einer zahlreichen Bevölkerung, mit großer wirtschaftlicher Tradition, vom Antikommunismus noch weitgehend gegen die „Russen“ ideologisch ausgerichtet, lag es politisch am Boden und war für jede Chance dankbar, sich wieder etablieren zu können. Nur unter Berücksichtigung dieser strategischen Konzeption der USA ist die Nachkriegsentwicklung der BRD zu verstehen. Im Nürnberger Prozess wurden vor allem die verbrauchten Militärs und Politiker verurteilt. Die Wirtschaft wurde weitgehend geschont.

Als nächstes wurde in den westlichen Besatzungszonen eine sogenannte Entnazifizie-rungskampagne gestartet. Fast alle Nazis erhielten eine Bescheinigung, populär geworden als Persilschein, dass sie vom Nazisystem gezwungen waren mitzumachen, bzw. dass sie sein ver-brecherisches Wesen nicht erkannt hätten. Dagegen wurden von der Bevölkerung spontan gewählte Kommunisten und andere fortschrittliche Personen durch die Besatzatzungsmächte aus ihren Ämtern entfernt, bzw. gar nicht erst zugelassen.

Der nächste Schritt war die Umsetzung des Marshallplans. Westdeutschland sollte der noch hungernden, schwer an den Folgen des Krieges leidenden Bevölkerung  des Ostens als Schau-fenster überlegener westlicher (gemeint kapitalistischer) Lebensart vorgeführt werden. Nicht mehr benötigte Staatsreserven, insbesondere der amerikanischen Armee wurden als humanitäre Hilfe in die Westzonen gepumpt. Parallel wurde die Bevölkerung der USA zu Spendenaktionen aufgerufen, die in Form von Care-Paketen nach Deutschland geschickt wurden. Ähnliches war der SU nicht möglich. Sie hungerte selbst.

Der nächste Schritt zur Integration Westdeutschlands in die Pläne der USA war die Währungsreform. Sie war die Vorbereitung der endgültigen Teilung Deutschlands durch die Ausrufung der BRD. Adenauer tat jenen berühmten Spruch: Lieber des halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb. All das erfolgte mit klarer Stoßrichtung gegen die SU und das sich formierende sozialistische Lager. 

Die deutschen Kapitalisten wussten genau, dass sie nur als treue Bundesgenossen der USA eine neue Chance hatten. Die Bildung der BRD hatte zur Folge, dass sich auch im Osten ein Staat herausbildete, die DDR. Beide Staaten galten pro forma als souverän, konnten aber in Wirklichkeit keine Politik betreiben, die die Interessen ihrer Schöpfungspaten gestört hätte. Die SU verfolgte in ihrer Deutschlandpolitik das Ziel, Deutschland zu neutralisieren und schlug im März 1952 vor, einen Friedensvertrag abzuschließen, der Deutschland zur Neutralität ver-pflichtet hätte. In diesem Zusammenhang sollten auch alle Besatzungsmächte Deutschland ver-lassen. Die SU, die noch stark an der Auszehrung durch den Krieg litt, wollte Ruhe an ihrer Westflanke und sicher auch Zeit gewinnen, um sich zu erholen. Die Westmächte und Adenauer lehnten diese Vorschläge ab und trieben die Konfrontation gegenüber der SU voran. Bereits 1949 wurde die NATO gegründet, ein militärisches Bündnis der Westmächte mit Stoßrichtung gegen die SU. Im Mai 1952 kam es zur Bildung der „Europäischen Verteidigunsgemeinschaft“ unter Einbeziehung Deutschlands in das westliche Militärbündnis. Und im September erklärte der Präsident der USA, Truman, dass die Politik der Verhinderung der Ausbreitung des Sozialismus durch eine Politik der „Befreiung“ der sozialistischen Länder abzulösen ist. Wie sehr die Nachkriegskonzeption der USA aufging, zeigt sich in der Tatsache, dass Deutschland heute eine modern ausgerüstete Militärmacht ist und an der Seite der USA in fremden Ländern Krieg führt.

Mit der Bildung der BRD hatte eine intensive Restauration des deutschen Kapitalismus be-gonnen. Kredite halfen der Wirtschaft der BRD zu schneller Produktivitätssteigerung. Für die DDR gab es keine Hoffnung auf nennenswerte Hilfe durch die SU, nicht weil diese nicht auch hätte helfen wollen, schon aus Prestigegründen, sondern weil sie selbst noch an nahezu allem Mangel hatte und sich der Angriffsdrohung der USA (siehe Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki) gegenübergestellt sah. Die DDR stand vor einer Grundsatzentscheidung. Entweder alle bisher bereits durchgeführten demokratischen Veränderungen, wie Bodenreform, Schaffung eines volkseigenen Sektors in der Industrie, demokratische Schulreform mit antifaschistischer Ausrichtung, große Rechte für die Gewerkschaften und andere, aufgeben und zurück zum Kapitalismus, oder vorwärts in Richtung Sozialismus. Ersteres war eine undiskutable Variante, letzteres eine gewaltige Herausforderung. Größtes Problem war das Fehlen einer metallur-gischen Basis auf der Grundlage von Kohle (Steinkohle!) und Erz. Dieser Nachteil konnte nie kompensiert werden und war in all der Zeit der Existenz der DDR der Angriffspunkt des Westens, um Bedingungen zu stellen. Die SU konnte auch nicht helfen oder sah ihre eigenen Sorgen für wichtiger an als eine Hilfe für die DDR. So hingen die traditionell im Osten gelegenen Industriezweige, wie Textilindustrie und Werkzeugmaschinenbau, und teilweise chemische Industrie, in der Luft. Während der Westen den allgemeinen Maschinenbau infolge seiner engen Verknüpfung mit dem gesamten westlichen Wirtschaftsraum sehr schnell nachziehen konnte, blieben der DDR solche Zugriffsmöglichkeiten verschlossen, da die Währung der DDR aus gutem Grund nicht frei konvertierbar war. Hätte man sie frei konvertierbar gemacht, hätte der Westen die DDR in kurzer Zeit aufgekauft, wie 1990.

In dieser Situation schlug die SED auf ihrer 2. Parteikonferenz 1952 den beschleunigten Aufbau des Sozialismus vor. Ehemalige Wissenschaftler der DDR streiten darüber, ob diese Ent-scheidung richtig war oder zur damaligen Zeit richtig war. Ich denke, diese Fragestellung ist falsch. Diese Entscheidung war sicher richtig. Es musste vorwärts gehen und nicht rückwärts. Über die Umsetzung kann man sich streiten, wie es immer sehr einfach ist, im Nachhinein viele Gedanken zu äußern.

Und noch ein Fakt von internationaler Bedeutung spielt meiner Meinung nach eine wichtige Rolle. Im März 1953 war Stalin verstorben. Der Westen hoffte, dass mit seinem Ableben ein gewisser Bruch in der Politik der SU eintreten würde. Diese Hoffnung war nicht ganz unberechtigt, wie der in den Jahren unter Chrustschow stattfindende Zickzackkurs in der sowjetischen Innen- und Außenpolitik beweist.

Nun zu den Ereignissen selbst.

Seit Monaten hatte die Regierung der DDR versucht die Bevölkerung zu überzeugen, dass eine schnelle Verbesserung des Lebensstandards nur möglich ist, wenn die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft erhöht wird. Für jeden denkenden Menschen sicher eine Binsenwahrheit. Versuche, durch freiwillige Normerhöhungen eine Massenbewegung in Gang zu bringen, scheiterten.  Dabei waren Leistungssteigerungen durchaus möglich, denn die Normen waren damals recht weich. Ich selbst stand damals noch an der Maschine und kann das beurteilen. Es gab viele Beispiele persönlicher Normerhöhungen. Die Mehrzahl der Werktätigen jedoch verweigerte sich. Ein Problem bestand darin, dass die persönlichen Normerhöhungen dann für alle galten. Das erregte den Unmut derer, die gegen Normerhöhungen waren und führte oft zur Isolierung derer, die die Sache voranbringen wollten.

Noch war das politische Wissen der meisten der Werktätigen sehr unterentwickelt. Der Faschismus hatte die klassenbewussten Kader der Arbeiterklasse erheblich dezimiert, die Über-lebenden in tiefste Illegalität oder ins Ausland getrieben. Noch wirkte die faschistische Ideologie in weiten Kreisen der Bevölkerung nach. Viele sahen die Ursache ihres schlechten Lebens-standards nicht in der verbrecherischen Politik der Nazis sondern in der Einflussnahme der SU. Genau so wenig erkannten sie, dass in Deutschland eine erbitterte Systemauseinandersetzung stattfand. Die gewaltigen gesellschaftlichen Umwälzungen in der Wirtschaft (volkseigene Be-triebe) und in der Landwirtschaft (Bodenreform) wurden in ihrer Bedeutung längst nicht von allen begriffen, sondern als eine Gegebenheit hingenommen, ohne sich mit ihnen zu identifizieren.

Nachdem die Entfaltung einer Massenbewegung nicht die erhofften Ausmaße annahm, ver-suchte die Regierung die an sich richtige Zielstellung einer Leistungssteigerung durch administrative Maßnahmen durchzusetzen und beschloß am 28. Mai 1953 eine durchschnittliche 10%-ige Normerhöhung, was bis zum 30. Juni durchgesetzt sein sollte. Die Normen gaben das fast überall her. Aber es war, wie man heute weiß, keine glückliche Entscheidung. Man hatte in der Regierung den Stand des Bewußtseins der Masse der Werktätigen falsch eingeschätzt. Die allgemeine Unzufriedenheit nahm zu.

Jetzt glaubte das Kapital eine günstige Gelegenheit zu haben, mal schnell einen konter-revolutionären Vorstoß zu wagen. Vermutlich glaubten sie selbst nicht daran, die sozialistische Ordnung in der DDR beseitigen zu könne, denn es war unwahrscheinlich, dass sich die in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräfte teilnahmslos verhalten würden. Trotzdem, oder gerade deswegen schickten sie ihre Provokateure los, um sich an die Spitze der Unzufriedenen zu setzten. Daß gerade Berlin als Zentrum der Provokation gewählt wurde, ist mehr als verständlich. Berlin war eine Agentenhochburg, wie es wohl kaum eine zweite in der Welt gab. Mitten im sozialistischen Territorium gelegen konnte man ungehindert in den Ostsektor der Stadt hinein und darüber hinaus in die gesamte DDR hineinwirken. Wo gab es Gleiches noch einmal in der Welt. Mitten im Gebiet der DDR gelegen gab es einen leistungsstarken Rund-funksender, den RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor). Mit ihm konnte man das gesamte Gebiet der DDR ideologisch bearbeiten.

Das Signal sollten die Bauarbeiter der Stalinallee geben. Am 16. Juni legten einige Brigaden die Arbeit nieder und riefen zum Streik auf. Wer davon ein schlafender Agent war, das entzieht sich meiner Kenntnis. Aber man muß schon mehr als naiv sein, um nicht zu wissen, dass hier ein ganz großes Spiel getrieben wurde, in dem die Werktätigen nur die Puppen waren, die Fäden aber ganz woanders gezogen wurden. Die USA waren Meister in der ideologischen Diversion der Massen.

Am Vormittag des 16. Juni zogen Bauarbeiter zum Haus der Ministerien, um die Rücknahme der Normerhöhungen zu fordern. Als sie dort ankamen, bestand der Demonstrationszug schon nicht mehr nur aus Arbeitern. Minister Selbmann, selbst einst Arbeiter und 12 Jahre in faschistischen Kerkern und KZ gewesen, wollte sich den Arbeitern stellen und erklären, dass die Regierung den Beschluß über die Normerhöhungen bereits zurückgenommen hat. Das war ungefähr um 12 Uhr. Er wurde niedergeschrieen. Es kam nicht zum Dialog. Neue Losungen tauchten auf. Aus „Fort mit den Normerhöhungen“ wurde „Fort mit der Regierung“. Wir kennen das aus 1989. Aus „Wir sind das Volk“, was den Wunsch nach mehr Mitbestimmung ausdrückte, wurde „Wir sind ein Volk“, was die Annexionsabsichten der BRD gegenüber der DDR ausdrückte. Die Zusammenrottung vor dem Haus der Ministerien löste sich zunächst auf, da es zu keinen Konsequenzen kam.

Nicht viel später  nahm der RIAS seine Berichte über die Unruhen im Osten Berlins auf. Um 19.30 Uhr brachte der RIAS eine Meldung, die angeblich von den Bauarbeitern überbracht worden sei und die stündlich wiederholt wurde. Darin hieß es: „Die Arbeiter haben durch den Streik und ihre Demonstration bewiesen, dass sie in der Lage sind, den Staat zur Bewilligung ihrer berechtigten Forderungen zu veranlassen. Die Arbeiter werden von der Möglichkeit jederzeit wieder Gebrauch machen, wenn die Organe des Staates und der SED nicht unverzüglich folgende Maßnahmen einleiten:

- Auszahlung der Löhne nach den alten Normen schon bei der nächsten Lohnauszahlung.

- Sofortige Senkung der Lebenshaltungskosten .

- Freie und geheime Wahlen .

- Keine Maßregelung der Streikenden und ihrer Sprecher.“

Insbesondere Punkt 3 war eine offen konterrevolutionäre Forderung.

Ab 23 Uhr brachte der RIAS dann stündlich Sondermeldungen, in denen aufgerufen wurde, dass sich am nächsten Tag, dem 17. Juni, die Arbeiter aller Industriezweige Ost-Berlins früh 7 Uhr am Straußberger Platz versammeln sollten. Der amerikanische Sender als Koordinator der Ereignisse. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.

Frustriert und von der Naziideolgie noch nicht ganz geheilt, in dem Gefühl es den „Oberen“ mal zu zeigen, schlossen sich viele den Aufrufen an. Über Zahlen wird viel spekuliert. Ich möchte mich nicht daran beteiligen. Wichtiger scheint mir das Wesen der Ereignisse zu sein.

Am Morgen des 17. Juni kam es im Zentrum Berlins zu Zusammenrottungen. Wie viele davon auch aus dem Westen waren, das lässt sich heute schwerlich feststellen. Der Tatbestand selbst aber ist Fakt. Es wurden antisozialistische Losungen gerufen. Sehr schnell kam es zu Aus-schreitungen und Verbrechen. Volkspolizisten, Funktionäre und auch Sowjetsoldaten wurden angegriffen, auch mit Schusswaffen, blutig zusammengeschlagen und auch ermordet, auch in Magdeburg.  Brände wurden gelegt, staatliche Einrichtungen wurden demoliert, da es nicht in jedem Fall gelang, diese zu verteidigen; man war auch gar nicht auf solche Vorgänge vorbereitet. Gegen Mittag schaltete sich der sowjetische Stadtkommandant ein. Panzer rückten aus und machten dem Spuk ein Ende. Der Ausnahmezustand wurde verhängt. Es kam zu Verhaftungen und anschließenden Verurteilungen, -und auch zu standrechtlichen Erschießun-gen. Jedes der auf beiden Seiten zu verzeichnenden Opfer ist zu bedauern, denn die eigentlichen Drahtzieher saßen im Westen, in den Agentenzentralen und im RIAS. Aber so ist das. Ist die Gewalt erst einmal ausgebrochen, und sie ging eindeutig zuerst von den Provokateuren aus, so kommt es zum gegenseitigen Hochschaukeln.

Ich selbst habe den 17. Juni wie folgt erlebt. Ich arbeitete damals in der Motorendreherei des Karl-Liebknecht-Werkes in Magdeburg. Ich hatte Frühschicht. Am 16.Juni war noch alles normal. Mir sind auch keinerlei Diskussionen in Erinnerung (Frühschicht!). Am 17. Juni schien auch alles ganz normal zu sein. Der RIAS hatte ja nur zu Aktionen in Berlin aufgerufen. Von den Ereignissen in Berlin selbst wusste ich kaum etwas. Der RIAS war für mich kein Standardsender. Auf der Straße erzählte man sich, in Berlin wurde gestreikt. Ich ging, wie immer, wie gewohnt, zur Frühschicht. Die Motorendreherei  arbeitete normal.

So um die Frühstückszeit kamen ca 20 bis 30 Mann grölend in unsere Halle, wo mehrere hundert Arbeiter tätig waren und normal arbeiteten, und riefen „aufhören mit arbeiten, wir streiken“, rissen die Transparente runter und bedrohten Kollegen, die ihre Maschinen nicht abstellen wollten, mit Schlägen. (Die Kumpel der Großen Schmiede ließen die Provokateure gar nicht erst in ihre Halle. Sie fuhren glühende Brammen vor beide Tore.) Es war ein wüster Tumult. Nach ca 15 Minuten riefen plötzlich einige „jetzt holen sie den roten Stern runter“. Er war auf dem höchsten Turm des Werkes montiert und immer dann beleuchtet, wenn der Plan erfüllt war. Daraufhin strömten die meisten aus der Halle.  Plötzlich standen schon LKWs da, ich glaube es waren zwei. Einige riefen:“ Los wir fahren in die Stadt“. Andere machten sich zu Fuß auf den Weg, ohne jedoch jemals in der Stadt anzukommen. Es war zu weit. Die meisten allerdings gingen einfach nachhause. Ich blieb im Betrieb. Beim Betriebsleiter fanden sich so ungefähr 20 Kollegen zusammen, zumeist Genossen, aber auch Parteilose. Wir schauten uns an  und fragten uns, was machen wir nun. Der Betriebsleiter nahm Kotakt zur Parteileitung auf, die nicht angegriffen worden war (vermutlich weil sich die Kollegen mehr für den roten Stern interessierten), und sagte, zunächst müssen wir sichern, daß keiner an unseren Produktions-mitteln Schaden ausübt. Das war eigentlich eine unnötige Sorge, denn im ganzen Betriebs-gelände waren nur  noch Werktätige, die  diesen Putsch nicht mitmachen wollten. Aber keiner wusste, was noch passieren würde. Ich wurde eingeteilt, nachhause zu gehen und zur Nacht-schicht zurückzukommen. Was ich auch tat. Die Nacht verlief völlig ruhig. Jetzt kam es darauf an, das normale Leben wieder herzustellen. Ich begann also meine Frühschicht. Mit mir hatten etliche andere ihre  Arbeit begonnen.  Nach einigen Stunden  kam mein Betriebsleiter und sagte: mach Schluß, was wir jetzt produzieren ist unwichtig. Laß uns unsere Kollegen aufsuchen und sie auffordern, die Arbeit wieder aufzunehmen. Ich erhielt eine Liste von aufzusuchenden Kollegen. Gleich mir erhielten solche Listen auch andere Kollegen. Damals war es üblich, dass die Arbeiter in der Nähe ihrer Betriebe wohnten, so dass wir relativ viele erreichten. Wir wurden ausdrücklich darauf hingewiesen, gegenüber unseren Kollegen nicht mit Drohungen oder Vor-würfen zu argumentieren, sondern sie zu informieren, dass die Normerhöhungen bereits am 17. Juni in einer Ansprache von Otto Grotewohl für zurückgenommen erklärt sind und dass Streiken auf keinen Fall auch nur ein einziges Versorgungsproblem löst. Wir sollten beachten, dass die Kollegen, die sich verleiten ließen die Arbeit niederzulegen,  nicht unsere Feinde sind. Auch über den demokratischen Rundfunk wurden die Werktätigen aufgefordert, die Arbeit wieder aufzunehmen. Bereits in der Spätschicht kamen ein Teil der Kollegen und nahmen die Arbeit wieder auf. Am nächsten Tag waren schon fast alle wieder da. Und am dritten Tag wurde wieder vollzählig gearbeitet.

Die Normerhöhungen waren der Hauptgrund für die Unruhen um den 17. Juni 1953. Doch es gab noch eine andere Seite, die die antisozialistische Ausrichtung dieser Unruhen stark prägte. Durch die destruktive Haltung der Westmächte war die Einheit Deutschlands praktisch nicht mehr in Sichtweite. Um eine gesunde leistungsfähige Wirtschaft aufzubauen, ist es erforderlich, dass die Produktion von Produktionsmittel schneller wächst als die Produktion von Konsumptionsmittel. Um das zu sichern, waren erhebliche Investitionen erforderlich, die aus anderen Quellen beschafft werden mussten. Es wurde ein umfangreiches Sparprogramm aufgestellt. Das betraf  insbesondere besser gestellte Kreise der Bevölkerung. So wurde sozial Bessergestellten, wie z. Bsp. Freischaffenden, Gewerbetreibenden, Bürgern mit hohem Einkom-men und ähnlich gelagerten Schichten der Bevölkerung, die Lebensmittelkarten entzogen. Sie sollten sich aus der HO versorgen, in der die Preise höher waren als die Kartenpreise. Das er-zeugte in diesen Kreisen natürlich offene Feindschaft. Gerade aus diesen Kreisen rekrutierten sich am 17. Juni eine Reihe von Anführern der Unruhen. Auch gab es vereinzelte Preis-erhöhungen, so bei Fleisch- und Zuckerwaren, die alle betrafen.

Ein weiteres Problem war die Landwirtschaft. Im Zuge der Bodenreform entstanden in der DDR viele kleine bäuerliche Betriebe. Die Bodenreform war notwendig, um die Macht der Groß-grundbesitzer zu brechen. Im Wettbewerb mit der westlichen Produktionsweise, die auf Groß-bauern und gut gestellten Mittelbauern basierte, war die Produktionsweise der DDR nicht wettbewerbsfähig. Die Kleinbauern produzierten hauptsächlich für ihren persönlichen Bedarf. Die Großbauern waren der neuen Ordnung feindlich gesonnen, da sie um ihren Besitz fürch-teten. Die Mittelbauern hingen dazwischen. Eine produktivere Produktionsweise musste her. Das sollten die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften sein. Zuerst schlossen sich die kleinen Betriebe zusammen, was auch wieder eine schwache Leistungsfähigkeit hervor-brachte. Sie bedurften gleich einer jungen Pflanze besonderer Fürsorge. Die Mittelbauern stan-den abseits, die Großbauern feindlich. Es ist kein Geheimnis, dass gerade die Bauern besonders an ihrem persönlichen Besitz hängen. Unabhängig von dieser Situation, war die Land-bevölkerung sozial weitaus besser abgesichert als die Stadtbevölkerung. Die Versorgung der Bevölkerung in der Stadt war ein ernstes Problem. Es kam zu Zurückhaltungen in der Ab-lieferungspflicht. Dagegen ging die Regierung der DDR in aller Strenge vor. Was auch in diesen Kreisen Haß erzeugte. An dieser Stelle muß man allerdings sagen, dass sich die Land-bevölkerung an den Ausschreitungen des 17. Juni praktisch nicht beteiligte. Aber die durch sie verursachten Probleme in der Versorgung der Stadtbevölkerung hatten indirekten Einfluß auf die Stimmung in den Städten.

Und noch ein Problem gab es, die Kirche. In der DDR war Glaubensfreiheit in der Verfassung garantiert. Zunächst muß man Christentum und Kirche auseinander halten. Während das Christentum ein Glaubensbekenntnis ist, das in vielen humanitären Fragen sogar mit den Moralvorstellungen des Sozialismus identisch ist, ist die Kirche eine politische Institution. Sie verfügt über gut organisierte Strukturen und über Besitz und hat einen eigenen Haushalt, den sie über Kirchensteuern  finanziert. Bestimmte Kreise der Kirche widersetzten sich der sozialis-tischen Entwicklung. Sie fürchteten einen Rückgang ihres Einflusses in der Bevölkerung. Einer der dabei führenden Kirchenführer war Bischof Dibelius. Besonders engagierten sich bestimmte Kreise der Jungen Gemeinden. Diese verstanden sich als Gegenpol zur FDJ. In ihnen waren vor allem Jugendliche aus Kreisen der Intelligenz organisiert. Ein bewusstes Wirkungsfeld der Jun-gen Gemeinde waren die Gymnasien und die Hoch- und Fachschulen. In den Betrieben spielten sie praktisch keine Rolle. Es kam zu antisozialistischen Provokationen, in deren Folge Wort-führer von den entsprechenden Einrichtungen verwiesen wurden. Man muß sich aber hüten, alle Christen in einen Topf zu werfen. Viele von ihnen nahmen aktiv am sozialistischen Aufbau teil. Die Mehrzahl verhielt sich indifferent.

Alle mit Einschränkungen verbundenen Maßnahmen wurden auf Empfehlung des Präsidiums des ZK der KPdSU bereits am 11. Juni offiziell zurückgenommen. Dazu gehörten auch Straf-urteile wegen Verstöße gegen die Ablieferungspflicht, Verweisungen von Schulen, und andere Reglementierungen. Die Betroffenen würdigten diesen Schritt nicht, sondern sahen darin eine Niederlage der sozialistischen Staatsmacht und stellten sich in vielen Fällen an die Spitze der Unruhen des 17. Juni.

Unverständlich ist, dass gerade die geplanten Normerhöhungen nicht zurückgenommen wurden. Es ist schon kurios. Eine sich Arbeiterregierung nennende Regierung nimmt Belastungen klein-bürgerlicher Kreise zurück und belässt gerade die Maßnahmen, die die Arbeiter betroffen hätten. Ob sie glaubten, die Arbeiterklasse habe soviel Bewusstsein, dass sie die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Leistungssteigerung begreifen würde, kann man heute nicht mehr herausfinden. Jedenfalls blieb der Hauptzündstoff für die am 17.Juni stattfindenden Ereignisse aufrecht erhalten.

Abschließend muß man sagen, dass die DDR sich 1953 in einer ernsten Krise befand. Sie hat sie überstanden und die erforderlichen Schlussfolgerungen gezogen. Sie verband sich enger mit der Bevölkerung. Mit ihr gemeinsam wurden neue moderne Industriebetriebe geschaffen, ein eige-ner Überseehafen und eine eigene Handelsflotte aufgebaut, die Umgestaltung der klein-bäuerlichen Landwirtschaft in eine leistungsfähige industriell geführte Landwirtschaft durch-geführt, die demokratische Gesetzlichkeit gefestigt, ein modernes Arbeitsrecht geschaffen, die durchgängige medizinische Versorgung der Bevölkerung durch die Entwicklung der Poli-kliniken gesichert, das Wohnungsproblem gelöst, frei von jeglichem Mietwucher, und vieles anderes. Es waren goldene Jahre, die endfünfziger und sechsziger Jahre. Danach verlangsamte sich das Entwicklungstempo. Die Wirtschaft der DDR, wie auch die der anderen sozialistischen Staaten, litt schwer unter den immer mehr zunehmenden Belastungen durch das vom Westen aufgezwungene Wettrüsten. Schließlich kam es zur Stagnation. Das aber ist schon ein anderes Thema.

Erst spätere Generationen werden begreifen, welche große historische Leistung die DDR voll-bracht hat, dass sie 40 Jahre lang es geschafft hat, sich dem gierigen Zugriff westlicher Kon-zerne zu entziehen und trotz aller Armut für die Bevölkerung ein, wenn auch nicht luxuriöses, so doch ein lebenswertes Leben zu ermöglichen, das in moralischer Hinsicht den westlichen Wertvorstellungen weit überlegen war, und das viele DDR-Bürger heute schmerzlich vermissen. Man darf westdeutschen Bürgern keinen Vorwurf machen, wenn viele von ihnen  das nicht verstehen. Was man nicht selbst erlebt hat, kann man nur schwer beurteilen. Einverstanden, das Angebot an Konsumptionsmitteln hat sich mit der Eingliederung der DDR in die BRD erheblich verbessert. Das ist ohne Frage ein großes Positivum. Aber Lebensqualität ist nicht nur Konsum. Lebensqualität das ist auch ein Leben frei von Existenzangst, das ist auch ein gesicherter Arbeitsplatz, das ist auch eine für alle erschwingliche Freizeitgestaltung bei Sport, Kultur und Erholung, das sind Ferienheime, Kulturhäuser und Jugendclubs, das ist auch eine nahezu kostenlose liebevolle Betreuung der Jüngsten in Kindergärten und Krippen, das ist auch eine niedrige Kriminalität, das sind auch gleiche Entwicklungschancen für alle. Nehmen wir das Bildungssystem. Es war dem heutigen föderalen Bildungssystem um ein ganzes Jahrhundert voraus. Einverstanden, nicht jeder konnte Medizin studieren, was eine sehr lukrative Ausbildungsrichtung war, wie es unsere ehemalige Familienministerin unter Kohl, Frau Nolte gerne gewünscht hätte. Sie musste, welche Grausamkeit, Biologie studieren. Heute bekommen  Zigtausende nicht einmal eine Lehrstelle. Nehmen wir das Gesundheitswesen. Ein durch-gängiges kostenloses Impfsystem ließ Krankheiten wie Pocken, Masern, Kinderlähmung, Tbc weitgehend verschwinden, Krankheiten die heute in der BRD wieder auf dem Vormarsch sind. Frei von Motiven der Gewinnsucht wurde eine bestmögliche und effektive und kostenlose  medizinische Versorgung auf der Basis von Polikliniken gewährleistet.

Eine ganz besondere Fürsorge der DDR galt den Kindern und der Jugend. Jede Familie konnte es sich leisten, ihre Kinder für wenig Geld in Ferienlager zu schicken, wo sich die Kinder unbekümmert vom Geldbeutel der Eltern für ein paar Wochen bei Sport und Spiel erholen konnten, und das zum Teil an Plätzen, die heute nur noch der high society zugänglich sind.

Einverstanden, in der DDR konnte man keine Politiker lächerlich machen, was die heutigen Politiker nicht stört. Sie machen ohnehin, was sie wollen, bzw. was das Kapital will.. Aber dafür stand in der Verfassung der DDR das Recht auf Arbeit, ein elementares Lebensrecht für alle jene, die nichts anderes besitzen als ihre Arbeitskraft, und das ist die Mehrheit der Bevölkerung. Ohne das Recht auf Arbeit gibt es keine wirkliche Freiheit. Daß dieses Recht in der Verfassung der BRD nicht enthalten ist, zeigt die ganze Verlogenheit dieser freiheitlich demokratischen Ordnung. Freiheit gibt es in der BRD nur für die Reichen. Sie stellen zu allem Überdruß diesen Reichtum auch noch demonstrativ zur Schau. Lieschen Müller darf sich dann im Fernsehen ansehen, wie diese mal schnell mit dem Jet nach Paris fliegen und für ein paar Millionen ein bisschen shoppen. Der arbeitende Werktätige aber ist praktisch rechtlos. Mit der Mütze in der Hand steht er vor dem Unternehmer oder der Behörde und muß betteln, dass er arbeiten darf und dafür noch viele Belastungen auf sich nehmen, die dem DDR-Bürger fremd waren. Tut er das nicht, dann ab in Hartz 4.

Und noch ein Verdienst ist untrennbar mit der DDR verbunden. Vom Boden der DDR ging nie ein Krieg aus, kein Soldat der DDR hat je in feindlicher Absicht fremden Boden betreten.

Heute führt Deutschland wieder in fremden Ländern Krieg, befindet sich wieder in unseliger Tradition. Man ist wieder wer und fordert sogar einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat.

Die Pläne der USA sind aufgegangen.

Dieter Hainke,
Magdeburg

Kurt Andrä:
Rede in Ziegenhals aus Anlass des 121. Geburtstages Ernst Thälmanns am 15.4.2007

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde!

Unter den Hunderttausenden der Besten unseres deutschen Volkes, die von der Hitlerbande in den zwölf Jahren ihrer Blutherrschaft ermordet wurden, befindet sich auch der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands,  Ernst Thälmann, unser Teddy. Am 3. März 1933 verhaftet, wurde er elfeinhalb Jahre lang auf Befehl von Hitler und Göring im Kerker drangsaliert. Sie wollten seine geistige und körperliche Widerstandskraft zerbrechen. Das gelang ihnen aber nie.

Es ist zu einer guten Tradition geworden, daß wir uns alljährlich zu den Geburts- und Todestagen unseres unvergessenen Freundes und Genossen Ernst-Thälmann an dieser Stätte treffen, um die Verehrung und das Gedenken an seinen Kampf gegen Faschismus und Krieg, für internationale Solidarität und für das Wohl des einfachen Volkes zu bekräftigen. So auch heute aus Anlaß seines 121. Geburtstages.

"Ziegenhals ist ein Hort der Wahrheit!" sagte einmal Kurt Seibt, der für seinen illegalen Kampf gegen die Faschisten , mit vielen anderen, im Zuchthaus Brandenburg schmachtete, von der Roten Armee befreit wurde und vielen von Euch als Mitglied des ZK der SED, geachteter Bezirkssekretär von Potsdam, Vorsitzender des Solidaritätskomitees der DDR und bis zu seinem Tod als Mitglied des Freundeskreises "Ernst-Thälmann Gedenkstätte" e.V. bekannt ist. Ja, diese Gedenkstätte ist ein Hort der Wahrheit, so war es und so soll es bleiben.

Handeln wir nach den Worten unseres Genossen Lothar Berthold: "Neues Denken, das heißt heute, die alten Wahrheiten verbreiten! Heute, wo unter Bergen von Lügen der letzte Rest Wahrheit begraben werden soll. Wo, wie in schwärzesten deutschen Zeiten, der Antikommunismus regiert. Die Gedenkstätte, alle Dokumente über sie, entsprechen von Anfang an der Wahrheit, mußten zwar ergänzt, aber zu keiner Zeit verändert werden. Sie sind heute von höchster Aktualität, eine Anleitung zum Handeln. Hierzu tragen in hohem Maße die "Ziegenhalser Reden" und in jüngster Zeit die "Dokumentation 2006" des Freundeskreises "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" e.V. bei.

1953 wurde diese Gedenkstätte von Wilhelm Pieck eingeweiht, als dessen Mitarbeiter ich in seiner Kanzlei, das Glück hatte, tätig zu sein. Laßt mich die alten Wahrheiten, die nie vergessen werden dürfen, erneuern:

An dieser Stätte, dem Sporthaus Ziegenhals, rief Ernst Thälmann als Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands in der Rede der letzten Plenartagung des ZK der KPD, die schon illegal im faschistischen Deutschland am 7.Februar 1933 stattfand, die Arbeiterklasse und alle Hitlergegner zur einheitlichen Aktion gegen den Faschismus und den drohenden Krieg auf. Sein Referat in dieser Sitzung basierte auf seinen langen Lebens-und Klassenkampf - Erfahrungen als Funktionär in den Gewerkschaften, in der SPD, der USPD und schließlich seit 1920 in der KPD, an deren Spitze er seit 1925 als geachteter Vorsitzender stand. Seit 1924 gehörte er dem Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale an. Thälmann war Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und seit 1924 Reichstagsabgeordneter. Zwei mal kandidierte er für das Amt des Reichspräsidenten. Ernst Thälmann war nicht nur der Führer der deutschen Arbeiterklasse, er war ein glühender Internationalist, er, der Transportarbeiter war ein echter Sohn seiner Klasse.

Er hatte sich als Marxist -Leninist und Freund der Sowjetunion unter Stalin erwiesen. Er wußte nur zu gut, daß die Erhaltung und Festigung der Freundschaft mit dem Sowjetvolk eine Lebensfrage unseres deutschen Volkes war. Er kämpfte mit seiner Partei für sozialen Fortschritt und Demokratie. Nicht ohne Grund erhielt er 1933 für seine Partei bei den letzten Wahlen zum Deutschen Reichstag fünf Millionen Wählerstimmen.

Ernst Thälmann trat auch in der internationalen Arbeiterbewegung, als Verfechter der internationalen Solidarität, gegen die immer stärker werdende Gefahr eines neuen imperialistischen Krieges hervor. Von besonderer Bedeutung war sein Auftreten in einer großen Pariser Kundgebung am 31. Oktober 1932, wo er mit Leidenschaft zum gemeinsamen Kampf der französischen und deutschen Arbeiter gegen die Chauvinisten und Kriegshetzer und für die Verhinderung eines Krieges aufrief. Sein Name lebt unter den Arbeitern-und Bauern in vielen Ländern der Welt. Nicht nur in der DDR trugen viele Fabriken, Einrichtungen und Kollektive seinen Namen.

Als 1941 Hitlerdeutschland heimtückisch die Sowjetunion überfiel, frohlockte der Justizscherge, der Thälmann in seinem Kerker bewachte: "In wenigen Tagen sind wir in Moskau. Dann ist es mit Ihrem Sozialismus zu Ende." Doch Ernst Thälmann antwortete ihm siegessicher und überzeugt: "Stalin bricht Hitler das Genick!" Und das war die historische Wahrheit die Thälmann voraus sah.

Liebe Freunde!

Unablässig war sein Bemühen um die Schaffung der Aktionseinheit gegen den Faschismus in Deutschland. Als damals -1932 -Sozialdemokraten bei einer Zusammenkunft im Berliner KL-Haus - an der auch Wilhelm Pieck und John Scheer teilnahmen - von Thälmann wissen wollten, ob die Antifaschistische Aktion ein kommunistischer Parteiladen sei, antwortete er: "Nein! Sie ist ein überparteiliches Sammelbecken für alle zum rücksichtslosen Kampf gegen den Faschismus gewillten Arbeiter. Sie ist keine Organisation, sondern eine Massenbewegung. Sie ist der Strom, in den all die kämpferischen Kräfte einmünden, die wirklich den Kampf gegen die Errichtung der faschistischen Diktatur wollen."

Und als gefragt wurde, ob Sozialdemokraten aus ihrer Partei austreten müßten, wenn sie an der Antifaschistischen Aktion teilnehmen wollen, stellte der Parteivorsitzende der KPD mit Nachdruck fest: "Es ist für uns Kommunisten selbstverständlich, daß sozialdemokratische und Reichsbannerarbeiter an der Antifaschistischen Aktion teilnehmen, ohne daß sie aus ihrer Partei auszutreten brauchen. Wenn ihr bloß in Millionen, in geschlossener Front in dieses antifaschistische Aktionsbündnis hereinströmen würdet, wir würden es mit Freuden begrüßen.“

Dieses Vermächtnis ist uns in der heutigen Zeit -angesichts des immer stärker werdenden Demokratie- und Sozialabbaus in Deutschland erneut und immer wieder Mahnung und Verpflichtung in unserem politischen Kampf. In diesem Sinne beschloß auch das ZK meiner Partei im April vergangenen Jahres -anläßlich des 120. Geburtstages Ernst Thälmanns - ihm zu Ehren und in Würdigung seines politischen Vermächtnisses - ein Aktionsprogramm für den Kampf um dauerhaften Frieden, demokratische Rechte und soziale Sicherheit des deutschen Volkes. Dieses Aktionsprogramm ist als eine kurz- und mittelfristig konzipierte außerparlamentarische Kampforientierung angelegt, als politische Alternative zum volksfeindlichen Regierungsprogramm der rosa-schwarzen Koalition unter Merkel/Müntefering.

Angesichts dieser Lage und ihrer weiteren absehbaren Zuspitzung, der zunehmenden Militarisierung auf Kosten der Steuerzahler rufen Kommunisten und Sozialisten zu einer Abkehr von dieser verhängnisvollen Politik der regierenden Koalition. Wir haben keine Interessen Deutschland am Hindukusch zu verteidigen, wir brauchen keine Tornados über Afghanistan, wir brauchen keinen Schulterschluß mit Herrn Bush in seinem Kampf gegen den Terrorismus. Wir leisten gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehrmacht politischen Widerstand, auch weil wir dagegen prinzipielle verfassungsrechtliche, völkerrechtliche sowie strafrechtliche Einwände haben.

Was wir brauchen ist gesicherter Frieden und Völkerverständigung. Was wir brauchen ist friedliche Arbeit für alle, gesicherte Ausbildungsplätze für unsere Jugend und die Sicherung ihrer Grundrechte. Wir brauchen keine diskriminierenden Hartz-Gesetze und Reformen, die das Gesundheitswesen in Deutschland verkommen lassen. Was wir brauchen, ist die tatsächliche Gleichstellung aller Menschen vor dem Gesetz, die tatsächliche Gleichberechtigung der Frauen in der Familie und im Beruf. Was wir brauchen ist die Gleichstellung der Menschen in Ost und in West bei Löhnen, Gehältern und Renten und ohne diskriminierende, politisch motivierte Strafrenten.

Die Bundesrepublik Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem die Löhne nicht nach der Arbeits- und die Renten nicht nach der Lebensleistung, sondern nach dem Wohnort, West oder Ost, beziehungsweise nach politischen Kriterien berechnet werden und in Strafrenten ihren Ausdruck finden. Die Wertneutralität des Rentenrechts ist damit aufgehoben.

Da erinnern wir uns, daß es auch schon einmal anders ging und auf keinen Fall schlechter.

Deshalb stellen wir erneut und unwiderlegbar fest: Die Deutsche Demokratische Republik war das Beste, was die revolutionäre deutsche Arbeiterbewegung in ihrer bisherigen Geschichte hervorgebracht und geschaffen hat. Diesen Grundsatz werden wir auch in unserem neuen Parteiprogramm der KPD, das auf unserem 25. Parteitag, der nächste Woche in Berlin stattfindet, erneut festschreiben.

Liebe Genossen, liebe Freunde!

Die deutsche Arbeiterbewegung verfügt über reiche Erfahrungen im Kampf gegen Sozialabbau und Aggressionspolitik, gegen Krieg und Faschismus. Nutzen wir diese Erfahrungen im Interesse der Verbesserung der Lebenslage der werktätigen und der zum Nichtstun verurteilten Millionen Menschen in Deutschland.

Die Aktionseinheit betrachten wir in diesem Kampf als das Hauptkettenglied zur Verbesserung der Lebenslage der Werktätigen und zur Überwindung der Spaltung der Arbeiterklasse, die hauptsächlich eine Folge des bürgerlichen Einflusses in der Arbeiterbewegung ist der sich in nationalistischen und weltanschaulichen Auffassungen, vor allem aber in verschiedenen Schattierungen des Opportunismus und des Revisionismus äußert.

Als Funktionär der Kommunistischen Partei erkläre ich nochmals und eindeutig: Die KPD steht für die kampfentschlossene antifaschistisch-demokratische Einheit aller linken Kräfte und das ohne Vorbehalte. So wie Thälmann 1933 den sozialdemokratischen Genossen antwortete, antworten wir Kommunisten unseren Fragestellern heute: Wir verstehen unter dem Begriff „Aktionseinheit“ auf keinen Fall den Partner in „brüderlichen“ Umarmungen zu erdrücken, ihn zu vereinnahmen, gegenüber den Partnern eigene Führungsansprüche zu erheben oder sich selbst gar anzubiedern und dabei seine Eigenständigkeit aufzugeben.

Die Politik der Aktionseinheit gegen Demokratie-und Sozialabbau bedeutet für uns die gleichberechtigte Zusammenarbeit der verschiedenen Organisationen der Arbeiterklasse, ihrer politischen Parteien, aber auch der anderen Organisationen, wie Gewerkschaften, Jugend-und Frauenorganisationen, Bürgerrechtsverbände, linke Wohlfahrtsverbände oder Bildungsvereine.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde!

Täglich beobachten wir ein Anwachsen der Angriffe auf die Beschäftigung und auf die Löhne, auf die sozialen Sicherheitssysteme und die Renten sowie auf die Rechte der Gewerkschaften. Grundrechte wie das Recht auf Arbeit, Bildung Gesundheitsfürsorge und auf soziale Sicherheit werden immer stärker in Quellen des Profits umgewandelt. Entgegen den Worten mancher Politiker sehen sich die Menschen wachsender Ausbeutung, steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender Unsicherheit gegenübergestellt.

Kommunisten und Sozialisten wenden sich deshalb unmißverständlich gegen die Politik der Militarisierung der EU, gegen die militärische Kooperation mit der NATO und den USA. Wir sind gegen die Teilnahme von Soldaten an den Kriegen in Afghanistan und gegen den Irak. Wir fordern den Stopp der von der EU -Kommission geforderten Erhöhung der Militärhaushalte.

Das Wettrüsten muß ein sofortiges Ende haben!

Im Angesicht des Millionenheeres von Arbeitslosen, und ebenso vielen Harz IV-Empfängern, im Angesicht steigender Altersarmut und anderer gravierender gesellschaftlicher Defizite dieses Systems darf man wohl gewisse Politiker fragen dürfen, wo denn nun das „einig deutsche Vaterland“ von dem sie 1989 sprachen und es auch noch begrüßten - geblieben ist? Wo sind wir „ein Volk“, wo 17 Jahre nach der so genannten friedlichen Revolution - wir nennen es Konterrevolution - jeder 5. Bürger im Osten ohne Arbeit ist, wo 17 Jahre nach diesem Ruf, „Wir sind ein Volk“ Löhne, Gehälter und Renten im Osten nur 86% gegenüber dem Westen betragen - und das bei gleichen Belastungen?

Die Opfer dieser kapitalistischen Mißwirtschaft sind also die Millionen Arbeitslosen, die Leiharbeiter, die Jugend ohne Perspektive und nicht zuletzt die Generation, die die größten Lasten und Entbehrungen nach dem zweiten Weltkrieg tragen mußte.

Dagegen war das Jahr 2006 ein Rekordjahr für die Gewinne der Banken und Konzerne. Ich möchte stellvertretend dafür nur 2 Zahlen nennen: Die Deutsche Bahn AG hat zwei einhalb Milliarden € Gewinn gemacht - und das trotz erhöhter Investitionen. Die Deutsche Bank verzeichnete 2006 sogar 6 Milliarden Gewinn -und das, obwohl Ackermann wegen seiner Betrügereien die meiste Zeit als Angeklagter in Gerichtssälen herumsitzen mußte.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Gestattet mir einige Ergänzungen zur Rede, die im Februar an dieser historischen Stätte gehalten wurde.

Zunächst eine, durch diese Gedenkstätte dokumentarisch belegte Richtigstellung. Von den „Kernkräften des deutschen Widerstandes“, wie der Redner sie nannte also alles Kommunisten -wurden 18 von den Nazis ermordet und nur einer in Moskau hingerichtet. Es ist faustdick unwahr, daß die Liste der aus dem Führungskreis der KPD in der Stalinzeit ums Leben gekommenen länger sei als die Liste, der unter Hitler Ermordeten.

Er, dieser Redner, vergaß allerdings auch , über die Opfer zu reden die auf das Konto unserer Klassenfeinde gehen - die 60 Millionen Toten des zweiten Weltkrieges, Opfer, die der Faschismus auf dem Gewissen hat. Fast die Hälfte davon waren Kriegstote, Zivilisten, Frauen, Kinder und Greise in der Sowjetunion. Der Redner vergaß auch die Hunderttausenden ermordeten Antifaschisten in den Konzentrationslagern der SS und der Gestapo. er vergaß, die 6 Mio Juden, Sinti und Roma die Opfer des Rassenwahns der Faschisten wurden zu nennen.

Laßt mich aber auch in diesem Zusammenhang an die Opfer des kalten Krieges erinnern, an die mehr als eine viertel Million Friedenskämpfer, die in der BRD staatsanwaltschaftlich verfolgt wurden, an die 10.000-den Antifaschisten, Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Mitglieder der FDJ, Vertreter kirchlicher Kreise und Pazifisten, die wegen ihres Eintretens für Demokratie und Frieden in Westdeutschland zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden.

Wir denken besonders an die Opfer, die vom KPD-Verbot durch die Adenauer-Regierung mit Haft und mit Berufsverboten belegt wurden und die bis heute nicht rehabilitiert worden sind.

Dieser Politiker vergaß leider auch der Opfer zu gedenken, die nach der Konterrevolution 1989 die Qualen, Demütigungen und Diskriminierungen nicht mehr ertragen konnten, und in den Freitod getrieben wurden, die vielen Namenlosen, ebenso wie den Schauspieler Wolf Kaiser bis hin zum Bundestagsabgeordneten der PDS, Prof. Dr. Gerhard Riege. Nach der Einverleibung der DDR wurden von westdeutschen Staatsanwälten mehr als 85.000 Ermittlungsverfahren mit ca. 100 000 betroffenen Bürgern der DDR eingeleitet. Bei allen Bemühungen konnten "nur" etwa 600 Personen verurteilt werden. Aber auch diese Verurteilungen erfolgten in der Regel unter Verletzung des Einigungsvertrages und des im Grundgesetz und in Internationalen Menschenrechtskonventionen verankerten Rückwirkungsverbotes. Ich zähle auch diese Genossen und Freunde zu den Opfern, die wir nicht vergessen wollen.

Mit den im Februar getroffenen Aussagen wurde der bisher offene antifaschistisch und demokratische Charakter der zur Tradition gewordenen Ehrung Thälmanns und seines politischen Vermächtnisses in eine andere Richtung gedrängt und instrumentalisiert.

Ich möchte aussprechen, was vielen der hier Anwesenden ein echtes Anliegen ist: Wir achten den parteiübergreifenden Charakter des Freundeskreises "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" und helfen solidarisch mit, das antifaschistische Vermächtnis Thälmanns, sein politisches Erbe, an diesem Ort zu bewahren und wach zu halten. Wir werden alles tun um den Charakter dieser Gedenkstätte - als ein Erbe wahrer deutscher Nationalkultur, eine Stätte der Bewahrung von Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung gegen alle Angriffe zu verteidigen.

Zu der Februar-Veranstaltung an diesem Ort hat das ZK der KPD eine Stellungnahme abgegeben, in der es u. a. heißt: Unsere KPD geht weiter ihren Weg, in völliger Übereinstimmung mit den edlen Zielen, die sich der Freundeskreis "Ernst- Thälmann-Gedenkstätte" Ziegenhals gestellt hat. Wir werden die Mitarbeit in diesem Gremium intensivieren und uns selbstlos und aktiv in alle nützlichen Initiativen einbringen und insbesondere ihren weiteren Kampf um die Erhaltung der Gedenkstätte am traditionellen Standort mit aller Kraft unterstützen.

In diesem Sinne danken wir zugleich all denen, die im Vorstand des Freundeskreises Sitz und Stimme haben, und vielseitige, tatkräftige Leistungen erbringen, um das Thälmannsche Vermächtnis zu bewahren und zu realisieren. Wir werden nicht zulassen, daß Thälmann geschändet wird - weder in Wort noch in Schrift . Auch wenn da ein paar angepaßte Schreiberlinge versuchen, mit der Verbreitung von Lügen über unsere Geschichte und deren Persönlichkeiten mit Machwerken der Geschichtsfälschung die Hirne der Menschen zu vernebeln.

Gestern noch tummelten sich solche Pseudohistoriker in Lehrstühlen an Parteischulen und Instituten und haben andere disziplinieren wollen. Heute schleichen sie auf unseren Kundgebungen und Demonstrationen herum und versuchen ihre Schmähschriften aus dem Einkaufsbeutel zu verhökern. Sie stellen sich uns aber nur als üble Geschichtsfälscher und widerliche Opportunisten vor, mit denen wir nichts gemeinsam haben.

Wir kämpfen geschlossen gegen Fälschung und Entwürdigung der Person Ernst Thälmanns und dieser Gedenkstätte in Ziegenhals, sowie der anderen Mahn-und Gedenkstätten, die an den Kampf gegen Krieg und Faschismus erinnern.

Liebe Teilnehmer dieser Gedenkveranstaltung!

Für uns war, ist und bleibt Ernst Thälmann der Typus eines proletarischen Führers. Wie er aus der proletarischen Massenbewegung hervorgegangen ist, so war er auch auf das engste mit ihr verbunden und genoß ihr volles Vertrauen, das er sich in den 32 Jahren seines Wirkens in der Arbeiterbewegung erworben hatte.

Das Gedenken an Ernst Thälmann und sein Wirken wird dazu beitragen, alle aufrichtigen und ehrlichen Freunde des Antifaschismus, der Demokratie, des Friedens und der Einheit zum gemeinsamen Bunde zu vereinen und sie mit der festen Zuversicht an den Sieg der großen Sache unseres Volkes zu erfüllen. Das ehrende Gedenken an den Führer der deutschen Arbeiterklasse, den Kommunisten, Antifaschisten und Internationalisten Ernst Thälmann - unseren Teddy - ist mit dem festen Willen verbunden, sein politisches Vermächtnis zu bewahren und in den gegenwärtigen und künftigen Kämpfen für eine sozialistische Gesellschaft, frei von Ausbeutung und Krieg zu nehmen.

Unser Gelöbnis an dieser Stätte ist: Ehren wir Ernst Thälmann, indem wir seinen Kampf unbeirrt fortsetzen. Unseren politischen Gegnern aber rufen wir zu: Thälmann ist niemals gefallen, er bleibt Deutschlands unsterblicher Sohn.

Kurt Andrä,
Berlin

  (Wir danken dem Autor für die freundliche Genehmigung des Nachdrucks; d.Red.)

Wolfgang Hoss:
Der moderne Sozialismus des Gregor Gysi

Anmerkung der Redaktion: Wir bringen diesen Beitrag unter der Rubrik „Beiträge zur Geschichte des Sozialismus“. Das mag etwas verwunderlich wirken, den Ausschlag gab aber, dass das, was Gregor Gysi von sich gibt, in keinster Weise neu, sondern vielmehr einer der ältesten Hüte ist, den es an der Front zur Aufweichung des Sozialismus gegeben hat und leider noch immer gibt.  Redaktion Offensiv

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag Gregor Gysi hielt am 24.4.07 an der Universität Marburg vor erlesenem Publikum den Vortrag mit dem Titel "Ende der Geschichte? Über die Chancen eines modernen Sozialismus". Im Schlußabschnitt seines Vortrags, der im Neuen Deutschland vom 3./4.07 in leicht gekürzter Form wiedergegeben wurde, sagte er zur Eigentumsfrage folgendes:

"Ich möchte ein zweites brisantes und umstrittenes Problem in der Linken aufgreifen, die Eigentumsfrage. Orthodoxe Marxistinnen und Marxisten gingen und gehen davon aus, mit der Enteignung der Eigentümer und Eigentümerinnen wären alle Fragen im Kern beantwortet, damit wäre die Machtfrage gelöst. Das Problem ist jedoch wesentlich komplizierter. Nehmen wir nur die riesigen US-Pensionsfonds. … Das Problem ist dabei nicht die Eigentumsfrage, sondern die Frage der gesellschaftlichen Kontrolle und Teilhabe der Anteilseigner an den Rentenfonds, die sich gewiefter Fondsmanager bedienen und die Fonds für spekulative Transaktionen mißbrauchen. Es geht also nicht einfach um Macht und Eigentum, sondern um die Inhalte von Macht und Eigentum."

Ferner sagte er: "Ich hoffe, daß es unseren Gesellschaften gelingt, im Rahmen sozialer Lernprozesse sich so zu verändern, daß die emanzipativen Errungenschaften der bürgerlichen Ära bewahrt und ihre desaströsen Momente überwunden werden können. Das entspricht wohl ungefähr dem, was Marx sich unter einer sozialistischen Gesellschaft vorgestellt hat"

Was Marx von dieser uralten Form des "modernen Sozialismus" hielt, hat er allerdings bereits im Kommunistischen Manifest klar ausgesprochen: "Ein Teil der Bourgeoisie wünscht den sozialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern. Es gehören hierher: Ökonomisten, Philanthropen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohltätigkeitsorganisierer, Abschaffer der Tierquälerei, Mäßigkeits-vereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigsten Art. …… Die sozialistischen Bourgeois wollen die Lebensbedingungen der modernen Gesellschaft ohne die notwendig daraus hervor-gehenden Kämpfe und Gefahren. Sie wollen die bestehende Gesellschaft mit Abzug der sie revolutionierenden und sie auflösenden Elemente. …. Der Bourgeoissozialismus arbeitet diese tröstliche Vorstellung zu einem halben oder ganzen System aus. Wenn er das Proletariat auffordert, seine Systeme zu verwirklichen und in das neue Jerusalem einzugehen, so verlangt er im Grunde nur, daß es in der jetzigen Gesellschaft stehenbleibe, aber seine gehässigen Vor-stellungen von derselben abstreife.  Eine zweite, weniger systematische, nur mehr praktische Form d[ies]es Sozialismus suchte der Arbeiterklasse jede revolutionäre Bewegung zu verleiden durch den Nachweis, wie nicht diese oder jene politische Veränderung, sondern nur eine Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse, der ökonomischen Verhältnisse ihr von Nutzen sein könne. Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse versteht dieser Sozialismus aber keineswegs Abschaffung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse, die nur auf revolu-tionärem Wege möglich ist, sondern administrative Verbesserungen, die auf dem Boden dieser Produktionsverhältnisse vor sich gehen, also an dem Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit nichts ändern, sondern im besten Fall der Bourgeoisie die Kosten ihrer Herrschaft vermindern und ihren Staatshaushalt vereinfachen. Seinen entsprechenden Ausdruck erreicht der Bourgeois-sozialismus erst da, wo er zur bloßen rednerischen Figur wird.  (vgl. MEW Bd. 4, S. 488-489)

Die "Verwirklichung" des "modernen Sozialismus" des Gregor Gysi stand offenbar bereits vor mehr als 100 Jahren "auf der Tagesordnung" - es ist, als ob Marx und Engels das Programm dieses „Kämpfers für den Sozialismus“ und seiner modernen Mitstreiter schon damals in allen Winkelzügen gekannt hätten.

April 2007,
Wofgang Hoss,
Berlin

Politische Ökonomie des Sozialismus

Harpal Brar:
Die Wirtschaftsgeschichte der Sowjetunion von Mitte der 50er Jahre bis zum Ende - Grundrisse der ökonomischen Zerstörung des Sozialismus in der UdSSR[10]

UdSSR 1952: „Gegenwärtig existieren bei uns zwei grundlegende Formen der sozialistischen Produktion: die staatliche, volkseigene, und die kollektivwirtschaftliche, die man nicht als volks-eigene bezeichnen kann. In den staatlichen Betrieben sind die Pro­duktionsmittel und die Erzeugnisse der Produktion allgemeines Volkseigentum. In den kollektivwirtschaftlichen Betrie-ben hingegen sind, obwohl die Produktionsmit­tel (Boden, Maschinen) auch dem Staat gehören, die Erzeugnisse der Produktion jedoch Eigentum der einzelnen Kollektivwirtschaften, da es sich in den Kollektiv­wirtschaften sowohl um eigene Arbeit als auch um eigenes Saatgut handelt, wäh­rend die Kollektivwirtschaften über den Boden ... faktisch wie über ihr Eigentum verfügen, obwohl sie ihn weder verkaufen noch kaufen, weder verpachten noch ver­pfänden dürfen.

Dieser Umstand führt dazu, daß der Staat nur über die Erzeugnisse der staatlichen Betriebe verfügen kann, während über die kollektivwirtschaftlichen Erzeugnisse nur die Kollektivwirt-schaften als über ihr Eigentum verfügen. Aber die Kollektivwirt­schaften wollen ihre Produkte nicht anders als in Form von Waren veräußern, für die sie im Austausch die von ihnen benötig-ten Waren erhalten wollen. Andere ökono­mische Verbindungen mit der Stadt als Waren-beziehungen, als Austausch durch Kauf und Verkauf sind für die Kollektivwirtschaften gegen-wärtig nicht annehmbar. (...)

Wenn an die Stelle der zwei grundlegenden Produktionssektoren, des staatlichen und des kollek-tivwirtschaftlichen, ein allumfassender Produktionssektor mit dem Verfügungsrecht über alle Konsumgüter des Landes getreten sein wird, dann wird natürlich die Warenzirkulation mit ihrer 'Geldwirtschaft' als unnötiges Element der Volkswirtschaft verschwinden." (Ökonomische Pro-bleme des Sozialismus in der UdSSR, StALIN Werke, Bd. XV, Seiten 268-69)

Mit dem weiteren Wachstum des Sozialismus muß die Warenzirkulation durch ein System des Produktenaustauschs ersetzt werden. „Wir haben noch kein entwickeltes System des Pro-duktenaustauschs", sagt Stalin, „aber wir haben Keime des Produktenaustauschs... Die Aufgabe besteht darin, diese Kei­me des Produktenaustauschs in allen Zweigen der Landwirtschaft zu fördern, sie zu einem weitverzweigten System des Produktenaustauschs zu entwickeln, damit die Kollektivwirtschaften für ihre Erzeugnisse nicht nur Geld, sondern vor allem die not-wendigen Erzeugnisse erhalten. Ein solches System erfordert eine gewaltige Stei­gerung der von der Stadt an das Dorf gelieferten Produktion, deshalb sollte man es ohne Überstürzung, entsprechend der Anhäufung der von der Stadt hergestellten Erzeugnisse, einführen. Einführen muß man es jedoch unentwegt, ohne zu schwan­ken, indem man Schritt für Schritt den Wirkungsbereich der Warenzirkulation ein­engt und den Wirkungsbereich des Produkten-austauschs erweitert." (ebd., S. 342-43, Herv. d. H.B.)

Warum war Stalin gegen den Verkauf der grundlegenden Produktionsinstrumente an die Kol-chosen ?

Im folgenden beantworten wir die Frage, warum Stalin sich gegen den Vorschlag von Sanina und Wensher (zwei versteckt revisionistische Ökonomen, die nach 1956 offen Farbe bekannten) sträubte, die in den Maschinen-Traktoren-Stationen zusam­mengefaßten grundlegenden Produk-tionsinstrumente an die Kolchosen zu verkau­fen und sie damit in deren Eigentum übergehen zu lassen, den Staat so von notwendigen Kapitalinvestitionen in die Landwirtschaft zu entlasten und die Verantwortung für den Unterhalt und die Entwicklung der Maschinen-Traktoren-Stationen den Kolchosen selbst zu übertragen.

Stalins Argumente gegen den Vorschlag, die Maschinen-Traktoren-Stationen staatlicherseits an die Kolchosen zu verkaufen, sollte man sich angesichts ihrer Tragwei­te ins Gedächtnis rufen, denn erstens erlebte die sowjetische Landwirtschaft nach Stalins Tod eine erhebliche Schwä-chung und zweitens eine Rückentwicklung, die Degenerierung zum Kapitalismus - und nicht etwa die Anhebung der niederen Stufe des Kommunismus auf seine zweite, höhere Stufe.

Stalin betonte mit Nachdruck, daß - angesichts der Kollektivbewegung und der Aufbau-entwicklung der Kolchosen - der einzige Weg zur Sicherstellung einer höhe­ren Expansionsrate der Kolchosproduktion über die Konzentration der Produktions­instrumente in den Händen des Staates führt. So äußerte er sich zu diesem Punkt:

„Wir alle freuen uns über das kolossale Wachstum der landwirtschaftlichen Pro­duktion unseres Landes, über das Wachstum der Getreideproduktion, der Produkti­on von Baumwolle, Flachs, Zuckerrüben usw. Wo ist die Quelle dieses Wachstums? Die Quelle dieses Wachstums ist die moderne Technik, sind die zahlreichen moder­nen Maschinen, die für alle diese Produk-tionszweige arbeiten. Es handelt sich hier nicht nur um die Technik schlechthin, sondern darum, daß die Technik nicht auf der Stelle treten darf - sie muß sich ständig vervollkommnen -, daß die veraltete Tech­nik ausrangiert und durch eine moderne und die moderne wiederum durch die mo­dernste ersetzt werden muß. Anders ist das Vorwärtsschreiten unserer sozialistischen Land-wirtschaft undenkbar, sind weder die hohen Erträge noch der Überfluß an land­wirtschaftlichen Produkten denkbar. Aber was bedeutet es, Hunderttausende von Rädertraktoren auszurangieren und durch Raupentraktoren zu ersetzen, neue Ma­schinen für, sagen wir, technische Nutz-pflanzen zu schaffen? Das bedeutet Milliar­denausgaben, die sich erst in sechs bis acht Jahren bezahlt machen können. Können etwa unsere Kollektivwirtschaften diese Summen aufbringen, selbst wenn sie Mil­lionäre sind? Nein, das können sie nicht, weil sie nicht in der Lage sind, Milliarden auszugeben, die sich erst in sechs bis acht Jahren bezahlt machen können. Diese Ausgaben kann nur der Staat übernehmen, denn er - und nur er - ist in der Lage, die Verluste auf sich zu nehmen, die entstehen, wenn man die alten Maschinen ausran­giert und durch neue ersetzt, denn er - und nur er - ist in der Lage, diese Verluste sechs bis acht Jahre lang zu ertragen, um erst nach Ablauf dieser Zeit für die von ihm verausgabten Summen entschädigt zu werden.

Was bedeutet es nach alledem, wenn man fordert, daß die MTS den Kollektivwirt­schaften durch Verkauf übereignet werden? Das bedeutet den Kollektivwirtschaften große Verluste zufügen und sie ruinieren, die Mechanisierung der Landwirtschaft ge­fährden und das Tempo der kollek-tivwirtschaftlichen Produktion herabsetzen.

Daraus folgt: Mit ihrem Vorschlag, die MTS den Kollektivwirtschaften durch Ver­kauf zu über-eignen, machen die Genossen Sanina and Wensher einen Schritt zurück zur Rückständigkeit und versuchen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen." (ebd., Seiten 338-39)

„Nehmen wir einen Augenblick lang an, daß wir den Vorschlag der Genossen Sanina und Wensher akzeptiert und damit begonnen hätten, den Kollektivwirtschaf­ten durch Verkauf die Hauptproduktionsinstrumente, die Maschinen- und Trakto­renstationen, zu übereignen. Was würde sich daraus ergeben?

Daraus würde sich ergeben, daß erstens die Kollektivwirtschaften Eigentümer der Haupt-produktionsinstrumente würden, das heißt, sie würden eine Sonderstellung einnehmen, wie sie kein einziger Betrieb in unserem Lande einnimmt, denn bekannt­lich sind nicht einmal unsere nationalisierten Betriebe Eigentümer von Produktions-mstrumenten. Womit ließe sich diese Sonderstellung der Kollektivwirtschaften be­gründen, mit welchen Argumenten des Fortschritts und der Weiterentwicklung? Kann man etwa sagen, daß eine solche Stellung dazu beitragen würde, das kollektivwirt­schaftliche Eigentum auf das Niveau des allgemeinen Volkseigentums zu heben, daß sie den Übergang unserer Gesellschaft vom Sozialismus zum Kommunismus be­schleunigen würde? Wäre es nicht richtiger zu sagen, daß eine solche Stellung den Abstand zwischen kollektivwirtschaftlichem Eigentum und allgemeinem Völksei­gentum nur vergrößern und nicht zur Annäherung an den Kommunismus, sondern im Gegenteil dazu führen würde, daß man sich von ihm entfernt?

Daraus würde sich zweitens eine Erweiterung des Wirkungsbereichs der Waren­zirkulation ergeben, denn ungeheure Mengen von Produktionsinstrumenten der Land­wirtschaft würden in die Bahn der Warenzirkulation geraten. Was denken die Ge­nossen Sanina und Wensher: Kann die Erweiterung des Wirkungsbereichs der Wa­renzirkulation unsere Entwicklung zum Kommu-nismus fördern? Wäre es nicht rich­tiger zu sagen, daß sie unsere Entwicklung zum Kommu-nismus nur hemmen kann?

Der Hauptfehler der Genossen Sanina und Wensher besteht darin, daß sie die Rolle und die Bedeutung der Warenzirkulation im Sozialismus nicht begreifen, nicht begreifen, daß die Warenzirkulation mit der Perspektive des Übergangs vom Sozia­lismus zum Kommunismus unvereinbar ist. Sie glauben anscheinend, daß man auch bei der Warenzirkulation vom Sozia-lismus zum Kommunismus übergehen könne, daß die Warenzirkulation das nicht verhindern könne. Das ist ein großer Irrtum, der dadurch entstanden ist, daß man den Marxismus nicht ver-standen hat.2

Und hier Stalins marxistisch-leninistischer Plan für die Hebung des Kollektivei­gentums auf die Gemeineigentumsstufe, die ihrerseits die Grundlagen für die Elimi­nierung des Marktes schafft (für das Absterben der Warenproduktion und Warenzir­kulation, des Wertes und seiner Formen sowie des Wertgesetzes):

„Was muß nun letzten Endes unternommen werden, um das kollektivwirtschaftli­che Eigentum auf das Niveau des allgemeinen Volkseigentums zu heben?

Die Kollektivwirtschaft ist kein gewöhnlicher Betrieb. Die Kollektivwirtschaft arbeitet auf Boden und bearbeitet Boden, der schon längst allgemeines Volkseigen­tum und nicht kollek-tivwirtschaftliches Eigentum ist. Folglich ist die Kollektivwirt­schaft nicht Eigentümer des von ihr bearbeiteten Bodens.

Weiter: Die Kollektivwirtschaft arbeitet mit Hauptproduktionsinstrumenten, die nicht kollektiv-wirtschaftliches Eigentum, sondern allgemeines Volkseigentum sind. Folg­lich ist die Kollek-tivwirtschaft nicht Eigentümer der Hauptproduktionsinstrumente.

Weiter: Die Kollektivwirtschaft ist ein genossenschaftlicher Betrieb, bedient sich der Arbeit ihrer Mitglieder und verteilt die Einkünfte unter die Mitglieder nach Ta­gewerken, wobei die Kollektivwirtschaft über eigenes Saatgut verfügt, das jährlich erneuert und für die Produktion verwendet wird.

Es fragt sich: Was besitzt die Kollektivwirtschaft eigentlich, welches ist das kol­lektiv-wirt-schaftliche Eigentum, über das sie völlig frei, nach eigenem Ermessen ver­fügen kann? Ein solches Eigentum sind die Erzeugnisse der Kollektivwirtschaft, die Erzeugnisse der kollektiv-wirtschaftlichen Produktion: Getreide, Fleisch, Fett, Ge­müse, Baumwolle, Rüben, Flachs usw., nicht gerechnet die Gebäude und die persön­liche Wirtschaft der Kollektivbauern auf dem Hofland. Es ist so, daß ein erheblicher Teil dieser Erzeugnisse, die Überschüsse der kollektivwirtschaftlichen Produktion, auf den Markt gelangen und auf diese Weise in das System der Warenzirkulation einbezogen werden. Eben dieser Umstand ist es jetzt auch, der der Hebung des kol­lektivwirtschaftlichen Eigentums auf das Niveau des allgemeinen Volkseigentums hinderlich im Wege steht. Deshalb muß man gerade von dieser Seite her die Arbeit zur Hebung des kollektivwirtschaftlichen Eigentums auf das Niveau des allgemei­nen Volkseigentums entfalten.

Um das kollektivwirtschaftliche Eigentum auf das Niveau des allgemeinen Volks­eigentums zu heben, muß man die Überschüsse der kollektivwirtschaftlichen Pro­duktion aus dem System der Warenzirkulation herausziehen und in das System des Produktenaustauschs zwischen der staat-lichen Industrie und den Kollektivwirtschaf­ten einbeziehen. Das ist das Wesentliche." (ebd., Seiten 341-42, Herv. d. H.B.)

Nach dem Tode Stalins übergaben die Chruschtschow-Revisionisten die Maschi­nen-Traktoren-Stationen aufgrund der Vorschläge Wenshers den Kolchosen, was mit einem Schlag die sow-jetische Landwirtschaft durch die verlangsamte Produktions­entwicklung der Kolchosen, wie Stalin voraussagte, untergrub und die Sphäre der Warenzirkulation in riesigem Umfange ausdehnte. Dabei wurde „eine gigantische Masse landwirtschaftlicher Produktionsinstrumente" in Umlauf gebracht, eben wie Stalin im voraus warnte. Diese revisionistische Maßnahme drehte das Rad der Ge­schichte wahrhaftig zurück; die imperialistische Bourgeoisie war vollauf befriedigt (so auch die käuflichen Trotzkisten, ihres Zeichens „Markt-Sozialisten") - und sie äußerte ihre Befriedigung mit hämischer Schadenfreude.

Während Stalin die orthodoxe marxistische Position behauptete, die Unverein­barkeit der Waren-produktion und Warenzirkulation sowie des Marktes mit dem Kom­munismus und daher die Ab-schaffung des Marktes als eine der wesentlichen Aufga­ben des Sozialismus vertrat, glaubte der Revisionismus - im Kielwasser solcher bürgerlicher Ökonomen wie von Mises und Brutzkus - ganz im Gegenteil an einen ..Markt-Sozialismus". Nach der revisionistischen Theorie ist die fortdauernde Exi­stenz der Warenbeziehungen unter dem Sozialismus nicht bloß ein Erbe des Kapita­lismus, das die unvollkommene Kapitalismusentwicklung in einer der Arbeiterklas­se überkommenen Ökonomie darstellt, sondern eine der sozialistischen Ökonomie innewohnende Notwendigkeit, welche nicht bloß das Weiterbestehen des Marktes erfordert, sondern auch dessen Expansion. Während der orthodoxe Marxismus die Auffassung vertritt, daß der Kapita-lismus die höchste Form der Warenproduktion ist, tragen die revisionistischen Ökonomen die Ansicht vor, daß der Kapitalismus lediglich die Warenproduktion vererbe und es die Aufgabe des Sozialismus sei, die Warenproduktion auf den höchsten Entwicklungsstand anzuheben, um den Markt von den Verzerrungen, die ihm unter dem Kapitalismus widerfahren seien, zu „reini­gen" und zu „befreien".

Bürgerliche Ansichten zur politischen Ökonomie wurden hauptsächlich in sowje­tischen Fach-zeitschriften für Ökonomie geäußert, überdies in einer gleichzeitig weit­schweifigen und schwerfälligen Sprache - jedenfalls bis mit dem Erscheinen Gor­batschows die Quantität der Zeit ihren qualitativen Umschlag erfuhr, bürgerliche Ideen nunmehr in allen Sphären des Lebens offener, freimütiger, häufiger und mas­senhaft zum Ausdruck kamen (das Feld der politischen Ökonomie eingeschlossen). In der Zeit vor Gorbatschow bildeten tschechische revisionistische Theoretiker, hier besonders Ota Sik, eine Ausnahme von dieser Regel. Ohne Umschweife und offen verbreiteten sie ihre bürgerlichen Ideen. Ihr Eintreten für einen „Markt-Sozialis­mus" unterscheidet sich aufgrund der (zu jener Zeit) größeren Ausdehnung des Marktes in der Tschechoslowakei durch seine Ausdrucksklarheit von demjenigen ihrer sowjetischen Eben-bilder, die mit ganz besonderer Vorsicht und zitternder Hand zu Werke gehen mußten, weil die damalige offizielle Ideologie noch der Marxismus war. Deshalb die obskure Sprache der revisionistischen Wirtschaftstheoretiker in der Sowjetunion der späten 50er und 60er Jahre - eine Sprache, die nur von ihren Schöpfern verstanden werden kann.

In diesem Falle beginnen wir mit einem Zitat von Ota Sik, dem man es schließlich lassen muß, von all diesen Wirtschaftstheoretikern des Revisionismus die wohl gründlichste Auslegung des „Markt-Sozialismus" ge­geben zu haben. Sik sagt, daß Stalin „schwerwiegende theoretische Fehler... began­gen hat, die in hohem Maße dem damaligen Zustand der Ökonomie entsprangen ... Er stellte die Theorie auf, daß Ware-Geld-Beziehungen ihrem Wesen nach ein frem­des Element in einer sozialistischen Ökonomie darstellten, welche sie nur deswegen erdulden müsse, weil ihre Existenz ihr durch die kooperativen Formen des soziali­stischen Eigentums [d.h. durch die kollektiven Landwirtschaften] aufgezwungen sei; und welche er als niedere Formen betrachtete, in denen sozialistische Prinzipien unzulänglich verkörpert seien.

Er glaubte, daß es für das Rechnen mit und Registrieren von Werten im sozialisti­schen Staats-sektor nur hinsichtlich äußerer Beziehungen Raum geben könne (mit Kooperativen und anderen Ländern) und daß zwischen sozialistischen Staatsbetrie­ben keine wirklichen Ware-Geld-Bezie-hungen existieren könnten ... Diese Theorie Stalins, an der zu seinen Lebzeiten strikt festgehalten wurde und die immer noch weitestgehend praktiziert wird, wurde zu einem tief verwurzelten Dogma mit schwe­ren Konsequenzen für das sozialistische Wirtschaftswachstum." (Ota Sik, Socialist Market Relations and Planning included in: Socialism, Capitalism and Economic Growth: Essays Presented to M. Daub [Sozialistische Marktbeziehungen und Pla­nung, aus: Sozialismus, Kapitalismus und Wirtschaftswachstum], Cambridge Uni-versity Press, 1967)

Gemäß diesem Gelehrten des Revisionismus wäre also der Markt nicht nur eine Hinter-lassenschaft des Kapitalismus und es sei auch nicht die Aufgabe des Sozialis­mus, ihn zu beseitigen. Im Gegenteil, so sagt er, gäbe es „in einer sozialistischen Ökonomie" eine „objektive Notwendigkeit für die Existenz von Ware-Geld-Bezie­hungen und den Markt", und zwar wegen der „Unmöglichkeit, ökonomische Kon­flikte zu lösen, wenn diese Beziehungen durch die alte Methode der administrativen Planung beschränkt oder unterdrückt werden. Marktverhältnisse erklären sich durch ... die inneren Widersprüche sozialistischer Arbeit auf einer gegebenen Stufe der Produktivkraftentwicklung - und deshalb" sei „im Rahmen der sozialistischen Pla­nung der Markt eine notwendige ökonomische Form zur Lösung dieser Widersprü­che." (ebd., S. 148)

Siks Ebenbilder in der Sowjetunion hatten ähnliche Ansichten in den 50er und 60er Jahren geäußert. Der dem verehrten Leser bereits wohlbekannte Wensher schrieb 1958:

„Sozialistische Warenproduktion ist eine Warenproduktion besonderer Art, deren Entwicklung direkt mit der Stärkung und Ausdehnung der Ware-Geld-Beziehungen und mit dem allmäh-lichen Absterben der natürlichen ökonomischen Verhältnisse verbunden ist. Wegen der gesell-schaftlichen Vielgestaltigkeit behält die Arbeit un­ter dem Sozialismus ihren Doppelcharakter, und die durch die Arbeit erschaffenen Güter werden gemäß der in ihnen vergegenständlichten Summe abstrakter Arbeit ausgetauscht. Deswegen besitzen alle Produkte eine Warenform.

Sozialistische Produktion ist im Maßstab der gesamten Volkswirtschaft geplante Warenpro-duktion auf hoher Stufenleiter.

Sozialistischer Austausch wird auf der Basis des Wertgesetzes realisiert." (Wa­renproduktion im Sozialismus und die Kollektivwirtschaften, Woprosy Ekonomiki, August 1958)

„Unter dem Sozialismus werden Produkte und Dienstleistungen ebenfalls als Waren hervor-gebracht und gleichfalls für Geld verkauft." (B.G. Liberman, Flirten wir mit dem Kapitalismus? Nutzen und „Profite", Sowjetisches Leben, Juli 1965)

Die Schriften dieser revisionistischen Ökonomen - Wenshers, Libermans, Siks und etlicher mehr - sind nichts anderes, als die in ,Marxscher' Ausdrucksweise wiederholten Behauptungen bürger-licher politischer Ökonomie (einschließlich der­jenigen der Trotzkisten), daß effiziente ökono-mische Rechnungsführung ohne Markt andenkbar sei. Da wir wissen, daß der Marxsche Sozia-lismus - und es gibt keinen anderen Sozialismus - die Aufhebung des Marktes, die Aufhebung der Warenpro­duktion und Warenzirkulation anstrebt, ist dies nur ein anderer Weg zu sagen, der Marxsche Sozialismus sei eine utopische Unmöglichkeit, der Kapitalismus hinge­gen die höchste Stufe menschlicher Gesellschaftsentwicklung und unmöglich nur eine vorübergehende Gesell-schaftsform.

Um ihre Theorie von einem „Markt-Sozialismus" unter die Leute bringen zu kön­nen, mußten sich revisionistische Wirtschaftstheoretiker einer vollständigen Ent­stellung und Revision der Marxschen politischen Ökonomie widmen, insbesonde­re der Marxschen Lehre vom Charakter der Waren und der Warenproduktion; die Angriffe auf Stalin dienten nur als eine Ablenkung von dieser Verfälschung.

Engels definiert Waren als Gegenstände, „die innerhalb einer aus Privatproduzen­ten beste-henden Gesellschaft, von diesen Privatproduzenten für Privatrechnung pro­duziert und gegen-einander ausgetauscht werden." (Anti-Dühring, BML, S. 183)

„Gebrauchsgegenstände werden überhaupt nur Waren, weil sie Produkte vonein­ander unab-hängig betriebner Privatarbeiten sind." (MEW, Bd. XXIII, S. 87)

Mit Blick auf die obigen Zitate wird völlig klar, daß nach der marxistischen Lehre die Produkte sich nur dann in Waren verwandeln, wenn sie von Privatproduzenten hergestellt werden, und zwar „nicht für den Selbstverbrauch, sondern für den Ver­brauch durch andre, also für den gesellschaftlichen Verbrauch. Sie treten ein in den gesellschaftlichen Verbrauch durch den Austausch". Da es nach Marx und Engels die Aufgabe des Sozialis­mus ist, die Warenproduktion zu beseitigen, leuchtet es ein, daß sie nicht etwa die Theorie eines „Markt-Sozialismus" stützten - also eines Sozialismus, der auf der Warenproduktion basieren soll. Sie wandten sich vehement gegen die Vertreter die­ser Theorie, namentlich gegen Proudhon und Dühring (siehe Marx, „Das Elend der Philosophie" in Widerlegung des ersteren und Engels, „Anti-Dühring" in Widerle­gung des zweiten).

Folgendes sagte Engels zu diesem Punkt:

„Die unmittelbar gesellschaftliche Produktion wie die direkte Verteilung schlie­ßen allen Waren-austausch aus, also auch die Verwandlung der Produkte in Waren (wenigstens innerhalb der Gemeinde), und damit auch ihre Verwandlung in Werte.

Sobald die Gesellschaft sich in den Besitz der Produktionsmittel setzt und sie in unmittelbarer Vergesellschaftung zur Produktion verwendet, wird die Arbeit eines jeden, wie verschieden auch ihr spezifisch nützlicher Charakter sei, von vornherein und direkt gesellschaftliche Arbeit. Die in einem Produkt steckende Menge gesell­schaftlicher Arbeit braucht dann nicht erst auf einem Umweg festgestellt zu werden; die tägliche Erfahrung zeigt direkt an, wieviel davon im Durchschnitt nötig ist. Die Gesellschaft kann einfach berechnen, wieviel Arbeitsstunden in einer Dampfma­schine, einem Hektoliter Weizen der letzten Ernte, in hundert Quadratmeter Tuch von bestimmter Qualität stecken. Es kann ihr also nicht einfallen, die in den Produk­ten nieder-gelegten Arbeitsquanta, die sie alsdann direkt und absolut kennt, noch fernerhin in einem nur relativen, schwankenden, unzulänglichen, früher als Notbe­helf unvermeidlichen Maß, in einem dritten Produkt auszudrücken und nicht in ih­rem natürlichen, adäquaten, absoluten Maß, der Zeit." (ebd., S. 288, Herv. wie im Original)

„ ...jede auf Warenproduktion beruhende Gesellschaft hat das Eigentümliche, daß in ihr die Produzenten die Herrschaft über ihre eignen gesellschaftlichen Beziehun­gen verloren haben ... Aber die Warenproduktion, wie jede andre Produktionsform, hat ihre eigentümlichen, inhärenten, von ihr untrennbaren Gesetze; und diese Geset­ze setzen sich durch, trotz der Anarchie, in ihr, durch sie. Sie kommen zum Vor­schein in der einzigen fortbestehenden Form des gesellschaftlichen Zusammenhangs, im Austausch, und machen sich geltend gegenüber den einzelnen Produzenten als Zwangsgesetze der Konkurrenz. Sie sind diesen Produzenten also anfangs selbst unbekannt und müssen erst durch lange Erfahrung nach und nach von ihnen ent­deckt werden. Sie setzen sich also durch ohne die Produzenten und gegen die Produ­zenten, als blindwirkende Naturgesetze ihrer Produktionsform. Das Produkt be­herrscht die Produzenten." (Anti-Dühring, S. 253)

Wie der „Markt-Sozialismus" das Konzept der „sozialistischen Werts" als grundle­gende Kom-ponente benötigt, so braucht er das Konzept des „sozialistischen Werts" und des „sozialistischen Wertgesetzes", das in der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft durch die Kategorien der „sozialistischen" Rente, Zins und Profit un­terstützt wird.

„'Ware', 'Geld', 'Preis', 'Profit' und andere Kategorien der sozialistischen Öko­nomie ... sind sozialistischen Produktionsverhältnissen inhärent, sind unveräußer­lich mit ihnen verbunden." Jedoch: „Unter dem Sozialismus sprechen wir von einem Gesetz der Ware-Geld-Beziehungen und von einem Wertgesetz - mit einem gesell­schaftlichen Inhalt und einer gesellschaftlichen Rolle, die sich gänzlich von denen unter dem Kapitalismus unterscheiden, von einem Wertgesetz und Ware-Geld-Be­ziehungen, derengleichen niemals zuvor in der Geschichte existierten." (Sowjetskije Nowosti, Nr. 9, April 1964, Nachdruck aus der Prawda)

Liberman schrieb:

„Die Bedeutung des Profits in der Sowjetunion wurde aufgrund einer gewissen Mißachtung des Wertgesetzes unterschätzt. Manche sowjetischen Ökonomen hiel­ten das Gesetz fälschlicher-weise für eine unangenehme Hinterlassenschaft des Ka­pitalismus und meinten, wir müßten es so schnell wie möglich loswerden." Aber das ..Wertgesetz ist nicht ein Gesetz des Kapitalismus, sondern das Gesetz jeglicher Warenproduktion, einschließlich der geplanten Warenproduktion im Sozialismus."

Der einzige Unterschied zwischen diesem „sozialistischen Wertgesetz" und dem­jenigen, wel-ches unter dem Kapitalismus wirkte, bestünde darin, so wird uns er­klärt, daß das erstere frei von den Verzerrungen des „kapitalistischen Wertgesetzes" sei. Dieses gereinigte „sozialistische Wertgesetz" sei Marx und Engels völlig bekannt gewesen. Hier nun das, was Engels zu diesem Punkte im „Anti-Dühring" zu sagen hatte:

„Die kapitalistische Produktionsform abschaffen wollen durch Herstellung des wahren Werts', heißt daher den Katholizismus abschaffen wollen durch die Her­stellung des 'wahren' Papstes oder eine Gesellschaft, in der die Produzenten endlich einmal ihr Produkt beherrschen, her-stellen durch konsequente Durchführung einer ökonomischen Kategorie, die der umfassendste Ausdruck der Knechtung der Produ­zenten durch ihr eigenes Produkt ist." (ebd., S. 289)

„ ... das Wertgesetz, ist das Grundgesetz grade der Warenproduktion, also auch jer höchsten Form derselben, der kapitalistischen Produktion. Es setzt sich in der heutigen Gesellschaft durch in derselben Weise, in der allein ökonomische Gesetze einer Gesellschaft von Privat-produzenten sich durchsetzen können: als in den Dingen und Verhältnissen liegendes, vom Wollen oder Laufen der Produzenten un­abhängiges .... Indem Herr Dühring dies Gesetz zum Grundgesetz seiner Wirtschaftskommune erhebt und verlangt, daß diese es mit vollem Bewußtsein durchführen soll, macht er das Grundgesetz der bestehenden Gesellschaft zum Grundgesetz sei­ner Phantasiegesellschaft. Er will die bestehende Gesellschaft, aber ohne ihre Miß­stände. Er bewegt sich dabei ganz auf demselben Boden wie Proudhon. Wie dieser will er die Mißstände, die aus der Entwicklung der Warenproduktion zur kapitalisti­schen Produktion entstanden sind, beseitigen, indem er ihnen gegenüber das Grund­gesetz der Warenproduktion geltend macht, dessen Betätigung grade diese Mißstän­de erzeugt hat. Wie Proudhon will er die wirklichen Konsequenzen des Wertgeset­zes aufheben durch phantastische, (ebd., S. 291)

Stalin vertrat die Marxsche Position des Wertgesetzes und sagte:

„Der Wert ist, wie auch das Wertgesetz, eine historische Kategorie, die mit der Existenz der Warenproduktion verbunden ist. Mit dem Verschwinden der Waren­produktion verschwinden auch der Wert mit seinen Formen und das Wertgesetz." (Die Frage des Wertgesetzes im Sozialismus, Ökonomische Probleme ..., Werke, Bd. XV, S. 274)

„Ökonomische Reformen", welche die Revisionisten nach Stalins Tod in Kraft setzten, wurden in ähnlicher Art auch zu Lebzeiten Stalins vertreten und man suchte sie auch zu verwirklichen. Der Staranwalt dieser Reformen - obwohl nicht der ein­zige - war Nikolaj Wosnessenski, der 1947 ein Buch unter dem Titel „Die Kriegsökonomie der UdSSR während der Periode des Großen Vaterländischen Krieges" veröffentlichte. In diesem Buch behauptete er, daß das Wertgesetz als ein Regulator der Produktion in der UdSSR funktioniere (er meinte zumindest, es müsse funktio­nieren), soll heißen, daß es die Verteilungsverhältnisse der Arbeit zwischen den ver­schiedenen Wirtschaftszweigen bestimme - je rentabler ein Betrieb, desto mehr Ar­beit und Investitionen würde angezogen werden. Er trat deshalb dafür ein, daß die Warenpreise ihren Wert widerspiegeln sollten (die Produktionspreise), und bei der Organisation der Produktion legte er großen Wert auf „Kostenrechnung", die auf der Rentabilität individueller Betriebe und Industrien beruhen sollte, desgleichen auf materiellen Anreizen wie Zuschläge und höhere Löhne für die Belegschaften in ein­zelnen Betrieben.

Wosnessenskis Thesen waren durchaus nicht nur von akademischem Interesse. Er nutzte seine Position als Vorsitzender der Staatlichen Plankommission und erfreute sich beträchtlicher Rückendeckung seitens höchster Ränge in Partei und Staat sowie einer erklecklichen Zahl hoher Ökonomen wie Gatowski und Leontjew, die öffent­lich seine Behauptungen stützten (und die gleichfalls durch die energische Unter­stützung der Thesen Libermans an der Durchführung ähnlicher „ökonomischer Re­formen" während der Breshnew-Jahre mitwirkten). Wosnessenski ging daran, eine „ökonomische Reform" einzuführen, um seinen Thesen Taten folgen zu lassen. Un­ter dieser „Reform", die am 1. Januar 1949 in Kraft trat, wurden die Großhandels­preise zwecks Anpassung an ihre Werte (oder Produktionspreise - Kostpreis plus einer Durch-schnittsprofitrate) neu festgesetzt - mit dem Resultat, daß sich die Preise vieler grundlegender Produkte über Nacht verdoppelten oder verdreifachten. Inner­halb weniger Wochen nach Ein-führung der „ökonomischen Reformen" von Wos­nessenski schlugen seine Opponenten unter der Führung Stalins zurück. Anfang März 1949 wurde Wosnessenski seines Amtes als Vorsitzender der Staatlichen Plankom­mission enthoben und im Juli 1949 auch aus der Partei ausgeschlossen. Ende 1949 wurde Wosnessenski übrigens zusammen mit ein paar anderen verhaftet und 1950 in seinem Fall unter anderem angeklagt, geheime Papiere der Staatlichen Plankommis­sion an einen fremden Staat weitergegeben zu haben. Einige der Angeklagten im Zusammenhang mit dieser später als „Leningrader Affaire" bekannt gewordenen Sache, darunter Wosnessenski, wurden zum Tode verurteilt und am 30. September hingerichtet. Wosnessenskis „ökonomische Reform" aus dem Jahre 1949 wur­de in zwei Stufen zurückgenommen - am 1. Januar und am 1. Juli 1950.

Stalin widerlegte die Behauptungen Wosnessenskis öffentlich, ohne ihn nament­lich zu er-wähnen; in seinem letzten, unsterblichen Werk tat er dies mit folgenden Worten:

„Mitunter wird die Frage gestellt: Besteht und wirkt bei uns, in unserer sozialisti­schen Ordnung, das Wertgesetz?

Ja, es besteht und wirkt. Dort, wo es Waren und Warenproduktion gibt, muß es auch das Wertgesetz geben." (ebd., S. 271) (…)

Bedeutet dies alles jedoch, daß die Wirkungen des Wertgesetzes bei uns den gleichen Spielraum haben wie im Kapitalismus, daß das Wertgesetz bei uns der Re­gulator der Produktion ist? Nein, das bedeutet es nicht. In der Tat ist der Wirkungs­bereich des Wertgesetzes in unserer ökonomischen Ordnung streng begrenzt, sind diesem Wirkungsbereich Schranken gesetzt. Es wurde bereits gesagt, daß der Wir­kungsbereich der Warenproduktion in unserer Ordnung begrenzt ist und ihm Schran­ken gesetzt sind. Das gleiche muß über den Wirkungsbereich des Wertgesetzes ge­sagt werden. Ohne Zweifel muß das Fehlen des Privateigentums an Produk-tionsmit­teln und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel sowohl in der Stadt als auch auf dem Lande den Wirkungsbereich des Wertgesetzes und seine Einwirkung auf die Produktion einschränken." (ebd., S. 273)

„Völlig falsch ist auch die Behauptung, daß in unserer gegenwärtigen Ordnung... das Wertgesetz angeblich die 'Proportionen' der Verteilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Produktions-zweigen reguliere.

Wenn das stimmte, dann ist es unverständlich, warum bei uns nicht die Leichtin­dustrie als die rentabelste mit aller Macht entwickelt wird, warum ihr nicht der Vor­rang gegeben wird vor der Schwerindustrie, die oftmals weniger rentabel und bis­weilen überhaupt nicht rentabel ist.

Wenn das stimmte, dann ist es unverständlich, warum bei uns eine Reihe vorläu­fig noch unrentabler Betriebe der Schwerindustrie ... nicht geschlossen wird und nicht neue Betriebe der zweifellos rentablen Leichtindustrie eröffnet werden ...

Wenn das stimmte, dann ist es unverständlich, warum bei uns die Arbeiter aus den wenig rentablen, aber für die Volkswirtschaft sehr notwendigen Betrieben nicht in rentablere Betriebe übergeführt werden im Einklang mit dem Wertgesetz, das an­geblich die 'Proportion' der Verteilung der Arbeit zwischen den Produktionszwei­gen reguliert. (...)

(D)as Wertgesetz [kann] nur im Kapitalismus ... Regulator der Produktion sein.(...)

Wenn man die Rentabilität nicht vom Standpunkt einzelner Betriebe oder Pro­duktionszweige betrachtet und nicht den Maßstab eines Jahres anlegt, sondern sie vom Standpunkt der gesamten Volkswirtschaft betrachtet und den Maßstab von etwa 10 bis 15 Jahren anlegt, was die einzig richtige Fragestellung wäre, dann steht die zeitweilige und labile Rentabilität einzelner Betriebe oder Produktionszweige in gar keinem Vergleich zu der höheren Form der sicheren und ständigen Rentabilität, die uns die Wirkung des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft und die Planung der Volkswirtschaft gewährleisten, indem sie uns vor den periodi­schen Wirtschaftskrisen, die die Volkswirtschaft zerrütten und der Gesellschaft ge­waltigen materiellen Schaden zufügen, bewahren und uns das ununterbrochene au­ßerordentlich schnelle Wachstum der Volkswirtschaft sichern." (ebd., Seiten 275-76)

Bald nach der Veröffentlichung von Stalins Schrift „Ökonomische Probleme ..." erschien ein von Michail Suslow verfaßter Artikel in der Prawda. Die Zeitung zitier­te zum erstenmal aus einem Beschluß des Zentralkomitees, der drei Jahre zuvor im Zusammenhang mit der „Lenin-grader Affaire" gefaßt wurde - und in dem (wieder­um zum erstenmal) bei namentlicher Erwähnung Wosnessenskis Thesen als revisio­nistisch gebrandmarkt wurden:

 „Diese Broschüre von Wosnessenski [„Die Kriegsökonomie der UdSSR..."] ver­fehlte völlig die Lösung der Probleme der politischen Ökonomie des Sozialismus und stellte ein Durcheinander voluntaristischer Anschauungen bezüglich der Rolle dar, welche die Pläne und der Staat in der sowjetischen Gesellschaft zu spielen hät­ten, sowie einen Wertgesetz-Fetischismus, nach dem das Wertgesetz angeblich die Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Sektoren der Volks-wirtschaft der UdSSR beherrsche." (M. Suslow in der Prawda vom 24. Dezember 1952)

Der Artikelveröffentlichung von Suslow folgte eine intensive ideologische Kam­pagne, die gegen die Thesen Wosnessenskis gerichtet war. Vom 9. - 11. Januar ka­men annähernd 1000 Ökonomen zu einer Konferenz zusammen, auf der die Irrtümer jener Berufskollegen verurteilt wurden, welche die Behauptungen Wosnessenskis unterstützt hatten. Ein Leitartikel in der Prawda verglich den Kampf gegen die Wosnessenski-Thesen mit jenem, der gegen „ ... die trotzkistischen Abenteurer und die rechten Kapitulanten" geführt wurde. (Prawda, 12. Januar 1953)

Am 28. Januar benannte die Zeitschrift „Kommunist" eine Reihe von Ökonomen und Philo-sophen und rügte sie öffentlich, da sie die Wosnessenski-Thesen unter­stützt hatten.

Nach dem Tode Stalins am 5. März 1953 kam die Kampagne gegen die Thesen Wosnessenskis zu einem abrupten Stillstand. Auf dem XX. Parteitag, vier Jahre nach Stalins Tod, fühlten sich Chruschtschow-Revisionisten stark genug, Stalin der „Er­mordung" vieler „guter Kommunisten" zu beschuldigen, charakterisierten Wosnes­senski und Kusnezow als „ ... talentierte und bedeutende Führer" und rehabilitierten die Verurteilten der „Leningrader Affaire", welche selbst wiederum als Fälschung dargestellt wurde (siehe Chruschtschows Geheimrede auf dem XX. Parteitag).

Ökonomen wie Evsei Liberman wurden darauf angesetzt, eine Kampagne für „Wirt-schaftreformen" zu betreiben, die in wachsendem Maße Beifall von offizi­eller Seite bekamen. Abgesehen von der oben bereits erwähnten Übergabe der Ma­schinen-Traktoren-Stationen an die Kollektivwirtschaften und dem damit verbun­denen breiten Anwachsen der Warenzir-kulationssphäre durch das Einbringen riesi­ger Mengen landwirtschaftlicher Produktions-instrumente in den Umlauf, führte die Chruschtschow-Administration 1964 ein Pilotprojekt ein, durch welches man die ..ökonomischen Reformen" auf experimenteller Basis auf zwei Beklei-dungsfabri­ken anwandte.

Obwohl Chruschtschow im Oktober 1964 gestürzt wurde und seine Nachfolger - Breshnew und Kossygin - ihn auf eine Null reduzierten, warfen sie dennoch nicht die „ökonomischen Reformen" über Bord, die während der Chruschtschow-Jahre eingeleitet wurden. Sie wurden im Gegenteil in großem Umfange intensiviert und untergruben zu gegebener Zeit die sozialistische Grundlage der sowjetischen Ge­sellschaft durch die systematische Anwendung bürgerlicher Normen: Profit als Pro­duktionsregulator, die Preisreform, durch welche die Preise in erhöhtem Maße die Werte (Produktionspreise) widerspiegeln sollten, die verstärkte Betonung materiel­ler Anreize und die Rentabilität und „Unabhängigkeit" individueller Betriebe, die für den Markt produzierten und deren Produkte sich im Markt als Waren gegenüber­standen. Dies untergrub die Zentralplanung und machte sie mit der Zeit bedeutungs­los. Sobald in der Produktion der Warenform die Vorherrschaft überlassen wird, sind die einzigen ökonomischen Gesetze und Kategorien, die noch irgendeinen öko­nomischen Sinn machen, diejenigen der Gesetze und Kategorien des Kapitalismus. Jedes Produktionssystem hat seine eigenen, von ihm untrennbaren Gesetze. Wenn man davon ausgeht, daß der Sozialismus ein System der Warenproduktion ist, wie es die Revisionisten tun, bekommen die Advokaten der „Reformen" Recht und einen vernünftigen Grund für die Realisierung eines funktionierenden Marktes. In der UdSSR jedoch, mit ihrer fünfundzwanzigjährigen Geschichte der Wirtschaftspla­nung, konnte 1956 ein voll funktionsfähiger Markt nicht plötzlich entstehen. Das wäre nicht nur ein politisches Ding der Unmöglichkeit gewesen, sondern auch eine ökonomische Unmöglichkeit. Wäre die umfassend zentralisierte Planwirtschaft über Nacht abgeschafft und wären alle Beschränkungen für den Markt aufgehoben wor­den, wäre das Ergebnis der ökonomische Kollaps gewesen - und nicht ein funktio­nierender Markt. Um also einen funktionierenden Markt hervorzubringen, mußte der Markt umsichtig wiederaufgebaut werden:

„In einem derart umfangreichen und komplizierten Organismus wie der sowjetischen Volks-wirtschaft wäre es ausgeschlossen,... radikale Änderungen im Preisbil­dungssystem einzuführen, bis nicht ein neues System in allen Einzelheiten ausgear­beitet und getestet worden ist. Und vielleicht sollte der gesamte Übergang allmäh­lich vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen und die Bedin­gungen dafür reif sind." (S. Perwuschkin, Das Wertgesetz und die Preise, Planwirt­schaft, 1961, Nr. 7)

Mit diesem Ziel im Hinterkopf machten sich die Revisionisten an die Arbeit, um stufenweise die Bedingungen für einen funktionierenden Markt zu schaffen. Während sie vorgaben, ihre „Wirt-schaftsreformen" zielten auf die Konsolidierung der Zentral­planung ab, eröffneten die Revisionisten ein wahres propagandistisches Sperrfeuer und denunzierten die zentrale Wirt-schaftsplanung als „bürokratisch", „restriktiv", „ver­altet" und - natürlich - als Resultat der „Stalinschen Verzerrung des Sozialismus":

„Diese Unzulänglichkeiten in der Wirtschaftsleitung sollten nicht dadurch besei­tigt werden, daß die Planung weiter verkompliziert, detaillierter und noch zentralistischer wird, sondern durch Entwicklung der ökonomischen Initiative und Unab­hängigkeit der Betriebe ... Den Betrieben muß eine breitere Initiative ermöglicht werden; sie dürfen nicht durch kleinliche Gängelei und bürokratische Planungsme­thoden durch das Zentrum gefesselt werden." (E.G. Liberman, Kostenrechnung und materieller Anreiz für Industriebelegschaften, Woprosy Ekonomiki, Nr. 6, 1955)

„Stalin ... der ökonomische Instrumente der Wirtschaftsleitung durch nackte Be­fehlsverwaltung ersetzte ... Die Vorschriften für die finanzielle Ressourcen Verwendung der Betriebe sollten dort aufgehoben werden, wo sie ausufern und ins einzelne gehen, und den Betrieben sollte mehr Gelegenheit gegeben werden, mit diesen Ressourcen zu manövrieren." (L. Gatowski, Die Rolle des Profits in einer sozialistischen Ökonomie, Kommunist, Nr. 18, 1962)

Die „Wirtschaftsreform" von 1965 und die Unterminierung der Zentralplanung Nach diesem Propagandafeuer gegen die Zentralplanung beschloß das Zentralkomi­tee offiziell die „Wirt-schaftsreform" vom September 1969:

„Ein ernster Mangel der industriellen Leitung ist die Tatsache, daß an die Stelle ökonomischer Notwendigkeiten administrative Methoden getreten sind ... Die Be­fugnisse der Betriebe hin-sichtlich ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit sind begrenzt.

Die Arbeit der Betriebe ist durch zahlreiche Vorgaben reglementiert, die die Selb­ständigkeit und Initiative der Betriebsbelegschaften einschränken und ihr Verant­wortungsgefühl für die Verbes-serung der Produktionsorganisation verringern ...

Es wurde für zweckmäßig erachtet, den Überregulierungen der Betriebsaktivitä­ten ein Ende zu setzen und die Zahl der den Betrieben von oben auferlegten Planvor­gaben zu reduzieren." (Zentralkomitee der KPdSU, Beschluß „Zur Leitungsverbes­serung der Industrie, Vervoll-kommnung der Planung und Erhöhung ökonomischer Anreize in der Industrieproduktion")

Es handelte sich jedoch nicht nur um die Erweiterung der wirtschaftlichen Eigen­ständigkeit und Initiative der Betriebe - sowie um die Reduzierung der „den Betrie­ben von oben auferlegten Planvorgaben", sondern um die Verkürzung der noch verbliebenen Vorgaben auf simple „Richtlinien". Es gab also keine für die Betriebe verbindlichen Anweisungen mehr, sondern ausschließlich „Richtlinien", welche die Betriebe befolgen oder allesamt ignorieren konnten:

„Planziffern werden ... in allgemeiner, geschätzter Form aufgestellt und an die Wirt-schaftssektoren vergeben. In derselben Form werden sie an die Betriebe weiter­gegeben, nicht als genaue Direktiven, sondern mehr als Richtlinien für ihre Planauf­stellung." (E.G. Liberman, Plan, Direktbindungen und Rentabilität, Prawda, 21. November 1965)

Nachdem die Betriebe unter das Regime des so „reformierten" Systems gebracht wurden, be-gannen diese ihre eigene Produktion zu planen; dabei bestimmten sie sogar die Art und die Qualität der zu produzierenden Güter. Das Ganze wurde dann von den revisionistischen Ökonomen „Planung von unten" genannt, und unter den vorherrschenden Bedingungen dieser Art „Planung" nahm die „zentrale" Wirtschafts­planung nun vollständig die Form der Gesamtheit der Wirtschaftspläne all dieser individuellen Betriebe an; und weil die einzelnen Betriebe im Verlauf einer „Pla­nungsperiode" häufig ihre Pläne änderten, daher der zentrale Wirtschaftsplan von vornherein nicht die geringste Ähnlichkeit mit den Endresultaten aufwies, überrascht es wenig, daß führende Köpfe unter den revisionistischen Ökonomen selbst sagen mußten: „Es ist schier unmöglich, einen Fünfjahrplan zusammenzustellen." (A. Komin, Probleme in der Methodologie und Praxis der Preisgestaltungsplanung, Planowoje Chosjajstwo, Nr. 9, 1972)

Da die umfassende zentrale Wirtschaftsplanung demontiert und durch die „Pla­nung von unten" ersetzt wurde, reduzierte sich die Rolle des Staates ausschließlich auf die Aufstellung von Richtlinien und auf Versuche, durch verschiedene ökonomi­sche Hebel wie Kreditvergabe, Zinsrate u.s.w. auf die einzelnen Betriebe einzuwir­ken. An die Stelle der vom vereinten Proletariat übernommenen Produktion, an die Stelle der gesellschaftlichen Verteilung von Arbeitskraft und Produktionsmitteln in den verschiedenen Produktionszweigen - so wie es früher der Fall war - trat die im Anschluß an die „Wirtschaftsreformen" eingerichtete Produktion, die (gesellschaft­lich) aufgebrochen und zersplittert, in wachsendem Maße Privatproduktion wurde, d.h. Warenproduktion. Und wenn Warenproduktion einmal die all-gemeine Form der Produktion angenommen hat, kann dies nur kapitalistische Produktion bedeuten. Dies „sozialistische Warenproduktion" zu nennen, ändert die Sache keinen Deut.

„Wir müssen dem Profit und der Rentabilität mehr Bedeutung verleihen", sagte Nikita Chruschtschow auf dem XXII. Parteitag. Die „Wirtschaftsreform" Breshnews und Kossygins erhöhte die Bedeutung des Profits noch weiter als „eines der ökono­mischen Instrumente des Sozialismus. Eine beträchtliche Erhöhung seiner Rolle in der sozialistischen Ökonomie ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Kosten­rechnungssystem." (Leitartikel „Ökonomische Politik und Arbeit für den Kommu­nismus", Prawda, 14. Januar 1966)

Und Kostenrechnung (Chosrastschot) wird als Leitungsmethode definiert, um die Rentabilität jedes einzelnen Betriebes zu erreichen. Tatsächlich wird der Profit unter diesem System der Kostenrechnung' zu einem „Kriterium, das den höchsten Wir­kungsgrad des Betriebes darstellt." (Trapesnikow, Zur flexiblen ökonomischen Lei­tung der Betriebe, Prawda, 17. August 1964)

Ein anderer revisionistischer Ökonom fügt noch hinzu: „Das Kostenrechnungssy­stem veranlaßt jeden Betrieb, einen größeren Profit zu erlangen." (Gatowski)

Das Effektivitätskriterium unter dem „Kostenrechnungssystem" fand seinen Aus­druck in dem, was sowjetische Ökonomen euphemistisch „Rentabilitätsindex" nann­ten, d.h. die in einem Pro-zentsatz auf die gesamten Vermögenswerte berechneten jährlichen Profite eines Betriebes. In gewöhnlicher Sprache nennt sich das „Profitrate" - ein Ausdruck, der von revisionistischen Öko-nomen zu jener Zeit wegen sei­ner offensichtlich kapitalistischen Assoziationen und Begriffs-inhalte vermieden wurde - und mit denen sie als Erbauer des „Kommunismus" natürlich nichts zu tun haben konnten! Doch die „sozialistische Profitrate" der einzelnen Betriebe - in „Rentabi-li­tätsindex" umgetauft - das war eine ganz andere Sache!

Mit der Durchsetzung der „Wirtschaftsreformen" sollte - langsam aber sicher - die umfassend zentralisiert geplante Produktion durch die Privatproduktion einzel­ner Betriebe, die für den Markt produzierten und deren Produkte sich im Markt gegenüberstanden, ersetzt werden. Der Profit (das Wertgesetz, welches ein Gesetz der Warenproduktion darstellt und unter dem Kapitalismus als ein Produktionsregu­lator fungiert) wurde zu einem Regulator der Produktion in der UdSSR.

Bis in die 50er Jahre wurden den Betrieben die Produktionsmittel zugeteilt, die sie in Über-einstimmung mit den vom Staat erstellten Plänen verwendeten. Entsprechend gingen die Pro-duktionsmittel nicht in die Warenkategorie ein. Darüber hinaus ge­hörten die Produkte (abgesehen von den Kolchosprodukten) ebenfalls dem Staat. Somit hatten die Betriebe kein Ver-fügungsrecht über das Produkt.

In einem solchen System, welches das vorherr­schende System zu jener Zeit in der UdSSR war, konnte die Profitrate eines Betrie­bes sich kaum verwirklichen. Um sie Wirklichkeit werden zu lassen, fuhren die Wirt­schaftstheoretiker des Revisionismus eine Kampagne, deren Forderung darin be­stand, daß die Betriebe für ihre Vermögenswerte, d.h. die Produktionsmittel, zahlen sollten:

„Die Zeit ist reif für die Beseitigung einer Situation, in der allen möglichen Produktions-einheiten zur Verfügung gestellte fixe Vermögenswerte überhaupt nicht in Rechnung gestellt werden." (W.S. Nemtschikow, Das Planziel und der materielle Anreiz, Prawda, 21.September 1962)

Das Zentralkomitee der KPdSU billigte die Grundsatzentscheidung, daß die Be­triebe für die Produktionsmittel zu zahlen hätten.

„Es ist notwendig, zugunsten des Staatsbudgets Abzüge von den Profiten der Be­triebe ein-zuführen, die dem Wert der ihnen überlassenen fixen und zirkulierenden Vermögenswerte entsprechen; mit diesen Abzügen, die als Abgaben aus Produkti­onsguthaben betrachtet werden...

In Zukunft stellen Vermögensabgaben den wichtigsten Teil des Staatseinkommens, während andere Zahlungen, einschließlich die Umsatzsteuer, entsprechend an Be­deutung verlieren werden." (A.N. Kossygin, Zur Leitungsverbesserung der Indu­strie, Vervollkommnung der Planung und Erhöhung ökonomischer Anreize in der Industrieproduktion, Iswestija, 28. September 1965)

Die Notwendigkeit der Kreditaufnahme für die Betriebe zur Begleichung ihrer Produk-tionskosten ergab einen mächtigen Stimulus für ein gewaltiges Aufblähen der Bankkredite und damit die steigende Bedeutung der Zinsrate.

Sogar schon 1965 wurden 40% der zirkulierenden Masse der Betriebsvermögen durch Bank-kredite finanziert und dieser Anteil wuchs auf 50% im Jahre 1976.

„Derzeit stammt jeder zweite Rubel des zirkulierenden Industrievermögens aus Krediten, zusammen mit dem Kreditanteil der Landwirtschaft, des Handels und an­derer Zweige ist dieser Betrag sogar noch höher." (A.N. Kossygin, Richtlinien zur volkwirtschaftlichen Entwicklung der UdSSR für die Jahre 1976-1980, XXV. Par­teitag der KPdSU, Moskau, 1976, Seiten 42-43)

So wurde Schritt für Schritt das frühere System, im dem der Staat Eigentümer der Produk-tionsmittel war und den verschiedenen Betrieben als staatliche Vertretungen (und nicht als Eigentümer) unentgeltlich diese Produktionsmittel zur Nutzung über­ließ, durch ein System ersetzt, in dem die Betriebe für ihr Produktionsvermögen zahlen mußten und schließlich zu Eigentümern dieser Werte wurden.

Unter den „Wirtschaftsreformen" wurden die Produktionsmittel in die Warensphäre erhoben. Nachdem ihre Käufer - die individuellen Betriebe - für sie gezahlt hatten, erwarben sie sich damit die Verfügungsgewalt über diese Produktionsmittel. Bereits im September 1965 ver-sprühte Premier Kossygin sein Lob auf fünf Transportorga­nisationen, die überzählige Last-kraftwagen und überflüssiges Zubehör verkauft hat­ten. Er fügte hinzu:

„Durch die Verwendung ... des aus dem Verkauf überschüssiger Ausrüstungen und anderer materieller Werte erworbenen Geldes werden sich die Betriebe breiterer Machtbefugnisse erfreuen können." (A.N. Kossygin, Zur Leitungsverbesserung der Industrie, Vervollkommnung der Planung und Erhöhung ökonomischer Anreize in der Industrieproduktion, op. cit.)

„Der sozialistische Markt für Produktionsmittel ist die Sphäre ..., wo die ökonomi­schen Be-ziehungen direkt als Beziehungen zwischen Angebot und Nachfrage wirken und im Akt des Kaufs und Verkaufs von Produktionsmitteln aufgehen." (W. Budaragin, The Price Mechanism and Circulating of the Means of Production in: Scientific Reports of Higher Schools: Economic Science [Preismechanismus und Zirkulation der Produktionsmittel, in: Wissenschaftsbericht der Hochschulen: Ökonomische Wis­senschaft], Nr. 11,1971, aus: Probleme der Ökonomie, Bd. XV, Nr. 3, Juli 1972, S. 74)

In der Folge der „Wirtschaftsreformen" wurde der Ankauf und Verkauf von Pro­duktionsmitteln über Jahre hinweg Großhandelsorganisationen übertragen - und 1971 repräsentierten zwei Drittel des durch den Markt vermittelten Gesamthandelsumsat­zes der UdSSR Produktionsmittel (siehe Budaragin, op. cit.)

Laut „Satzung über den Sozialistischen Staatlichen Produktionsbetrieb" wurden die Eigen-tumsrechte am Betrieb nun auch seinem Direktor übertragen, der „ ... ohne Vollmacht im eigenen Namen handeln und über das Eigentum sowie das Vermögen des Betriebes verfügen darf."

Und nun ein exemplarischer Blick auf die Wirtschaftspolitik der Sowjetunion zur Zeit Gorbatschows am Beispiel der Landwirtschaft:

Die im Juni 1988 abgehaltene 19. Parteikonferenz markiert eine wichtige Etappe auf dem Weg, die sozialistische Planwirtschaft zu diskreditieren und sie durch eine Marktwirtschaft zu ersetzen. Es sind nun nicht mehr die tacken auf Bürokratie und überzentralisierte Leitung, obschon sie manchmal noch als Deckmäntelchen für die Einschleusung bürgerlicher „Reformen“ Erwähnung finden. Wir entdecken aber zum ertsen Mal in einer Rede Gor-batschows das offene Eingeständnis, dass seine Reformen nicht nur auf die Verbesserung der Leitung und der Verwaltungsstrukturen der landwirtschaftlichen Staats- und Kollektivbetriebe abzielen sollen, sondern auf die Veränderung der „Produktionsverhältnisse unter den land-wirtschaftlichen Betrieben“ das ist etwas Grundsätzliches und berührt die Klassenstruktur der sowjetischen Landbevölkerung. Lassen wir Gorbatschow sprechen:

„Kurz, Genossen, die aktuelle Agrarpolitik besteht im wesentlichen darin, die Produktions-verhältnisse unter den landwirtschaftlichen Betrieben  zu ändern. Wir müssen das ökonomische Gleichgewicht zwischen Stadt und Land wieder herstellen und das Potential der landwirtschaft-lichen Kollektiv- und Staatsbetriebe durch Förderung diverser Vertrags- und Pachtsysteme außerordentlich entfalten. Wir müssen die Entfremdung zwischen dem Bauern und dem Land überwinden.“

Nur ein Eklektiker, ein Heuchler oder ein Befürworter der kapitalistischen Restauration kann die Behauptung aufstellen, dass „das Potential der landwirtschaftlichen Kollektiv- und Staats-betriebe“ ausschließlich durch „Förderung diverser Vertragssysteme“ entfaltet werden könne; in Wahrheit untergräbt die eine Form die andere.

Gorbatschow verlangt in seinem Bericht die Annahme eines „Sondergesetzes“ über Pachtbesitz und fügt hinzu, dass diese Pachtungen „langfristiger Natur sein sollten und für einen Zeitraum von etwa 25 30 und sogar 50 Jahren überlassen werden sollten. Allgemein müsste das Problem so gestellt werde: Niemand hat das Recht, Menschen die Möglichkeit vorzuenthalten, auf Pachtvertragsbasis zu arbeiten.“ (Zeitungsbeilage zur Moskowskije Nowosti, Nr. 33, 1988) So würde der Staat zum fiktiven Eigner des Landes werden, der Pächter zum tatsächlichen Beistzer. Zum ersten Mal seit Ende der NEP gab es die Erlaubnis zur Anwendung von Lohnarbeit; damit war die Tür zur Zerstörung von Staats- und Kollektivwirtschaften und ihre Ablösung durch eine private Landwirtschaft weit geöffnet.

Die Dikreditierungsversuche in Bezug auf das System der Kollektivwirtschaften, der staatlichen Landwirtschaft und der zentral geplanten sozialistischen Industrie nahmen 1988/89 an Häufigkeit und Intensität zu. Inzwischen gaben sich höchste sowjetische Regierungsfunktionäre nicht einmal mehr die Mühe, ihre Plattformen und Programme für die allseitige Restauration des Kapitalismus unter rituellen Lippenbekenntnissen zu verstecken, so wie es Dr. Leonid Abalkin, Leiter der sowjetischen Kommission für Wirtschaftsreformen und stellvertretender Minister-präsident der UdSSR 1990 in einem Interview tat:

„Nur ein paar Worte über einige grundsätzliche Maßnahmen der Reform und ihr Konzept.

Erstens, es ist eine radikale Reform. Es ist keine Verschönerung eines heruntergekommenen Hauses, sondern der Abriss eines administrativen Kommandosystems und seine Ersetzung durch ein qualitativ neues Modell für die sozialistische Wirtschaft.

Zweitens kann die Wirtschaftsreform nur in Verbindung mit Veränderungen in der politischen Sphäre des Lebens effektiv sein.

Drittens, die Reform betrifft die eigentlichen Grundlagen des ökonomischen Systems.

Sie ist darauf ausgelegt, die Eigentumsverhältnisse in ihrer Gesamtheit zu erneuern.“ (Morning Star, 11.5.1990)

Der Revisionismus entstand weder im Jahr 1956 noch im Jahr 1989 plötzlich und auch nicht auf einmal. Im imperialistischen Kampf gegen den Sozialismus auf dem Feld der ökonomischen Theorie spielte vor allem ein Argument eine wachsende Hauptrolle, nämlich, dass eine leistungsfähige Ökonomie ohne Markt nicht möglich sei. Und weiter so die Argumentation müsse der Sozialismus mit seinem Ziel der Abschaffung des Marktes in immer größerer Ineffizienz und Bürokratie enden, die wiederum Bedingungen für eine unheilbare Krise schafften, in welcher sich der Markt erneut durchsetzen würde. Dies ist aber nur ein anderer Weg zu behaupten, dass das kapitalistische Produktionssystem keine historisch bedingte, vorübergehende Phase der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft ist, sondern die Endstufe der Gesellschaftsentwicklung. Die Entstehung des Revisionismus und seine weitere Entwicklung wird durch diese Behauptung erklärt und der Revisionismus selbst misst diesem Argument größte Bedeutung bei.

Und die Fakten? W. L. Makarow, Direktor des Zentralinstitutes für Ökonomie und Mathematik der sowjetischen Akademie der Wissenschaften (und Gorbatschow-Anhänger) musst am 29. Mai 1988 in der New York Times zugeben:

„Von 1928 bis 1955 war die Wachstumsrate der sowjetischen Wirtschaft relativ hoch (zwischen 5 und 10 Prozent), und innerhalb dieses Zeitraums wurde die Sowjetunion in ökonomischer Hinsicht zur zweitgrößten Macht der Welt. Zur selben Zeit gab es deutliche Fortschritte im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben der Menschen: man konnte ihnen ökonomische Stabilität, Vollbeschäftigung und Sicherung des Einkommensniveaus garantieren. Wir bekamen den Eindruck, dass wir alles erreicht hatten, was wir uns wünschen konnten.

Es gab jedoch eine Abschwächung derjenigen Faktoren, die zu langfristigem Wirtschafts-wachstum beitrugen. Während der letzten 15 oder 20 Jahre sank die Wachstumsrate beständig, die Qualität und die Vielfalt der Konsumgüter nahm ab, die Leute standen dem politischen und wirtschaftlichen Leben immer gleichgültiger gegenüber und es gab weniger Anreize für sie, hart zu arbeiten oder an schwierigen Unternehmungen mitzuwirken.“

Harpal Brar,
London

Wolfgang Hoss:
Zu den Grundprinzipien der sozialistischen Produktionsweise

In der März-Ausgabe von "offen-siv" 2007 formulierte Frank Flegel ein Grundanliegen der Sozialismusdiskussion und Sozialismusforschung in der heutigen Zeit wie folgt:

"Bei unserem Ziel, dem Sozialismus, der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft, handelt es sich ja bekanntlich um einen gesellschaftlichen und damit vor allem ökonomischen  Epochenwechsel, der nicht weniger tiefgreifend ist als beispielsweise jener, der das Römische Reich untergehen ließ oder derjenige, der die Herrschaft von Klerus und Adel beseitigte. Es geht um eine neue Produktionsweise.

Wir haben in „offen-siv“ schon seit längerem Beiträge zu ökonomischen Problemen veröffent-licht. …. Inzwischen haben wir die Situation, dass nach einem mehr als zehnjährigen Schweigen doch der Beginn einer Diskussion über die ökonomischen Grundlagen sowohl des Kapitalis-mus/Imperialismus als auch des Sozialismus spürbar wird. Wir begrüßen das sehr, denn ohne ein klares sozialistisches und damit auch gesellschaftlich-ökonomisches Ziel wird die Bestimmung des Weges dorthin nicht entschieden werden können.

Die ökonomische Debatte bezieht sich vor allem auf ein grundlegendes Problem: das Wertgesetz. Hier scheiden sich aktuell heute und auch schon so lange, wie es eine sozialistische Bewegung gibt, die Geister. Die Frage ist: Ist das Wertgesetz der konzentrierte Ausdruck der kapitalistischen Ökonomie und muss es deshalb im Sozialismus überwunden werden oder ist das Wertgesetz von grundsätzlicher, überhistorischer Bedeutung, also eine Grundlage allen menschlichen Wirtschaftens und muss es deshalb im Sozialismus respektiert werden? Man tue diese Frage nicht als spitzfindig oder scholastisch ab! Die Antwort auf diese Frage entscheidet das Schicksal der angestrebten neuen Epoche der Menschheit, des Sozialismus. Deshalb muß sie beantwortet werden." (offen-siv, März 2007, S. 3).

Diese den Kern der Sache treffende Formulierung führt weiter zu der Frage, was die wesent-lichen Ursachen des Scheiterns des Sozialismusversuchs in der Sowjetunion, der DDR und anderen Ländern des Ostens waren, es stellt sich insbesondere die Frage, ob dieser Versuch gescheitert ist, weil nach der Vorgabe durch Marx und Engels versucht wurde die Waren-produktion und ihr Gewinn- bzw. Profitsystem durch eine grundsätzliche neue Produktionsweise zu ersetzten, oder umgekehrt gerade deshalb, weil man diesen Versuch aufgegeben hat und heimlich still und leise zur Warenwirtschaft zurückgekehrt ist.

Aber durch welche neuen praktikablen Prinzipien sollen die Grundprinzipien der Warenwirt-schaft ersetzt werden? Offenbar gibt es in dieser Hinsicht auch heute noch ungelöste Probleme. Eines dieser Probleme, und vielleicht das wichtigste, ist die Wert- und Preisbildung im Sozialismus, die sich grundsätzlich von der Preisbildung der Warenmärkte unterscheiden muß.

Meines Erachtens ist es nicht verwunderlich, daß in einem ökonomischen System, dessen Basis das Volkseigentum ist, die Preisbildung der Warenmärkte nicht mehr funktionieren kann. Dies entspricht den Erfahrungen z.B. in der DDR, man hatte in der DDR keinen gleichwertigen oder überlegenen Ersatz für die Preisbildung der Warenmärkte gefunden. Teilweise hat man krampfhaft versucht, die Preise des Weltmarktes der Privatwirtschaft zu übernehmen. Aber für eine solche Preisbildung wäre der Erhalt der Warenwirtschaft in großen Teilen der Welt notwendige Voraussetzung dafür, daß in der sozialistischen Wirtschaft die "richtigen" Preise gefunden werden können.

Zwar wurde Marxens Hinweis, daß die Arbeitszeit der Preisbildung im Sozialismus zugrunde liegen soll von manchen Theoretikern aufgegriffen, aber es wurde hauptsächlich versucht, die Wert- und Preisbildung der Warenmärkte durch Arbeitszeitrechnungen nachzuahmen. Man hätte hierzu die Arbeitszeiten einer riesigen Zahl von Erzeugnissen und Zuliefererzeugnissen der ganzen Welt kennen müssen, auch die Arbeitszeiten, die in der Vergangenheit bei der Herstellung der im aktuellen Jahr gekauften und verbrauchten Produktionsmittel aufgewandt wurden. Zum großen Teil sind diese Zeiten der Vergangenheit nicht dokumentiert, und im Grunde wäre der Riesenaufwand sinnlos, wenn diese Preise auf dem Warenmarkt selbsttätig gebildet werden können. Außerdem, wie soll man den weltweit durchschnittlichen Arbeitszeitaufwand z.B. für ein Fernsehgerät berechnen, wenn es keine zwei gleichen Fernsehgerätetypen verschiedener Hersteller gibt. Die Fernsehgeräte der verschiedenen Hersteller unterscheiden sich in der Regel im Gebrauchswert bzw. in der Gesamtheit ihrer technischen Merkmale ganz erheblich. Und unterschiedliche Gebrauchswerte liegen vorrangig bei den meisten Erzeugnissorten und Erzeugnisarten vor. Wenn man einen Weltdurchschnitt der aufgewandten Arbeitszeiten für eine bestimmte Warensorte berechnen will, dann müßte man für Hundertemillionen Erzeugnistypen Klassen mit hoher Ähnlichkeit bilden, und das wäre, abgesehen von der Schwierigkeit oder Unmöglichkeit die Kriterien der Zugehörigkeit der Typen zu einer bestimmten Klasse objektiv zu bestimmen, mit einem Riesenarbeitsaufwand verbunden. Es ist meines Erachtens von vorn herein ein Irrweg, wenn man einen weltwirtschaftlich durchschnittlichen Arbeitszeitaufwand für das "gleiche" Erzeugnis und auf diese Weise den Preis bestimmen will, denn es ist gar nicht nötig und auch nicht sinnvoll die Preisbildung der Warenmärkte ins sozialistische ökonomische System zu übernehmen. In einem Wirtschaftssystem ohne Warenproduktion benötigt man die Preisbildung der Warenmärkte gar nicht, man benötigt vielmehr eine neue, überlegene Form der Preisbildung.

Das Problem des möglicherweise großen Aufwands aller Formen der Preisbestimmung, die auf einer direkten Ermittlung der aufgewandten Arbeitszeit basieren, könnte meines Erachtens mit einer anderen, näherliegenden Methode vermieden werden, und zwar durch eine Methode, durch die letztlich ebenfalls arbeitszeitbestimmte Preise gebildet werden könnten. Wenn der sozialistische Staat die zirkulierende Geldmenge planmäßig mit der Rate des Wachstums der neu aufgewandten Gesamtarbeitszeit wachsen läßt, dann wächst auch die monetäre Gesamtnachfrage und das Gesamtprodukt der Volkswirtschaft nominal etwa mit der Rate der Arbeitzeit. Und wenn die Summe des Werts aller Produkte arbeitszeitbestimmt ist, dann sind auch die Werte und Preise der Einzelprodukte im volkswirtschaftlichen Durchschnitt arbeitszeitbestimmt. Wenn in diesem Fall, also unter Ausschaltung der Inflation, die Werte und Preise  der Einzelprodukte durch die individuellen betrieblichen Kosten  und einen Aufschlag auf diese Kosten  bestimmt werden, der durch den Staat als Steueraufschlag vorgegeben wird, so daß die Wert- und Preisformel  gilt, dann erhält man nicht nur eine Preisbildung, die durch die betrieblichen Kosten und einen Anteil für die öffentlichen Kosten (Steueraufschlag) bestimmt ist, sondern man erhält auch Preise, die im volkswirtschaftlichen Durchschnitt arbeitszeitbestimmt sind. Mehr ist meines Erachtens in der ersten Entwicklungsetappe der sozialistischen Wirtschaft nicht nötig. (Eine ausführliche Beschreibung dieser Preisbildungsmethode findet man im Buch "Modell einer sozialistischen Marktwirtschaft", Abschnitt 3.4.2.) Und diese Methode basiert auf Kostenrechnungen, wie sie ohnehin heute schon in der Wirtschaftspraxis üblich sind. Ein übermäßiger Aufwand zur Bestimmung der Preise fällt bei einer solchen Kostenpreisbildung mit Sicherheit nicht an. Es handelt sich in diesem Fall um eine reine Kostenpreisbildung, d.h. der Preis ist bestimmt durch die betrieblichen Kosten und einen Steueraufschlag, der den anteiligen öffentlichen Kosten entspricht. Wenn der Steueraufschlagsatz richtig vorgegeben ist, dann realisiert der Staat Steuereinnahmen in solchem Gesamtbetrag, daß alle öffentlichen Kosten gedeckt werden können, einschließlich der Kosten für die sozialen Sicherungssysteme und für den Zuwachs des produktiven Vermögens des sozialistischen Unternehmenssektors, also einschließlich der Geldmittel, die dem Nationaleinkommen für die erweiterte Reproduktion entnommen werden müssen. Ein Gewinnaufschlag wird völlig überflüssig. Alle Kosten der Unternehmen und des Staates könnten beständig gedeckt werden, wenn die Preise durch die betrieblichen Kosten zuzüglich einem richtig bemessenen Steueraufschlag gebildet werden würden.

Wenn aber in einem postkapitalistischen System der Gewinn nicht mehr Maß der Leistung der Unternehmen sein kann, was dann?

An sich liegt es auf der Hand, daß die Steigerung der Arbeitsproduktivität die wichtigste Kennziffer für die ökonomische Leistung bzw. für die Leistungsverbesserung ist. Die Arbeitsproduktivität ist definiert als das Verhältnis des produzierten Gebrauchswerts Q zur insgesamt aufgewandten Arbeitszeit t, also einschließlich der Arbeitszeit, die in den ver-brauchten Produktionsmitteln steckt. Es gilt für die Arbeitsproduktivität allgemein . Aber in einem System der Warenwirtschaft mit ihrem Wert- und Preisbildungssystem ist die im Produkt enthaltene Arbeitszeit t nicht bekannt. Die Messung der Steigerung der Arbeits-produktivität ist daher in der Warenwirtschaft nur in sehr eingeschränkter Form möglich.

Wenn hingegen in einem sozialistischen Wirtschaftssystem die Zeitpreisbildung praktiziert wird, entweder durch direkte Ermittlung der aufgewandten Arbeitszeit, oder nach der Kostenpreisbildung , dann wird die Messung der Steigerung der Arbeitsproduk-tivität von einem Jahr zum nächsten Jahr ganz einfach, solange sich die Gebrauchswerte pro Mengeneinheit bzw. die Qualität der Produkte des Unternehmens innerhalb der  Jahrsperiode nicht ändern. Wenn durch ein Unternehmen mehrere Erzeugnistypen hergestellt werden, vielleicht auch mit ganz unterschiedlichen Mengeneinheiten, Stück, kg, l usw., dann kann die Steigerung der Produktion real, also die Steigerung der produzierten Mengen der Erzeugnisse bewertet mit konstanten Preisen, als Index für die aggregierte Mengensteigerung (Steigerung der Produktion real) verwendet werden. Und bei unverändertem Gebrauchswert pro Erzeugnis-einheit gibt damit die Steigerung der Produktion real die Steigerung des Gebrauchswerts insgesamt an. (Die Ermittelung der betrieblichen Produktion real , also der Produktion bei konstanten Preisen, war übrigens auch in der DDR-Praxis üblich). Und wenn die Preise genau oder annähernd durch die individuell aufgewandte Arbeitszeit bestimmt werden, dann ändert sich die Produktion nominal Y etwa proportional zur insgesamt aufgewandten Arbeitszeit t, und damit kann die Steigerung der Arbeitsproduktivität einfach als Verhältnis der Produktion real  zur Produktion nominal Y gemessen werden. Es gilt dann für die Steigerung der Arbeitsproduk-tivität von der 0.Periode zur 1.Periode , vorausgesetzt, wie gesagt, daß der Gebrauchswert aller Erzeugnisse sich innerhalb des Jahres nicht ändert. Steigt die Produktion real des Betriebes und damit die Gesamtmenge z.B. von Geldeinheiten auf Geldeinheiten, und bleibt die insgesamt aufgewandte Arbeitszeit und damit die Produktion nominal unverändert, dann steigt die Arbeitsproduktivität um 10%. Mit dem gleichen Aufwand an Arbeitszeit sind dann 10% mehr Produkte des gleichen Typs bzw. des gleichen Gebrauchswerts hergestellt worden.

Der Wert des Produkts (Produktion nominal) setzt sich aus den Anlageproduktionsmittelkosten (Abschreibungen)  den Umlaufproduktionsmittelkosten  (Vorleistungen), darunter den Materialkosten, sowie dem neu produzierten Wert N zusammen, so daß  gilt. Der neu produzierte Wert  enthält die Lohnkosten  und die Steuern ST, wobei letztere in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Kosten decken müssen. Wenn daher im Jahr die gleiche Menge  produziert wird, und wenn gleichzeitig die Gesamtkosten gesenkt werden, dann steigt die Arbeitsproduktivität. Also bei dieser neuen Methode der Berechnung der Arbeitsproduktivitätssteigerung, die in einem System mit arbeitszeitbasierten Preisen möglich wird, wird die Senkung der Kosten bei gleicher Mengenproduktion belohnt. Bei entsprechender Belohnung könnte eine solche Triebkraft zur Kostensenkung sogar stärker wirken als die Triebkraft zur Kostensenkung im Profitsystem. Prinzip wäre es dann also, das Betriebskollektiv für Steigerungen der Arbeitsproduktivität reichlich zu belohnen.

Wenn die Erzeugnisse des Unternehmens innerhalb des Jahres in der Qualität bzw. im Gebrauchswert verbessert werden, dann kann die Produktion real  mit einem Index der Gebrauchswertsteigerung  multipliziert werden, so daß für die Steigerung der Arbeits-produktivität  gilt. Der Index der Gebrauchswertsteigerung muß zwar zumeist subjektiv eingeschätzt werden, aber der Käufer auf dem Markt schätzt den Gebrauchswert des Produkts in der Regel ja ebenfalls subjektiv ein. Eine Verschlechterung im Vergleich zur Warenwirtschaft ergibt sich dadurch also nicht. Und das Kombinat kann den Index der Gebrauchswertsteigerung für seine Betriebe jederzeit so festlegen, daß hineichende Anreize für Qualitätsverbesserungen gesetzt werden. Und selbst dann, wenn nur Mengensteigerungen und Kostensenkungen berücksichtigt werden, verfügt man über eine gute universelle Kennziffer zur Messung der Steigerung der betrieblichen Leistung.

Gäbe es eine Preisbildung durch die Arbeitszeit, dann könnte die Steigerung der Arbeitsproduk-tivität also sehr einfach ermittelt und als universelle ökonomische Leistungskennziffer genutzt werden. Sie könnte eine stärkere und wirksamere Triebkraft werden als die Steigerung der Arbeitsproduktivität über den Umweg des Profitsystems.

  Wolfgang Hoss,
Berlin

Konferenz „MarXXIsmus für das 21. Jahrhundert“

Mark Staskiewicz:
Murks-ismus oder Marxismus?

Vom 20-22. April fand in Berlin die sog. MarXXIsmus-Konferenz statt. Sie steht in der Tradition der 1. Marxismuskonferenz, die vor vielen Jahren in Hannover durchgeführt wurde. Über einen Teil der Veranstaltungen und Plenums soll im Folgenden berichtet werden.

Veranstalter: Folgende Zeitungen, Organisationen bzw. Stiftungen veranstalteten die Konferenz: Europäisches Friedenszentrum/Deutsche Sektion (epf), Heinz-Jung-Stiftung, Icarus/GBM, isw, Jakob-Moneta-Stiftung, Marxistische Blätter (DKP), Marxistisches Forum, Ossietzky, pad-Verlag / Elisabeth & Nikolaus-Koch-Stiftung, SALZ e.V., Solidarität - Sozialistische Zeitung (SAV), Sozialismus (links-sozialdemokratische Zeitung), Sozialistische Zeitung/SoZ (isl), Unsere Zeit/UZ (DKP), Z - Zeitschrift marxistische Erneuerung und die Zeitung gegen den Krieg /ZgK .

Ziel der Konferenz? Robert Steigerwald (ein führender Theoretiker der DKP), der einer der Organisatoren war, meinte im Interview der UZ: „Ziel der Konferenz war aber, über Marxismus für das 21. Jahrhunderts zu diskutieren“ [UZ, 27.April '07; S. 15].

TeilnehmerInnen: Trotz des stolzen Preises von 18 Euro für Verdiener kamen nach Angaben der Veranstalter insgesamt 700 TeilnehmerInnen. Die meisten TeilnehmerInnen kamen aus den folgenden drei Spektren: Der trotzkistischen Bewegung, der DKP + Umfeld, und der Linkspartei + Umfeld. Es gab auch die Gelegenheit, Stände zu machen. Auch hier nutzten insbesondere trotzkistische Organisationen die Möglichkeit (SAV, isl, Arbeitermacht, RSB, Sparkatist, PSG...). Es gab aber auch Stände der DKP, von RotFuchs, offen-siv und dem Roten Oktober, sowie Stände von Zeitungen (junge Welt, ND) usw.

Das Interesse an den Ständen war aber recht bescheiden. Vielen TeilnehmerInnen ging es wohl primär um die Vorträge. Einen Austausch über die verschiedenen Positionen der vertretenen Organisationen mit den BesucherInnen gab es eher punktuell.

Die Veranstalter hatten es nicht geschafft, viele Jugendliche zu mobilisieren, so stellten Jugendliche eine absolute Minderheit dar. Aber diesbezüglich wollte zumindest Robert Steigerwald wohl auch primär Jugendliche aus DKP, SDAJ, Linkspartei/WASG mobilisieren. Im Interview sagt er zum Jugendmangel: „Das ist sicher ein Mangel. Bedauerlich finde ich besonders, dass die Konferenz an unserer SDAJ und jüngeren DKP-Mitgliedern weitgehend vorbeigegangen ist. Das gilt auch für organisierte StudentInnen z.B. aus Linkspartei und WASG“ [ebenda]. Und andere Spektren der politischen Jugendbewegung?

Zu einzelnen Veranstaltungen: Es gab insgesamt 38 Veranstaltungspunkte in den 3 Tagen. Viele Veranstaltungen fanden parallel zueinander statt. Die Veranstaltungen im großen Saal waren nicht nur durch die Bestuhlung privilegiert, nein, die anderen Veranstaltungen waren auch nicht so leicht anlaufbar, da sie in einem anderen Gebäude stattfanden.

„Sozialismus im 21.Jahrhundert“: Eröffnet wurde die Konferenz durch das Plenum „Sozialismus im 21.Jahrhundert“. Als erstes sprach hier Uwe-Jens Heuer. Er begann mit einer Unterschätzung von Marx und Engels, durch die in seinen Augen der Sozialismus zwar wissenschaftlich und überprüfbar wurde, dies aber nur zum Teil! Fakt ist aber doch, dass Marx und Engels die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus sind. Natürlich ist der Marxismus nichts Abgeschlossenes und muss ständig weiterentwickelt werden, aber die Leistung von Marx und Engels nur in einer teilweisen wissenschaftlichen Überprüfbarkeit zu sehen, halten wir für eine Herabwürdigung. Und dann folgte auch gleich ein Angriff auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Marx und Engels. Denn Heuer sprach darüber, dass seiner Ansicht nach ein „marxistischer Glaube“ existiere. Zwar ging er nicht so weit, die Wissenschaft abzulehnen, jedoch hielt er den Glauben für durchaus positiv. Damit öffnet sich Heuer dem Glauben, dem Idealismus, während der Materialismus den Glauben kritisiert und davon ausgeht, dass das Bewusstsein, welches das höchste Produkt der materiellen Natur ist, die Welt richtig erkennen kann und der Marxismus die wissenschaftliche Erkenntnis dem Glauben gegenüberstellt.  Es war aus Heuer’s Sicht nur konsequent, dass er auch zu dem Schuss kam, dass der christliche Glaube den Menschen im Faschismus ein Rückgrat gebracht habe (hier wurde Niemöller als Beispiel angeführt). Auf den Hauptfeind für MarxistInnen in Deutschland, den deutschen Imperialismus, ging Heuer nicht weiter ein, vielmehr betonte er die Stärke des US-Imperialismus und dessen Macht. Und er kam zu dem Schluss, dass der Kapitalismus möglicherweise zu einer neuen Barbarei führen könne, die so schlimm sei, dass der Sozialismus in absehbarer Zeit nicht möglich sei. Auch diese Kapitulation vor dem Kapitalismus wurde dem Referatthema nicht gerecht.

Frank Deppe meinte, dass Karl Marx nicht nur in die Londoner Bibliothek zurückgekehrt, sondern auch nach Lateinamerika gereist sei. Mit dieser Überschätzung (in Lateinamerika wäre Marx zurückgekehrt) der Prozesse in Lateinamerika begann er die Schilderung seiner Sicht. Er betonte, dass es in Lateinamerika linke Regierungen (was genau er darunter versteht, wurde leider verschwiegen) gibt und Länder sich z.T. dem Projekt „Sozialismus des 21.Jahrunderts“  gewidmet haben. Diesbezüglich sprach er auch von einer sich neu formierenden Linken. Zu Recht wies er darauf hin, dass die Räume der marxistischen Forschungsarbeit enger geworden sind, da es z.B. keine Forschungsakademien der kommunistischen Parteien mehr gibt. Diese Tatsachenbeschreibung verknüpfte er aber mit Illusionen. Denn er sprach seine Hoffnung aus, dass die Linkspartei bzw. die Rosa-Luxemburg-Stiftung Freiräume für die Wissenschaft eröffnet. Allerdings meinte er, dass diese Wissenschaft dann nicht unbedingt die Parteimeinung sei. Sehr positiv sei die Gründung eines neuen Hochschulverbandes (der Linkspartei).

Da Dieter Boris krank  war, sprang Sahra Wagenknecht ein. Diese gab sehr allgemein wieder, was ihrer Ansicht nach in Venezuela passiert. Sie meinte, dass es noch kein Sozialismus sei, aber es sich um einen ersten Schritt handele, aus dem Kapitalismus auszubrechen. Sie fand es sehr wichtig zu betonen, dass dieser Prozess nicht von einer Partei eingeleitet wurde, sondern es erst eine Bewegung gab, aus der die Partei entstand. Damit deutete sie auch wohl ihr Konzept für den Parteiaufbau an. Die Bewegung in Venezuela habe sich immer ganz klar auf Marx bezogen. Kuba sei ein sozialistisches Land, so Wagenknecht. Noch oberflächlicher wurde es dann, als sie auf Deutschland zu sprechen kam. Sie führte eine bürgerliche Umfrage an, nach der 70% gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr seien. Somit seien linke Positionen z.T. mehrheits-fähig. So einfach ist es aber nicht, Genossin Wagenknecht! Sie gab auch einen falschen Bewusstseinsstand der Nichtwähler wieder. Diese wären der Ansicht, dass die Parteien Akteure des Kapitals seien, somit dürfe man die Nichtwähler auch nicht so negativ sehen. Sicher werden auch kleinere Teile der Nichtwähler dies denken. Aber ein so breit verankertes antikapitalis-tisches Bewusstsein, in dem die bürgerlichen Parteien mit dem Kapital verbunden werden, sehen wir nicht. Laut der Europaabgeordneten der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, müsse man die Leute nicht primär von „unseren“ Positionen überzeugen, sondern ihnen vor allem zeigen, dass wir zu „unseren“ Positionen stehen.

Als Dritter ging Wolfgang Fritz Haug ans Mikrofon. Er betonte seine berechtigte Kritik an den Aussagen von Negri und der „Empire-Theorie“. Aber er kam auch zu vollkommen falschen Aussagen. So z.B., dass durch Bush die USA einen neuen Imperialismus geschaffen hätten. Was diesen „neuen Imperialismus“ ausmachen soll, was in der leninschen Imperialismustheorie bisher nicht berücksichtigt wurde, konnte Haug nicht nachweisen. Und dann lehnte er auch ab, dass man eine marxistische Partei brauche. Dies begründete er lapidar damit, dass keine Partei ewige Wahrheit habe. Sicher wäre es richtig gewesen, hätte er gesagt, dass eine Partei nicht zwangsläufig richtig liegt. Das bedeutet aber noch keinesfalls, dass es keiner Partei bedarf. Diese Ablehnung der Organisation führt zur Kapitulation, denn es ist eine Illusion, die Macht der gut organisierten KapitalistInnen ohne eigene Organisierung und Führung der Massen durch die Partei entreißen zu können. Des Weiteren gibt es durchaus eine objektive Wahrheit (uns wurde nicht ganz klar ob Haug auch diese ggf. leugnet, deshalb diese Ausführung), die eben auch bedeutet, dass die Welt nicht nur materiell, sondern auch erkennbar ist. Haug kritisierte, dass alle in ihrem Saft schmoren und es keine Diskussion der Strömungen gäbe. Und zu Recht kritisierte er auch die Konferenz, weil der Marxismus nicht wirklich Thema war, sondern vor allem politische Fragen diskutiert werden sollten, wie er dem Programm entnahm.

Manuel Kellner von der trotzkistischen 4. Internationale bezog sich auf das Leverkusener Treffen (bei dem sich z.B. TrotzkistInnen mit Mitgliedern der DKP etc. treffen), das er für wichtig hält. Diesbezüglich müsse er auch sagen, dass er seine Ansichten geändert habe. Während er früher z.B. Robert Steigerwald's größten Fehler in seinem „Stalinismus“ gesehen habe, würde er heute sagen, dass Sterigerwald's größter Fehler sein Alter sei. Die Definition des Sozialismus die Kellner versuchte, war nicht mehr als die Auflistung bestimmter Erscheinungen, die seiner Ansicht nach im Sozialismus zutreffen müssen. Im Sozialismus gäbe es somit keinen Hunger mehr, gäbe es weniger Arbeitszeit und es sei kein Sozialismus wenn ein paar Hundert entscheiden und glauben die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und des Weiteren müsse es im Sozialismus mehrere Parteien geben, die Verankerung einer Einheitspartei in der Verfassung halte er für falsch.

Als letztes sprach dann Robert Steigerwald, der die Veranstaltung auch moderierte. Steigerwald sprach richtiger Weise die Eigentumsfrage an und drückte aus, dass der Sozialismus des 19. des 20. wie des 21. Jahrhunderts in der Eigentumsfrage identisch ist. Im Gegensatz zu allen anderen Rednern in dieser Plenumsveranstaltung sprach er als einziger die Notwenigkeit der Gewalt beim Kampf für den Sozialismus an. Dann meinte er jedoch, dass der Sozialismus unmöglich sei, solange das Kapital den Knüppel hat (damit meinte er das Militär, Polizei etc.). Deshalb sei der Kampf um Abrüstung so wichtig. Das klang schon fast so, als ob wir ohne Abrüstung nicht den Sozialismus erkämpfen könnten, was  natürlich falsch ist. Fakt ist aber auch, dass wir in der Lage sind, die Gewehre umzudrehen! Wir sind nicht unbewaffnet, wenn wir am Marxismus festhalten. Die Theorie wird demnach bekanntlich zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift. Eine wirkliche Abrüstung im eigentlichen Sinne wird sich nicht auf dem Boden des Kapitalismus durchsetzen lassen, denn die Kapitalisten benötigen Waffen zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen.

In der Diskussion gab Heuer zu, dass er in der paradoxen Situation stehe, in der er auf einen Sozialdemokraten hofft, was er auch Lafontaine gesagt habe. Ob ein Hoffen auf einen Sozial-demokraten nun etwas mit dem Marxismus zu tun hat, darüber mag die Leserschaft selbst urteilen.

Sahra Wagenknecht ging auf die Frage ein, warum die Notwendigkeit der gewaltsamen Revolution nicht erwähnt wurde (das stimmte nicht ganz, Steigerwald sprach dies an). Sie halte es für falsch, Prognosen aufzustellen, wie eine Revolution aussieht. Das könne man vorher nicht sagen. Sie wisse nur, wie die Revolution nicht aussehen werde: Dass die Linkspartei 51% der Stimmen bekomme und dann alles verstaatlicht. Chavez führe eine Verstaatlichung durch und wenn er weitergeht, sei das eine Revolution. Sie machte Andeutungen, dass es auch einen friedlichen Übergang geben könne, sprach dies aber nicht explizit aus. Zur Kritik an der Linkspartei, die in der Diskussion von zwei Personen geäußert wurde, sagte sie, dass es gute Chancen gäbe, dass die Linkspartei nicht wie eine Regierungspartei enden werde. Sie nutzte ihre Redezeit als Werbung für diese sozialdemokratische Partei, sie wünschte sich die Unterstützung der Anwesenden im derzeitigen Prozess und bekam diesbezüglich nicht nur von Robert Steigerwald, sondern auch der Mehrheit der anwesenden ZuhörerInnen Applaus.

Deppe ließ in der Diskussion auch so richtig die Katze aus dem Sack, als er meinte, dass man die Parteitheorie  überprüfen müsse. Hier sprach er konkret auch die Avantgardepartei an, die er offensichtlich ablehnt. Des Weiteren meinte er, dass man bisher annahm, dass die Arbeiterklasse ein handelndes Subjrkt sei, dies müsse überprüft werden. Offensichtlich sieht er dies anders, blieb aber der Zuhörerschaft jeden Nachweis schuldig.

Heuer untermauerte nochmal seine „Glaubenstheorie“. Er erklärte, dass der Glaube aus dem „Inneren heraus“ komme. Dies ist also ein ganz alter Schuh, der dem Materialismus gegenübersteht. Marx sieht dies zu Recht anders. Für ihn ist das Ideelle - anders als bei Hegel - nichts anderes als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle. Somit entstehen die Ideen nicht im Kopf und nicht unabhängig vom Materiellen und deshalb auch nicht aus dem „Inneren heraus“. Dies wird Heuer vielleicht formal auch nicht bestreiten, seine „Glaubenstheorie“ widerspricht dem aber deutlich.

„Demokratie verteidigen, Neofaschismus stoppen“: So hieß am folgenden Tag die nächste Veranstaltung im Plenum. Als erstes gab der Moderator, Eckard Spoo, das Wort an Ulla Jelpke, die als innenpolitische Sprecherin für die Linkspartei im Bundestag sitzt.

Jelpke meinte, dass die bürgerlich-parlamentarische Demokratie spätestens an den Grenzen der Unis und Werktore aufhöre. Wenn dem Monopolkapital die reformistische Massenbasis verloren geht, kann es „seine Herrschaft nicht mehr mit der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie aufrechterhalten“, dann „greift es zu offen diktatorischen Herrschaftsformen, im Extremfall zum Faschismus“ [Lion Wagner, Krieg und Gesellschaftssystem; S. 60]. Aber ist dem schon so, wie man aus Jelpkes Aussagen schließen müsste. Strebt der Monopolkapitalismus derzeit eine offen-diktatorische Herrschaftsform an? Dazu sehen wir keine Anhaltspunkte. Jelpke sieht anscheinend in Erscheinungen der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung eine neue Qualität, die nicht mehr mit einer bürgerlich-parlamentarischen Demokratie definiert werden könne. Ulla Jelpke benutzte die derzeit gern gebrauchte Phrase, dass rechtsextreme Auffassungen ihre Ursache in der Mitte der Gesellschaft hätten. Was nun die „Mitte“ ist, wurde nicht gesagt. Offensichtlich fehlt es hier auch am theoretischen Verständnis was eine Ursache ist. Ihr war es wichtig zu betonen, dass breite Bündnisse im antifaschistischen Kampf nötig sind. Ein solches Bündnis solle Autonome, Antifas, VVN, Sozialisten aber auch die Kirchen und die Basis der Sozialdemokratie und Grünen umfassen. Man müsse die sozialistische Alternative ansprechen und sich antikapitalistisch ausrichten.

Wolfgang Richter von der Zeitung Icarus war als nächster dran. Er widmete sich primär dem „Streben der USA nach Weltherrschaft“. Die Rolle des deutschen Imperialismus wurde von ihm nicht weiter benannt. Ohne sich selbst explizit dazu zu äußern, erwähnte er, dass diskutiert werde, ob die USA „postfaschistisch“ bzw. „geofaschistisch“ seien. Solche Thesen wurden von Richter nicht entkräftet. Des Weiteren wurde von Wolfgang Richter angesprochen, dass es derzeit in Polen Berufsverbote gegen die Bewegung gibt.

Prof. Werner Röhr ging, anders als sein Vorredner, auf die Rolle des deutschen Imperialismus ein. Er benannte die Kriegspläne ebenso wie z.B. die Angriffe auf die Löhne. Und er kam zu dem Schluss, dass der deutsche Imperialismus für beide Felder derzeit keinen Faschismus benötigt, dass er seine Interessen auch so umsetzen kann. Er meinte in Anlehnung an den Satz, dass die Theorie zur materiellen Gewalt wird, wenn sie die Massen ergreift, dass dies auch bei falschen Theorien der Fall sei. Wie z.B. Theorien der Faschisten. Für falsch halten wir aber die Bezeichnung von Röhr zur Kanzlerin, die er als „das Merkel“ bezeichnete. Unsere Abgrenzung sollte sachlich geschehen und nicht auf eine diskriminierende Weise, die ein Geschlecht bestreitet und so für einen Lacher sorgen soll. Das führt uns nicht weiter. Prof. Röhr ging dann auf die Frage ein, warum der Antifaschismus in der DDR nach der Angliederung an die BRD ausgeschaltet wurde und darauf, dass die Faschisten benutzt werden, um Verschärfungen durchzusetzen, wie z.B. in der Asyl- oder Kriegspolitik. Positiv war es, dass der wissen-schaftliche Faschismusforscher Röhr jegliche Thesen eines Faschismus in Deutschland oder den USA zurückwarf. Er wandte sich dagegen, lapidar bestimmte Erscheinungen als faschistisch zu bezeichnen und somit das Wesen des Faschismus nicht richtig darzustellen.

Hermann Klenner vom Marxistischen Forum zitierte Liebknecht, der mal gesagt habe, dass das juristische Denken das marxistische Denken erschwere. Er meinte weiter, dass er nichts von einem „geschlossenen Marxismus“ hält. Ob er damit Weiterentwicklungen oder Revidierungen meinte, ließ sich aus seiner Rede nicht heraushören.

„Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik“: In dieser Plenumsveranstaltung stellte Frigga Haug ihr gleichnamiges Buch vor. Inhaltlich wurde Lenin ein falsches Demokratieverständnis vorgeworfen. Sie stellte „Lenins Diktatur“ der „proletarischen Demokratie“ gegenüber. Und sie behauptete gar, dass Luxemburg die erste gewesen sei, die die Frage der Demokratie richtig erkannt habe. Da stellt sich doch die Frage, ob Frau Haug Lenin gelesen hat. Aussagen von Luxemburg wurden als Axiome dargestellt, die keine sind. So z.B., dass Luxemburg prinzipiell gegen Wahlboykotts sei. Die Bolschewiki hingegen waren es, die zu dieser Frage die konkreten Bedingungen analysierten und sowohl eine Wahlbeteiligung als auch ein Boykott zu Recht nie ausschlossen, sprich, die diese Frage als eine taktische Frage betrachteten. Nach dem Vortrag war unser Eindruck, dass man sich die 16,50 Euro für das Buch gut sparen kann.

„Mit Keynes aus der Krise?“: Eine weitere Plenumsveranstaltung fand zu Keynes statt. Maynard Keynes (1883-1946) war ein bürgerlicher Ökonom, der insbesondere durch den Börsenkrach im Jahre 1929 seine wirtschaftspolitischen Gedanken entwickelte. Sein Ziel war es Krisen und Preisverfälle zu verhindern. Diesbezüglich lehnte er stets Lohnerhöhungen für die Arbeiter-klasse ab. In einem Brief an Georg Bernhard Shaw (1935) formulierte er eindeutig seine Ablehnung von Marx und Engels. Er sähe nicht, dass Marx und Engels irgendeinen Schlüssel für das Verständnis der Ökonomie entdeckt hätten. Er sah einen Grund für Krisen in einem Ungleichgewicht zwischen den Ländern. Die Krise soll durch Keynes dadurch zumindest abgeschwächt werden, dass die Arbeiterklasse mehr Werte produziert, als sie selbst bekommt. Auch noch heute gibt es Kräfte, die sich an Keynes anlehnen. so z.B. in der Linkspartei/WASG oder z.B. auch in der gewerkschaftlichen Memorandum-Gruppe. Und so war es auch nicht ganz verwunderlich, dass solche bürgerlichen Theorien auch nicht vor der MarXXIsmus-Konferenz halt machten.

Die von Jörg Goldberg moderierte Veranstaltung begann Conrad Schuhler. Dieser sprach von transnationalen Konzernen und negierte die Rolle des Staates. Seine Aussagen gingen in Richtung von Kautskys „Superimperialismustheorie“.

Und auch Joachim Bischoff sprach von einem „veränderten Kapitalismus“ und von einem „Ungleichgewicht“, das zur explodieren drohe. Er behauptete dann sogar, dass Keynes eine „Regulierung des Weltsystems“, dass er eine Reform der Weltwirtschaft zu einer nachkapitalistischen Wirtschaft entwickelt habe. Dass solche Vorstellungen der marxistischen Wissenschaft widersprechen, sah der Referent nicht, der nach diesem Lob an Keynes auch von grundlegenden Defiziten bei diesem bürgerlichen Ökonom sprach. Dann wiederum meinte er, dass Keynes Parole gegen die Ungleichheit auch eine Botschaft sei, wie man den Kapitalismus überwinde.

Elmar Altvater stellte Keynes Gedanken bezüglich der Zirkulation des Geldes richtig dar. Er will, dass das Geld zwangsweise immer zirkuliert und dadurch würde dann die Wirtschaft blühen. Trotz der Beschreibung dieser Illusion, die die inneren Widersprüche im Kapitalismus unbeachtet lassen, meinte er aber, das Marx und Keynes verbunden werden können. 

Für Sahra Wagenknecht, die zu diesem Thema eigentlich auch sprechen sollte, aber am zweiten Tag nicht zur Verfügung stand, kam dann Leo Meyer ans Mikro. Dieser sprach von „Veränderungen“ des Finanzkapitals. Er brachte die Deutsche Bank als Beispiel an. Diese habe ihr Kapital von Firmenbeteiligungen abgezogen, genauso wie bei Aufsichtsratsposten. Dies sei ein Auflösungsprozess... Solche Theorien waren in der Veranstaltung an der Tagesordnung, in der darüber debattiert wurde, wie Keynes bzw. wie viel von ihm mit Marx verbunden werden könne - also mit wie viel bürgerlicher Theorie Marx verwässert werden kann und zum Murks-ismus wird.

Bei den Veranstaltungen, die wir besucht haben, wurden immens viele Thesen aufgestellt, es gab aber nur wenig erkennbare Versuche einer Argumentation, einer Beweisführung. Wäre dem nicht so gewesen, wären die Diskussionen sicher auch produktiver gewesen.

Diskussionen: Der Raum für Diskussionen war bei den meisten Veranstaltungen recht knapp gehalten. Es ging anscheinen konzeptionell vor allem darum, dass die Zuhörer der Diskussion auf dem Podium folgten. Viele strittige Fragen waren aber auf dem Podium schon ausgeklammert worden. Erfreulich waren aber z.T. recht gute und auch kritische Fragen aus dem Publikum. Deutlich zu beobachten war aber bei vielen ZuhöhrerInnen eine unkritische Betrachtung der „Autoritäten“ auf dem Podium. Teilweise wurden die recht kompliziert ausgedrückten Inhalte nicht verstanden. So kam es vor, dass dieselben Leute bei sich widersprechenden Aussagen zweier Referenten klatschten. Aber dies ist wohl nur ein Spiegelbild der theoretischen Schwäche und Unklarheit der Bewegung.

Zielstellung erreicht? Wie geht’s weiter? Robert Steigerwald sagte: „Ziel der Konferenz war aber, über Marxismus für das 21. Jahrhundert zu diskutieren“ [UZ ebenda]. Aus unseren Erlebnissen schlussfolgern wir aber, dass es viel Murks und wenig Marx auf der Konferenz gab. Für Gen. Steigerwald war die Konferenz „ein intellektuelles und emotionales Erlebnis“, dies war in der Tat der Fall, jedoch spricht dies nicht zwangsläufig für eine hohe Qualität. Er wertete aus: „Die Konferenz war politisch bedeutsam, weil ein breiter Konsens zwischen den sie tragenden Kräften deutlich wurde auf der Grundlage von Marx“. Ob die Konferenz wirklich auf der Grundlage von Marx verlief, darüber sollte intensiv diskutiert werden. Der Vorbereitungskreis wertete aus: „Es ist der 2. Marxismuskonferenz gelungen, Diskussionen anzuregen, die sich vor allem durch den Willen auszeichnen, bei allen Unterschieden gemeinsame Ansatzpunkte der Analyse des gegenwärtigen Kapitalismus und der politischen Kräfteverhältnisse herauszu-arbeiten“ [ebenda]. Lassen wir dies mal unkommentiert stehen.

An sich begrüßen wir erstmal jede Initiative, die sich das Ziel setzt, über den Marxismus zu diskutieren. Konferenzen zu diesem Thema sind wichtig. Die Organisatoren wollen nun alle zwei bis drei Jahre Konferenzen veranstalten. Bleibt zu hoffen, dass es bei der nächsten Konferenz mehr um Marx und weniger um Murks geht!

  Mark Staskiewicz,
Berlin

Ingeborg Böttcher:
Eindrücke von der MarXXIsmuskonferenz in Berlin weitgehend diffuse Begriffe und Inhalte

Die Konferenz „MarXXIsmus für das 21. Jahrhundert“ war immerhin ein Anreiz, wieder in die Bücher zu schauen, denn man fühlte sich unter Gleichgesinnten oder manchmal auch nicht. Obwohl der Zugang zu den Veranstaltungen im Nebengebäude, m. E. die mit den interessantesten Themen, nicht hinreichend angegeben bzw. organisiert war(Lage- und Zugangsplan?), war mit den Plenarveranstaltungen die Thematik aber recht angereichert, ausreichend, wenn man nur des Wochenende zur Verfügung hatte, Stoff genug - im inhaltlichen Niveau aber nicht immer an das Niveau unseres Altvorderen Namensgebers der Konferenz heranreichend. Dennoch aber war die Konferenz eine Anregung zum kreativen und kritischen Nachdenken. Besonderes Problem: die Erfassung der Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung, die von unseren Klassikern wissenschaftlich ausgewertet wurden, von den meisten Plenumsbeiträgen der Konferenz aber nur ungenügend erfasst wurden, da weitgehend mit diffusen Begriffen und Inhalten gearbeitet wurde, dennoch aber, wie man sah, für Viele interessant, denn der Plenarsaal war in beiden Etagen voll.

Manche Lücken beim Erfassen von Gesetzmäßigkeiten zeigten sich, vielleicht sind sie auf unerfahrenen oder flüchtigen Umgang mit der Wissenschaft zurückzuführen. Dem sollten wir uns als alte Hasen annehmen.

In Gesprächen mußte man den Eindruck gewinnen, dass die Präzision beim Lesen bzw. beim Studium der Originalliteratur/ML oberflächlicher geworden ist. Man polemisiert und diskutiert m. E. zunehmend mit Allgemeinplätzen. Das ist ein großer historischer Verlust. Es sieht so aus, als würden im Verlauf der wissenschaftlichen Aufnahme erlebter, erforschter und aufge-schriebener Geschichte und Gesellschaftswissenschaften Entwicklungen und Widersprüche sowie wichtige Gesetze überlesen, bagatellisiert, anders formuliert und dann natürlich falsch bewertet oder betrachtet, was zu gravierenden Fehlern führen kann.

Aber seit den Zeiten der Entwicklung, Entstehung und dem Fortschreiten ernst zu nehmender wissenschaftlicher Arbeit über gesellschaftliche Vorgänge, Widersprüche und Katastrophen ist es so, dass deren Analysen und Wertungen durch bewusste oder unbewusste Oberfläch-lichkeiten, Trugschlüsse oder gar Unterschlagung verfälscht werden und damit für die Ent-wicklung des Fortschritts der Gesellschaft nachteilig werden, ja sogar Irritation verursachen können, z.B. wenn Ursache und Wirkung, bzw. innere Logik dramatischer Zusammenhänge verwechselt, verdreht oder bagatellisiert, bzw. zugrunde liegende Gesetzmäßigkeiten ignoriert, falsch eingeordnet oder falsch benannt werden.

Solche Erscheinungen gehören auch zum Klassenkampf oder können auf mutwilliger Täuschung beruhen, aber auch aufgrund von Flüchtigkeiten in der wissenschaftlich analytischen Arbeit zu schweren Irrtümern und Schäden führen. Solche Erscheinungen können aber in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, ob gewollt oder ungewollt, verhängnisvoll sein.

Dieses Phänomen trat in der Diskussion der Thematik „Keynes“ auf. Wir finden in der Linken kaum Politiker, Ökonomen, Gesellschaftswissenschaftler oder gar Philosophen, die heute gegen die akute Gefahr spekulativer oder zerstörerischer Einwirkungen in die materialistische ökonomische Wissenschaft Stellung nehmen, diese Angriffe beachten und dann auch korrigieren - oder bei falschen klassenmäßigen oder entstellenden Bewertungen den sicheren Instinkt für die schnelle Bereinigung besitzen.

Das hat uns der Ablauf der Konterrevolution 1956 bis 1990 bewiesen, denn welcher Marxist in der ganzen Ära fand sich zurecht und war in der Lage, bezüglich der Geheimrede des XX. Parteitages der KPdSU 1956 die böse Absicht zu wittern, die zweifellos auf der Hand lag?!?

Kraft dieser Unbedarftheit von Millionen Kommunisten - auch noch nach Bekanntgabe des Inhalts der Chruschtschowschen „Geheimrede“, interessanterweise durch westliche Medien - konnte dennoch diese irre Mär vom bösen „Stalinismus“ zur materiellen Gewalt werden und die Massen ergreifen. Das war ein für uns Kommunisten und Bolschewiki ein schandbarer und folgenschwerer Lapsus des Klasseninstinkts, mit dem wir in Breitenwirkung so schnell nicht ins Reine kamen und kommen.

Warum nun wieder so etwas (natürlich verglichen mit damals im „Kleinformat“)? Die Hoffnung auf Keynes, und das namens einer modernen MarXXIsmus-Konferenz! Noch dazu in einer Situation immenser Ausbrüche der allgemeinen Wirtschaftskrise im imperialistischen System nach der Zerstörung des Sozialismus in Europa, gleichzeitig eines Aufschwungs der antikolonialen Bewegung weltweit, wo doch revolutionäre Orientierung richtig wäre! Dass die Konferenz bzw. die Veranstaltung zu Keynes das nicht ins Kalkül gezogen hat, gibt jedenfalls sehr zu denken, zumal der als Ausweg aus der Krise durch J.M.Keynes propagierte Weg vor rund 80 Jahren aktuell war. Die von Keynes vorprogrammierte staatsmonopolistische Regulierung, die einige Jahre nach der Teilung Deutschlands in der BRD noch geholfen hat, ist heute überholt. Die ökonomischen Bedingungen haben sich geändert. An Vollbeschäftigung ist kaum noch zu denken. Im 21. Jahrhundert eine Rechnung ohne die neoliberalen imperia-listischen Hyänen zu machen ist gefährlich.

Mensch muß lernen, mehr zu lesen, nachzudenken, zu speichern und weniger Dummheiten zu reden. Wie wenige, die sich Marxisten, Linke oder Kommunisten, Sozialisten u.a. nennen, kennen die Philosophie über die menschliche Denklogik von Heraklit bis Lenin, aber alle reden darüber in linken Floskeln, von Unwissenheit geschlagen! Nur ein verschwindender Teil der Menschen hat bisher trotz mannigfacher Zeichen begriffen, was die gesellschaftliche Glocke nach dem Tode Stalins geschlagen hat. Unter diesen Bedingungen meint man nun auch noch, die permanente Weltwirtschaftskrise des Kapitalismus mit Keynes retten zu wollen und alles mit „Vernunft“ zu regeln, statt dem Imperialismus als Ganzes und global zu Leibe zu gehen.

Vor fast einhundertundzehn Jahren schrieb Friedrich Engels angesichts der Niederlage der Klassenkämpfe in Frankreich in einer Einleitung zu Marx` diesbezüglichem Werk:

„…die Geschichte hat uns allen, die ähnlich dachten, Unrecht gegeben. Sie hat klar gemacht, daß der Stand der ökonomischen Entwicklung auf dem Kontinent damals noch bei weitem nicht reif war, für die Beseitigung der kapitalistischen Produktion; sie hat dies bewiesen, durch die ökonomische Revolution, die seit 1848 den ganzen Kontinent ergriffen und die große Industrie in Frankreich, Österreich, Ungarn, Polen und neuerdings Rußland erst wirklich eingebürgert, aus Deutschland aber geradezu ein Industrieland ersten Ranges gemacht hat alles auf kapitalistischer, im Jahre 1848 noch sehr ausdehnungsfähiger Grundlage.“

Engels gab also zu, dass man auch damals schon manchmal voreilig war. (Hätte er es nicht aufgeschrieben, so könnten wir heute keine Vergleiche ziehen, z.B. mit der Oktoberrevolution und den Lehren der Geschichte, die sie uns um die letzte Jahrhundertwende erteilte. Immerhin gab er uns damit ein Denkmuster.)

Uns allerdings muß heute klar werden, daß, obwohl die Oktoberrevolution 1917 vielleicht zu früh erfolgte, die Sowjetunion alle Feinde des Sozialismus aus aller Welt und sie waren permanent im Anmarsch, darüber gibt es keinen Zweifel - unter Stalins Führung zunächst geschlagen hat.

Wir haben in den Sozialistischen Ländern während der fünfziger bis siebziger Jahre die volkswirtschaftliche Verflechtungsbilanz vom Prinzip her entwickeln können mit den Möglichkeiten der Abschaffung der Warenwirtschaft und der klingenden Münze, ohne Abstriche vom Lebensstandard machen zu müssen. Das ist Voraussetzung für einen Sozialismus auf höherer Stufe, aber wir haben diese Entwicklung in der Sowjetunion seit Mitte der 50er Jahre, in der DDR seit Mitte der 70er Jahre vernachlässigt, u.a. durch mangelhafte Parteiarbeit, deren Voraussetzung m. E. eine strikte Befolgung und Durchsetzung der marxistisch/ leninistischen Theorie und deren gewissenhafte Fortschreibung hätte sein müssen, was aber nicht bis in letzte Konsequenz verfolgt wurde, sondern das Niveau der Theoriearbeit der Klassiker in unserer Tradition nicht gehalten und nicht weiter qualifiziert wurde. Dabei darf die laufende marxistisch-leninistische Analyse des realen Klassenkampfes und seiner ideologischen und taktischen Anforderungen an diese Theorie niemals außer Acht gelassen werden.

Die Welt und in ihr das Leben ist Ergebnis von Widersprüchen, womit auch jede Barbarei, jede Zivilisation Produkt ständiger Kämpfe von Widersprüchen ist, die aktiv gelöst werden müssen, deren Fortschritte oder Rückschritte von den um prinzipielle Ergebnisse kämpfenden Menschen vorangetrieben oder gebremst, bzw. überwunden werden müssen. Das richtige Erkennen positiver oder negativer Tendenzen ist dabei von großer Wichtigkeit, denn letzten Endes gehen derartige Tendenzen immer um Sein oder Nicht-Sein.

Das alles steht im Kompendium des Marxismus, der von den Arbeitern und ihren Verbündeten, insbesondere aber von ihrer Avantgarde benötigt, von ihren Feinden mit allen Mitteln bekämpft wird.

Reibungslos wird das Leben nie zu haben sein, aber für die Menschen ist es notwendig, ja unerläßlich, daß sie die Widersprüche und Probleme des täglichen Lebens zutiefst begreifen und erfassen, um mit ihnen vorrangig friedlich fertig zu werden, sie kämpferisch, aber entsprechend dem jeweiligen Entwicklungsstand und Kräfteverhältnis der Zeit zu lösen.

Keynesianismus ist jedenfalls kein Weg der Krisenüberwindung im Zeitalter des Imperialismus. Seine Möglichkeiten sind historisch und klassenmäßig begrenzt und die historischen Voraus-setzungen für sein Wirken innerhalb des Kapitalismus sind längst gesellschaftlich überholt.

Wir sollen trotzdem optimistisch sein, nicht in Handwerkelei verfallen, sondern die marxistisch/leninistischen Theorie weiterführen, denn wir alle wissen, daß das gesellschaftliche Leben der Menschheit eine Abfolge von Widersprüchen und ihrer kämpferischen Bewältigung ist, wie alles Leben also immer wissenschaftlich angesprochen und absolviert werden muß.

Ingeborg Böttcher,
Altlandsberg

Michael Opperskalski/Frank Flegel:
„Die kommunistische Bewegung in Deutschland und das Problem der Einheit“ Beitrag von „offen-siv“ zur MarXXIsmuskonferenz in Berlin

Wir bringen hier unser Eingangsreferat und im Anschluss daran ausgewählte Diskussions-beiträge. Beim zweiteilige Eingangsreferat von Michael Opperskalski und Frank Flegel handelt es sich um das gesprochene Wort, es wurde mitgeschnitten und vom Band abgeschrieben.

Teil 1 Frank Flegel:
Über den Zusammenhang vonKapitalismusanalyse und Sozialismusbestimmung

Die so genannte Linke in Deutschland ist zerstritten und zersplittert. Das ist kein Wunder, denn zur Linken zählen sich Anhänger der unterschiedlichsten Theorien mit unterschiedlichsten Zielen.

Wie steht es aber mit der kommunistischen Bewegung? Sie ist kaum weniger zerstritten und zersplittert. Wieso das? Für die kommunistische Bewegung gilt doch der Marxismus und der Leninismus als Grundlage, oder?

Doch hier beginnen schon die Probleme.

Wir sind der Auffassung, dass es ohne ein gemeinsames Ziel keinen gemeinsamen Weg geben kann. Das Ziel der Kommunisten/innen ist der Sozialismus.

Was aber ist der Sozialismus? Schon immer gibt es unterschiedlichste Formen und bereits Marx und Engels haben sich damit auseinandergesetzt: Es gab und gibt den kleinbürgerlichen Sozialismus, den utopischen Sozialismus, den Anarchismus, den freiheitlichen Sozialismus, den Selbstverwaltungs-sozialismus, den Marktsozialismus, den demokratischen Sozialismus, den Sozialismus für das 21. Jahrhundert - und den wissenschaftlichen Sozialismus. Wir wollen uns heute mit der Zielbestimmung befassen, bevor wir über Wege nachdenken. Deshalb geht es zunächst um Ökonomie. Ich hoffe, dass ich Euch nicht zu sehr langweile.

Wie Ihr sicherlich alle wisst, beginnt das Marxsche „Kapital“, das Hauptwerk der ökonomischen Theorie des Marxismus, mit der Analyse der Ware. Ich mute Euch jetzt einen ungeheuer kurzen Schnelldurchlauf zu, denn es geht mir darum, deutlich zu machen, dass es eine innere Logik gibt, die mit der Ware anfängt und mit dem Imperialismus aufhört. Und um das deutlich zu machen, jetzt ein ganz kurzer logische Abriss:

Waren sind Gebrauchsgegenstände, die durch voneinander unabhängige, unterschiedliche Privatarbeiten hergestellt und danach ausgetauscht werden, d.h. die Erdbeertorte, die die Oma zu ihrem 70. Geburtstag backt und die am selben Nachmittag von Kindern und Enkeln aufgegessen wird, ist zwar ein Gebrauchswert, aber keine Ware. Die Erdbeertorte aber, die in der Bäckerei um die Ecke im Laden steht, um verkauft zu werden, ist eine Ware.

Die Marxsche Analyse der Ware zeigt, dass sie einerseits Gebrauchswert haben muss. Das ist der Nutzen, also das, was wir damit anfangen können, kurz gesagt, dass man das Brötchen essen kann.

Die andere Seite der Ware ist der Wert, unmittelbar sichtbar in dem, was wir dafür bezahlen. Der Wert besteht aus abstrakt menschlicher Arbeit, allgemein menschlicher Arbeit.

Ware

 Gw  W

Die Ware ist als Gebrauchsgegenstand an sich selbst Gebrauchswert, das ist überhaupt kein Problem. Beispielsweise hat dieser Becher hier den Nutzen, dass man aus ihm trinken kann.

Aber mit dem Wert verhält es sich komplizierter. Die Ware kann nicht an sich selbst Wert sein. Man sieht es ihrem Warenkörper nicht an, dass sie Wert ist. Das Wertsein kann nur in Beziehung zu anderer Ware sichtbar werden.

Das heißt also: die Ware zeigt ihren Gebrauchswert immer an sich selbst und muss sich gleichzeitig mit anderer Ware gleichsetzen, um ihr Wertsein zu zeigen.

Und nun beginnt die Logik des Kapitals. Und die ist gar nicht so kompliziert, wie es manchmal scheint. Wir müssen uns jetzt die Ware als Subjekt vorstellen. Das wirkt jetzt wahrscheinlich etwas eigenartig, aber ist notwendig, um die Logik zu verstehen. Im Kapitalismus herrscht nun mal das Wertgesetz, also das Wertsein der Ware, als Subjekt der Gesellschaft und macht die Menschen zum ausbeutbaren Objekt.

Man stelle sich also vor, dass eine Ware ihr wirkliches Ware-Sein ausdrücken will, dass sie also ausdrücken will, das sie Gebrauchswert und Wert gleichzeitig ist. Das kann sie nicht allein. Sie muss in ein Verhältnis treten zu einer anderen Ware:

x Ware A = y Ware B.

Das nennt Marx die „einfache Wertform“. Was heißt das? Die Ware A will ihren Wert ausdrücken und tut das in Gleichsetzung mit der Ware B. Besonders gut ist das nicht, denn allgemein menschliche Arbeit wird ausgedrückt in einer einzelnen, zufälligen anderen Arbeit. Die Ware A hat damit zwar immerhin gezeigt, dass sie mehr ist als nur Gebrauchswert, aber das Allgemeine der ihr innewohnenden Arbeit ist nur zufällig einzelnen zum Vorschein gekommen. Fazit: das ist ein schlechter Wertausdruck.

Die „entfaltete Wertform“, die Marx danach beschreibt, ist schon ein besserer Wertausdruck. Unsere Ware A setzt sich in Beziehung mit ganz vielen anderen Waren der Warenwelt.

  y Ware B

  z Ware C

  x Ware A =  a Ware D

  b Ware E

  usw

Anders gesagt: Der Charakter der allgemein menschlichen Arbeit erscheint nun in unendlich vielen unterschiedlichen konkreten Arbeiten. Dafür passt gut ein Begriff von Hegel: das ist die „schlechte Unendlichkeit“.

Erst, wenn alle Waren ihren Wert in einer anderen ausdrücken, wenn also gilt:

x Ware A

y Ware B

z Ware C  =  c Ware F = Geldware

a Ware D 

b Ware E,

dann haben wir einen stimmigen Wertausdruck. Indem alle Waren der Warenwelt ihren Wert in einer einzigen Ware ausdrücken, repräsentiert diese eine Ware allgemein menschliche Arbeit.

Das entsteht, ohne dass Menschen irgend etwas tun müssen. Das entsteht aus der Logik der Sache, der Ware, selbst. Man kann es gut sehen in Krisensituationen oder Nachkriegszeiten, in denen es keine funktionierende Zentralgewalt des Staates gibt, die Geld von der Zentralbank her ausgibt. Da entsteht sofort und unmittelbar eine Zigarettenwährung oder ähnliches. Die Geldware entwickelt sich da, wo Waren, also Produkte voneinander unterschiedener Privatarbeiten, getauscht werden. Geldware entwickelt sich „automatisch“, aus der Sache selbst heraus, sie braucht keine Zentralbank dafür. Wie ja überhaupt der Kapitalismus wie Unkraut wächst, Kapitalismus entwickelt sich ohne bewusstes menschliches Handeln aus seiner eigenen Logik heraus, aus seinen eigenen Gesetzen - denen des Wertes nämlich ohne bewusstes Zutun der beteiligten Menschen, ganz im Gegenteil, die Menschen sind nicht Subjekte, sondern werden zu Objekten der Gesetze der kapitalistischen Ökonomie.

Zurück zur Logik des Kapitals: wir waren beim Wertausdruck im Geld. Das ist ein recht guter Wertausdruck. Nun wird die Sache real: die Ware tauscht sich gegen Geld, das Geld wird wiederum getauscht gegen eine andere Ware und dann kommt der Konsum.

Die Zirkulationsform:

Ware  -  Geld  -  Ware  (W-G-W) ----  Konsum

Damit ist der Prozess zu Ende. Pointiert gesagt: Unsere arme kleine Ware wollte doch auf die Welt kommen, wollte zeigen, dass sie Ware, also Gebrauchswert und Wert ist, hat das zunächst im einfachen, sehr unbefriedigenden Wertausdruck gezeigt, hat sich dann das Geld geschaffen, um ihren Wert adäquat auszudrücken und nun geht sie in die Zirkulation, realisiert den Formwechsel und am Schluss kommen wir daher und fressen sie auf!

Der Mangel an der Sache ist der Konsum. Der Konsum zerstört der Prozess unserer Ware. Nun, wie geht es weiter? Ganz einfach: wenn der Konsum das Problem ist, dann ist der Konsum halt einzuschränken. Konsumverzicht bzw. Konsumeinschränkung und Schatzbildung!

 Konsum

W-G-W

  Schatzbildung

Das wiederum ist die Voraussetzung für die Bildung des allgemeinen Begriffs des Kapitals. Hier kommt die Ware zu sich selbst. Der Mangel der einfachen Warenproduktion, dass nämlich die Konsumtion die  Zirkulation beendet, ist überwunden.

Eine Geldsumme wird vorgeschossen, in Gebrauchswerte umgesetzt, allerdings in ganz bestimmte, nämlich Produktionsmittel und Arbeitskraft, diese werden miteinander verknüpft in der Produktion, das Resultat besteht aus neuen Waren, die nach ihrem Verkauf einen größere Wertsumme einbringen, als vorher vorgeschossen wurde. 

Die Zirkulationsform:

 Produktionsmittel

Geld  -  Ware  ……Produktion……  Ware ` -  Geld `

 Arbeitskraft

Einige Bemerkungen zu dieser Formel: das ist der allgemeine Begriff des Kapitals. Und das ist als Begriff des Kapitals der Begriff der Ware. Die Ware durchläuft die unterschiedlichen Seiten ihrer selbst die Wertseite, die Gebrauchswertseite, sie erhält sich dabei, unterwirft sich die Konsumtion (als produktive Konsumtion, womit sie sich die stofflichen und die menschlichen Bedingungen der Produktion unterwirft), entsteht dabei neu, vergrößert ihren Wert und wird zur prozessierenden Einheit ihrer selbst. Die am Anfang von mir noch als „arm und klein“ bezeichnete Ware wird nun zur Synthese der Gesellschaft, schafft ihre eigene Bewegung aus sich selbst. Ihre Zirkulationsformel ist ein sich selbst reproduzierender Kreislauf. Und was sich selbst reproduziert aus eigener Logik, das strukturiert Gesellschaft. Marx spricht hier vom sich selbst verwertenden Wert. Und ich sage es nochmals: das funktioniert ohne den bewussten Willen, ohne das bewusste Planen der beteiligten Menschen nach seiner eigenen Logik. Und das ist die Logik des Wertgesetzes.

Das hat mehrere Folgen:

Erstens: die vom sich selbst verwertenden Wert genutzten Menschen werden von ihm als Ware Arbeitskraft eingekauft und zu seiner Verwertung eingesetzt. Das heißt, dass sich Subjekt und Objekt der Gesellschaft umkehren: nicht der Mensch ist Subjekt seiner Entwicklung, sondern das Wertgesetz herrscht, dieses wird zum Subjekt, der Mensch hingegen wird zum Objekt degradiert, Objekt des sich selbst verwertenden Wertes, des Kapitals, oder um es ganz grundsätzlich zu sagen: Objekt der Verselbständigung der Warenform seines eigenen Arbeitsproduktes!

Zweitens: es entstehen Klassen. Der Kapitalkreislauf bringt die Kapitalistenklasse (oder anders gesagt: die Bourgeoisie) und die Arbeiterklasse (oder anders gesagt: das Proletariat) auf die Welt. Und das geschieht auch völlig unabhängig, erstens: davon, wo die Menschen sich selbst einordnen, wie also der Bewusstseinsprozess aussieht, den die Beteiligten gerade durchlaufen; und zweitens: davon, was die Beteiligten gern hätten oder sich erträumen. Denn nach den Gesetzen des Warentausches gehört der Gebrauchswert einer Ware dem Käufer. Wenn also ein Kapitalist die Ware Arbeitskraft kauft, gehört ihm der Gebrauchswert dieser Ware, die Arbeit. Das ist wie beim Brötchen: wenn ich morgens beim Bäcker ein Brötchen kaufte, bezahle ich seinen Wert. Mit dem Gebrauchswert kann ich machen, was ich will: Frühstücken, Enten füttern, trocknen lassen und zu Paniermehr reiben oder was weiß ich. So auch mit der Arbeitskraft. Sie bekommt im besten Falle ihren Wert, den Arbeitslohn, und der Unternehmer kann mit dem Gebrauchswert, der lebendigen Arbeit, machen, was er will. Das Glück des Unternehmers ist: der Gebrauchswert der Arbeitskraft ist es, Wert zu schaffen, und zwar mehr Wert, als sie selbst kostet. Das ist die Wertschöpfung in der Hand des Kapitals, so entsteht der Gewinn.

Kurze Rekapitulation: es geht mir darum zu zeigen, dass aus der Ware über die Entwicklung der Geldform das Kapital entsteht. Das ist eine innere, zwingende Logik. Hast Du Warenproduktion, entwickelt sich der Prozess aus sich selbst heraus weiter zum Kapital und zwar „von selber“, aus der Logik der Sache selbst heraus.

Aus dem Kapitalbegriff ergibt sich als nächster logischer Schritt das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation:

1. Das Kapital reproduziert seine eigenen Voraussetzungen und unterwirft sich damit die gesamte Gesellschaft. Vor allem reproduziert das Kapital a) die Arbeiterklasse und die Bedingungen der Existenz derselben, und damit zementiert es die Klassenspaltung der Gesellschaft; und b) die materiellen Voraussetzungen seiner Existenz, d.h. die Produktionsmittel (industrielle Revolution, Elektrifizierung, Elektronik, Digitalzeitalter usw.).

2. Der Mehrwert wird kapitalisiert. Da dies in der Kreisbewegung geschieht, reproduziert sich das Kapital nicht nur auf einfacher Grundlage, sondern es wächst.

3. Damit haben wir die Situation, dass der von der Arbeiterklasse geschaffene Wert als kapitalisierter Mehrwert ihr selbst als Mittel ihrer eigenen Ausbeutung entgegentritt und damit das „Credo“ der Warenzirkulation, der Äquivalententausch, in der Produktion vollkommen aufgehoben wird. Die Tendenzen der Konzentration und Zentralisation des Kapitals, die zur Monopolbildung führen, komplettieren dieses Bild.

4. Konzentration und Zentralisation des Kapitals (ich verzichte hier auf die Darstellung der Krisen und der Fragen des tendenziellen Falls der Profitraten usw) bilden den logischen Übergang zur Imperialismustheorie von Lenin. Die Merkmale, die Lenin anführt, sind klar: Monopolbildung, Verschmelzung des produktiven Kapitals mit dem Bankkapital zum so genannten Finanzkapital, der Kapitalexport wird wichtiger als der Warenexport, die territoriale Aufteilung der Welt unter den Großmächten ist abgeschlossen und Märkte, Rohstoffquellen und Einflussgebiete der großen Kapital-verbände sind verteilt. Änderungen sind in der Regel nur noch gewaltsam vorzunehmen.

Das bedeutet aber Repression nach innen und Krieg nach außen. Und gleichzeitig zeigt der Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium Anzeichen von Fäulnis und Parasitentum.

Kurzüberblick:

Die Tatsache, dass Arbeit als voneinander unterschiedene einzelne Privatarbeit verausgabt wird, was ja immer dann geschieht, wenn wir Privateigentum an den Produktionsmitteln haben, erzeugt die Warenzirkulation. Diese „setzt“ aus sich selbst heraus das Geld. Aus dem Geld entwickelt sich unmittelbar und in logischer Folge das Kapital. Das Kapital muss in den Akkumulationsprozess gehen und damit die Gesellschaft bestimmen. Mit der Kapitalisierung des Mehrwerts steigt die Kapitalsumme, steigt die Möglichkeit der Produktivkraftsteigerung, steigt dementsprechend die Arbeitslosigkeit. Die Kapitale werden immer größer,  schlucken sich zum Teil gegenseitig, größere wachsen, kleinere werden zerrieben, es entwickeln sich Monopole, internationale Verflechtungen usw., wie sie für den Imperialismus typisch sind.

Wir haben als Resultat, entwickelt aus der Ware, ein menschenfeindliches, kriegerisches, den Planeten zerstörendes System, das in der Dritten Welt Ausbeutung, Elend, Kriege und eine kaputte Arbeiterklasse schafft ohne Ende, in den Metropolen der Arbeiterklasse noch ein paar Almosen mehr gewährt was im letzten Jahrzehnt aber massiv zurückgeschraubt wurde, eine kulturelle, mentale und existenzielle Verelendung ohne Beispiel, dazu auch hier Kriegsgefahr, Ausgrenzung, wachsende Armut und Elend. Das gesamte System ist nicht in der Lage, irgend etwas an menschlicher Entwicklung zu gewährleisten, sondern gefährdet diese ganz wesentlich.

Das kann man nicht besonders gut finden. Also: Wie kann man das ändern? Was muss passieren, wenn man das aufheben und eine neue gesellschaftliche Entwicklungsepoche eröffnen, in eine neue Gesellschaftsformation übergehen will?

Unser Ziel ist der Sozialismus. Dazu zunächst eine Bemerkung: Sozialismus ist etwas anderes als Kapitalismus, hat eine völlig andere Struktur. Ich hatte schon darauf hingewiesen: wenn man heute eine Gesellschaft sich selbst überlässt, entwickelt sich Kapitalismus von selbst und wächst wie Unkraut, ganz unabhängig davon, ob jemand weiß, was passiert oder ob niemand weiß, was passiert das ist völlig irrelevant. Kapitalismus wächst von selbst, aus seiner eigenen Logik. Mit dem Sozialismus verhält sich das anders. Sozialismus muss von bewusst handelnden Menschen bewusst gemacht werden. Es gibt natürlich einige ökonomische Gesetze, auf die wir gleich kommen, trotzdem ist aber die Art und Weise, Sozialismus zu machen, eine menschliche Aktivität, die Bewusstsein voraussetzt, die Wissen voraussetzt, die Planung voraussetzt und bewusstes Handeln. Das ist gut und schlecht gleichzeitig. Denn wenn das, was man macht, Wissen und Bewusstsein voraussetzt, kann man es auch falsch machen.

Man muss es also richtig machen. Nun ist die Frage: was ist richtig? (Und das ist der große Streitpunkt.)

Warenproduktion entwickelt sich auf der Grundlage des Privateigentums an den Produktions-mitteln, gesellschaftliche Arbeit wird als voneinander unterschiedene einzelne Privatarbeit verausgabt. Egal, ob das eine kleine Klitsche eines Tischlers oder ein Weltkonzern wie bei-spielsweise VW ist, Grundlage der Warenproduktion ist das Privateigentum an den Produktionsmitteln und bitte: nicht die Arbeitsteilung (wie es von manchen Autoren, beispielsweise Matho oder Steigerwald, in der letzten Zeit behauptet wurde).

Daraus folgt, was wir im Bereich der Ökonomie machen müssen:

Das sind in Kurzform - die ökonomischen Bedingungen, Notwendigkeiten und Ziele für den Sozialismus. Um diese zu erreichen, sind umfangreiche politische Veränderungen notwendig.

Eine Revolution, die sich nicht verteidigen kann, taugt nichts. Deshalb ist unverzichtbar, größtes Augenmerk zu legen auf die

Das war der ökonomische Abriss der Sache. Ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass es eine Logik der Verhältnisse gibt.

Erstens: Die zwingende Logik des Wertgesetzes im Kapitalismus führt dazu, dass sich aus der Ware der Imperialismus entwickelt.

Zweitens: So lange es Kapitalismus gibt auf der Welt, gilt in ihm diese Grundstruktur, diese Logik des Wertgesetzes, wie sie von Marx herausgearbeitet wurde.

Drittens: Sozialismus ist eine neue ökonomische Gesellschaftsformation, eine völlig andere Art zu wirtschaften, die sich auf eine andere Klasse stützt und schließlich im Kommunismus die Klassenherrschaft überhaupt aufhebt, aber zunächst und für ziemlich lange Zeit dem Klassenkampf ausgesetzt ist und sich nur auf eine Klasse, das Proletariat, stützen kann. Und das drückt der Begriff „Diktatur des Proletariats“ bestens aus.

Nur wenn wir uns hierüber einig sind, können wir einen gemeinsamen Weg gehen. Wer diese Grundlagen ganz oder zum Teil ablehnt oder für überholt hält, wird nach wenigen Metern des gemeinsamen Weges abbiegen und unsere Marschrichtung als falsch, gefährlich, sektiererisch usw. denunzieren.

Und nun macht Michael weiter. (Beifall)

Teil 2 - Michael Opperskalski:
Über die Rolle der Wissenschaftlich-keit bei der Bestimmung kommunistischer Politik

Wir haben ganz bewusst die Veranstaltung genannt: „Einheit der Kommunisten“. Wir haben nicht von der „Einheit der Linke“ oder der Ähnlichem gesprochen. Wir haben sie also ganz bewusst „Einheit der Kommunisten“ genannt. Warum?

Die eine Begründung für diese Wortwahl hat Frank eben gegeben: der Marxismus und, weiterentwickelt durch Lenin zum Marxismus-Leninismus, ist eine Wissenschaft und keine Glaubensfrage, wie es hier bei einer Veranstaltung zu hören war. Wir glauben nicht, sondern wir wissen. Das ist der erste Unterschied und deshalb haben wir unsere Veranstaltung „Einheit der Kommunisten“ genannt, weil die Kommunisten sich in dieser entscheidenden Frage von allen anderen Trägern und anderen Sozialismusvorstellungen unterschieden. (Zuruf aus dem Publikum: „Sollten!“) Sicher, man könnte „sollten“ hinzufügen. Dieser Zuruf „Sollten“ ist aus meiner Sicht die Bekräftigung der Tatsache, dass es nach unserer Auffassung in Deutschland keine kommunistische Partei gibt, die den marxistisch-leninistischen Grundkriterien entspricht. Deshalb kann man auch sagen: dieses „sollten“ ist eine passende Beschreibung des Ist-Zustandes.

Der zweite Grund ist: wir haben nicht gesagt „Einheit der Linken“, denn das ist eine Chimäre, sie gibt es nicht und sie kann es auch nicht geben, weil es zu unterschiedliche Ansätze gibt, um überhaupt den Begriff „links“ zu definieren.

Wir sprechen also über die notwendige Einheit der Kommunisten, d.h. mit anderen Worten, über die notwendige Einheit jener Anhänger von Sozialismusvorstellungen, die von einem wissen-schaftlichen und nicht von irgend einem anderen Sozialismusbild ausgehen. Die Kommunisten sind die Träger des wissenschaftlichen Sozialismus. Und wir haben eine Unmenge von Anhängern aller möglicher anderer Sozialismusvorstellungen. Die aktuelle Konferenz, auf der wir uns gerade alle befinden, ist das beste Beispiel dafür, wobei ich allerdings durchaus zugespitzt und polemisch sagen möchte, dass eine Konferenz wie diese hier mit den Thematiken, die man hier hat mitbekommen können, für die wirkliche Entwicklung der proletarischen Revolution in Deutschland überflüssig ist wie ein Kropf. Die Arbeiterklasse braucht das definitiv nicht, was hier an „Erneuerungen“ propagiert wird. Man hat den Eindruck, man ist hier nur „in“, man bewegt sich nur im „Mainstream“ dieser Konferenz, wenn man aller Wissenschaftlichkeit sehr bewusst abschwört. Man schwört der Rolle des Proletariats ab, man macht die Frage des Sozialismus zu einer Glaubensfrage, man sagt, man brauche keine Partei mehr, sondern irgendein Urknall werde schon den Sozialismus erringen und ähnliches. Und natürlich, logischer Weise wo endet es: in der konsequenten Ablehnung dessen, was einmal Sozialismus auf deutschem Boden war, der Deutschen Demokratischen Republik und das ist Antiwissenschaftlichkeit pur.

Also zurück: wir haben unsere Veranstaltung im Rahmen dieser Konferenz bewusst genannt: „Einheit der Kommunisten“ und wie kann und wie darf sie nur aussehen, wenn es wirklich eine kommunistische Einheit sein soll?

Zunächst: die Kommunisten sind entstanden in der Auseinandersetzung, und zwar in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Anhängern anderer Sozialismusvorstellungen. Bereits im Kommunistischen Manifest, unserem Ur-Ur-Dokument, sind Kriterien formuliert worden, die die Kommunisten von Anhängern anderer Sozialismusvorstellungen unterscheiden. Hier werden nicht nur bestimmte Begrifflichkeiten eingeführt, sondern klare inhaltliche Zielsetzungen gegeben, die Frank in seinem Referat vor mir eben deutlich erläutert hat. Und schon Marx und Engels haben sich in unterschiedlicher Weise und in zum Teil harten Polemiken mit den Anhängern anderer Sozialismusvorstellungen auseinandergesetzt und sodann auch in der sich entwickelnden sozialdemokratischen Partei, der SPD, entsprechende Positionen gegen revisionistische Aufweichungen der Wissenschaftlichkeit des Sozialismus, gegen Revisionismus und Opportunismus, polemisiert, agitiert und organisiert.

Die Auseinandersetzung um die Wissenschaftlichkeit und die Notwendigkeit der Wissenschaftlichkeit des Sozialismus hat auch logischer Weise dann in der Arbeiterbewegung zur notwendigen Spaltung geführt in Kommunisten, die diese verteidigten, und Sozial-demokraten, die diese aufgegeben haben und die in Konsequenz offen auf Seiten des Klassengegners Position bezogen haben. Deutlich geworden, ja explodiert ist das vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg, wo die Sozialdemokratie die eigene Bourgeoisie verteidigt hat, für das Millionenschlachten gegen andere Völker stimmte, statt zu propagieren, die Gewehre umzudrehen und der Bourgeoisie ein für alle Mal den Garaus zu machen.

Die Kommunistische Partei musste also entstehen, um nicht nur die Wissenschaftlichkeit des Marxismus zu verteidigen, sondern um sie auch in die Praxis umzusetzen.

Und alles, was man z.B. hier heute und gestern auf den Veranstaltungen dieser Konferenz erfahren durfte, ist definitiv nicht neu. In Köln ich bin Kölner sagt man dazu: „Alter Kack in neuem Frack“. Die Fragen, dass es z.B. keine Partei mehr geben darf und keine Diktatur des Proletariats, dass man glauben soll, und dass eine Einheit der Linken ruhig vage sein kann, das ist mit anderen Worten bereits diskutiert worden in den Auseinandersetzungen vor 100 Jahren in den Auseinandersetzungen zwischen Lenin und Kautsky, in den Auseinandersetzungen zwischen den Führern der Sozialdemokratie und der Kommunistischen Partei. Und es ging immer wieder um Grundfragen. Krieg oder Frieden? Die Frage nach dem Charakter des Staates! Was bedeutet “Staat“? Ist der Staat ein Neutrum, das über allem steht, oder ist er eine Maschinerie zur Unterdrückung einer Klasse durch die andere? Wenn das so ist, muss man sich fragen: welche Klasse wird zu welchem Zweck durch den Staat unterdrückt? Die Kommunisten sagen im Unterschied zu anderen, die vom Staat als Neutrum ausgehen und meinen, dass man nur einzelne Personen ersetzen müsse und schon könne man Reformen vornehmen wir Kommunisten sagen: der Staat ist eine Maschinerie der Unterdrückung. Die Frage ist nur, welche Klasse unterdrückt wird. Und wir sagen ja, wir sind dafür, dass die Minderheit der Aus-beuter, der Barbaren unterdrückt wird entsprechend der jeweiligen historischen Notwen-digkeiten, die sich ergeben, damit die Mehrheit, die bis dato unterdrückt wurde, die Macht ausüben kann, wir sagen ja zur Diktatur des Proletariats, zum revolutionären Staat. Da kann es keinen Kompromiss geben in dieser Frage. Wird ein Kompromiss eingegangen, beginnt die kommunistische Partei ihre Wissenschaftlichkeit und damit ihren Charakter zu verlieren.

Diese Auseinandersetzung ist nicht neu. Ebenso nicht die Auseinandersetzung, dass das Proletariat nicht mehr revolutionär sein könne oder sogar gar nicht mehr existiere ist auch nicht neu. Die Vokabeln haben sich geändert, klingen heute moderner, aber die Inhalte haben sich nicht geändert.

Nach der Niederschlagung des Spartakusaufstandes, nach der Niederschlagung der Roten Ruhrarmee, nach der Niederschlagung der revolutionären Erhebungen des deutschen Proletariats gab es genau diese Diskussionen innerhalb der Arbeiterbewegung und besonders bei den kleinbürgerlichen progressiven Elementen, die dann schon vor rund 100 Jahren sagten: Arbeiterklasse? Die ist nicht mehr revolutionär. Die Arbeiterklasse hat keine Chance. Wir müssen „von innen heraus“ den Staatsapparat, d.h. die bürgerliche Maschinerie, versuchen, zu verändern. Das sind Parolen, die ein bisschen verändert heute z.B. die Linkspartei vertritt. Aber leider nicht nur die Linkspartei, sondern auch viele, die sich selber Kommunisten nennen, was zur Verwirrung der Menschen beiträgt.

Eine andere Frage, die damals ebenso brennend diskutiert wurde, wie sie heute diskutiert wird, für die also auch gilt: „Alter Kack in neuem Frack“, ist die Frage der Imperialismustheorie. Ist die Leninsche Imperialismusanalyse, einschließlich der Konsequenzen, die sich aus ihr ergeben (ich komme wieder auf Frank und die Wissenschaftlichkeit zurück), aktuell oder nicht? Heute hört man: sie sei nicht mehr aktuell. Der Lenin sei schon so lange tot und der Imperialismus habe sich rasant entwickelt, es gäbe jetzt Computer und High-Tech-Autobahnen und was weiß ich was alles noch, und das alles habe Elemente der Leninschen Imperialismustheorie aufgehoben oder relativiert. Da kann  man jetzt sagen: Ihr Dogmatiker von der „offen-siv“ (das sagen sowieso viele), Ihr haltet an der Leninschen Imperialismustheorie fest, ihr seid ja in einem andern Jahrhundert verankert, Ihr seid ja ewig gestrige. Ist das so? Wir sagen: Imperialismus bedeutet Barbarei, Imperialismus bedeutet Krieg, Krieg nach innen und Krieg nach außen. Das ist etwas, was wir jeden Tag sehen können. Schäuble und die neuen Sicherheitsgesetze, das ist der Krieg des imperialistischen Systems nach innen. Der Einsatz von Tornados in Afghanistan ist der Krieg des imperialistischen Systems nach außen. Das sagen wir.

Und die Schlussfolgerung daraus heißt: konsequenter Anti-Kriegskampf, militanter Anti-Kriegs-kampf, und zwar in der Form, dass wir den Menschen sagen: Innerhalb des imperialistischen Systems wird es keinen Frieden geben, dieses System muss abgeschafft werde. Punkt, Ende. Das ist die Konsequenz. Das bedeutet aber Militanz, das bedeutet eine andere Organisationsform als zur Zeit, das bedeutet andere Orientierungen, nämlich revolutionäre Orientierungen.

Wer sagt, dass die Leninsche Imperialismustheorie höchstens noch eine Daseinsberechtigung im Museum hat, wo man sie sich einmal im Jahr anschauen darf, wer sagt, dass die transnationalen Monopole zusammengewachsen sind und es deswegen höchstens noch in der Dritten Welt - von den imperialistischen Zentren gemeinsam geführte - Kriege geben kann, der sagt in der Konsequenz: Anti-Kriegskämpfe sind nicht notwendig; der sagt in der Konsequenz: man kann sich höchstens einsetzen für einige Projekte in der Dritten Welt, damit es dort nicht mehr ganz so kriegerisch zugeht; der sagt in der Konsequenz: es geht um Reformen, nicht um die Revolution. So konkret wird die Folge der Theorie in der Praxis und so konkret war es damals. Das war die Auseinandersetzung und der Unterschied zwischen Kautsky und Lenin. Also nichts Neues.

Alle Fragen der Wissenschaftlichkeit des Marxismus-Leninismus standen von Beginn an unter heftigstem Feuer, nicht nur der Bourgeoisie, denn das ist logisch, die Bourgeoisie würde sich ja selber das Grab schaufeln, wenn sie uns nichts bis aufs Blut bekämpfen würde, sondern auch von Anhängern anderer Sozialismusvorstellungen. Und die Identität der Kommunistischen Partei ergab sich von Anfang, von der Gründung an daraus, dass sie die Wissenschaftlichkeit des Sozialismus verteidigte und damit den anti-revisionistischen Kampf (Revisionismus heißt Aufweichung, Zerschlagung, Zerbröselns der Wissenschaftlichkeit) führte.

Und interessanter Weise waren die Kommunistischen Parteien dann am stärksten und das lässt sich nachweisen wenn sie diesen antirevisionistischen Kampf, in Konsequenz dann geführt parallel zum revolutionärem Kampf, am deutlichsten führten. Und sie waren dann am Ende, wenn sie diese Identität aufgaben. Das war in der alten KPD so, und das ist heute in Europa so, wo die militanteste, die revolutionärste, die am stärksten wachsende Kommunistische Partei die Kommunistische Partei Griechenlands, die KKE, ist, eine Partei, die im Vergleich mit anderen Formationen, die sich noch kommunistisch nennen, einen sehr konsequenten antirevi-sionistischen Kampf zur Verteidigung der Wissenschaftlichkeit des Sozialismus, gepaart und in Konsequenz daraus mit konsequentem Klassenkampf im Lande führt.

Mit anderen Worten: Wir sagen,

erstens, dass die Einheit der Kommunisten auf der Basis der Wissenschaftlichkeit notwendig ist, dass es aber ohne die Verteidigung der Wissenschaftlichkeit keine Einheit geben wird. In dieser Frage gibt es keine Kompromisse, denn sonst würde schon in den Geburtswehen der Einheit das Sterbeglöckchen geläutet werden. Wir haben genug Sterbeglöckchen vernehmen müssen, die die Kommunisten an den Rand der Existenz gebracht haben, und damit meine ich nicht nur die Sterbeglöckchen der Erschießungskommandos - davon gab es auch mehr als genug unserer Feinde, sondern die Sterbeglöckchen derjenigen, die die Bewegung von innen heraus mit revisionistischen Positionen verwässert und aufgeweicht haben;

zweitens, dass die Einheit der Linken eine Chimäre ist, überflüssig wie ein Kropf. Das beste Beispiel ist diese Konferenz. Eine solche Chimäre zu unterstützen, ist unsinnig, orientiert auf nichts als bestenfalls auf die Betrachtung der eigenen intellektuellen Bauchnäbel.

Die entscheidende Orientierung dagegen ist zweierlei: erstens die Einheit der Kommunisten auf klaren Positionen, insbesondere und die Möglichkeit wachsen, das ist eine Erfahrung, die wir als „offen-siv“ machen dort anzuknüpfen, wo junge Menschen Orientierung suchen, sei es in der Gewerkschaftsjugend, sei es in der Intelligenz. Denen geht es um grundsätzliche Alter-nativen. Dort anzuknüpfen und diese Menschen zu organisieren und ihnen vor allem Bildungs-angebote zur Verfügung zu stellen, muss unsere nächste Aufgabe sein. Wir machen in dem Zusammenhang ein Fernstudium, das sehr erfolgreich ist und das diese Menschen auch organisiert. Und zweitens: nicht die Einheit der Linken organisieren, sondern den Aufbau einer demokratischen, antiimperialistischen Volksfront als Voraussetzung für die proletarische Revolution. Eine Forderung, die wir übernehmen weil wir sie für richtig halten von der Kommunistischen Partei Griechenlands, denn, liebe Freunde und Genossen, das was hier bei dieser Konferenz produziert wurde, wo ja so viele Linke und sich links Nennende anwesend sind oder waren, ist von der gesellschaftlichen Relevanz tausendmal weniger als der Forderungskatalog des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands oder der Caritas was die soziale Frage in diesem Land betrifft.

Volksfrontpolitik in dem Sinne, wie er eben skizziert wurde, heißt: Zusammenarbeit mit allen Kräften, mit allen Strömungen, mit allen Institutionen, die sich im Widerspruch zu dieser imperialistischen Barbarei befinden - allerdings unter Führung der Arbeiterklasse. Das ist die entscheidende Frage und diese entscheidende Frage wird nicht im Parlament gestellt, denn das ist eine vor allen Dingen außerparlamentarische Frage. Sie entsteht in den Kämpfen der Arbeiter, in den antifaschistischen Kämpfen junger Menschen, die sich gegen das wachsende Neonazi-Unwesen wehren, in den Kämpfen von Immigrantinnen und Immigranten, die sich gegen die Barbarei ihrer Lebensumstände wehren, in den Kämpfen zur Verteidigung demokratischer Rechte, wo Menschen gegen die zunehmende Faschisierung dieses Staates auf die Straße gehen dort entsteht die Volksfront, und nicht in irgendwelchen Hinterzimmern irgendwelcher Parlamente. Die Parlamente machen erst Sinn, wenn sie genutzt werden können zur Entlarvung der herrschenden Klasse, ihrer Mechanismen, ihrer Tricks, ihrer Barbarei und damit zur Unterstützung einer Massenbewegung werden können durch Vertreter, die sich als solche verstehen. Man sollte sich nie der Illusion hingeben, dass man durch hinterbänklerische Kungeleien in den Parlamenten wirkliche Veränderungen in dieser imperialistischen BRD auch nur ansatzweise durchsetzen kann.

Schlussendlich bedeutet dies für uns ein großes Stück weit, wieder neu anfangen, denn ich sagte bereits anfangs: die Kommunistische Partei, die dem wissenschaftlichen Anspruch gerecht wird, haben wir nicht. Wir haben eine Reihe von Formationen, die ihre Existenzberechtigung haben, die ihre Traditionen und ihre Geschichte haben, die sich kommunistisch nennen, aber sie sind alle mehr oder weniger weit davon entfernt, Kommunistische Partei zu sein. Und dazu sei mir noch eine Bemerkung erlaubt: Wir haben wahrscheinlich mehr Kommunisten ohne Parteibuch als mit. Wir haben die katastrophale Situation, dass die meisten dieser Genossen einschließlich meiner selbst mehr graue als sonstige Haare haben, will sagen, nicht mehr die Jüngsten sind, und wir haben Generationen von Menschen in der Bundesrepublik, die vom Bauch her Veränderungen wollen, die auf der Suche sind nach einer grundsätzlichen Alternative zum Imperialismus, die aber noch nicht einmal ansatzweise etwas gehört haben oder wirkliche Informationen darüber haben, was eine wirkliche Alternative zu dieser Barbarei sein kann.

Das heißt: keine Konferenzen wie diese, die der Verwässerung und der In-Frage-Stellung des Marxismus dienen und nicht der wirklichen Anwendung auf den Klassenkampf in dieser Bundesrepublik,

Das heißt: keine Hintertreppengespräche, keine Kungeleien in Parlamenten und Gremien, die keine Socke versteht,

sondern dort ansetzen, wo die Menschen sind. Das ist ein langfristiger Prozess, dieser Prozess braucht langen Atem, dieser Prozess führt dazu, dass man gelegentlich als Dogmatiker verschrien wird, als Sektierer, dass man in irgend eine Ecke gestellt wird, aber: „There is no other way around it“ (Daran führt kein Weg vorbei!), oder, wie Churchill gesagt hat: „The proof of the pudding is in the eating“: man weiß erst, wie der Pudding schmeckt, wenn man ihn isst.

Das eigentliche Urteil über uns wird die Antwort auf die Frage sein, ob es uns gelingt, die Strukturen für eine neue Kommunistische Partei durch das organisierte Ansprechen von vor allem jungen Menschen anzugehen, unsere Wissenschaft zu verteidigen und zu beginnen, diese Wissenschaft wieder neu zu verankern. Das ist die entscheidende Frage.

Diskussionsbeiträge:

Aus dem Publikum: Mit einem bin ich überhaupt nicht einverstanden, Herr Opperskalski. Ich finde es vollkommen undialektisch zu sagen, diese Konferenz sei so überflüssig wie ein Kropf. Erstensmal wären Sie nicht hier und könnten hier nicht ihre Thesen vertreten und zweitens wollen Sie doch die Menschen dort abholen, wo sie stehen, und sie stehen nun mal hier. So überflüssig ist das also nun auch nicht. Man muss einfach auch der „jungen Welt“ danken, dass sie solche Konferenzen unterstützt und möglich macht, dass wir zusammenkommen gut, auf dem Niveau, auf dem wir uns leider noch befinden aber eben miteinander ins Gespräch kommen.

Michael Opperskalski: Es gibt hier nicht eine einheitliche Orientierung. Wo gibt es zum Beispiel eine Orientierung gegen die Barbarei des Eroberungskrieges gegen den Irak? Wo gibt es hier eine Diskussion nicht darüber, ob das Proletariat noch existiert, sondern eine Diskussion über die Frage, was können wir hier machen, jetzt, hier, konkret, gemeinsam, damit die BRD nicht ein zunehmend immer aggressiver werdender Flugzeugträger des us-amerikanischen Imperialismus in Punkto Afghanistan, Irak usw. wird? Gab es die Diskussion? Nein! Gab es konkrete Orientierungen auf Aktionen? Nein! Jede Veranstaltung mit der Gewerkschaftsjugend ist hundertmal wertvoller als diese Konferenz, denn dort wird nach Orientierungen gefragt, dort wird konkret gefragt, was man machen kann außer einer Unterschriftenliste, da wird konkret gefragt, was können wir machen in Kalw gegen die Spezial-Kommandokräfte. Die Orientierung ist die entscheidende Frage. Aber diese entscheidende Frage wird hier gar nicht erst gestellt, im Gegenteil, hier sind sogar Kräfte anwesend, die den Sturz der revolutionären Führung Kubas fordern. (Zuruf aus dem Publikum: „Die sind überall, solche Kräfte!“) Ja in Miami, klar, bei der Internationalen Gesellschaft für Menschen-rechte usw.usf. Aber wenn ich davon ausgehe, dass sich hier angeblich Systemoppositionelle treffen, und dann sind Handlanger der US-Amerikaner im Raum also Entschuldigung, dann hebt sich die Wirksamkeit nun wirklich komplett auf.

Gernot Bandur: Ich muss etwas polemisieren gegen die Ausführungen von Michael Opperskalski. Michael, Du hast Dich sehr gewandt dagegen, das hier Kräfte teilnehmen, die unterschiedliche Auffassungen haben. Ich habe die Anlage dieser Konferenz so verstanden, dass man erstmal über das Problem diskutiert, dass sich Viele Marxisten nennen. Ob sie wirklich welche sind, will ich gar nicht beurteilen. Aber wenn ich Deiner Logik folge, müsste diese Konferenz nicht Marxismuskonferenz heißen, sondern Konferenz zur Mobilisierung der Massen gegen irgendetwas. Das ist meiner Ansicht nach aber erst ein Folgeschritt. Ich wende mich überall dagegen und habe das auch schon vor 50 Jahren getan, dass man keine Kompromisse eingeht. Kompromisse muss man meiner Ansicht nach auch innerhalb einer Kommunistischen Partei eingehen. Ich bin immer für Kompromisse gewesen. Dafür bin ich auch gerügt worden, Aber ich habe immer gesagt: eigentlich müssten wir viel mehr den Minderheiten glauben als der Mehrheit. Und so sehe ich auch den Inhalt dieser Konferenz, dass wir uns hier erstmal zusammenfinden müssen.

Aus dem Publikum: Gleich dazu: ich finde es sehr gut und sehr wichtig, von einer wissenschaftlichen Analyse her an die Sachen heranzugehen. Deshalb finde ich es auch sehr gut und sehr wichtig, was die beiden hier vorgetragen haben, weil es nämlich Klarheiten schafft. Natürlich muss man Kompromisse eingehen, wenn man zum Beispiel so eine Konferenz macht, dann muss man mit den Möglichkeiten, die vorhanden sind, arbeiten. Man muss am vorhandenen Bewusstsein ansetze, aber man muss mit klaren Positionen in die Auseinandersetzung gehen und sehen, was möglich ist davon durchzusetzen.

Ingo Höhmann: Ich wollte eigentlich gar nicht reden. Aber nun doch: zu dieser „Kompromissfähigkeit“! Ich kann doch bei den vier Grundrechenarten nicht darüber reden, ob man da einen Kompromiss sucht! Das was Frank hier vorgetragen und Michael ergänzt hat, das sind Grundlagen. Und der Sozialismus ist definiert. So, und jetzt kommen hier gestandene Leute zusammen und sollen sich Gedanken über Keynes machen. Was soll das? Ich frage immer: was ist das Ziel? Was kommt dabei raus? Und wenn mir das keiner sagen kann, dann drehe ich ab. Wir können doch nicht immer wieder über solche Sachen, die klar sind, diskutieren und Kompromisse suchen. Wir können doch nur auf unseren Grundlagen aufbauen. Ich gehe ein Stück zurück: diese Grundrisse hier, die die beiden vorgestellt haben, das haben die KPD-Mitglieder in den 20er und 30er Jahren alle gewusst. Da gab es Marxistische Arbeiterschulen, da hat sich ein kommunistischer Arbeiter das reingezogen, und dann konnte er seinen Kollegen erklären, worum es geht. Das wäre doch ein Aufgabe einer solchen Konferenz, zu sagen, wie kommen wir dahin? Ich bin manchmal in Lateinamerika und nicht nur als doofer Tourist. Und die Aktivisten in Caracas, die erklären Dir in drei, vier Sätzen, worum es geht. Wie die deutsche Linke an die Frage der Grundlagen herangeht, das ist bedenklich. Die deutsche Linke ist für mich desorientiert, schlecht organisiert und von Profilneurotikern durchsetzt. Dabei ist Imperialismus doch ganz einfach: Repression nach innen, Aggression nach außen. Es steht doch da. Du siehst es doch jeden Tag.

In manchen Ländern werden zur Zeit ja Kriege geführt. Wie im Irak, und die wehren sich dort. Und wenn Du dann der deutschen Friedensbewegung sagst, dass die beste Friedensbewegung zur Zeit der Irakische Widerstand ist, dann gucken die Dich an, als wenn Du vom Mond kommst. Es ist aber wahr: der Irakische Widerstand schützt die Entwicklung in Venezuela und schützt auch Kuba. Die US-Imperialismus hätte sonst schon längst die Gelegenheit gefunden, dort zu intervenieren.

Und dann diese Leute von der SAV oder von der Spartakist Arbeiterpartei. Die sagen ja zu 90 Prozent Richtiges, aber zu 10 Prozent Mist. Und der Mist bleibt hängen. Mit denen kannst Du Dich nicht einlassen, die sind für mich fremdgesteuert. Ja und wenn so etwas klar ist, dann kann ich denen doch keine Plattform geben, da muss man die eigenen Reihen sauber halten. (Zuruf aus dem Publikum: „Du machst es Dir zu einfach. Das ist komplizierter!“ Ja, es ist kompliziert, sicher. Ein Kampf ist nie einfach. Aber gerade dann halte ich es mit Napoleon, der gesagt hat: Ich glaube kein Wort, ich analysiere Handlungen. Und wenn diese Typen da stehen bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz und ihr Schild da hinhängen: „Chavez: Populist, Nationalist, verhindert Arbeiterrevolution“, dann ist das in der gegenwärtigen Situation eine feindliche Losung, die dem US-Imperialismus zu Gute kommt. Da kann mir keiner sagen, dass das Marxisten sind und dass die hier eine Tribüne haben sollen, um zu reden! Es muss klar sein: die Zeiten sind hart, es geht um’s Ganze, und wir tun so, als ob wir noch jede Menge Zeit haben. (Beifall)

Ewald Butter: Da wird hier im Programm eine Veranstaltung angekündigt: „Sind Revolutionen immer noch Lokomotiven der Geschichte“ - Fragezeichen- !  Das fragen Kommunisten!?!

Dann haben wir heute hier bei dieser Konferenz von 13.00 Uhr bis 13.30 Uhr: Schlusswort, Thema Verabredungen. Und da werden wir dann mitkriegen, welche Verabredungen wir denn treffen, nachdem wir hier drei Tage lang gestritten haben auf hohem Niveau und wir werden sehen, ob das der Praxis genügt, in die wir hinein gestellt sind. Praktisch leben wir in Verhältnissen, in denen wir kämpfen müssten, aber wir kämpfen nicht. Und da brauche ich keine Konferenz, die mir in regelmäßiger Folge mit immer neuen Gedanken sagt, wie man das auf hoher Ebene theoretisch alles erklären kann, und der Nächste widerlegt das dann aber in der Praxis verändert sich nichts. Ich nehme mal folgendes Beispiel: Ich habe den Bombenkrieg hier in der Stadt miterlebt, und wir haben gelöscht bzw. wir haben es zumindest versucht, und zwar mit einer Eimerkette, und denjenigen, der mir den Eimer zugereicht hat, den habe ich nicht gefragt, ob er evangelisch oder katholisch ist. Ich habe den Eimer genommen und habe ihn weitergegeben, und der nächste hat mich auch nicht gefragt, wie ich denn zu der Religion nun stehe. Wir hatten das Haus zu retten, weil wir es brauchten: wir mussten ja irgendwo wohnen.

Heute wird erstmal geklärt: was hat denn der für eine Ideologie? Kann man mit ihm gehen oder kann man mit ihm nicht? Streiten kann man mit ihm auf alle Fälle.

Ich habe das endgültig satt. Ich bin nun nicht mehr der Jüngste. Ich habe es satt, von einer Konferenz zur andern zu gehen, wenn sich aus den Konferenzen praktisch nichts ergibt.

Die Oktoberrevolution ist in der Masse gemacht worden von Analphabeten, von Arbeitern und Bauern, denen man die Zeitung vorlesen musste. Aber eins wussten sie: Im Krieg geht mein Acker kaputt, weil ich ihn nicht bestellen kann, und vor allem gehe ich selber kaputt. Also muss ich die Offiziere absetzen, damit ich nach Hause gehen kann. So einfach ist die Geschichte eigentlich, da muss man nicht den 3. Band von Marxens „Kapital“ vorwärts und rückwärts zitieren.

Ich möchte also, dass die nächste Konferenz - und ich hoffe, dass das in den Verabredungen heute passiert, sonst sind diese Konferenzen wirklich nutzlos - dass also die nächste Konferenz eine Organisationskonferenz ist. Wie organisieren wir denn hier den Widerstand? Oder: müssen wir das überhaupt machen? Viele der hier anwesenden Akademiker haben Renten - da würde eine alleinerziehende Mutter froh sein, wenn sie die hätte.

Ich bin sehr, sehr unzufrieden mit uns selbst. Ich gebe zu, ich liebe auch den akademischen Streit, aber der Streit hat nur dann einen Sinn, wenn etwas dabei herauskommt. Wir haben es alle studiert, das Verhältnis von Theorie und Praxis. Wer immer nur die Theorie neu umwühlt und in der Praxis nichts macht, ist eigentlich ein verkappter Revisionist oder Opportunist oder sonst was, jedenfalls kann den die Arbeiterklasse nicht brauchen. Wir brauchen für die Arbeiterklasse, für die Kommunisten eigentlich da sind - denn sie sind ja nicht für sich selbst da - Genossen, die den Kampf führen. Aber wo führen wir denn den Kampf? Ich war im Marxistischen Forum - jahrelang - hochinteressante Streitereien, zum Teil übrigens Streitereien, die bereits in der Akademie der Wissenschaften der DDR von den Streitenden ausgefochten wurden. Diese Streitereien werden bis heute weitergeführt. Aber was kommt praktisch dabei heraus?

Mir hat Walter Kaufmann, ein Schriftsteller, einmal folgendes erzählt: Er ist als jüdisches Kind nach London gekommen. Dann wurde er als Deutscher in einem Schiff, wo seine Kabine vergittert war, nach Australien gebracht. Nun war er langsam ein bisschen älter, hat geschriftstellert und hat gemerkt: Seine Bücher gehen eigentlich nicht. Was hat er gemacht? Er ist in den Hafen gegangen, hat als Hafenarbeiter gearbeitet und in der Pause seinen Kumpeln vorgelesen. Da haben die gesagt: Ist ja interessant, wo gibt’s denn das? Hier, kannste kriegen.

Wenn sich die Intellektuellen, die hier haufenweise wieder unter sich sind, nicht mit den Massen verbinden, war das Geld, das die Arbeiterklasse ihnen zum Studium zur Verfügung gestellt hat, völlig umsonst. Wenn aus der Theorie wirklich was werden soll, muss sie mit den Massen verbunden werden. Aber: wo sind die Professoren und die anderen zum Beispiel in der Gewerkschaft zu finden? Ich bin bei Ver.di. Wo finde ich die da?

Und bei Ver.di? Da haben wir keine große Programmdiskussion. Im Oktober wird der Bundeskongress das neue Programm beschließen. Das ist aber den Mitgliedern der Gewerkschaft noch nicht einmal bekannt. Selbst den einfachen Funktionären ist es nicht bekannt. Was soll dann da beschlossen werden? Wäre es nicht die Aufgabe der Kommunisten, zu sagen: so und so sieht der Programmentwurf aus, wir haben aber einen besseren? Wir mischen uns ja weder in den Streit um die Ziele noch in den Streit um den Weg ein, nein, noch immer gilt: lass` die Genossen dort oben mal machen, die werden sich schon was dabei gedacht haben.

So geht es nicht.

Ich möchte, dass wir als nächste Konferenz eine Organisationskonferenz haben mit der Frage, wie denn der Klassenkampf von Kommunisten organisiert wird. Wie machen wir diesen Schritt? Nur mit Reden wird es nichts. Du (gemeint ist Michael Opperskalski) hast vorhin gesagt: The proof of the pudding is in the eating. Nun, wir stehen vor dem Pudding und sagen, naja, riecht er nun gut, sieht er nun gut aus aber wir essen ihn nicht. Und dann gehen wir nach Hause und sagen: na ja, wir wissen ja noch gar nicht, was das für ein Pudding war. Und dann gehen wir beim nächsten Mal wieder hin und dann machen wir das Gleiche noch mal und so machen wir das von einer Konferenz zur anderen. Aber: aus der Liebe muss ein Kind werden. Wir machen das zur Zeit alles platonisch. Ich bin unzufrieden, aber ich bin selber schuld daran.

Warum lasse ich mir das denn über Jahre bieten?!? (Beifall) 

Klaus Herrmann:
Reprint: Vor zehn Jahren: Marxismus-Tagung in Hannover, 14.-16.3.1997 Ein NichtBericht

Vorbemerkung der Redaktion: Um die Kontinuität der Sache oder soll man sagen des Stillstands? -  deutlich zu machen, drucken wir hier den Artikel von Klaus Herrmann zur ersten Marxismus-Konferenz aus „offen-siv“Ausgabe Mai 1997 nach. (Red. Offensiv)

Den Bericht über den Kongreß in Hannover, um den ich gebeten worden bin, werde ich doch nicht schreiben. Ich müsste mit Anlage und Ablauf der Veranstaltung scharf ins Gericht gehen, ohne daß die Maßstäbe meiner Kritik z. Zt. Vermittelbar wären.

Mit meiner Kritik am akademischen Charakter der Sache ein Kongreß über Marxismus, aber keine Arbeitstagung ergebnisorientierter Marxisten würde ich vor allem die DKP treffen, die das meiste zur Ausrichtung beigetragen hat. Daran, daß der Marxismus zum Gegenstand folgenlosen Palaverns geworden ist, trägt sie aber am wenigsten Schuld.

Die marxistische Linke humpelt der rapide sich beschleunigenden gesellschaftlichen Dynamik wie ein doppelt beinamputierter Krüppel hinterher. Bis in die DKP hinein wird Keynesianismus als Rückzugslinie akzeptiert. Jörg Huffschmid von der Memorandum-Gruppe alternativer Wirtschaftspolitik hat in Hannover von der geringer gewordenen sozialen Beißhemmung des Kapitalismus gesprochen, die es wieder zu vergrößern gelte. Als ob man dadurch, daß man der Fata Morgana eines re-regulierten Kapitalismus nachjagt, nicht immer noch mehr Boden preisgibt! Prompt wurde Oskar Negt auf einer der Podiumssitzungen für seine Feststellung widersprochen, daß das Kapital erstmals ungehemmt nach Marxscher Kapitallogik funktioniert. Ein Ausspruch, den ich, selbst überrascht, mitnotiert habe.

Das war das Radikalste, was es an diesen Tagen zu hören gab.

Die PDS war auf dem Kongreß durch einige ihrer marxistischen Arbeitsgruppen und auf dem Podium des Plenums durch einige ihrer reformerischen Flügelmänner vertreten. Die Absenz von Vorstandsprominenz sollte wohl die Distanz ausdrücken, die man zur DKP hält.

Das Aha-Erlebnis des Kongresses war, daß man über alte Gräben und Meinungsdifferenzen hinweg wieder miteinander redet; fast euphorisch Robert Steigerwald in einer Wortmeldung: von den Trotzkisten bis hin zu ihm, zu seinesgleichen. Womit ausgerückt wurde, dass Akzeptanz noch immer ein Problem der DKP ist, was ja leider den Tatsachen entspricht.

Die DKP ringt um Akzeptanz, die Kommunistische Plattform der PDS ist auf das peinlichste darum bemüht, auch nicht den geringsten Schatten auf ihre unbedingte Parteiloyalität fallen zu lassen wie sollte unter solchen Vorzeichen eine Konferenz der Selbstverständigung unter Marxisten möglich sein?

Demgegenüber stellt die Form der wissenschaftlichen Tagung eine ideale Kompromissbildung dar: man trifft sich auf „neutralem Boden“ und wahrt den Schein des Tuns, ohne etwas zu tun.

Klaus Herrmann,
Suhlendorf

Heinz Dieterich und der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“

Werner Roß:
H. Dieterich „Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts“

In seinem Buch „Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts“[11] stellt Heinz Diederich ein Gesellschaftskonzept vor, das eine antikapitalistische Transformation bewirken soll und als historisches Projekt postkapitalistischer Zivilisation zu betrachten sei. Um es vorweg zu nehmen, seine Darlegungen bieten eine Fülle von Denkstoff, regen zu weiteren Überlegungen nach dem Prinzip „Wissen schafft neues Wissen“ an. Sie fordern aber auch zu kritischen Einwänden heraus, die zu einer Polarisierung in grundlegenden Fragen führen.

Zugestimmt werden kann:

Das Hauptproblem bei Diederich und hier setzt die Polemik an ist die Gleichsetzung von naturwissenschaftlichen und technischen Gesetzen mit denen der gesellschaftlichen Ent-wicklung.

Nun wissen wir, dass objektive Gesetze sowohl in der Natur als auch in der Gesellschaft existieren. Die „differecia spezifica“ besteht jedoch darin, dass es sich in der Gesellschaft um bewusst agierende Menschen handelt, die mit Überlegung und Emotionen Ziele bestimmen und auf ihre Verwirklichung hinarbeiten. „Nichts geschieht hier ohne bewusste Absicht, ohne gewolltes Ziel.“ Ob es erreicht wird, ist eine andere Frage. In der Natur dagegen „sind es … lauter bewusstlose Agenzien, die aufeinander einwirken und in deren Wechselspiel das allgemeine Gesetz zur Geltung kommt.“[12]

Diese Spezifik gesellschaftlicher Prozesse ebnet Diederich dadurch ein, indem er mit Hilfe mathematischer Begriffe und Verfahren die Bewegung oder Veränderung der gesellschaftlichen Realitäten und ihre Evolutionstendenzen zu definieren versucht.[13]  Die Systemunterscheidung im Universum sowie die Quantensprünge in den Naturwissenschaften sind seiner Auffassung nach allgemeine Grundlegung für die Konzipierung einer neuen Gesellschaftsformation. Er misst den beiden bio-kulturellen Schlüsselelementen wie dem Humangenom und dem neuronalen System eine übergewischtige Bedeutung zu. So ist er der Meinung, dass „die Dekodifizierung (Entschlüsselung) des Genoms uns den Schlüssel zum besseren Verständnis der biologischen Potenziale und Grenzen menschlicher Evolution sowie seiner naturgemäß bestimmten Verhaltenskomponenten (verschafft)“.[14] Ob dies hilfreich für den Menschen vor allem als handelndes gesellschaftliches Subjekt ist, muss in Zweifel gezogen werden.

In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass er unter Berufung auf Arno Peters und den wesentlichen Vertreter der Computerwissenschaften, Konrad Zuse, der Meinung ist, dass eine „neue Epoche der Weltgeschichte“ angebrochen ist, nämlich die des Sozialismus des 21. Jahrhunderts, den man als „Computer-Sozialismus“ bezeichnen könne.[15]  Dieterich verficht die These, dass „alle Staatsbürger an den großen öfentlichen Entscheidungen ohne Diskriminierung und in direkter Form elektronischer Plebiszite aktiv und bewusst teilhaben werden“.[16]  Die Kybernetik und die Computerwissenschaften machten es möglich. Für ihn war die „repräsentative Demokratie ein unverlässliches Glied in der Evolution zur direkten Demokratie, so lange nicht die technischen Mittel für die direkte Partizipation der Massen existieren“[17] 

Das Hauptproblem liegt aber nicht im technischen Bereich, sondern darin, dass die direkte Demokratie in der Klassenauseinandersetzung zu erkämpfen ist und deshalb kein technisches, sondern ein gesellschaftliches Problem ist.

Neben den elektronischen Pelbisziten als unabdingbar für die Einbeziehung der Bürger in die Entscheindungsfindung und für zunehmende Volksentscheidungen sei die Optimierung der gesamtgesellschaftlichen Planung über die demokratisch koordinierte kybernetische Regulation der unmittelbaren Produzenten möglich unhd notwendig. Die Überschätzung der informatischen Logistik durch Dieterich ist auch darin zu sehen, dass er „die entscheidende Blockade auf dem Entwicklungsweg der historischen sozialistischen Gesellschaften (in der) Unterentwicklung der kybernetischen Produktivkräfte“ wertet.[18]  „a sie heute überwunden ist, besteht die objektive Möglichkeit zur Durchsetzung der teilhebanden Demokratie und der ihr spezifischen Äquivalenzökonomie…“[19]

Diese Überhöhung der Bedeutung der elektronischen Vernetzung, durch die die Bürger angeblich und wie von selbst Subjekte aller gesellschaftlichen Entscheidungen würden[20], abstrahiert von den politischen Gegebenheiten und den rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen. Unstreitig ist, dass durch die elektronische Vernetzung Willensbekundungen der Bürger zur Akzentuierung ihrer Interessen und zur Optimierung der gesellschaftlichen Prozese ihren Stellenwert haben. Das betrifft Informationen und Signalisationen. Dabei ist natürlich ein gewisser Sachverstand gefragt, der zur Wahrnehmung der Demokratie unabdingbar ist. Ohne Bildung als Emanzipationsmedium ist dies nicht möglich. Zu beachten ist auch, dass Volksabstimmungen wie Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide einen bestimmten rechtsstaatlichen Rahmen voraussetzen. Dabei ist zu klären, inwieweit Volksentscheide als Akt der Volkssouveränität die Legislative binden, was ich ausdrücklich befürworte.

Einige politische Grundaussagen bleiben bei Dieterich konturlos bzw. vage. Das betrifft solche politischen Eckpunkte evolutionären und revolutionären Charakters wie die Macht- und Eigentumsfrage an den grundlegenden Produktionsmitteln. Dieterich vermittelt den Eindruck, dass durch die Entwicklung der Produktivkräfte der Kapitalismus sich überflüssig macht und sich selbst aufgibt. Das ist schlicht eine Illusion, die mit der Transformationstheorie zusammenhängt und eine Grundsäule des so genannten „Demokratischen Sozialismus“ ist. Der Kapitalismus wird nicht sanft entschlafen. Er kann nur am Ende einer Kette realisierter radikal-demokratischer Reformen revolutionär beseitigt werden. Damit steht die Machtfrage ganz oben auf der politischen Agenda. Hierbei handelt es sich um den qualitativen Unterschied zu den vorsozialistischen gesellschaftsformationen, bei denen die Eigentumsfrage sich im Schoße der Ausbeutergesellschaften mit dem Zuschnitt eines anderen Ausbeutungsverhältnisses entwickelt und dem Grunde nach bei der Ablösung einer durch die andere Gesellschaftsformation abgeschlossen war. Die Machtergreifung der siegreichen Klasse war faktisch der Endpunkt der sozialen Umwälzung. Für den Sozialismus, auch des 21. Jahrhunderts, ist dagegen die Erringung der politischen Macht als Beginn der sozialen Revolution wegweisend. Erst dadurch werden andersartige Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln in Form ihrer Vergesellschaftung geschaffen.

Zur Vergesellschaftung der Produktionsmittel wird hier ein klares Konzept vermisst. Der Bezugnahme auf G. Gysi, dass es „weniger um die Frage (geht), wer Eigentümer ist, sondern wie mit dem Eigentum umgegangen wird“[21], muss strikt widersprochen werden, zumal sich hier die Geister grundlegend scheiden. Allein diese Aussage Gysis macht den sozialdemokratischen Kuschelkurs seiner politisch.strategischen Ausrichtung deutlich, bei dem es um die Balance zwischen Kapital und Arbeit geht. Allerdings ist die Balance nicht aufrecht zu erhalten, da das Kapital „übergewichtig“ ist. Zu diesem Fragenkomplex mangelt es an einem eindeutigen Standpunkt von Dieterich.

Nicht klar erkennbar ist, welche Forderungen in der Übergangsphase vom Kapitalismus zum Sozialismus gelöst werden müssen und welche Fundamente der entwickelte Sozialismus bzw. Kommunismus aufweisen sollte. Zur Eigentumsfrage an den Produktionsmitteln ist einiges in groben Umrissen vorgetragen worden. Die Differenz zu Dieterich besteht offensichtlich darin, dass er das Gemeineigentum an den grundlegenden Produktionsmitteln in Form des staatlichen Eigentums ablehnt,[22] und er zu dem Schluss kommt, dass die „wesentliche Befreiungsproblematik sozialistischer Ökonomie nicht in den Eigentumsformen der Produktionsmittel liegt…, sondern in der demokratischen Selbstbestimmung des unmittelbaren Produzenten über den Exploitationsgrad seiner Arbeit, d.h. die Mehrarbeit.“[23]

Die Verwirklichung des Äquivalenzprinzips als Stützpfeiler seiner Theorie lässt für die Eigentumsform der Produktionsmittel keinen Platz. „In dem Maße“ so führt er aus „wie die äquivalente Ökonomie die Marktwirtschaft überwindet, verliert mit dem Fortfall des Profits das Privateigentum an Produktionsmitteln seine Grundlage und hebt sich selbst auf.“[24] Dieser konstruierte Automatismus von der Äquivalenzökonomie und dem Eigentum ist bar jeder politischer Entscheidungsmacht in der Eigentumsfrage und Beleg einer voluntaristischen Gesellschaftskonzeption, die mit der Realität kollidiert. Gerade in der Übergangsphase zwischen Kapitalismus und Sozialismus muss das vergesellschaftete Eigentum die Form des staatlich organisierten Eigentums annehmen. Ursächlich hierfür ist die Dialektik von politischer Machtausübung und dem Eigentum an den Produktionsmitteln. Zum einen ist die Machtfrage die Voraussetzung für die Sicherung des Eigentums, zum anderen dient das Eigentum der Reproduktion sozialistischer Machtverhältnisse.

Aus diesem Grund ist auch das Gruppeneigentum als dominantes Eigentum und als künftiges Gesellschaftsmodell abzulehnen. Dies ergibt sich schon aus einer nicht zu erreichenden planmäßigen Entwicklung und widerspricht der Optimierung  des volkswirtschaftlichen Ganzen. Das Gruppen- oder auch Produzenteneigentum, soweit es sich um vorherrschendes gesellschaftliches Eigentum handelt, muss in enger Beziehung zum Anarchismus (ohne Staat, ohne Zentralgewalt) gewertet werden. Ziel ist ein föderalistischer, sozialer und ökonomischer Aufbau der Gesellschaft, wobei die Sozialisierung nicht durch eine zentralisierte politische Macht (die gerade im Klassenkampf „Wer-Wen?“ notwendig ist), sondern durch Kooperation und Assoziation, durch Gegenseitigkeit der Arbeiter und Bauern erreicht werden soll. Betont wird die persönliche Verantwortung des Einzelnen, bedingt durch seine individuelle Interessenlage. Eine theoretische Begründung für dieses Zukunftsmodell gaben William Godwin, Pierre Joseph Proudhon (der als erster den Begriff „Anarchismus“ prägte) und Max Stirner. Der Glaube an Gerechtigkeit und Gegenseitigkeit und daran, alle Arbeiter und Warenproduzenten und Kleineigentümer zu verwandeln (um die Ausbeutung aufzuheben) und somit den Kapitalismus reformieren zu können, erweist sich als politische Alchemie. Karl Marx setzte sich mit den philosophischen und ökonomischen Auffassungen von Proudhon auseinander und kritisierte ihren idealistischen und kleinbürgerlichen Charakter.[25]

Wenn das Gruppeneigentum als prägendes ökonomisches Gesellschaftsmodell verneint wird, so ist die Bildung von Produzenteneigentum in Form von Genossenschaften in der Landwirtschaft, im regionalen Maßstab, vor allem für kleine und mittlere Betriebe aus Effektivitätsgründen zweckmäßig. Gleiches trifft auf das kommunale Eigentum zu.

Wie am Beispiel des Eigentums, so ist auch bei der Äquivalenzökonomie die Frage aufzuwerfen,, in welcher Etappe der Gesellschaftlichen Entwicklung das Neue Historische Projekt als nachkapitalistische Zivilisation seine Entfaltung finden soll. Selbstverständlich geht es nicht um eine genaue Periodisierung, sondern um die Kennzeichnung des politisch-sozialen Bezugspunkts. Unabdingbar ist, das bereits im Kapitalismus dieser Prozess mit radikal-demokratischen Reformen beginnen muss, die sich als Übergangsforderungen in Form von Stufenlösungen darstellen. Diese sind jedoch nur dann sinnvoll, wenn die Machtfrage und die Eigentumsfrage im politischen Koordinatensystem den zentralen Platz einnehmen. Bei den Übergangsforderungen handelt es sich um eine ganze Bandbreite ökonomischer, ökologischer, sozialer, kultureller, internationaler und friedenssichernder Maßnahmen. Solche Reformalternativen, die in den einzelnen Stufen politisch (vor allem durch außerparlamentarische Aktionen) erkämpft werden müssen, sind als “strategisches Zwischenziel auf dem Weg zum Sozialismus“ wie I. Wagner zutreffend vermerkt[26] zu werten. In diesem Prozess, der als politische Auseinandersetzung mit dem Kapital zu führen ist, gilt es gleichzeitig, die qualitative Veränderung des Bewusstseins der Massen und somit ihres Emanzipationsgrades zu erreichen. Klar müssen wir uns aber darüber sein, dass radikal-demokratische Reformen nicht als „Selbstläufer“ fungieren sowie bald an die Grenzen des kapitalistischen Systems stoßen. Damit stellt sich die Frage nach dem kritischen Punkt, in dem quantitative Veränderungen in qualitative umschlagen und zur revolutionären Beseitigung des Kapitalismus führen.

Der bilanzierende Schluss:

Werner Roß,
Zwickau

Internationale Konferenz in Prag

André Vogt:
Die internationale Konferenz „Über die Verbrechen des Kapitalismus und die Perspektiven der Menschheit“ am 21. April 2007 in Prag

Die diesjährige theoretisch-politische Konferenz des KSCM in der tschechischen Hauptstadt widmete sich dem Thema „Über die Verbrechen des Kapitalismus und die Perspektiven der Menschheit“. Sie war bereits die 22. ihrer Art mit internationaler Beteiligung und sehr gut besucht. Der Saal in der Politickych veznu Nr. 9 des Distrikts Prag 1 war mit über 100 Teilnehmern bis fast zum letzten Platz gefüllt.

In seinem 90 minütigen einleitenden Referat zeichnete Genosse Pavel Degtar (KSCM) ein scharfes Bild des verbrecherischen, weltumspannenden, die Völker versklavenden imperialistischen Systems. Angefangen von Massenarbeitslosigkeit, Entrechtung, Verelendung und Perspektivlosigkeit über Diskriminierung und verschärfte Ausbeutung sowie Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten bis hin zu Entfesselung von kriegerischen Auseinandersetzungen, zunehmender Militarisierung und Kontrolle der Gesellschaft und der Vorbereitung weiterer Aggressionen kamen die wesentlichsten Ergebnisse der jüngsten kapitalistischen Entwicklung zur Sprache. Die Organisation der Gegenwehr zu unterstützen und das Bewußtsein der Arbeiterklasse zu erhöhen sei Aufgabe der Kommunisten im Bündnis mit antiimperialistischen und demokratischen Kräften. Dabei gelte es, die Erfahrungen der Revolution und des sozialistischen Aufbaus zu nutzen.

Genosse Josef Skala (KSCM) nahm in seiner Rede u.a. Stellung zu den innerparteilichen Problemen der tschechischen Kommunisten und umriß deren Aufgaben im aktuellen Klassenkampf. Nur die Einheit und Geschlossenheit aller wahrhaft marxistisch-leninistischen Kräfte kann die Führung des Proletariats im Kampf um seine Befreiung gewährleisten.

10 der insgesamt 18 Redebeiträge leisteten Genossinnen und Genossen von befreundeten internationalen kommunistischen und Arbeiterparteien.

Einen besonderen Höhepunkt bildete der Auftritt des Genossen Harpal Brar (CPGB-ML), welcher sehr anschaulich und detailliert die Menschenopfer der vom Profitstreben der Privateigentümer initiierten Greueltaten weltweit ins Bewußtsein rief. Er endete mit den Worten: „Kämpft gemeinsam Schulter an Schulter gegen den Imperialismus!“ Am Rande der Konferenz teilte Genosse Brar mit, daß sein neuestes Buch kurz vor der Veröffentlichung (in englischer Sprache) steht.

Auch offen-siv war der Einladung zur Konferenz gern gefolgt. Die drei Mitglieder des Herausgebervereins knüpften neue Kontakte und vertieften schon bestehende zu den Genossinnen und Genossen aus Belgien (WPB), Schweden (CPS), Dänemark (DCP), Ungarn (HWP), Griechenland (KKE), Italien (FINP), Polen und Großbritanien (CPGB-ML). Unter anderem wurden Studienreisen einer Gruppe unserer Fernstudenten zu den belgischen und schwedischen Genossen informell erörtert.   André Vogt, Dresden

Andrea und André Vogt:
Redebeitrag bei der internationalen Konferenz am 21. April 2007 in Prag

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde, wir sind glücklich, heute an eurer Konferenz teilnehmen zu können und bedanken uns ganz herzlich für die Einladung. Wir überbringen euch die herzlichsten Grüße der Genossen von der Zeitschrift „offen-siv“, zu deren Herausgeberkreis wir gehören und wünschen der Konferenz und damit uns allen vollen Erfolg und gutes Gelingen.

Wenn wir uns heute Gedanken über den Charakter und die Wirkungen gesellschaftlich relevanter Phänomene machen, so haben wir im Wesentlichen zwei Auffassungen zu berück-sichtigen. Die Vertreter der einen Gruppe sprechen von „Wachstum und Beschäftigung“, von „Effizienz und Leistung, die sich wieder lohnen soll“ und schließlich von „Gewinn und Rendite“. Die andere Gruppe, deren Argumente wir uns anschauen, konstatiert: Stellenabbau, sinkende Reallöhne, längere Wochenarbeitszeiten ohne Lohnausgleich, Aushöhlung von Tarifverträgen, zunehmende und katastrophale Entrechtung von Arbeitslosen und deren Familien bis hin zur Zwangsarbeit. Beide Gruppen sprechen von ein und derselben Sache. Nur können die Wirkungen unter-schiedlicher nicht sein: Die erste Gruppe zieht jeglichen Vorteil und Gewinn aus der Wirt-schaftsweise, währenddessen der anderen Gruppe, trotzdem sie fleißig arbeitet und sich nicht schont, die Mittel zum Leben gekürzt werden.

Nennen wir nun die Gruppen bei ihren Namen, so ist klar, daß es sich um Bourgeoisie und Proletariat handelt und der den Phänomenen zugrunde liegende Vorgang die kapitalistische Rationalisierung ist. In der entwickelten warenproduzierenden Gesellschaft, welche in ihrem Wesen notwendig von Anarchie und Konkurrenz geprägt ist, sind die oben erwähnten Phäno-mene folgerichtig, zwangsläufig und unausweichlich.

Es gab nach dem 2. Weltkrieg in Westdeutschland eine Phase der wirtschaftlichen Entwicklung, in der Lohnsteigerungen von 10 % und mehr von den Gewerkschaften erkämpft werden konnten und nahezu Vollbeschäftigung herrschte. Ja, es wurden sogar Lohnarbeiter aus anderen Ländern in großem Umfang angeworben. Das war die Zeit des sogenannten „Wirtschaftswunders“ und mancher „Linke“ glaubte daraufhin, der Kapitalismus sei zu einer Art Wohlstandsveranstaltung für alle geworden. Als den Imperialisten 1975 in Helsinki faktisch auch noch die Friedens-fähigkeit bescheinigt wurde, war das für viele gleichbedeutend mit dem Ende des Klassen-kampfes überhaupt.

Wenn wir dagegen heute die Welt im Jahr 2oo7 betrachten, so können wir sehen, daß sich der Kapitalismus noch immer in seinem Endstadium, dem Imperialismus befindet, daß er weiterhin Kriege anzettelt, den Planeten verwüstet und die Völker versklavt.

Die Genossinnen und Genossen von der Kommunistischen Partei Griechenlands haben in ihrer Resolution vom 19. Mai des vergangenen Jahres (abgedruckt in offen-siv September-Oktober 06)  die Lage sehr treffend beschrieben:

„Zugleich mit der Durchsetzung einer vereinheitlichten imperialistischen Strategie erhalten die Beziehungen zwischen den stärksten imperialistischen Zentren, USA und EU einen noch mehr antagonistischen und noch komplexeren Charakter. Die Gegensätze innerhalb der EU bezüglich der Beziehungen zu den USA verschärfen sich. Die vereinigte Strategie des Imperialismus übergreifend, entwickeln sich die Widersprüche und der Kampf um die Hegemonie über die Kontrolle der Märkte und Einflusszonen in Asien, dem Mittleren Osten und Afrika und über die Kontrolle der Rohstoffquellen. An diesem Konkurrenzkampf beteiligen sich, abgesehen von den imperialistischen Zentren und imperialistischen Hauptmächten, auch einige sich entwickelnde kapitalistische Länder.

Es sind Entwicklungen im Gange, welche die Tendenz haben könnten, die Kräfteverhältnisse innerhalb des internationalen imperialistischen Systems neuzuordnen. Zweifellos bedarf es einer gründlicheren Untersuchung der „Gruppen“ von Widersprüchen, die auf der internationalen Bühne in Erscheinung treten, sowie einer systematischeren Einschätzung der internationalen Lage, der Widersprüche (vor allem der sozial-ökonomischen im Falle einer kommenden kapit-alistischen Wirtschaftskrise), die in jedem kapitalistischen Land gegenwärtig sind, insbesondere in den USA und den stärkeren Mitgliedsstaaten der EU.“

Die Leninsche Imperialismusdefinition aus dem Jahr 1916, wonach der Imperialismus faulender, parasitärer Monopolkapitalismus ist, in welchem das Bankkapital mit dem Industriekapital unter Dominanz des ersteren zum Finanzkapital verschmolzen ist, der Kapitalexport den Warenexport übersteigt und der Kampf um die Neuaufteilung der Welt immer aufs neue entbrennt, hat also an Aktualität bis heute nichts verloren. Der aus Indien stammende außergewöhnliche und ver-dienstvolle Genosse Harpal Brar hat das in seinem Buch: DER IMPERIALISMUS IM 21. JAHRHUNDERT / SOZIALISMUS ODER BARBEREI brillant und anschaulich nachgewiesen.

Kehren wir noch einmal zur kapitalistischen Rationalisierung als dem Ausgangspunkt unserer Überlegungen zurück. Der Kapitalist kauft auf dem Warenmarkt Produktionsmittel, Arbeits-mittel und Arbeitskraft. Diese Warenarten kombiniert er und läßt damit produzieren. Gelingt es ihm nun, das Produkt dieser Operation zu verkaufen, so kann er bemerken, daß er mehr Geld herausbekommt, als er ursprünglich in den Prozeß hineingegeben hat. Er wird den Vorgang so oft als möglich wiederholen und dabei feststellen, daß sein Gewinn immer kleiner wird, weil seine Konkurrenten zunehmend billiger produzieren. Um nicht zurückzubleiben, muß er eben-falls investieren, mehr und bessere Maschinerie einsetzen, Arbeitskräfte billiger einkaufen oder ganz einsparen. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Rationalisierung, welche an und für sich ein Segen für die Menschheit sein könnte (und im real existierenden Sozialismus ja auch schon war und in Kuba beispielsweise schon ist), unter den Bedingungen des Privateigentums an Produktionsmitteln diese verheerenden Folgen zeitigt, wie wir sie heute rund um den Erdball besichtigen können.

Der Ausweg ist bereits gefunden und wurde sogar schon beschritten. Es gab die siegreiche Sowjetunion; es gab das sozialistische Weltsystem. Es gab allerdings auch den Abstieg und schließlichen Zerfall der UdSSR und es gab den Sieg der Konterrevolution in den europäischen sozialistischen Staaten. Wir müssen also den Ausweg erneut beschreiten.

Was benötigen wir dazu?

Wir benötigen einen Plan und jemanden, der die Führung übernimmt. Nach unserer Kenntnis ist das die Kommunistische Partei mit ihrem marxistisch-leninistischen Programm.

Zweitens benötigen wir Kenntnisse über die Ursachen des Sieges der Konter-revolution. Hierzu gibt es, neben etlichen unzutreffenden und dümmlichen Erklärungen der Bourgeoisie und ihrer Schreiberlinge in den Massenmedien, bereits bedeutende Ausarbeitungen und Analysen kommunistischer Fachleute wie Kurt Gossweiler, Ervin Rosznay, Ulrich Huar und anderer.

Drittens ist eine mit den bestehenden Verhältnissen unzufriedene und zu Kämpfen bereite durchaus revolutionäre Masse erforderlich. Und auch hier hat sich in der letzten Zeit einiges getan. Einige Gewerkschaften beispielsweise erkennen bereits, daß sie vormals im ökonomischen Klassenkampf erreichte Positionen nicht halten können und den Kampf nun auf die politische Ebene ausdehnen müssen. Immer mehr Gewerkschafter erkennen auch, daß es sich bei dem Klassengegner eben nicht um einen sogenannten „Sozialpartner“ handelt, sondern schlichtweg um einen Klassenfeind, und daß der Kampf zu einem Überlebenskampf für die Mehrheit des Proletariats wird.

Dazu gehört außerdem, demokratische Rechte und Freiheiten zu verteidigen und einzufordern. Ein schönes Zeugnis für ihr antiimperialistisches Engagement legten beispielsweise die Be-wohner von Trokavec unweit von Plzen im vergangenen Monat ab. 71 von 90 stimm-berechtigten Einwohnern sprachen sich in einem Referendum gegen die Errichtung einer Radarstation in der Nähe ihrer Ortschaft aus. Die Anlage soll Teil des von den USA in Polen und Tschechien geplanten Raketenabwehrsystems sein.

Genossen!

Nach unserer schweren und verheerenden Niederlage haben wir keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken und den Dingen etwa ihren Lauf zu lassen. Im Gegenteil: In weiten Teilen der Bevölkerung regt sich Entrüstung und Verbitterung über die menschenfeindlichen Machen-schaften der Bourgeoisie und ihrer Agenten. Vielerorts bilden sich Aktionsbündnisse, welche den Protest zu organisieren suchen. Um dieses unmittelbare Aufbegehren in einen zielge-richteten Klassenkampf zu überführen, ist zu beachten, was die griechischen Genossen in der vorhin schon erwähnten Resolution sagen:

„Die Überwindung von Schwächen und Rückschlägen in Ländern, wo kommunistische Parteien aktiv sind, und der Wiederaufbau von kommunistischen Bewegungen in anderen Ländern, wo die kommunistischen Parteien degeneriert sind, von korrupten Opportunisten und bürgerlichen Kräften korrumpiert wurden, und keine revolutionäre Rolle mehr spielen, ist eine elementare Pflicht von Kommunisten in jedem Land sowie der internationalen kommunistischen Bewegung. Der ideologische Gegenangriff kommunistischer Parteien, die an die Notwendigkeit und Mög-lichkeit des Kampfes für die Überwindung des Kapitalismus und für den Sozialismus glauben, ist heute von lebenswichtiger Bedeutung.“  Soweit die Genossen der KKE dazu.

Die kommunistische Bewegung befindet sich im Prozeß der Neuformierung. Sie lernt es zunehmend, die modernen Revisionisten zu entlarven und aus ihren Reihen auszuschließen. Ein wichtiger Prüfstein hierfür ist das Verhältnis zum gewesenen europäischen Sozialismus und insbesondere die Position gegenüber der siegreichen Sowjetunion unter Stalin.

An diesem Wochenende, an dem wir uns hier versammeln, vor genau 61 Jahren wurde mit dem Zusammenschluß von KPD und SPD in der sowjetischen Besatzungszone der Grundstein für die volksdemokratische Entwicklung und den späteren sozialistischen Aufbau in der DDR gelegt. Das war gewissermaßen die letzte Möglichkeit für die SPD, „links“ abzubiegen. Inzwischen hat sie sich mit ihrer arbeiterfeindlichen und kriegstreiberischen Politik selbst vollständig als Agentur der Bourgeoisie entlarvt. Nicht anders steht es mit der Linkspartei PDS. Ihre für den Sommer geplante Verschmelzung mit der den Trotzkisten nahe stehenden WASG (Wahl-alternative Soziale Gerechtigkeit) ist ein weiteres Manöver, die Arbeiterklasse der BRD an der Nase herumzuführen und von der Eigentumsfrage abzulenken.

Was nun die deutschen Kommunisten anbetrifft, so haben sie sich bislang einer der ungefähr ein halbes Dutzend zählenden Kommunistischen Parteien angeschlossen oder sind parteilos ge-blieben. Dieser Zustand währt nicht ewig, sondern ist eine mit Auseinandersetzungen und Lern-prozessen verbundene notwendige Vorstufe zur Bildung der revolutionären antirevisionistischen marxistisch-leninistischen Partei.

Gerade auf diesen Prozess hat die Zeitschrift „offen-siv“ den Fokus ihrer Arbeit gelegt, um die Einheit der Kommunisten zu unseren Lebzeiten zu befördern. Vielleicht ist ja ein wenig Eigen-werbung an dieser Stelle gestattet. Die „offen-siv“ bietet sowohl in ihrer alle 2 Monate erschei-nenden regulären Ausgabe als auch in diversen Sonderheften allen nichtrevisionistischen Kräf-ten ein Forum zur Diskussion über interessierende Themen der Bewegung. Die inhaltlichen Schwerpunkte dabei sind:

Zur Verbesserung und Erweiterung ihrer Arbeitsfähigkeit hat sich kürzlich auf Initiative des Herausgebervereins ein Freundeskreis um die „offen-siv“ gebildet, welcher von namhaften nationalen und internationalen Persönlichkeiten unterstützt wird und dem weitere Interessenten jederzeit herzlich willkommen sind.

Genossen,

wir hatten das große Glück, auf dem Podium der alljährlich stattfindenden Rosa-Luxemburg-Konferenz Mitte Januar in Berlin, die stellvertretende Vorsitzende des Kommunistischen Jugendverbandes Tschechiens (KSM), die Genossin Veronica Sykorova erleben zu können. Sie sprach mit Leidenschaft und voller Energie. Ihre kämpferische Rede schloss sie mit den folgenden Worten, die auch den Schlußpunkt unserer kurzen Darlegung bilden sollen. Sie sagte: „Wir geben niemals auf und die Internationale Solidarität gibt uns die Kraft, gegen den Antikommunismus zu kämpfen. Hoch die internationale Solidarität!“

Danke schön! 

Andrea und André Vogt in Prag
für „offen-siv“, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden


Fußnoten

  1. Am 5. März 2004 warf Blix, er führte die UN-Kommission zur Überwachung, Verifizierung und Inspektion von Januar 2000 bis Juni 2003, den USA und Großbritannien vor, sie hätten keine rechtliche Grundlage für ihre Militäraktion gegen den Irak gehabt. Schon seit einiger Zeit geht er zur damaligen „Koalition der Willigen“ auf kritische Distanz. In seinem am 9. März 2004 veröffentlichten Buch Mission Irak beklagt Blix, George W. Bush und Tony Blair hätten Mahnungen in Geheimdienst-berichten zur Vorsicht bei der Beurteilung von Angaben zu Iraks mutmaßlichen Massenver-nichtungswaffen ignoriert. (Quelle: Wikipedia, Wikipedia)

  2. Aus diesem Grund, dass selbst alte Menschen spät noch lesen und schreiben lernten, sprach Talib sogar von einer Alphabetisierungsrate von 109%.

  3. Dieses Gesundheitssystem brach 1990 mit den Sanktionen gegen das Land zusammen. Siehe dazu auch den Vortrag von Prof. Ulrich Gottstein „Wer litt unter den Sanktionen?“ unter: http://www.ippnw.de/

  4. Dabei wurde in der westlichen Propaganda gelogen, dass sich die Balken bogen. Erinnert sei nur an die 1992 aufgedeckte Lüge mit der 15-jährigen Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA, welche 1990 vor  einer amerikanischen Menschenrechtskommission des Kongresses aussagte, die irakischen Soldaten hätten Babys aus den Brutkästen gerissen und ermordet. Siehe auch: http://gib.squat.net/

  5. Dabei wurde fast völlig von der internationalen Öffentlichkeit ignoriert, dass zwischen den beiden Kriegen 1991 und 2003 der Irak fast ständig durch US-amerikanische und britische Kriegsflugzeuge bombardiert wurde. Auch während der Regierungszeit von Clinton. Zu dem Massaker am Ende des Krieges, dem Embargo und den weiteren Angriffen gegen den Irak siehe auch: http://www.embargos.de/

  6. Diese so genannte „Koalition der Willigen“ bestand letzlich sogar aus Ländern wie Mikronesien mit zeitweilig 15 Soldaten im Irak. Eine Übersicht mit Zahlen bietet dieser Wikipedia-Artikel: Wikipedia Besonders makaber ist dabei wohl, dass zu dieser Koalition, wenn auch ohne Soldaten im Irak, das von den USA 2 Jahre vorher überfallene Land Afghanistan gehört.

  7. Talib war 2007 in Deutschland bei einer Gedenkveranstaltung zur Selbstbefreiung des Konzen-trationslager Buchenwald dabei. Dort wurde auch davon gesprochen, dass die Häftlinge keine Namen sondern nur Nummern hatten. Später sagte er zu mir, das erinnert ihn an seine Gefangenschaft im Irak. Auch dort war er nur eine Nummer.

  8. Syrien beispielsweise hält sich zwar aus dem Konflikt raus, wird aber von den US-Amerikanern unter Druck gesetzt. Es ist somit weder Freund noch Feind.

  9. Klingt unglaublich?  „Terror eignet sich mehr als irgendeine andere militärische Strategie dazu, die Bevölkerung zu manipulieren.“ Dieser Satz stammt von Dr. Daniele Ganser, Historiker und Gladio-Forscher und ist erschien in: Der Europäer, Jg. 9 / Nr. 6 / April 2005. Gladio (ital. vom lateinischen gladius für Schwert.) oder auch Stay-Behind-Organisation war der Name einer Geheimorganisation von NATO, CIA und des britischen MI6 während des Kalten Kriegs. Sie existierte von etwa 1950 bis mindestens 1990 und erstreckte sich über das damalige Westeuropa, Griechenland und die Türkei. Im Zuge der Aufdeckung von Gladio wurde 1990 bekannt, dass Teile der Organisation unter Mitwirkung von staatlichen Organen systematisch und zielgerichtet an gravierenden Terrorakten in mehreren europäischen Ländern beteiligt waren. „Man musste Zivilisten angreifen, Männer, Frauen, Kinder, unschuldige Menschen, unbekannte Menschen, die weit weg vom politischen Spiel waren. Der Grund dafür war einfach. Die Anschläge sollten das italienische Volk dazu bringen, den Staat um größere Sicherheit zu bitten. Diese politische Logik liegt all den Massakern und Terroranschlägen zu Grunde, welche ohne richterliches Urteil bleiben, weil der Staat sich ja nicht selber verurteilen kann.“ (Vincenzo Vinciguerra, 1990 wegen Mordes an drei Carabinieri verurteilter Rechtsextremist und Gladio-Mitglied) Siehe zu Gladio auch: Telepolis

  10. Überschrift von der Redaktion „offen-siv“. Auszugsweiser Nachdruck aus dem Buch „Perestrojka“ (Pahl-Rugenstein-Verlag Nachfolger, Breite Str. 52, 53111 Bonn) von Harpal Brar.

  11. Heinz Diesderich: „Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, Kai Homilius Verlag 2006, Politik und Denken, Band 3

  12. Zitiert nach dem „Philosophischen Wörterbuch“, Herausgeber Georg Klaus und Manfred Buhr, VEB Bibliogrphisches Institut Leipzig, 1976, Band 1, S. 495

  13. Vgl. H. Diederich, a.a.O., S. 26, 27, 32, 64, 66-69, 72, 93, 95, 102.

  14. H. Diederich, a.a.O., S. 64

  15. H. Diederich, a.a.O., S. 105

  16. H. Diederich, a.a.O., S. 135, vergl. auch S. 154 f.

  17. H. Diederich, a.a.O., S. 134

  18. H. Diederich, a.a.O., S. 95

  19. ebenda

  20. H. Diederich, a.a.O., S. 154f.

  21. H. Diederich, a.a.O., S. 10

  22. H. Diederich, a.a.O., S. vergl. Abschnitt 4.7, Eigentum, Macht und Sozialismus, S. 181-185

  23. H. Diederich, a.a.O., S. 177

  24. H. Diederich, a.a.O., S. 121

  25. Karl Marx, Das Elend der Philosophie. Antwort auf Proudhons „Philosophie des Elends“, in: MEW Bd. 4, S. 63-182

  26. Ingo Wagner: „Das Übergangsprogramm heute“, Marxistisches Forum, Heft 53, Berlin, Januar 2007

  27. Vgl. W. Roß: „Probleme des Vergesellschaftungsprozesses in der Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und Sozialismus“, offen-siv 8/2006, S. 31f.

  28. Vgl. W. Roß: „Die Demokratisierung der Wirtschaft eine Fundamentalfrage radikal-demokratischer Reformen zur Schaffung von Gegenmacht“, Topos, Internationale Beiträge zur dialektischen Theorie, Heft 26, S. 85ff.