Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 09/07

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)

Spendenempfehlung: 3,00 €


Ausgabe


September-Oktober 2007

Mit Schwerpunkt:


90. Jahrestag der Oktoberrevolution in Rußland


Inhalt

Redaktionsnotiz

Es soll in Zukunft erlaubt sein, dass Passagiermaschinen von der deutschen Luftwaffe abgeschossen werden, wenn ein „terroristischer Anschlag“ droht. Und wenn das in Deutschland offiziell verboten ist – wie das Verfassungsgericht ja eindeutig bestimmt hat, gilt eben der „übergesetzliche Notstand“, und schon ist es trotzdem erlaubt. Es sind dafür schon „befehlstreue“ Piloten zusammengefasst worden, und zwar in so genannten „Alarmrotten“ (Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 22./23. 9. 2007).  Die Tageszeitung „junge Welt“ nennt diese „Alarmrotten“ beim richtigen Namen: Freikorps.

Computer sollen heimlich und online durchsucht werden dürfen, wenn „Terrorismusverdacht“ besteht.

Das Mandat der Bundeswehr in Afghanistan wird selbstverständlich verlängert. Der Ruf nach Frieden, den die Basis der „Grünen“ auf ihrem letzten Parteitag der Parteiführung versuchte aufzuzwingen, wird als Unverschämtheit bezeichnet, gilt als Katastrophe, weil damit dieser Partei die „Politikfähigkeit“ verlustig gehe. Krieg ist richtig, unverzichtbar und gut, Frieden ist ein Hirngespinst.

Wegen der Lohnabschlüsse müsse die Deutsche Bahn die Fahrpreise erhöhen, heißt es. Weil „die Chinesen“ den Markt leerkaufen, müssten Brot, Butter und Milch teurer werden, heißt es. Der Rohölpreis erreicht Rekordniveau. Die Stromkonzerne sind der Meinung, dass Strom in Deutschland – gemessen an seiner Bedeutung für die Lebensqualität – zu billig sei.

Die Löhne sind – nach Angaben bürgerlicher Quellen (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 25. 9. 2007) – in den letzten 7 Jahren um 4,5 % gestiegen, die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen aber um 42 %. Dieser „schmerzhafte Anpassungsprozess wird dadurch ausgelöst, dass Millionen Hungerlöhner aus China, Indien und anderen Ländern auf den Arbeitsmarkt drängen“, heißt es in der Bild-„Zeitung“. Fremdenfeindlichkeit ja, Klassen-bewusstsein nein, das ist das Ziel.

Es ist nun fast 90 Jahre her, dass das Winterpalais in St. Petersburg von den revolutionären Kräften in Rußland unter der Führung Lenins gestürmt wurde. Die Oktoberrevolution hat die Welt verändert – mehr als jede andere Revolution vorher. Heute ist sie - leider - Geschichte, trotzdem ist sie lebendig und über kurz oder lang auch wieder aktuell (siehe oben).

In diesem Heft geht es direkt und indirekt um diese Revolution. Ulrich Huar beleuchtet die Verhältnisse, aber auch die Artikel über China, Vietnam und Griechenland gehören zu diesem Thema. Ebenso hat die Bestandsaufnahme zur sozialen Lage in Deutschland, mit der wir das Heft eröffnen, sehr direkt mit diesem Thema zu tun.

Außerdem bringen wir zwei kurze Informationen über die KKE bzw. die DKP und unter der Rubrik „Resonanz“ findet ihr recht herzhafte Kritiken. Hier wird wahrscheinlich noch das eine oder andere zu diskutieren sein.

Ein kurzer Blick in die Post unserer Leserinnen und Leser schließt das Heft ab.

Das Buch „Niederlagenanalyse“ erfreut sich einer großen Aufmerksamkeit, es gibt eine bislang unsere Erwartungen weit übersteigende Nachfrage.

An dieser Stelle möchten wir dafür denjenigen danken, die uns bei Bekanntmachung und Verbreitung des Buches geholfen haben. Das ist zunächst und an erster Stelle die Tageszeitung „junge Welt“, bei der wir im Ganzen fünf Anzeigen zu einem sehr günstigen Paketpreis schalten konnten und die eine redaktionelle Kurzbesprechung brachte; das ist die Tageszeitung „Neues Deutschland“, die zwei (von uns etwas teurer bezahlte) Anzeigen druckte; das ist die Zeitschrift „ossietsky“, die mit uns eine Austauschanzeige vereinbart; und das ist die Zeitschrift „Trotz alledem“ der KPD(B), die eine kostenlose Anzeige druckte. Ebenfalls zu nennen ist der „Kleine Buchladen“ im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin, der inzwischen 40 Exemplare des Buches vertrieben hat, außerdem der Internet-Buchversand der „Initiative gegen Bayer-Gefahren“ und viele andere Buchläden. Am wichtigsten aber sind die Genossinnen und Genossen, die das Buch weitergaben und nachbestellten. Wir bedanken uns ganz herzlich.

Aber es gibt auch weniger gute Nachrichten: Die Zeitungen „Die Rote Fahne“ der KPD, „UZ“ der DKP und „position“ der SDAJ weigerten sich, bezahlte Anzeigen zu drucken. Die KPD begründete die Ablehnung damit, dass sie nur für Dinge werben wolle, die sie selbst herausgegeben habe und dass sie nicht mit allem, was in der „Niederlagenanalyse“ stehe, einverstanden sei, vor allem nicht mit der These, dass es zur Zeit in Deutschland nicht „die“ Kommunistische Partei gäbe. Die UZ ließ uns wissen, dass die Ablehnung der Anzeige etwas mit der Position der „offen-siv“ gegenüber der DKP zu tun habe, die SDAJ-Zeitschrift „position“ teilte uns nur mit, dass sie keine Anzeige für das Buch „Niederlagenanalyse“ drucken möchte. Auf die Frage nach den Gründen erhielten wir keine Antwort.

Dieses Jahr zeigt ein stetiges Wachsen der „offen-siv“, und dies sowohl, was die Abos angeht, als auch – und das freut uns am meisten – was die Zuarbeit, das Gewinnen neuer Autorinnen und Autoren, das Dazukommen neuer Themenkomplexe durch neue „Spezialisten“, die Zusendung interessanter Übersetzungen usw. angeht. Gradlinigkeit und das Beharren auf der Wissenschaftlichkeit unserer Weltanschauung zahlen sich aus.

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                                  Redaktion Offensiv, Hannover

Zur sozialen Lage in Deutschland

Günther Lange:


Über das Gesundheits- und Sozialwesen der BRD. „Der Zweiklassenstaat“

Im Juni 2007 erschien bei rowohlt Berlin ein – was seine Feststellungen betrifft – für meine Begriffe erstaunliches Buch: „Der Zweiklassenstaat - Wie die Privilegierten Deutschland ruinieren“ (ISBN 978-3-87134-579-1). Prof.Dr.Karl Lauterbach, gewissermaßen der Adlatus von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (oder gar ihr Ziehkind?), lässt darin nahezu keinen einzigen guten Faden am Gesundheits- und Sozialwesen dieser BRD. Er deckt unverblümt auf, wie unsozial und ineffizient dieser Staat ist, wie dieses System soziale Ungerechtigkeit und Massenarbeitslosigkeit verursacht! Lauterbach fordert mehr Bildungschancen für die Ärmsten, gerechte Gesundheits-, Renten- und Pflegesysteme sowie die konsequente Beschneidung der Privilegien, die von Politikern und Lobbys verteidigt werden.

Es ist sehr aufschlussreich (und für diese Gesellschaft demaskierend), dieses Buch zu lesen, kommt es doch quasi von der ‚anderen Seite der Barrikade’. Immerhin war K. Lauterbach Mitglied der so genannten Rürup-Kommission, des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und gehörte der Verhandlungskommission zur Gesundheitsreform an.

Als dialektisch-materialistisch denkender Marxist-Leninist kann man seinen Schlussfolgerungen und Reformvorschlägen nicht folgen, ist doch das Privateigentum an Produktionsmitteln die eigentliche letztendliche Ursache dieses Desasters, das sich schnell noch weiter verschlimmern wird. Das objektive Gewinnstreben, die zwangsläufige Profitmaximierung, wird allem noch so redlichen Wohlwollen immer wieder schnell die Grenzen setzen. Marx lebt! (Aber das sei Herrn Lauterbach – wegen seiner Offenheit – ausnahmsweise geschenkt!)

Das alles ist aber zwingender Anlaß genug, an das Gesundheits- und Sozialwesen der DDR zu erinnern:

Heute wissen viele junge Menschen aus den neuen Bundesländern nicht, was ihnen durch die so genannte „Wende“ an garantiertem Gesundheitsschutz und sozialer Sicherheit verloren gegangen ist. Und die bürgerlichen Medien bauen auf diese Unwissenheit. Und faseln unablässig von ihren „westlichen Werten“. Viele, sehr viele der ehemals „Eingemauerten“ sind deren oberflächlichem, ja pervertiertem Freiheitsbegriff auf den Leim gekrochen und huldigen gar dem Superapostel der Westliche-Werte-Lehre aus Washington. Gesellschaftlich-historische Dummheit ist ein Massenphänomen geworden. Aber: „Nur wer sozial sicher ist, kann auch frei sein!“ (Wilhelm von Humboldt).

Manche Ältere verschweigen es aus Scham ob ihrer Angepasstheit und ihres Kriechertums. Viele aber erinnern sich angesichts des nun schon nicht mehr verschleierten und sich weiter schnell beschleunigenden Sozialabbaus und der sich weiter herausbildenden Zweiklassenmedizin.

Noch kein früheres Staatsgebilde der deutschen Geschichte hatte eine solche Wandlung in Bezug auf humanistische Zielstellungen, Strukturen, Systemlösungen und Beziehungen der Menschen zueinander und zu anderen Staaten versucht wie diese DDR. Auch sind wohl noch nie in so kurzem Zeitraum derart einschneidende Umbrüche alter Vorstellungen und Lebensweisen erfolgt wie in den 40 Jahren der DDR.

Manche „wahrheitssuchenden“ Historiker (insbesondere westgeprägte!) versuchen die Aufarbeitung der Geschichte der DDR mit Verlogenheiten und Halbwahrheiten, verschweigen aber tunlichst, was nach der „Wende“ in den neuen Bundesländern auch im Gesundheitswesen bittere Realität wurde: Vernichtete Existenzen, tausendfache Entlassungen, „Abwicklung“ ganzer wissenschaftlicher Institutionen, die ersatzlose Streichung von sehr stark praxisorientierten Forschungsprojekten, von ideenreichen Neuerungen, die Auflösung funktionierender Strukturen – das alles verzerrt heute die Erinnerung an das Originalbild der DDR und vermittelt den unwissenden Nachkommen, ebenso wie der heutigen manipulierten Umwelt, die die DDR nicht aus eigenem Erleben kennen gelernt hat, falsche Vorstellungen, die ihren Höhepunkt in der Charakterisierung der DDR als „Unrechtsstaat“ finden!

Es ist sicher nachdenkenswert, dass in den Erinnerungen der früheren DDR-Bürger das Gesundheits- und Sozialwesen der DDR, einige Facetten des Bildungswesens, die Landwirtschaft, die allgemeine systematische Sportförderung u.a.m. immer wieder als besonders positiv auftauchen. Selbst dem notorisch DDR-unfreundlichen Leser sei hier zur Nachhilfe und Annäherung an das Thema empfohlen: Bollinger/Vilmar: „Die DDR war anders. Eine kritische Würdigung ihrer soziokulturellen Einrichtungen.“ Verlag Das Neue Berlin, edition ost 2002.

Ich möchte beispielhaft und wohl weit entfernt von Vollständigkeit einige Stärken des DDR-Gesundheitswesens benennen:

1.) Es gelang, vorher bestehende soziale Schranken für die Inanspruchnahme medizinischer und sozialer Leistungen und Hilfen zu beseitigen (heute kommen sie wieder!) und allen Menschen eine unentgeltliche und gleichermaßen zugängliche Versorgung zu ermöglichen. Grundlage dafür war ein durchgehend und konsequent verwirklichtes Solidarprinzip auf der Basis eines einheitlichen sozialen Versicherungssystems sowie von Zuschüssen aus dem Staatshaushalt.

2.) Die medizinisch-fachliche und berufsethische Grundsituation des Arztes.

Im unmittelbaren Arzt-Patient-Verhältnis konnte er sich frei von jeglichen kommerziellen Erwägungen und ohne Rücksichten auf die eigene ökonomische Existenz den individuellen gesundheitlichen Problemen seiner Patienten widmen. Es gab keine strukturell eingebaute Steuerung des medizinischen Denkens und Handelns über das Geld! Diese fundamentalen Vorzüge waren unseren Ärzten offensichtlich so selbstverständlich geworden, daß ihr Verlust von vielen erst im nachhinein schmerzlich empfunden wurde, wie ich in vielen Kollegengesprächen immer wieder hören konnte. „In der Sprechstunde drehen sich heute 50% meiner Überlegungen nicht um den Patienten, sondern in irgendeiner Weise um Geld – früher undenkbar!“, so kürzlich ein mir bekannter Augenarzt zu mir.

Jeder Arzt, der fremdbestimmten repressiven, ökonomischen Zwängen unterworfen ist oder sich selbst primär dem pekuniären Gewinnstreben unterwirft, kann heute seinen Hippokrates vergessen!

3.) Die Spezialisierung in der Medizin schreitet objektiv schnell voran, was in gleichem Maße und Tempo Integration erfordert. Kooperation und Zusammenarbeit der zunehmenden Zahl ärztlicher Spezialisten, aller anderen Ärzte und Gesundheitsberufe müssen bewusst gestaltet und organisiert werden. Die praktische Umsetzung dieses elementaren Erfordernisses war im DDR-Gesundheitswesen in vielen Jahren immer bewusst betrieben worden und weitestgehend nahezu flächendeckend gelungen. Hier sei nur an die poliklinische Idee und die mit ihr verbundene Kooperation ambulant tätiger Ärzte untereinander und mit den stationären Einrichtungen erinnert, die vielerorts unter einem Dach zusammengeführt waren. Aber diese großartige Errungenschaft wurde nach der „Wende“ zerschlagen. Heute mit dem Wesen nach gleicher inhaltlicher Tendenz zunehmend geäußerte Gedanken werden als „strukturelle Neuerungen“ ausgegeben!

4.) Zu den herausragenden Merkmalen des DDR-Gesundheitswesens zählt zweifellos auch der von vornherein hohe Stellenwert prophylaktischen Handelns. Die dafür geschaffenen gesetzlichen Grundlagen und praktischen Arbeitsformen enthielten auch auf längere Sicht eine Vielzahl vorbildlicher Regelungen. So seien z.B.genannt:

·         Der Gesundheitsschutz für Mutter und Kind                          

·         Die prophylaktische zahnärztliche Betreuung der Kinder und Jugendlichen            

·         Die arbeitsmedizinische Versorgung durch ein leistungsfähiges Betriebsgesundheitswesen, was von den Betriebsleitungen nun wahrlich völlig unabhängig war           

·         Die Dispensairebetreuung von Patienten mit bestimmten Krankheiten            

·         Der durchgreifende effektive Infektionsschutz u.v.a. sowie die dies alles tragenden Einrichtungen!

Mit deutlich geringeren Mitteln als z.B. die Alt-BRD konnte die DDR – trotz auch hier seit etwa Anfang der 80er Jahre sektorenweise stagnierender Tendenzen – Gesundheitsparameter erreichen, die sich durchaus in der Spannbreite der entwickelten westlichen Industrieländer bewegten, punktuell diese sogar übertrafen. Das spricht eher für vergleichsweise hohe medizinische, soziale und ökonomische Effizienz eines Gesundheitswesens. In ihrer letzten Sitzung kam eine Kommission des DDR-Gesundheitsministeriums im Sommer 1990 in Konsultation mit den westdeutschen Professoren Obladen und Versmold (die einen Teil der „Abwicklung“ mitvorzubereiten hatten) zu dem Ergebnis: „Die Vermutung liegt nahe, daß in der ehemaligen DDR Faktoren wirksam wurden, die in der Lage waren, die . . .  teilweise bestehenden Mängel im Gesundheitswesen allgemein . . . auszugleichen . . .“! (Monatsschrift Kinderheilkunde, Springer Verlag Berlin – Heidelberg – New York 1991, S.139, 303, 306). Welch wundersame Faktoren werden das wohl gewesen sein???

Sehen wir uns einige wenige sozialpolitische Details an, deren Vorbildcharakter gerade heute Nichtkennern der Materie unglaublich erscheinen mag:

Das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ vom 09. März 1972 bedeutete die Befreiung der Frauen vom Gebärzwang und eröffnete ihnen das Selbstbestimmungsrecht, über Zeitpunkt, Anzahl und zeitliche Aufeinanderfolge von Geburten frei zu entscheiden. Gleichzeitig wurde durch dieses Gesetz die kostenfreie Abgabe ärztlich verordneter Verhütungsmittel geregelt und damit der Prävention das Primat eingeräumt. Die politisch klare und von großer menschlicher Wärme getragene Begründung dieses Gesetzes durch den Minister für Gesundheitswesen der DDR, Prof. Dr. Mecklinger, vor der Volkskammer, war eine Sternstunde für uralte Forderungen der Kommunisten nach Freiheit und Gleichberechtigung der Frauen. Aus medizinischer Sicht zeigten sich schon sehr bald die Auswirkungen dieses Gesetzes in der deutlichen Senkung der Müttersterblichkeit, der Suizide bei Schwangeren und Wöchnerinnen und der Anzahl klinischer Erkrankungen infolge von Aborten. Die direkten demographischen Folgen der Fristenlösung waren in relativ kurzer Zeit überwunden. Der nach Einführung von Fristenlösungen international bekannte Anstieg legaler Schwangerschaftsabbrüche auf das Fünffache war bereits nach zwei Jahren beendet und ab 1975 stiegen die Geburtenzahlen wieder an! Folgende konkrete Daten sind sehr aufschlussreich:

Tabelle IFruchtbarkeitsziffer – Vergleich BRD / DDR 1970 bis 1990 (d.h. Lebendgeborene je 1000 Frauen im Alter von 15 bis 45 Jahren)

                                                                    BRD                                         DDR

                 1970                                           67,2                                          70,1

                 1975                                           47,6                                          52,3

                 1980                                           46,7                                          67,4

                 1985                                              ?                                            63,8

                 1990                                           53,9                                          58,2

(Zynisch kommentiert: Man glich sich an! Richtiger aber: Die „blühenden Landschaften“ brachten auch die „Befreiung“ von sozialer Sicherheit, von staatlich breit geförderter Kinder- und Familienfreundlichkeit!)

Hier erkennt man eine der Ursachen für die heute so beklagte „demographische Lücke“. Der Maximalprofit war mit dem Import billigerer ausländischer Arbeitskräfte viel kostengünstiger zu realisieren, als mit der Auflage eines flächendeckenden, teuren kinder- und familienfreundlichen sozialpolitischen Programms!

Der Fristenlösung in der DDR folgte 1974 die Fristenlösung in der BRD. Aber „umso größer war die Fassungslosigkeit, als die von Millionen Frauen in einem harten aber demokratischen Kampf den Politikern abgerungene Fristenlösung wenig später durch sechs alte Männer des Bundesgerichtshofes mit einem Federstrich zunichte gemacht werden konnte.“(Zitat Zeitschrift „Emma“). Bekanntlich wurde das seit 1995 gültige einschlägige Gesetz ungeachtet der Folgen auf gleiche Weise weiter verschärft.

Nach dem „Beitritt“ der DDR zur BRD wurde den Frauen der Ex-DDR die frauenfeindliche, diskriminierende Gesetzgebung der BRD mit den Paragraphen 218 und 219 StGB übergestülpt. Die Rücknahme der einstigen kostenlosen Abgabe von Verhütungsmitteln an Frauen, Existenzunsicherheiten und hohe Kosten für die Kinderbetreuung – das alles sind Ursachen für den derart gravierenden Geburtenrückgang auf ein Drittel (!!) der Geburtenhäufigkeit auf dem Gebiet der ehemaligen DDR im Vergleich zu den Jahren vor 1990:

Tabelle IILebendgeborene in den neuen Bundesländern und Berlin-Ost:

                                                                    1980     --       245 132

                                                                    1985     --       227 648

                                                                    1989     --       198 922

                                                                    1991     --       107 800

                                                                    1992     --         88 300

Tabelle III:  Fruchtbarkeitsziffer Berlin-Ost u. Berlin-West (= Zahl der Lebendgeborenen                     je 1000 Frauen im Alter von 15 bis unter 45 Jahren)

                                                                        Ost                    West            

                                                   1988             61,4      --          47,8

                                                   1993             25,7      --          44,8

Dies alles u.a.m. sind sehr konkrete und ebenso sensible Indikatoren; sprechen sie etwa für die großmäulig und demagogisch versprochenen „blühenden Landschaften“, denen viele auf den Leim gekrochen sind?

Viele sozialpolitische Maßnahmen der ehemaligen DDR wären es wert, wieder in Erinnerung gerufen zu werden. Sie sind teilweise in Vergessenheit geraten, werden von den bürgerlichen Medien natürlich bewusst ignoriert und klingen gelegentlich fast unglaubwürdig.

Dazu möchte ich z.B. die Möglichkeit für berufstätige Großmütter nennen, in Vertretung ihrer Töchter oder Schwiegertöchter das bezahlte Babyjahr in Anspruch zu nehmen (bei Garantie des eigenen Arbeitsplatzes!), damit die Mutter des Kindes ihre Ausbildung oder ihr Studium ungehindert fortsetzen konnte. Das heute in dieser BRD zur Übernahme in die einschlägigen gesetzlichen Regelungen zu empfehlen, würde bei den Zuständigen wohl nur überhebliche Heiterkeit auslösen?!

Ernsthafter wäre schon an solche Bedingungen wie die kostenlose Abgabe der Antikonzeptiva an alle Frauen, die das wünschen, die vollständige Kostenübernahme des Schwangerschafts-abbruchs und aller damit im Zusammenhang notwendigen medizinischen Maßnahmen sowie die selbstverständliche Arbeitsbefreiung mit Lohnfortzahlung u.v.a. DDR-Errungenschaften zu denken.

Alle sozial Benachteiligten, alle Linken müssen – insbesondere in den neuen Bundesländern – entschlossen den Verlogenheiten und Halbwahrheiten vieler angepasster „DDR-Geschichtsaufarbeiter“ mit der Wahrheit entgegentreten, dabei die seinerzeitigen konkret historischen Bedingungen nicht vergessend!

Die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern ist fast doppelt so hoch wie in den alten,  rücksichtsloses Lohndumping ist an der Tagesordnung. Die soziale Barbarei wächst in allen Segmenten!

Welch hohe Verantwortung haben alle Linken und Globalisierungsgegner, gleich welcher Couleur, außerparlamentarisch in Bündnissen, in gemeinsamen Aktionen,  in Bewegungen gegen Sozialabbau und Ausbeuterbarbarei, Arbeitslosigkeit und Armut, um diesen Weg in die soziale Barbarei, Völkerentrechtung und Krieg zu stoppen.

Dennoch gibt es Grund, davor zu warnen, sich nicht erneut ins „Bockshorn jagen zu lassen“! Niemand sollte sich von der kürzlichen sozialdemokratischen Müntefering-Kapitalismuskritik täuschen lassen. Ihre „Herausgeber“ geben sich inzwischen noch nicht einmal mehr die Mühe zu verbergen, daß sie als Ouverture zu einem neuen Reformismus gedacht ist!

Die gegenwärtige gesamtgesellschaftliche Krise hat eine Dynamik soziokultureller Selbstzerstörung in Gang gesetzt, die durch partielle Maßnahmen (eher hilflose Flickschusterei) nicht mehr gestoppt werden kann. Aber nur daran sind im Interesse der Systemerhaltung die so genannten großen Volksparteien sowie ihre bayerischen und gelben Helfershelfer interessiert!

Durch die kapitalistische Organisationsform der Gesellschaft wird schleichend das zivilisatorische Fundament menschlichen Zusammenlebens zerstört.

Bürgerliche Ideologen sprechen von einer gegenwärtigen tiefen Krise der allgemeinen Moral und des elementaren Verantwortungsbewusstseins, das ist ebenso oberflächlich wie hilflos!

Die Dialektik von Wesen und Erscheinung muß man verstehen und man erkennt:

Es bleibt dabei, das Grundübel ist letztendlich das Privateigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln, der Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit, der gesetzmäßige Zwang zur Profitmaximierung!

                                   OMR Dr.med. Günther Lange

Leo Kever:


Almosen

Wie ist nun die Lage in diesem „neuen Deutschland“, wo die Konzerne und Banken Milliardengewinne sich wie nie zuvor in die gierigen Mäuler stopfen? Wo zig Millionen von dieser Regierung für Auslandseinsätze der Bundeswehr, für Rüstung und Konzernsanierung ausgegeben werden!

Da schämt sich dieselbe Regierung nicht, den Rentnern eine Rentenerhöhung von brutto 0,5% und netto ca. 0,3% zu gewähren! Und dieses Almosen wird auch noch Wochen vorher großartig angekündigt – wohl als „soziale Wohltat“.

Was ist es nun? Ist es nur die absolute Arroganz der Macht, ist es einfach Verhöhnung (mehr seid Ihr dämliches Wahlvolk uns nicht wert) oder einfach Unverschämtheit? Was ist der richtige Begriff dafür?

Beim letzten Rentenbescheid von 2003 – dazwischen gab es nur Nullrunden bis 2007 – hatte ich 20,- € mehr. Jetzt sind es ganze 4,- € mehr. In Abwandlung eines Wortes über Hennes Weißweiler: Fragt mich einer: „Leo, was machst Du mit der Rentenerhöhung?“ Ich antworte: „Ich kauf mir ein Pfund Butter.“ – „Und der Rest?“ – „Den tut die Schwiegertochter dazu!“

Die Energiekosten wie Strom, Gas, Wasser, Benzin steigen um fast 20%, monatliche Mehrbelastung 10,- € (Rentensteigerung 4,- €). Dienstleistungen werden teurer, Milchprodukte, alles, was mit Milch zusammenhängt, Butter, Käse, usw. um 30 – 40 %, dazu Brot und Backwaren merklich teurer. Die Prozentzahl sagt man uns nicht, aber die monatliche Mehrbelastung liegt wieder bei 15-20 € (Rentensteigerung 4,- €). Rentenabzug 30,- €.

Da kann man nur noch sagen, um mit Heinrich Heine zu reden: „Denk ich in Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht“.

Wir haben uns immer gewehrt und wir werden uns weiter wehren gegen alle kapitalistischen Tiefschläge, gegen Imperialismus und Krieg auf Erden.

                                                         Leo Kever, Köln

90. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution

Ulrich Huar:
Der rote Oktober - Revolution von weltgeschichtlicher Bedeutung?

Die Weltgeschichte wäre allerdings sehr bequem zu machen, wenn der Kampf nur unter der Bedingung unfehlbar günstiger Chancen aufgenommen würde. Sie wäre andrerseits sehr mystischer Natur, wenn “Zufälligkeiten” keine Rolle spielten. Die Zufälligkeiten fallen natürlich selbst in den allgemeinen Gang der Entwicklung und werden durch andere Zufälligkeiten wieder kompensiert.. Aber Beschleunigung und Verzögerung sind sehr von solchen “Zufälligkeiten” abhängig - unter denen auch der “Zufall” des Charakters der Leute, die zuerst an der Spitze der Bewegung stehen, figuriert.

Marx an Kugelmann, London,
17. April 1871

Anläßlich des 90. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution werden die Einschätzungen dieses historischen Ereignisses von Historikern, Publizisten und Politikern weit auseinandergehen, in denen die jeweilige Klassenpositionen der Verfasser in unterschiedlichen Nuancierungen ihren Ausdruck finden. Es wird ja schon seit Jahren darüber gestritten, ob der rote Oktober überhaupt eine Revolution war oder lediglich ein Putsch einer bösartigen kleinen Clique. Einigkeit besteht wohl nur darüber, daß es im November 1917 (neuen Datums) in Rußland einige “Unruhen” gegeben haben muß.

Im Folgenden wird Stalins Artikel “Der internationale Charakter der Oktoberrevolution”, “Prawda” Nr. 255, 6. - 7. November 1927, dokumentiert, einem “Zeitgenossen”, dem Generalsekretär der KPdSU(B). Diese Arbeit liegt nun auch 80 Jahre zurück; wie ist sie nach diesen 80 ereignisreichen Jahren heute aus historischer und theoretischer Sicht zu beurteilen? Wie weit waren in diesem Artikel der Charakter dieser Revolution und ihrer internationalen Perspektiven richtig oder falsch reflektiert?

Auch auf diesen Artikel trifft die Marx’sche Erkenntnis zu, daß der individuelle Gedanke immer ein kollektiver Gedanke ist.  Für uns stellt sich die Frage, welche Informationen lagen vor, die Stalin zur Verfügung standen und die er nutzen konnte und mußte. Wie alle Publikationen, ist Stalins Artikel nur aus diesem Kontext seiner Zeit, d.h. Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zu beurteilen, nicht nach allgemein theoretischen oder abstrakt moralischen Vorstellungen. Selbst was heute nach den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte in der marxistisch-leninistischen Theorie vorliegt, waren zu dieser Zeit noch offene bzw. ungelöste Fragen. Heute sind wir alle sehr schlau. Ja, wenn wir damals schon gelebt hätten! Wie viele Irrtümer wären der Menschheit doch erspart geblieben!

Welche Quellen standen Stalin für seine Einschätzungen zur Verfügung? Das waren die Erkenntnisse der sich langsam entwickelnden sowjetischen politischen Ökonomie, die sich auf die Marx’sche Theorie und Methode stützte. Der Übergang von der halbfeudal-kapitalistischen Gesellschaft zur sozialistischen Ordnung in einem rückständigen, halbbarbarischen Land mit einer in ihrer Mehrheit analphabetischen Bauernschaft war in der Marx’schen Theorie nicht vorgesehen. Sowohl in der Praxis als auch in der theoretischen Arbeit beschritt die junge sowjetische Gesellschaft Neuland. Irrtümer und Fehler waren dabei unvermeidlich; es wäre ein Wunder gewesen, wenn es keine gegeben hätte. Einem Gedanken des alten Engels folgend könne wir auch hier sagen, daß das Wunderbare nicht die Irrtümer waren, sonder das, was sich in ihren Einschätzungen als richtig erwiesen hatte. Und das war gar nicht wenig.

Um den geschichtlichen Kontext zu verdeutlichen führe ich hier eine Quelle an, aus der Stalin sein Material für seinen Artikel finden konnte. Da diese Quelle sehr wichtig ist, wird aus ihr ausführlich zitiert. Es handelt sich um die Vierteljahresberichte “Wirtschaft und Wirtschaftspolitik 1922-1939”, Band 3, “Internationale Presse-Korrespondenz 1925-1928”, Konjunktur und Krise der KI, als Reprint herausgegeben und eingeleitet von Jörg Goldberg.

Der Verfasser dieser Vierteljahresberichte war Eugen Varga, den älteren Wirtschaftswissenschaftlern als einem der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts bekannt, zumindest den Ökonomen der DDR und der UdSSR.

Die Vierteljahresberichte enthalten vor allem Statistiken aus den kapitalistischen Großmächten, USA, Deutschland, England, Frankreich, Italien, aber auch aus Polen oder aus China, Indonesien, anderen Ländern sowie Einschätzungen der Tendenzen in der Weltwirtschaft.

Neben Statistiken und daraus abgeleiteten Analysen über Konjunktur und Krisen gab Eugen Varga auch kritische Einschätzungen der bürgerlichen Wirtschaftswissenschaften. Wie noch zu zeigen sein wird, konnte Varga 1927 bereits das Ende der Konjunktur und den Ausbruch  einer Weltwirtschaftskrise voraussagen, die 1929 dann auch eintrat.

Stalin kannte die Berichte und Analysen von Varga, ob in der vorliegenden Form, die in deutscher Sprache verfaßt waren, oder in anderen Berichten mit dem gleichen Material für die Kommunistische Internationale und für Stalin als Generalsekretär der KPdSU(B), muß ich offen lassen.

Jörg Goldberg, der Herausgeber der Vierteljahresberichte, verwies in seiner Einführung darauf, daß Varga “gemeinsam mit Trotzki für den III. Weltkongreß der KI die Thesen zur Weltwirtschaftsfrage” ausgearbeitet hat. “Sie wurden vom Kongreß einstimmig angenommen und auch vom IV. Weltkongreß bestätigt… Auf dem II, IV und V. Weltkongreß hielt Varga Referate über die wirtschaftliche Weltlage, auf dem VI. Weltkongreß referierte er über die Lage in der Sowjetunion.”

Varga war von 1922 bis 1926 als Sachverständiger an der sowjetischen Botschaft in Berlin tätig. Seine Berichte an die Botschaft wurden mit Sicherheit an die Sowjetregierung weitergeleitet, von dort auf den Schreibtisch von Stalin. Stalin selbst hat Varga in seinen Berichten auf Parteitagen und Konferenzen mehrfach genannt, was zusätzlich als Beweis dienen kann, daß er dessen Berichte kannte.

Für Verständnis und kritische Einschätzung von Stalins Artikel zum 10. Jahrestag der Oktoberrevolution sind die Berichte Vargas über die Wirtschaftsentwicklung von Ende 1926 bis November 1927 relevant. Es handelt sich um folgende Vierteljahresberichte:

7. Jahrgang Nr. 14 Berlin 4. Februar 1927
7. Jahrgang Nr. 50 Berlin 12. Mai 1927
7. Jahrgang Nr. 78 Berlin 4. August 1927
7. Jahrgang Nr. 110 Berlin 10. November 1927

Es war unmöglich und nicht notwendig alle Statistiken aus diesen Berichten zu dokumentieren. Es handelt sich um rund 200 Seiten (DIN A4) sehr eng bedruckter und z.T. kaum lesbarer Statistiken und Analysen. Es war also eine Auswahl der wichtigsten Einschätzungen und Statistiken zu treffen, die aber aussagekräftig sind. Letztendlich geht es ja bei diesen Berichten darum, die Analysen Stalins zum 10. Jahrestag der Oktoberrevolution zu verifizieren oder als falsch zu verwerfen.. Sollte der Leser oder die Leserin Analogien zur gegenwärtigen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und in der Weltwirtschaft entdecken, so ist zu beachten, daß Analogien methodologisch für das Verständnis der heutigen Weltwirtschaft zwar nützlich sind, aber keine Identität bedeuten.

Varga hat mehrfach in seinen Analysen auf Fehlerquellen in den Statistiken hingewiesen. Sie waren mit methodischen und technischen Mängeln behaftet. Dabei ist zu unterscheiden zwischen fehlerhaften Statistiken und fehlerhaften Interpretationen. Auch bei Statistiken sind sowohl Klassenaspekt aus auch staatlich-nationale Interessen zu berücksichtigen. Jörg Goldberg wies darauf hin, daß die Statistiken deutscher Institutionen die Produktionsziffern und Wertgrößen nach unten korrigiert haben, um die Reparationskosten gegenüber den Siegermächten (im ersten Weltkrieg), vor allem Frankreich zu senken, während die französischen “Statistiker” eher das Gegenteil zu beweisen suchten.

Zusammenfassend kann man über Statistiken sagen:

1. einige stimmen, da die Kapitalisten selbst an einem Mindestmaß an verläßlichen Informationen interessiert sind,

2. einige zeigen “alles was schön” und politisch verwertbar ist, lassen aber wesentliches, was ihnen nicht in den Kram paßt, weg, und

3. gefälschte Statistiken in vielfältigen Formen, je nach politischen Nützlichkeitserwägungen. Hier kann man sich mal auf Churchill berufen, der geäußert haben soll, daß er nur der Statistik glaube, die er selber gefälscht habe.

Um an die Wahrheit annähernd heranzukommen, müssen die widersprüchlichen Aussagen miteinander verglichen, und soweit möglich, mit den konkreten Gegebenheiten konfrontiert werden.. Fehler in der Auswertung der Statistiken durch Varga waren also unvermeidlich. Trotz dieser Einschränkung ändert das nichts an dem Quellenwert seiner Vierteljahresberichte. Man kann nicht oft genug darauf verweisen, daß der Adressat der Schriften und Reden Stalins die einfachen Menschen der Sowjetunion von 1927 waren. In ihrer Mehrheit waren sie noch immer analphabetische Bauern bzw. Arbeiter der ersten Generation, die vom Lande in die Städte gekommen waren und bestenfalls schon einfache Schriften lesen konnten. In dieser Zeit war noch oft das Vorlesen aus der “Prawda” üblich. Die Sprache mußte also einfach und verständlich sein. Auch Wiederholungen einzelner Thesen, Gedanken und Sätze waren als einem didaktischem Prinzip dabei wohl unverzichtbar.

Stalin gliederte seinen Artikel in eine Einführung und in vier Absätzen, in denen seine Begründung und Argumentation für seine Grundthese, daß die Oktoberrevolution von “Weltbedeutung” sei, folgt.

1. Die Oktoberrevolution habe die Front des Weltkapitalismus “durchbrochen”. Zum ersten Male in der Geschichte sei die “Klasse der Unterdrückten und Ausgebeuteten” zur “herrschenden Klasse” emporgestiegen.  Dies wirke “ansteckend” auf die Proletarier aller Länder, was bedeute, daß die Oktoberrevolution die “Epoche der proletarischen Revolutionen in den Ländern des Imperialismus” eröffnet habe.

Die Betonung ist wohl auf “eröffnet” zu legen, d.h., daß diese “Epoche” begonnen hat, wobei eine Terminisierung dieser “Epoche” nicht möglich ist. Marx sprach davon, daß wenn die “materiellen Produktivkräfte in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen geraten, eine “Epoche sozialer Revolution” eintrete; Lenin meinte, daß “die soziale Revolution … nicht anders vor sich gehen kann als in Gestalt einer Epoche, in der der Bürgerkrieg des Proletariats gegen die Bourgeoisie in den fortgeschrittenen Ländern mit einer ganzen Reihe demokratischer und revolutionärer Bewegungen verbunden ist, darunter auch mit nationalen Befreiungsbewegungen der unterentwickelten, rückständigen und unterdrückten Nationen.” [LW 23/52 f]

Über die Dauer dieser “Epoche” legte sich auch Lenin nicht fest. Rückschläge sind in einer solchen Epoche unvermeidlich, wobei die Zerstörung der Sowjetunion durch die Konterrevolution von 1989/90 nicht vorherschaubar war, 1927 wohl am allerwenigsten.

Ist die “Epoche der sozialen Revolution” nun nach der Zerstörung der Sowjetunion beendet? War diese Konterrevolution das “Ende aller Geschichte”? - wie ein amerikanischer Historiker meinte. Die internationale Großbourgeoisie wird da noch einiges erleben

Die Oktoberrevolution habe den bürgerlichen Staatsapparat zerstört, die Macht den Sowjets übergeben, dem bürgerlichen Parlamentarismus der kapitalistischen Demokratie die sozialistische Macht der Sowjets, die proletarische Demokratie entgegengestellt.

Die Oktoberrevolution habe die “Lüge der Sozialdemokraten” entlarvt, daß heute ein “friedlicher Übergang zum Sozialismus auf dem Wege über den bürgerlichen Parlamentarismus möglich sei.” Das dürfte auch heute nicht möglich sein. Zehn Jahre nach der Oktoberrevolution sei praktisch bewiesen, daß das Proletariat imstande sei, das Land “erfolgreich ohne und gegen die Bourgeoisie aufzubauen”, die “ganze Volkswirtschaft  erfolgreich ohne und gegen die Bourgeoisie zu leiten”, den Sozialismus trotz der kapitalistischen Umkreisung “erfolgreich aufzubauen”.

Die Oktoberrevolution habe der “alten Theorie” einen “tödlichen Schlag” versetzt, wonach die Ausgebeuteten nicht ohne Ausbeuter auskommen könnten. Diese “Theorie” bilde den “Eckstein der Sozialdemokratie und deren „Politik der Koalition“ mit der imperialistischen Bourgeoisie.

Nun war das Wachstum der kommunistischen Parteien in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Am stärksten nach der KPdSU(B) war zweifellos die Kommunistische Partei Deutschlands, auf die Lenin und Stalin große Hoffnungen gesetzt hatten. Bei diesem differenzierten Wachstum der kommunistischen Parteien in den einzelnen Ländern muß man die unterschiedliche Reife der kapitalistischen Produktionsverhältnisse sowie den Grad der Unterdrückung der kommunistischen Parteien, deren politisch-ideologischen Reifegrad berücksichtigen.

Die Verhältnisse in den USA, Deutschland, Frankreich, England, Italien unterschieden sich wesentlich. Dennoch reflektierte Stalin das Wachstum der kommunistischen Parteien richtig, wie auch die Gründung und Entwicklung der Kommunistischen Internationale bewiesen.

2. Die Oktoberrevolution habe auch einen Schlag gegen das Hinterland des Imperialismus, gegen seine Peripherie geführt und die Herrschaft des Imperialismus in den kolonialen und abhängigen Ländern untergraben. Die nationalen und kolonialen Revolutionen seien in Rußland unter Führung des Proletariats und unter dem Banner des Internationalismus vor sich gegangen. Dadurch seien zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit die versklavten Völker zu wirklich freien und gleichberechtigten Völkern emporgestiegen. Ihr Beispiel wirke ansteckend auf die unterdrückten Völker der ganzen Welt. Die Oktoberrevolution habe eine neue Epoche eröffnet, die “Epoche der kolonialen Revolutionen.”

Nach Kritik der Methode des bürgerlichen Nationalismus:

- Methode des Abfalls von einer Nation von der anderen

- Methode der Entzweiung, der Verstärkung der nationalen Feindschaft zwischen den werktätigen Massen der verschiedenen Nationen, haben die “Ergebnisse der Oktoberrevolution diesen Legenden den Todesstoß versetzt.” Die Praxis der Oktoberevolution habe die “Möglichkeit und Zweckmäßigkeit der proletarischen, internationalen Methode der Befreiung der unterschiedlichen Völker als einzig richtige Methode” gezeigt.

Als “direkter Beweis” dafür gelte die Existenz der UdSSR. Sie sei ein “Vorbild der zukünftigen Vereinigung der Werktätigen aller Länder in einer einheitlichen Weltwirtschaft.”

Der Begriff Vorbild mag aus der Sicht der 20er Jahre berechtigt gewesen sein. Der Hinweis auf die „zukünftige Vereinigung der Werktätigen aller Länder läßt die Frage nach der Zeitdauer offen. Nach den konkreten Befreiungsbewegungen Ende der 20er Jahre konnte der Eindruck entstehen, daß sich der weltrevolutionäre Prozeß in einem überschaubaren Zeitraum kontinuierlich vollziehen würde, einzelne Rückschläge eingeschlossen. Gab es denn ein anderes Vorbild als das der Sowjetunion als einem sozialistischen Nationalitätenstaat für eine zukünftige “einheitliche Weltwirtschaft” der Werktätigen?

Und heute? Die Niederschrift vorliegender Dokumentation erfolgte zur Zeit des G8-Gipfels in Heiligendamm, womit wohl die Frage nach dem Vorbild kommentarlos dem Leser überlassen werden darf.

Als Beweis für das Anwachsen der revolutionären Bewegungen in den Kolonien und abhängigen Ländern nannte Stalin die national-revolutionären Bewegungen in China, Indonesien und Indien. Er hätte noch andere nennen können. Diese Bewegungen zeugten von der “wachsenden Sympathie dieser Völker für die UdSSR.” Auch dies war richtig.

Auf die Aufstandsbewegungen in Niederländisch- Indien und Indonesien ging Eugen Varga sehr ausführlich ein. Auf Grund der “geringen Rolle, die Holland in der europäischen Politik” spiele, vergesse man leicht, daß Niederländisch Indien “nach England und Frankreich das volkreichste Kolonialgebiet der Welt besitzt.” Es umfasse 2 Millionen Quadratkilometer und rund 50 Millionen Menschen.

Java, das Zentrum des holländischen Kolonialreiches mit 131.000 km² und einer Bevölkerung von rund 35 Millionen Menschen sei dichter bevölkert als irgend ein Land in Europas, 300 Einwohner auf einen km²!

Die eingeborene Bevölkerung lebe in “größtem Elend.” Varga führt eine Tabelle über Eingeborenenlöhne und Europäergehälter pro Monat im Plantagenbetrieb an:

Java

                                                                                  Freie Arbeiter (Javanen)                Europäer

                                                                                  Gulden                                                     Gulden

Männer (Teilarbeiter)                                   9-12                                                            200-1000

Männer (feste Arbeiter)                               12-15

Frauen (Teilarbeiter)                                     6-12

Kinder (Teilarbeiter)                                      4,50-6

Schreiber                                                             15-50

Aufseher                                                              25-100

Sumatra

                                                                                  Kontraktarbeiter (Javanen)          Europäer

                                                                                  Gulden                                                     Gulden

Männer                                                                 15                                                                250-1000

Frauen                                                                  12

Schreiber                                                             25-75

Aufseher                                                              25-100

Selbst der “Vorwärts” schreibt in einer Amsterdamer Korrespondenz  vom 22. Dezember 1926 (wobei er freilich das Durchschnittseinkommen der Arbeiter mit 200 Gulden jährlich angibt) folgendes:

“Ein Volk, dessen große Masse auf einem der reichsten Böden der Erdoberfläche elender als der elendste Torfarbeiter der Drenter Moore lebt, kann dem Niederländer, der auf diesem Boden ungeheure Reichtümer entnimmt, nicht freundlich gesinnt sein.”

Tatsächlich gärt es seit längerer Zeit in diesen Kolonien. Wiederholte Aufstandsversuche wurden aber immer wieder  niedergeschlagen. Es ist hierbei zu bedenken, daß den 50 Millionen Eingeborenen nicht mehr als 200.000 Europäer gegenüberstehen: weniger als ein halbes Prozent. Die Holländer schlagen die Eingeborenen durch die Eingeborenen selbst, wie die Engländer in Indien:

Die Kolonie Niederländisch-Ostindien hat ein eigenes Heer mit allen modernen Waffengattungen, technischen Formationen und eigenem Generalstab. Die Mannschaften sind Inländer aus den verschiedenen Völkerschaften des Archipels, die Unteroffiziere zum Teil altgediente inländische Soldaten, zum Teil Europäer, die Offiziere bis auf ganz wenige Ausnahmen Europäer. Die Weißen im Heer rekrutieren sich überwiegend aus Holländern. Man trifft wohl noch vereinzelt Ausländer, namentlich Deutsche. … Da die brauen Soldaten durchweg außerhalb ihrer eigentlichen Heimat in mehr oder weniger fremden Völkerschaften stationiert sind, und da sie in den Kasernen mit ihren eigenen Frauen und Kindern zusammenleben, haben sie wenig Berührung mit der übrigen Bevölkerung, sie haben sich bisher als äußerst brauchbar und zuverlässig beim Niederschlagen von Aufständischen erwiesen und dürften auch mit den gegenwärtigen Unruhen fertig werden” (DAZ, 28. Dezember 1926)

Am 4. Juli 1927 konstituierte sich die Nationalpartei Indonesiens unter Führung von Sukarno. Trotz Verhaftungen und Verurteilungen 1930 konnte die nationale Befreiungsbewegung nicht mehr aufgehalten werden. Sie siegte allerdings erst nach dem II. Weltkrieg, wobei die internationale Autorität der Sowjetunion ihren Beitrag geleistet haben dürfte.

Über die Entwicklung in China gab es nach Varga fast keine Statistiken. Die Lage in China sei gekennzeichnet durch Bürger- und Interventionskrieg imperialistischer Mächte und Kriege einzelner Generale gegeneinander. Nach einer Erhebung einer sowjetischen Gewerkschaftsdelegation in Shanghai bestünde der Durchschnittsverdienst in deutschen Pfennigen pro Tag gerechnet: Männer 100-150, Frauen 90-134, Kinder 32-38. In englischen Fabriken erhielten sie am wenigsten.

Auf dem Lande sähe es noch schlimmer aus. Nach deutscher Währung (1926) “verdienten” chinesische Bauernfamilien pro Jahr 400 Mark, etwa 111 Pfennige pro Tag. Diese Zahlen sind vielleicht auch heute noch ganz interessant für Publizisten und Politiker, die sich nicht genug über die “Verletzung der Menschenrechte” in der VR China ereifern können und glauben, diese immer wieder anmahnen zu müssen und geflissentlich übersehen, daß die KP Chinas immerhin den Hunger als soziale Erscheinung abgeschafft und eine bescheidene Grundversorgung für die Masse der Bevölkerung erreicht hat, einer Bevölkerung von rund 1,3 Milliarden Menschen!

Zurück zu Varga. Die politische Lage in China sei gekennzeichnet durch den antiimperialistischen Befreiungskampf und der gleichzeitigen Entfaltung der Klassengegensätze innerhalb des Volkes. “Die Hauptfrage”, meinte Varga “ob aus diesem antiimperialistischen Kampf ein bürgerliches China oder ein China der Arbeiter und Bauern hervorgehen wird, ist auch weiterhin offen”. (1926)

Ein Jahr später, 1927, schrieb Varga, daß nach dem Abfall Tschang Kai Schecks von der linken Koumintang die Kräfteverhältnisse innerhalb der chinesischen revolutionären Bewegung “undurchsichtig” seien. Allerdings habe dieser Sachverhalt die Ursachen, die die chinesische Revolution hervorgebracht habe, keineswegs aus der Welt geschafft. Sie werden weiter wirken und die gleichen Ursachen werden die gleichen Folgen zeitigen.” Es müsse “für jeden Marxisten klar sein, daß die Revolutionierung eines 450 Millionen-Volkes (1927) kein geradliniger, ohne Rückschläge vor sich gehender Prozeß sein kann.” Trotz “des momentanen Rückschlages” sei das revolutionäre China “zu einer Macht geworden”.

Als Ganzes gesehen sei die chinesische Revolution “eine antiimperialistische Freiheitsbewegung: Abschaffung der ungleichen Verträge, Erringung der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit; darin seien “alle Klassen des chinesischen Volkes einig.”

Innerhalb dieser allgemeinen antiimperialistischen Bewegung gäbe es Differenzen nach den daran beteiligten Klassen. Danach sei die chinesische Revolution

a) zum Teil eine bürgerliche Bewegung

b) eine soziale Bewegung der armen Bauern und Handwerker, der “überwiegenden Masse des chinesischen Volkes” und

c) eine soziale Bewegung des Proletariats, das durch die “stürmische kapitalistische Entwicklung in den großen Städten zusammengeballt, aus der tiefsten Unterdrückung durch gewaltige Lohnkämpfe, durch Gewerkschaften und politische Organisationen emporstrebt.”

“Die kämpfenden Klassen sind miteinander verflochten, gehen zeitweilig parallele Wege, bilden verschiedene Kombinationen, wenden sich dann kämpfend gegeneinander, um sich unter dem Druck der Imperialisten wieder zu gemeinsamen Kämpfen zu vereinigen, wobei sich das besondere Klassenbewußtsein - wie immer in revolutionären Zeiten bei allen Klassen sehr rasch entwickelt.”

Die Stellung der imperialistischen Mächte gegenüber der revolutionären Bewegung in China war aufgrund ihrer Gegensätze untereinander widersprüchlich. Einigkeit “bestand nur darin, auf keinen Fall ein nichtkapitalistisches China zuzulassen. Ein solches nichtkapitalistisches China würde

1. die Möglichkeit der wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes verhindern

2. Die Position der Sowjetunion außerordentlich stärken und die Möglichkeit, sie erfolgreich anzugreifen, sehr vermindern.

3. die Befreiungsbewegungen in allen Kolonialländern: Indien, Indonesien, Französisch-Hinterindien, Korea usw. unwiderstehlich machen - was ja dann auch nach dem II. Weltkrieg geschah.

Während die USA gegen ein bürgerliches China keine Einwände hatten, stand England unter den imperialistischen Mächten der chinesischen Revolution am feindlichsten gegenüber. England war die koloniale Hauptmacht in Asien mit 5,5 Millionen km² und 330 Millionen Einwohnern. Die chinesische Revolution bedrohte zugleich die britische Herrschaft in Indien, dem “Grundpfeiler der britischen Weltmacht.” Jeder Erfolg der chinesischen Revolution, selbst unter bürgerlicher Führung, stärkte die Positionen der Sowjetunion in Asien gegenüber Großbritannien. Die Vorteile der „ungleichen Verträge” kamen in erster Linie der britischen Regierung zugute.

In einer Rede erklärte der britische Labourführer Thomas: “Wenn man schon Truppen schicke, dann solle man lieber mehr schicken.” ein anderer Labourabgeordneter, Snowden, sagte: Der scharf antibritische Charakter der Bewegung in China ist in weitem Maße der bolschewistischen Inspiration geschuldet … Die gerechten Aspirationen der Chinesen für ihre nationale Unabhängigkeit werden von den Kommunisten zu ihren politischen Zwecken ausgenutzt.” (Daily News, 30.  Januar 1927).

Die “Times” vom 11. April 1927 meinte, daß die “antibritische Stimmung” der Chinesen “dem Einfluß der Moskauer” entgegen käme. “Die Sowjets spielten ihre Karten mit großer Geschicklichkeit aus.” Es war dies die antikommunistische Leier: Nicht die kapitalistische, in diesem Falle kolonialistische, Ausbeutung und Unterdrückung sind die Ursachen revolutionärer Bewegungen, “antibritischer” Aktivitäten der Chinesen, sondern sie sind auf “bolschewistische Inspirationen” zurückzuführen. Es ist das bis heute in der bürgerlichen Historiographie verbreitete Märchen von der sowjetischen Bedrohung“.

Die britisch-französischen Gegensätze fanden in französischen Anschuldigungen gegenüber den britischen Methoden in China, die ihre Seeherrschaft durch Provokateure, Intrigen und Betrug jeder Art ausübten, ihren Ausdruck. Die auf britische Initiative erfolgten Überfälle der chinesischen Polizei auf die sowjetische Botschaft in Peking sowie Konsulate in Tientsin und Schanghai, Ermordung sowjetischer Angestellter in diesen diplomatischen Vertretungen 1927 waren Ausdruck der antisowjetischen Politik des britischen Imperialismus. Die Absicht war, die sowjetisch-chinesischen Beziehungen zu unterbrechen, möglichst einen Krieg der Sowjetunion gegen China zu provozieren, um ihre Macht in China aufrechterhalten zu können. Letztendlich ging der Schuß mal wieder nach hinten los.

Die Schlußfolgerung von Varga: Die imperialistischen Interventionen in China, namentlich die britischen, waren “gleichbedeutend mit einem Vorstoß gegen die Sowjetunion.” Die Befreiung Chinas vom Joch der Imperialisten könne man nur in Anlehnung an die Sowjetunion erfolgen.

Stalin zog aus diesen revolutionären Bewegungen in Asien die Schlußfolgerung: „Angebrochen ist die Ära der Befreiungsrevolutionen in den Kolonien und abhängigen Ländern, die Ära des Erwachens des Proletariats dieser Länder, die Ära seiner Hegemonie in der Revolution.” Die Betonung lag auf “angebrochen”, bei Stalin auch hervorgehoben. Diese Ära der Befreiungsrevolutionen fand nach dem II. Weltkrieg mit Unterstützung der Sowjetunion und anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft, darunter nicht zuletzt der DDR, ihre Fortsetzung. Selbst nach der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion findet diese Ära ihr Weiterführung, wenn auch in anderen Formen, als Stalin 1927 erwarten konnte. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß diese antiimperialistischen Revolutionen noch an Stärke und Einfluß gewonnen haben, trotz des vorläufigen Sieges der internationalen Konterrevolution. Die internationale Autorität der VR China, vor allem im pazifischen Raum, der Einfluß des sozialistischen Kubas auf dem lateinamerikanischen Kontinent sind unübersehbar. Im Nahen Osten und Nordafrika treten die antiimperialistischen Bewegungen in islamischer Ideologie auf, wobei diese antiimperialistische Bewegung zugleich reaktionäre Züge trägt, wie sie im Anti-Marxismus zum Ausdruck kommen. Von einer sozialistischen Revolution sind diese revolutionären islamischen Bewegungen sehr weit entfernt, wobei wir uns davor hüten sollten, sie einfach als “Terrorismus” abzuhaken. Bei der Unterstützung solcher Befreiungsbewegungen mahnte schon Lenin, “reaktionäre und mittelalterliche Elemente” in diesen Ländern zu bekämpfen, den Panislamismus, der die Befreiungsbewegungen mit einer Stärkung der Khane, Gutsbesitzer, Mullahs und anderen Kräften der Reaktion verbinden wollte, zurückzuweisen.

Bei all diesen revolutionär-demokratischen antiimperialistischen Bewegungen bleiben Marxisten-Leninisten Realisten. Die Imperialisten bleiben diesen Bewegungen gegenüber nicht gleichgültig, wie deren Destabilisierungspolitik und Kriege gegen mißliebige Regierungen und Volksbewegungen hinlänglich beweisen.

Bezüglich der Perspektive der antikolonialen Revolutionen hat Stalin richtige Einsichten gehabt, wenn diese Revolutionen auch in Formen verliefen, die 1927 nicht vorauszusehen waren, auch nicht von Stalin.

3.  Aus den Punkten eins und zwei leitete Stalin die These ab, daß “dadurch die Existenz des Weltkapitalismus als Ganzes in Frage gestellt sei.” Von Lenins Imperialismustheorie ausgehend schrieb er, daß die “spontane Entwicklung des Kapitalismus unter den Verhältnissen des Imperialismus - infolge der Ungleichmäßigkeit dieser Entwicklung, infolge der Unvermeidlichkeit von Konflikten und kriegerischen Zusammenstößen, schließlich infolge des beispiellosen imperialistischen Gemetzels in den Prozeß der Fäulnis und des Sterbens des Kapitalismus umgeschlagen” sei.

Unter diesen Bedingungen “mußte die Oktoberrevolution”, der “Abfall eines riesigen Landes vom Weltsystem des Kapitalismus diesen Prozeß beschleunigen, Schritt für Schritt die Grundpfeiler des Imperialismus untergraben.”

Darüber hinaus habe die Oktoberrevolution “in Gestalt der ersten proletarischen Diktatur eine mächtige und offene Basis der internationalen revolutionären Bewegung” geschaffen, “wie diese sie nie vorher besessen hatte und auf die sie sich stützen kann.”

Um jenes “mächtige und offene Zentrum der internationalen revolutionären Bewegung” könne sie sich jetzt “zusammenschließen bei der Organisierung der revolutionären Einheitsfront der Proletarier und der unterdrückten Völker aller Länder gegen den Imperialismus.”

Die Oktoberrevolution habe dem „Weltkapitalismus eine tödliche Wunde geschlagen…, von der er sich nie mehr erholen wird.”

Nach dieser Argumentation folgt der Kernsatz: Der Kapitalismus wird “nie mehr das Gleichgewicht und die Stabilität wiedererlangen, die er vor dem Oktober besaß.”

Stimmt dieser Satz? Ist er nicht durch die konterrevolutionäre Zerstörung des  europäischen Sozialismus widerlegt? Endgültig - praktisch - theoretisch - wissenschaftlich?

Eine unvoreingenommene Analyse der gegenwärtigen ökonomisch-politischen Situation, der Weltwirtschaft und der internationalen Politik dürfte genügen, um Stalins Satz zu verifizieren: Hunger als soziale Erscheinung in Afrika und einigen Ländern Asiens, kein Zugang zu Trinkwasser für etwa eine Milliarde Menschen, Umweltzerstörungen im gigantischen Ausmaß, Kriege und Bürgerkriege in Nahost, in Afghanistan, revolutionäre Massenbewegungen in Lateinamerika, sich gefährlich zuspitzende Gegensätze zwischen den imperialistischen Mächten, Einkreisung Rußlands durch die NATO, weitgehender Abbau des Gesundheits- und des Bildungssystems in der BRD und anderen imperialistischen Ländern, Massenarbeitslosigkeit, Niedriglöhne, Abbau der bürgerlichen Freiheiten, Einführung polizeilicher Überwachungssysteme, Massenflucht aus Afrika - um nur die wichtigsten Symptome einer niedergehenden Gesellschaftsformation zu nennen. Dafür haben wir den G8-Gipfel mit unverbindlichen Empfehlungen und einem Mittagessen auf einem Gutshof.

Stalin erkannte durchaus, daß sich “der Kapitalismus … teilweise stabilisieren” könne. Er könne “die Verwaltung des Landes in die Hände des Faschismus legen, die Arbeiterklasse eine Zeitlang niederhalten”, würde aber seine Stabilität nicht mehr erreichen.

Die Oktoberrevolution habe den Mut und die Kampfbereitschaft der unterdrückten Klassen in der ganzen Welt “auf eine bestimmte Höhe gehoben und die herrschenden Klassen gezwungen … mit ihnen als einen neuen, ernsten Faktor zu rechnen.”

Die Oktoberrevolution habe den werktätigen Massen der Welt eine Perspektive gegeben. Allein “die Tatsache der Existenz des bolschewistischen Staates” hab den finsteren Kräfte der Reaktion Zügel angelegt, dadurch “den unterdrückten Klassen den Kampf für ihre Befreiung erleichtert.”

Daraus erkläre sich auch der “tierische Haß, den die Ausbeuter aller Ländern gegen die Bolschewiki hegen.” Dieser Haß gegen die Bolschewiki werde “den Kapitalismus nicht vor seinem unvermeidlichen Untergang retten…” Dieser Haß gegen die Bolschewiki war eine spezifische Form des Antikommunismus, auf den Marx und Engels schon in der Einleitung zum Manifest der Kommunistischen Partei hingewiesen haben. Alle “Mächte des alten Europas, Papst und Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten hätten sich zu einer “heiligen Hetzjagd” gegen das “Gespenst des Kommunismus” verbündet.

Nach der Pariser Kommune von 1871 geriet die internationale Bourgeoisie völlig aus dem Häuschen. Auch wenn es der französischen Bourgeoisie mit aktiver Mithilfe von Bismarck gelang, die Kommunarden blutig niederzuschlagen, sah sie sich durch die erstmalige Errichtung der Diktatur des Proletariats am Rande des sozialen Abgrundes. Das neue Merkmal der Revolution bestand nach Marx darin, “daß das Volk nach der ersten Erhebung nicht die Waffen niedergelegt und seine Macht in die Hände der republikanischen Marktschreier der herrschenden Klassen übergeben hat, daß es durch die Errichtung der Kommune die wirkliche Leitung seiner Revolution in seine eigene Hände genommen und gleichzeitig das Mittel gefunden hat, sie im Falle des Erfolgs in den Händen des Volks selbst zu halten, indem es die Staatsmaschinerie, die Regierungsmaschinerie der herrschenden Klassen durch seine eigen Regierungsmaschinerie ersetzt. Darin besteht ihr ‘unerhörtes Verbrechen’! Arbeiter, die gegen das Regierungsprivileg der oberen Zehntausend verstoßen und ihren Willen kund tun, die ökonomische Basis jenes Klassendespotismus zu zerbrechen, die organisierte Staatsmacht der Gesellschaft in seinen eigenen  Händen in seinem eigene Interesse handhabte. Das ist es, was die respektablen Klassen in Europa wie in der Vereinigten Staaten in den Paroxysmus von Krämpfen geworfen hat. Das ist die Ursache für ihre Schreie des Abscheus, es sei Gotteslästerung, für ihre wilden Appelle, mit dem Volk abzurechnen und für die gemeinsamen Schimpfereien und Verleumdungen, die sie von ihren Parlamentsbänken aus und in den Bedienstetenstuben ihrer Tagespresse loslassen.”

Und nun erst nach der Oktoberrevolution und den zehn Jahren Sowjetmacht! Dieser Haß, den Stalin erwähnte, hat sich nach dem Sieg der UdSSR über das faschistische Deutschland und der Entstehung und Entwicklung des sozialistischen Weltsystems noch verstärkt, soweit Haß noch steigerungsfähig ist. In der Existenz der UdSSR und ihrer erfolgreichen Entwicklung sahen die Bourgeois die Bedrohung ihres Gesellschaftssystems. Diese Bedrohung war eine soziale Bedrohung, die sozialen, politischen und ideologischen Auswirkungen der Oktoberrevolution und der Entwicklung der UdSSR - vom Hakenpflug zu einer atomaren Weltmacht (Churchill) - aber zu keiner Zeit eine militärische Bedrohung, wie immer wieder zur Rechtfertigung ihrer Kriege gegen die UdSSR behauptet wird.

Die These von der Weltrevolution stammt von Marx, nicht von Lenin, nicht von Stalin, die sie übernommen haben. “Weltrevolution” bedeutet nicht, die militärische Eroberung und Unterwerfung anderer kapitalistischer Staaten. Die These “Weltrevolution” = Eroberung anderer Länder mit militärischen Mitteln, durch Krieg, hat Trotzki zeitweilig vertreten. Da nach seiner Meinung der Sozialismus in dem rückständigen Rußland nicht siegen kann, sondern auf die Revolution im Westen warten müsse, sollte die Rote Armee nach Polen und Deutschland marschieren und dort der Revolution zum Sieg verhelfen. “Sozialismus in einem Land” war nach Trotzki nicht möglich. Darüber gab es harte Auseinendersetzungen zwischen Lenin und Stalin auf der einen Seite, die von der Möglichkeit des “Sieges des Sozialismus in einem Lande” ausgingen und militärische Abenteuer ablehnten, und auf der anderen Seite Trotzki, der die Revolution auf den Spitzen der Bajonette der Roten Armee nach Deutschland tragen wollte. Die bürgerliche These von der “Bedrohung der  freien westlichen Welt” als militärische Bedrohung ist ihrem Grunde nach eine Polemik gegen Trotzki, soweit richtig, aber in ihrer Unterstellung auf Lenin und Stalin, auf die Partei der Bolschewiki bezogen, diente sie der Rechtfertigung und ideologischen Verklärung des aggressiven Raub- und Vernichtungskrieges des deutschen Imperialismus sowie der aggressiven antisowjetischen Politik der Regierungen Großbritanniens, Japans, Frankreichs, der USA und anderer Staaten.

Und heute? Es gibt keine Sowjetunion mehr. Wozu dann die Einbeziehung der baltischen Staaten, Polens und der Tschechischen Republik in die NATO? Wozu dann die nicht mal geleugnete Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine und Weißrußlands? Wozu dann Marine- und Luftwaffenstützpunkte an der Schwarzmeerküste Rumäniens und Bulgariens, etwa 240 km Luftweg von der rumänischen Küste bis zur Krim, 750 km bis zum Kaukasus-Öl. Sind die heutigen revolutionären antiimperialistischen Bewegungen in der Welt auch auf die “Hand Moskaus” zurückzuführen? Die Sowjetunion erlag der inneren und äußeren Konterrevolution, aber das “Gespenst des Kommunismus” geht in der Welt - nicht nur und nicht einmal an erster Stelle in Europa - herum. Die Ursachen für die Revolutionen - unabhängig von ihren konkreten unterschiedlichen Formen und Zielstellungen - in den Verhältnissen des kapitalistischen Weltsystems in seiner spätimperialistischen Gestalt, in ihrer eigenen Politik zu erkennen, sind die Bourgeois nicht fähig. Das übersteigt ihren politischen Verstand. Daraus folgt auch nach der Zerstörung des sozialistischen Weltsystems, aus ihrer sozialen Angst auch heute noch ihr Haß gegen jedwede kommunistische Bewegung, die Sowjetunion - und in Deutschland speziell die DDR - noch im Nachhinein zu verteufeln, zu „delegitimieren”, wie Herr Kinkel so deutlich formuliert hat.

Zurück zur Frage nach der Stabilität des Kapitalismus aus der Sicht Stalins Ende 20er Jahre. Der Terminus “Stabilität” fand in der ökonomischen Literatur - nicht nur in der marxistischen - häufig Anwendung. Unter “Stabilität” verstand man die Wiederherstellung der Volkswirtschaft nach dem I. Weltkrieg, die Überwindung der Kriegsschäden, Rückzahlung der Kredite an die USA von den Schuldnern Frankreich, England und anderen, die Reparationszahlungen Deutschlands usw. Stalin verglich die “Stabilität” des kapitalistischen Weltsystems  vor dem Weltkrieg mit der Situation der kapitalistischen Staaten danach, wobei er, wie schon weiter oben gesagt, zu der Schlußfolgerung gelangte, daß der Kapitalismus die Vorkriegsstabilität nicht mehr wiederherstellen könne.

Wir finden bei Eugen Varga wiederholt den Terminus “Stabilität” sowie “Stabilitätskrise”, womit er Krisenerscheinungen im Prozeß der Widerherstellung der Wirtschaft nach dem Weltkrieg kennzeichnete.

Im Folgenden dokumentiere ich aus den Vierteljahresheften von Varga nach Sachgebieten, nicht in chronologischer Reihenfolge. Es handelt sich dabei um Hefte vom Ausgang 1926 bis November 1927, wie aus dem Literaturverzeichnis ersichtlich, weil die Aussagen dieser Hefte für Stalins Einschätzungen relevant sind.

Ausführlich setzte sich Varga mit der bürgerlichen Konjunkturforschung auseinander. “Die Nachkriegszeit” habe “eine neue Wissenschaft entstehen lassen: Die Konjunkturforschung.”

Ausgehend von der Marxschen Krisentheorie, in der die Umschlagszyklen enthalten sind: “Zustand der Ruhe, wachsende Belebung, Prosperität, Überproduktion, Krach, Stagnation, Zustand der Ruhe usw.” Die zyklische Bewegung sei untrennbar mit der kapitalistischen Produktionsweise verbunden, gehöre zu ihrem Wesen als einer antagonistischen Produktionsweise. Marx habe sich dagegen verwahrt, die Krise der kapitalistischen Produktionsweise als “bloße Möglichkeit” zu begreifen, daß es also “zufällig” sei, ob sie eintrete oder nicht.

“Sinn und Zweck der neuen ‘Wissenschaft’ der Konjunkturforschung” sei es, “den Gang der Konjunktur zu beobachten, die Krisenmomente rechtzeitig zu erkennen, um es den Kapitalisten zu ermöglichen, den Übergang für sie möglichst leicht zu machen. Einzelne Narren hoffen sogar, auf dem Wege der Konjunkturforschung zu einer  ‘ konjunkturlosen Wirtschaft’, zu einer ewigen Prosperität des Kapitalismus zu gelangen.”

Aus der Kritik Vargas an bürgerlichen  Ökonomen sei hier einer aus den 20er Jahren genannt, Gustav Cassel. Nach Cassel gäbe es “keinen Wert”, “noch weniger einen Mehrwert.”, auch “keinen Profit”, keinen Imperialismus. Es gäbe nur “Knappheit”, “Knappheit an Kapital”, daher müsse für Überlassung und Nutzung von Kapital Zins gezahlt werden, Knappheit an Boden, an Geld , an Arbeitern usw. “In dem Bestreben, alle Widersprüche und Gegensätze aus der Welt zu schaffen” konstruiere Castel “unzählige falsche Zirkel”, mache er “die erbaulichsten logischen Kopfsprünge…”

Die bürgerliche Nationalökonomie sei theoretisch hinter Ricardo zurückgefallen. “um der Erkenntnis auszuweichen, daß die kapitalistische Produktionsweise ebenso historisch bedingt und zum Verschwinden verurteilt ist wie alle vorhergehenden Produktionsweisen, verzichten sie auf jede theoretische Einsicht in die kapitalistische Gesellschaft!”

Es gäbe unzählige “Krisentheorien” und ihre Zahl vermehre sich von Jahr zu Jahr. Varga führt einige dieser Theorien an, worauf hier nicht eingegangen werden kann und muß. Für einen Wirtschaftshistoriker wären sie vielleicht von Interesse.

Zwei amerikanische Ökonomen, V.L. Thorp und W.C. Mitchell, verwerfen den Begriff “Krise” überhaupt. An Stelle der “Krise” wurde “Rezession” gesetzt, da “nicht jeder Übergang von der Prosperität zur Depression ein krisenhafter sein” müsse.

Gerade in diesem Punkt mache sich der Klassencharakter der bürgerlichen Wirtschaft scharf geltend. “Für die Arbeiterschaft” sei “die Tatsache wichtig, daß beim Umschlagen der Prosperität in die Depression massenhafte Arbeitslosigkeit eintrete. “Daher bedeute für die Arbeiterschaft jedes Umschlagen eine Krise. Vom kapitalistischen Gesichtspunkt werde “von einer Krise dann gesprochen, wenn der Umschlag der Prosperität in die Depression mit einer Kreditkrise und massenhaften Bankrotten kapitalistischer Unternehmen verbunden” sei; “ein Umstand, der für die Arbeiterschaft gänzlich gleichgültig” sei.

Eine altbewährte Methode, man ändere die Terminologie, schon hat man unliebsame Sachverhalte abgeschafft. In diesem Falle: Krisen gibt es nicht.

Die Entwicklung, Konjunktur - Krise verlief in den einzelnen Ländern unterschiedlich, sogar innerhalb der einzelnen Länder. Einige Bereiche konnten Konjunktur haben, andere steckten in der Krise. Aus diesem Meer von widersprüchlichen Tendenzen in einzelnen Ländern und innerhalb dieser Länder eine gesetzmäßig determinierte Grundtendenz abzuleiten, war nur mit Hilfe der Marxschen dialektisch-materialistischen Theorie und Methode möglich. Varga bewältigte diese schwierige Aufgabe. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn ihm dabei keine Fehler unterlaufen wären, worauf er mehrfach hingewiesen hatte. Wenden wir uns zunächst den einzelnen Ländern zu.

Deutschland

Die bürgerliche Presse spreche von “einem Jahr des Aufschwungs” (1926). Es wäre ein Jahr des Aufschwungs für die Kapitalisten gewesen, für die deutschen Arbeiter ein Jahr weiterer Verelendung. Es habe eine „starke Steigerung” der Arbeitsproduktivität gegeben, doch der „Reallohn der Arbeiter” sei nicht höher als vor einem Jahr (1925) gewesen.

Hinzu käme eine “gewaltige Masse” von “chronisch Arbeitslosen”. Die Zahl der unterstützten Arbeitslosen sei von Dezember 1925 bis Dezember 1926 von 1.486.000 auf 1.745.000 gestiegen. Die tatsächliche Zahl dürfte über 2 Millionen betragen. Die Tendenz der Monopolbildung habe in den letzten Monaten “weitere Fortschritte” gemacht. In der Landwirtschaft seien durch einige Maßnahmen wie die Erhöhung der Agrarzölle auf Importe die Getreidepreise in die Höhe getrieben worden, zugunsten der Großgrundbesitzer und “reichen Bauern.” Gleichzeitig erfolgte eine systematische Drückung der Löhne unter Ausnutzung der hohen Arbeitslosigkeit und Heranziehung “noch billigerer polnischer Arbeiter.”

Die Bourgeoisie habe zwar ein “profitables Jahr” hinter sich gebracht, aber das “Problem der deutschen Wirtschaft” sei “keineswegs gelöst.” Gegenwärtig (August 1927) habe die deutsche Industrie” Hochkonjunktur”, aber wie die Arbeitslosen wieder in den Produktionsprozeß einbezogen werden können, bleibe ein ungelöstes Problem.

Die Produktivität der Arbeit sei durch Anwendung der Technik und Maschinerie “außerordentlich” gestiegen. Dabei sei der Widerspruch zwischen “Ausdehnung des Produktionsapparates” und “verschwindend geringer Vermehrung der produktiv tätigen Arbeiter” ein “ständiger” geworden. Bei einer “verhältnismäßig geringen Zahl der produktiven Arbeiter bei gleicher Mehrwertrate 1.) wie 1907 müßte die Profitrate 2.) in Deutschland stark gefallen sein.”[1]

Dies sei aber nicht der Fall, da “die Ausbeutung der Arbeitskraft infolge der intensiven Arbeit eine höhere ist als vor dem Krieg.” “Steigende Produktivität infolge technischen Fortschritts und erhöhter Intensität der Arbeit” müßten “auf diese Weise den Entgang von Mehrwert infolge der relativ sehr verminderten Zahl der produktiven Arbeiter ersetzen.”

Die “Hochkonjunktur” in Deutschland sei voraussichtlich von “kurzer Dauer”. Auffällig sei die “Kürze der einzelnen Phasen des Krisenzyklus::

Stabilisierungskrise:                                Herbst 1923 - Sommer 1924

Gute Konjunktur:                                      Herbst 1924 - Herbst 1925

Rationalisierungskrise:                          Winter 1925/26 - Herbst 1926

Besserung der Konjunktur:                 Herbst 1926 - Winter 1926/27

Gute Konjunktur:                                      Frühjahr 1927

Varga nannte auch die Ursachen für die Kürze der Konjunkturwellen im Vergleich zum “normalen” Krisenzyklus: Die Armut des deutschen Kapitalismus an Kapital. Im Unterschied zum “normalen Krisentyp” sei ein neuer Krisentyp eingetreten. Im “normalen” Krisentyp werde in der Sphäre der Produktionsmittel (bei Marx Abteilung I) so viel Kapital angelegt, “daß für die Produkte der erweiterten Anlagen bei der gegebenen Produktionskraft der Gesellschaft kein Absatz vorhanden” sei, also eine Überproduktion an Konsumtionsmitteln eintrete (bei Marx Abteilung II).

In Deutschland entstünden die Krisen dadurch, “daß das vorhandene Kapital nicht “ ausreiche, “um begonnen Ausweitungen des Produktionsapparates (Abteilung I) zu Ende zu führen. Bei Kapitalanlagen in Form von Produktionsmitteln, Banken etc. zeige sich, “daß es unmöglich sei”, von dem Wertprodukt des laufenden Jahres einen  entsprechend großen Teil in Form von fixem Kapital, dessen Wert erst in einer langen Reihe von Jahren in Warenform wieder erscheint bzw. Geldform annehmen kann, festzulegen, ohne daß ein Kapitalmangel in Abteilung II eintritt, der sich dann selbstverständlich in Form eines Mangels an Geldkapital, an Leihkapital geltend mache.

“Durch diesen Mangel an “freiem Kapital” wird auch jede kleine Störung im Umschlag des Kapitals, jede kleine Stockung in der Zirkulationssphäre, die bei Vorhandensein genügender Kapitalien glatt überwunden werden könnten, die Tendenz zeigen, sich zu einer Krise zu entwickeln. Anders ausgedrückt: Die deutsche Wirtschaft ist in der Zwangslage, durch sich immer wiederholenden Kapitalimport den Fortgang der Konjunktur zu ermöglichen.

Der Bedarf an Auslandsanleihen wurde immer höher:

In Millionen Mark

1924                     1925                     1926

1001                     1244                     1516

Der Präsident der Reichsbank, Schacht, glaubte Ende 1926, daß der deutsche Kapitalismus weitere Anleihen entbehren könne. Im April 1927 wurden erstmalig keine Auslandsanleihen mehr aufgenommen, was “mit einem vollständigen Mißerfolg” endete.

Die Auswirkungen der Hochkonjunktur in Deutschland waren ebenfalls unterschiedlich. Während der Nominallohn der gesamten Arbeiterklasse “stark gestiegen” sei, habe sich der Reallohn nicht erhöht. Die Intensität der Arbeit sei durch die Rationalisierung “erheblich gestiegen.” Daraus könne geschlossen werden, “daß die Ausbeutung der Arbeiterschaft heute stärker als früher” sei. In Auswertung mehrerer Statistiken gelangte Varga zu dem Schluß, “daß keinerlei Anzeichen dafür vorhanden” seien, “daß die Millionenarbeitslosigkeit in Deutschland am Verschwinden wäre.”

Varga glaubte, “daß die gegenwärtige Hochkonjunktur noch in diesem Jahre zu Ende gehen und sich schwerlich in das Jahr 1928 hinüberziehen” werde. “Entscheidend” sei, “daß die Tatsache der Hochkonjunktur keine Gesundung der deutschen Wirtschaft” bedeute und nicht imstande sei, “das Problem der Einbeziehung der Arbeitslosen in den Produktionsprozeß oder die nötige Ausdehnung des Auslandsabsatzes des deutschen Kapitalismus zu schaffen. Die Tatsache der Hochkonjunktur sei “daher weder ein Beweis gegen die Relativität der Stabilisierung des Kapitalismus im allgemeinen, noch bedeute sie, daß die besonderen Probleme des deutschen Kapitalismus irgendwie zu einer Lösung gebracht werden  können.

Im November 1927 notierte Varga, daß die Frage nach der Art, “wie die Hochkonjunktur enden” werde, noch offen sei. Für die Arbeiterschaft sei “eine neue, sehr starke Erhöhung der Arbeitslosenzahl” zu erwarten.

Die Reichsbank habe am 4. Oktober (1927) ihren Zinsfuß auf 7 Prozent erhöht. “Eine siebenprozentige Bankrate bedeute das Eingeständnis, daß eine Krise in Sicht ist.”

Das ganze System sei “bereits so angespannt, die Widersprüche  so auf die Spitze getrieben, daß eine nahe Krise unausweichlich zu sein scheint.”

Eine Prognose, die zwei Jahre später ihre Realisierung fand.

Frankreich

Frankreich befände sich “in einem Zustand der Depression”, “einer schleichenden Stabilisierungskrise.” Dies zeige sich jedoch “nicht in den heftigen Formen wie in Deutschland und Polen, sondern in Form einer allgemeinen Verlangsamung des ökonomischen Lebens auf allen Gebieten: Produktion, Verkehr, Börse usw.”

Eine Besonderheit in Frankreich bestünde darin, daß der Ausbau der Industrie nicht durch Akkumulation selbst finanziert werde, sondern durch “großzügige Expropriation des Vermögens der französischen Mittelschichten.”

Varga sagte aus der Analyse des letzten Quartals 1926 voraus, daß die französische Bourgeoisie in der “nächsten Zeit” zu einer “großzügigen Offensive gegen die Arbeitsbedingungen des französischen Proletariats, gegen Lohnhöhe und Achtstundentag” schreiten werde. Dabei werde sie auf “scharfen Widerstand des Proletariats stoßen.” “Die relativ friedliche Periode des Klassenkampfes” ginge “auch in Frankreich zu Ende.”

Im Laufe des Jahres 1927 fand die Prognose Vargas ihre Realisierung. Varga zitierte aus der “Frankfurter Zeitung” vom 14. Januar 1927: “Seit langen Jahren” habe “Frankreich wieder eine ernsthafte Arbeitslosigkeit.” Die Arbeitslosigkeit werde von der französischen Bourgeoisie für Lohnkürzungen genutzt. Neueinstellungen erfolgten zu niedrigeren Löhnen als bisher.

Die offiziellen Zahlen über die Arbeitslosigkeit gäben “nicht einmal annähernd einen Begriff” von deren wirklichen Größe. Nach vorsichtigen Schätzungen wären es einige Hunderttausend. Dagegen nehme die Zahl der Kurzarbeiter  demgegenüber um “ein Vielfaches” zu.

Die Ausdehnung der Kurzarbeit sei in Frankreich sehr stark. Im Departement Isére gäbe es nach amtlichen Angaben nur 14 Arbeitslose, aber in 154 Unternehmen “nicht weniger als 16.534 Kurzarbeiter…, deren Arbeitszeit wöchentlich zwischen 16 und 46 Stunden“ variiere.

Zur Verminderung der Arbeitslosigkeit trage auch die Abwanderung der ausländischen Arbeiter “viel bei.” [ In Frankreich gab es viele Arbeiter aus den Kolonien, die zu Krisenzeiten wieder das Land verließen. U.H.]

England

Im Mittelpunkt von Vargas Analyse der englischen Wirtschaft stand der gewaltige englische Bergarbeiterstreik von 1926.

Die Arbeiter seien geschlagen. Es gäbe keinen nationalen Tarif mehr, an einzelnen Orten selbst keinen Distrikttarif. Die Arbeiter seien gezwungen unter einseitig diktierten Bedingungen zu arbeiten.

Die Arbeitszeit wurde überall verlängert, entweder um eine Stunde oder in profitableren Gruben nur um eine halbe Stunde. Die Löhne wurden vorläufig nicht oder nur wenig reduziert. Starke Lohnkürzungen würden erst im Frühjahr und Sommer 1927 folgen.

Die englischen Bergarbeiter seien zwar geschlagen, aber nicht gebrochen. Trotz ihrer Niederlage bedeute der Bergarbeiterstreik “einen gewaltigen Fortschritt in der Revolutionierung der englischen Arbeiterschaft. Der Glaube an einem über den Klassen stehenden Charakter des Staates und der Regierung sei zerbrochen.

Die Erkenntnis des Klassencharakters der bürgerlichen Regierung sei das “wichtigste Ergebnis” dieses gewaltigen Ringens. Varga erwies sich als Realist, wenn er darauf hinwies, daß das englische Proletariat “noch viel lernen” müsse. Es dürfe keine Hoffnungen auf den Wahlzettel setzen, auf eine “Majorität der Arbeiterpartei im nächsten Parlament”, auf eine “Arbeiterregierung.”

Die “Ideologie des Wahlzettels” könne nur durch die Erfahrung mit der parlamentarischen Majorität der Labourpartei gebrochen werden. In der Labourpartei wirkten Millionäre wie Mosley, Baldwin jr., offene Anhänger der Klassenharmonie wie Mac’donald, Thomas usw. Sie würden in der Regierung eine Politik für die Kapitalisten und gegen die Proletarier führen.

Die Bourgeoisie habe die “Gefahr der Revolutionierung der Arbeiter” als Auswirkung des Streiks erkannt. Hinzu kämen die materiellen Verluste, die die Bourgeoise durch den Streik erlitten hatten.

Die bürgerliche Presse entfachte eine Propaganda für “Frieden in der Industrie”. Neben Vertretern der Konservativen, Bischöfen, Gelehrten und anderen Intellektuellen gingen die Gewerkschaftsführer “freudig auf die Anregungen der Kapitalisten” ein, steuerten einen “Burgfrieden” an, eine “Zentralarbeitsgemeinschaft.”

In seiner Rede vom 11. Januar 1927 regte Herr Henderson die Gründung eines “Vereinten Nationalrates” an, ihm sollten Gewerkschafter, Vertreter der Labour Party und der zentralen Arbeitgeberorganisationen [National Confederation of Employers Associations] angehören. Diese sollten die “ganze industrielle Lage” “unverbindlich” besprechen. Wenn die englische Bourgeoisie auch bemüht sei, Optimismus zu verbreiten, so gäbe es jedoch keinen Grund dafür.

Die Arbeitslosigkeit sei weiterhin “gewaltig”, etwa zwei Millionen von 15 Millionen im Arbeitsprozeß stehenden Arbeitern. Hinzu komme die Masse der “Paupers”, unterstützte Arme. Von Januar bis Ende November (1926) sei deren Zahl von 1.439.800 auf 2.175.097 nach offiziellen Zahlen gewachsen. Berechne man das Minimum, so gäbe es 1, 5 Millionen unterstütze Arbeitslose und 1,5 Millionen unterstützte Paupers mit ihren Familien. Dies sei eine Armee von fünf bis sechs Millionen Menschen, der sechste Teil der Bevölkerung von “merry old England”.

Im ersten Halbjahr 1927 habe es eine “sich bessernde Konjunktur” gegeben, aber: im Juni “bereits Anzeichen, daß die neuen Bestellungen geringer” seien “als die Produktion.”

Die Verschlechterung der Konjunktur verlaufe ungleichmäßig. Besonders stark betroffen seien die traditionellen Zweige der Industrie - Kohlenbergbau, Eisen, Stahl, Baumwolle - betroffen, weniger die neuen Industriezweige - Elektro - Automobil - Kunstseide - Chemieindustrie. Aber diese neuen Industriezweige stellen nur 10% der gesamten Industrie dar. Besonders der Kohlenbergbau sei von einer “außerordentliche schweren Krise” betroffen. Dies habe zu einer Steigerung der Ausbeutung der Arbeiter geführt. Die Arbeitsleistung, berechnet nach Arbeitstagen (ohne Einbeziehung der Feierschichten) sei um 16 % gestiegen. Die Arbeitszeit pro Schicht sei von 7 auf 7,5 bis 8 Stunden verlängert worden, der Lohn der Arbeiter gleichzeitig “stark geschmälert.”

“Trotz der gewaltigen Senkung der Lohnkosten arbeiten viele Gruben mit Verlust!” Eine neue Krise sei im Anzug.

Die englische Bourgeoisie sei in zwei Lager gespalten:

1. Die Linie der “Diehards”, der “Dickköpfe”, zu denen gehörten die Landlords, der Bourgeois der Schwerindustrie, des Kolonialkapitals, der Großbanken. Ihnen ging es um die Verteidigung des britischen Imperiums; dazu gehöre der “Krieg gegen die Sowjetunion. In der Innenpolitik forderte sie die Wiederherstellung der Rechte des Oberhauses, Knebelung der Gewerkschaften, Niederschlagung jeden Versuchs der Anwendung des Generalstreiks, Annäherung an offenere Formen der Diktatur der Bourgeoisie.

2. Die Linie des Liberalismus, der Bourgeoisie der Fertigwarenindustrie, des Handelskapitals, zum Teil der Banken. Sie forderten Freihandel und verkündeten “friedliche Absichten.”

 Sie propagierten einen “Scheinpazifismus.” Sie hielten an Formen der Demokratie fest, um ihre Diktatur zu verbrämen. Die Rechte des Oberhauses wollten sie eingrenzen.

Sie bevorzugten eine “friedliche Beherrschung” des Proletariats mit Unterstützung der Gewerkschaftsführer, bei denen sie auf wohlwollendes Entgegenkommen trafen. Dies zeigte sich in der Entwicklung der Streikbewegung. 1927 gab es nur 787.000 Streiktage bei 20 Millionen englischer Arbeiter, eine verschwindende Größe bei 8 Millionen 1925 und 162 Millionen 1926.

Der Gewerkschaftskongreß vom September 1927 verlief im “Geiste des Friedens”, und verführte zum Abbruch der Beziehungen zum sowjetischen Gewerkschaftsbund. Der Gewerkschafts- und Labourkongreß 1927 fanden das Lob der kapitalistischen Presse: Absage an die Sowjetunion, Fallenlassen der ursprünglichen Forderungen nach Kapitalbesteuerung und Nationalisierung der Kohlengruben. Varga bemerkte dazu, daß die “Aussöhnung mit den Kapitalisten” … “keinesfalls eine dauernde Erscheinung“ sein werde. Dies erwies sich allerdings als Irrtum.

Vereinigte Staaten von Amerika

Varga zitiert US-Präsident Hoover, die Ökonomen Coolidge, Mellou u.a. “Prosperität für immer!”, “Prosperität für alle!”, “kein Ende der Prosperität ist abzusehen.” War dem wirklich so? Die Umwandlung der USA in ein typisch imperialistisches Land sei abgeschlossen. In der Kapitalausfuhr standen die USA an erster Stelle, hätten England weit hinter sich gelassen. Die USA hätten begonnen, Renten aus dem Ausland zu beziehen. Die USA unterjochten “in wachsendem Maße den ganzen amerikanischen Kontinent”, teils durch ökonomische Durchdringung (Kanada), teils durch “offene militärische Intervention” (Nicaragua). Die USA “betonten” ihre “Friedensliebe”, unterbreiteten “Abrüstungsvorschläge”, seien aber “heute militärisch das am besten ausgerüstete Land der Welt.”

Die Lage der Farmer habe sich gegenüber der Industrie um 20 % verschlechtert. Gewaltige technische Fortschritte, Steigerung der Produktivität der Arbeit, Monopolbildungen in der Industrie vollzogen sich zu Ungunsten der Landwirtschaft. Die US-Bourgeoisie würde gewaltige Profite gewinnen.

1. Durch Ausbeutung der Farmer

2. durch Steigerung der Intensität der Arbeit in den Fabriken

3. durch Auswucherung das Auslandes, kolonialen Profit.

Die Lage der Arbeiter sei günstiger als in Europa. Der Reallohn breiter Schichten sei seit dem Krieg “stark gehoben”, aber erkauft durch außerordentliche Steigerung der Arbeitsintensität, die mit absoluter Monotonisierung des bis “in die kleinsten Details zerlegten Arbeitsprozesses zusammengeht.” dennoch haben die US-Bourgeois noch “Reserven bezüglich einer sozialistischen Revolution oder Auswirkungen des Beispiels des Aufbaus der Sozialismus in der UdSSR auf die Ideologie der Arbeiter. Ein bedeutender Teil der Arbeiterklasse habe den höchsten Lebensstandard in der Welt im Vergleich mit anderen kapitalistischen Mächten. Der Gegensatz zwischen kapitalistischer Herrschaft und revolutionärer Bewegung in den USA sei “noch nicht akut.” Die Führung des Kampfes gegen die UdSSR läge in den Händen Großbritanniens. Bisher sei es “zwischen dem Zentrum des Weltkapitalismus und dem Zentrum der Weltrevolution zu keinem Zusammenstoß gekommen… Möglicherweise wird sich dieser Zusammenstoß noch längere Zeit hinausschieben. Trotzdem aber wird in einem gewissen Stadium der Entwicklung ein Zusammenstoß zwischen zwei führenden Mittelpunkten des Kampfes zwischen Kapital und Arbeit unvermeidlich sein.”

Auf 11 Seiten statistischen Materials führte Varga den Nachweis, daß die USA von etwa 1900 bis 1926 zur stärksten imperialistischen Macht geworden waren. Die Wirtschaft in den USA zeige nunmehr (1927) alle Merkmale des Imperialismus. Höchste Stufe der Monopolbildung, gewaltige Industrie, Kapitalexport, koloniale Ausdehnung, monopolistische Absatzmärkte, Überprofit aus den Kolonien, Arbeiteraristokratie. Die USA seien heute (1927) die “führende imperialistische Macht, die das best ausgerüstete Heer und die beste Flotte haben, die ihre wirtschaftliche, maritime und militärische Übermacht ebenso brutal einsetzen wie die europäischen Räuber.”

In den acht Staaten der Karibik und gegen Mexiko haben die USA in den 26 ersten Jahren des 20. Jahrhunderts “nicht weniger als 32 mal militärisch interveniert.”

“Die Konjunktur in den letzten drei Monaten” (des Jahres 1926) zeige “im allgemeinen eine fallende Tendenz. Ob sich dies zu einer Krise verschärfen” werde, ließe “sich heute (Anfang 1927) noch nicht feststellen. Eine gewissen empirische Wahrscheinlichkeit” bestehe dafür. Wenige Wochen später, August 1927, konstatierte Varga, daß der “gute Geschäftsgang” mit einer “gewissen, nicht stark ausgeprägten Tendenz zu einer Verschlechterung” gekennzeichnet sei.

Es gäbe keine Anzeichen, daß wir “vor einer Krise in den Vereinigten Staaten stehen”, “eine Verlangsamung des Geschäftsganges im Mai und im stärkeren Maße im Juni (1927) sei “sicher vorhanden.”

“Die Frage des Umschwungs steht daher nach allen Erfahrungen der Vorkriegszeit auf der Tagesordnung.”

Varga führt einige Zahlen aus dem “Ecconomist” vom 1. Oktober 1927 an:

Neugründungen in den ersten sieben Monaten:

1926:                          7,655 Millionen Dollar

1927:                          3,142 Millionen Dollar

Konkurse

                                                               Anzahl                                                               Verpflichtungen

                                            1926                                  1927                                 1926                                 1927

1. Quartal                       6.081                                 6.643                                108,5                                156,1

2. Quartal                       5.395                                 5.653                                101,4                                125,4

Juli                                    1.605                                 1.756                                  29,7                                   43,2

August                            1.593                                 1.706                                  28,1                                   39,2

8 Monate                       14.674                              15.760                              267,7                                363,9

“Die Verminderung des in Neugründungen angelegten Kapitals auf die Hälfte des Vorjahres, die Zunahme der Konkurse und die spekulative Anspannung des Kredits … weisen ebenfalls auf ein Herannahen der Krise hin.”

Dennoch sah Präsident Hoover “keine gefährlichen ökonomischen Tendenzen”. Der Bericht der National City Bank vom September 1927 versicherte: “die Abwesenheit irgendeines grundlegenden ungünstigen Faktors” gäbe “die Grundlage des Vertrauens.”

Varga sah schärfer: “Die niedrigen Zinssätze, die starke Kreditgewährung der US-Banken seien sehr gefährlich für die Wirtschaft. …es ist sicher eine sehr gefährliche Politik, die das Federal Reserve Board betreibt, und sie wird unter Umständen zu einer sehr scharfen Krise führen.” Was wir heute wissen, den Ausbruch der Weltwirtschaftskrise gerade in den USA, wußte Varga 1927 nicht. Aber er hat immerhin zwei Jahre davor das Ende der Konjunktur vorausgesagt, wenn auch in sehr vorsichtigen Formulierungen.

Varga: “Zusammenfassend können wir feststellen: Der Geschäftsgang in den Vereinigten Staaten hat sich in den letzten Monaten entschieden verschlechtert. Die Produktion ist gesunken; in den Zweigen, deren Produktion über jene des Vorjahres hinausgeht, ist eine Überproduktion entweder bereits offen vorhanden (Petroleum) oder im Anzug (Bauwesen, Automobile). Der Ausbruch einer Krise wird verschoben durch den sehr niedrigen Zinsfuß und Ausdehnung des Kredits durch die Federal Reserve Bank. Ende September ist eine Besserung eingetreten. Es ist aber wahrscheinlich, daß dies nur die übliche saisonmäßige Herbstbelebung ist, die die Krise nicht auf Dauer aufhalten wird. Die Krise wird wahrscheinlich ein starke Einschränkung der Produktion, Massenarbeitslosigkeit und scharfen Preisverfall aber nicht die Form des Zusammenbruchs großer kapitalistischer Unternehmen annehmen.”

Italien

Italien sei “am spätesten” in die moderne kapitalistische Entwicklung eingetreten und habe in “kürzester Zeit einen ausgesprochen imperialistischen Charakter angenommen.”

In Italien herrsche ein vollkommener Mangel an Rohstoffen. Es verfüge über einen Überfluß an billigen Arbeitskräften, der Binnenmarkt sei sehr begrenzt. Daraus folge der Drang nach Außenmärkten, Albanien, Kolonien.

Die innere und äußere Situation Italiens führte zum Abgang von der bürgerlich-demokratischen Form der Diktatur der Bourgeoisie zur Errichtung des Faschismus. Varga schrieb: “Die Geschichte Italiens in den Jahren 1919 bis 1922 beweist, daß, wenn die Arbeiterklasse Zustände schafft, unter denen die Verwertung des Kapitals unmöglich ist, ohne gleichzeitig die Bourgeoisie politisch zu besiegen und die Diktatur des Proletariats aufzurichten, die Bourgeoisie durch Anwendung eines rücksichtslosen Terrors die Arbeiterschaft niederschlägt, um die ökonomische Basis ihres Systems, die Verwertung des Kapitals, zu ermöglichen. Eine bürgerliche Staatsmacht, die dem Kapital den Profit nicht sichert, ist auf Dauer ein Widerspruch, der entweder durch die Diktatur des Proletariats oder durch den Terror der Bourgeoisie gelöst wird.

Es sei schwierig, exakte Zahlen über die Wirtschaftslage unter dem faschistischen Regime zu erhalten. In- und ausländische Korrespondenten könnten nur das bringen, was von der Regierung ausgegeben werde.

Die offizielle Zahl der Arbeitslosen sei von Juni bis November 1926 von 83.000 auf 149.000 angewachsen, die tatsächliche Zahl dürfte “bedeutend größer” sein.

Es gäbe in der Baumwoll- und Seidenindustrie, in der Automobil- (Fiat) und Gummiindustrie (Pirelli) Arbeiterentlassungen und Kurzarbeit. Die Bergwerkszeitung vom 5. Januar 1927 meldete eine “Verschärfung der italienischen Wirtschaftskrise.” Vertreter der Lombardischen Baumwollindustrie hätten Mussolini ersucht, “Maßnahmen zur Verhütung einer schweren Wirtschaftskrise” zu treffen.

Der Reallohn der italienischen Arbeiter sei “auch nach den sicher gefälschten Zahlen um 10-20 % unter das “Vorkriegsniveau” gesunken. Eine Analyse der wirtschaftspolitischen Maßnahmen Mussolinis zeigte, daß sie einzelne Schichten der Bourgeoisie geschädigt habe, aber “immer nur im Interesse der ganzen Kapitalistenklasse, bzw. der ausschlaggebenden Schichten derselben, der Großbourgeoisie.” Die Stabilisierung der italienischen Währung, der Lira, läge im Interesse der ganzen italienischen Bourgeoisie, aber die Kurssteigerung der Lira würde unmittelbar der Exportindustrie schaden.

Von August 1926 bis August 1927 sei die Valuta der Lira um 60 % gestiegen, aber die Großhandelspreise seien um 25 %, die Kleinhandelspreise um 16 %, die Lebenshaltungskosten um 8 % gefallen. Für die industrielle Bourgeoisie wäre die Lage “unerträglich” geworden. Die ohnehin schon “auf ein Minimum herabgedrückten Arbeitslöhne” würden sich “nicht noch weiter senken” lassen, ohne die Lebenshaltungskosten noch weiter zu senken. Aber ohne Senkung der Löhne könnte der Export nur noch bei Verlustpreisen getätigt werden. So führten dann auch die Maßnahmen Mussolinis zu einer “schweren Wirtschaftskrise” und zu “allgemeiner Unzufriedenheit.”

Die “Times” vom 9. Juli 1927 konstatierte unter anderem “ein Fallen der Löhne”, was nicht durch ein entsprechendes Fallen der Kleinhandelspreise ausgeglichen” worden wäre. Die “Reduktion der Löhne” betrüge 10 %, während “die Verminderung der Lebenshaltungskosten von Stadt zu Stadt schwankend im Durchschnitt nur 5 %” ausmachen würden. Die Arbeitslosigkeit sei angewachsen. Der Korrespondent der “Times” habe zusammengefaßt: “Die faschistische Gewaltpolitik, die immer härter und immer rücksichtsloser geworden ist, mag es verhindern, daß die bittere Not und Unzufriedenheit … die rasche Revalorisierung der Lira, verbunden mit der rücksichtslosen Ausgabe der öffentlichen Gelder, offen zum Ausdruck zu kommen. Aber man kann sicher sagen, daß diese Unzufriedenheit seit dem Beginn des faschistischen Regimes niemals so scharf war.”

Massenhafte Konkurse von kleinen Unternehmen seien das Ergebnis faschistischer Wirtschaftspolitik, während die Großbourgeoisie sich mit Unterstützung des Regimes noch über Wasser halten könne. Die Hauptlast hätten jedoch die Arbeiter zu tragen. Die Arbeitslosigkeit sei sehr groß, die Löhne würden durch die faschistischen Gewerkschaften herabgesetzt. Trotz der allgemeinen Lohnkürzungen um 10 bis 20 % im Frühjahr 1927 habe Mussolini für Oktober eine neu, gleich hohe Lohnsenkung angekündigt. Für die italienische Wirtschaft sah Varga eine “längere Dauer der gegenwärtigen Depression” voraus, die schärfere oder mildere Formen annehmen werde, abhängig von der Gestaltung der Konjunktur in den anderen Ländern, vor allem in Amerika.

Polen

Mit einem Bericht über Polen demonstrierte Varga die Lage eines mittelgroßen Staates. Mit der Herrschaft Pilsudskis trage Polen seit mehr als einem Jahr “faschistischen Charakter”; Unterdrückung der Arbeiter im Interesse der Kapitalisten und Großgrundbesitzer, Zersetzung aller alten politischen Parteien, Verbot der Kommunistischen Partei, Ausschaltung des Parlaments.

Trotz einer “gewissen Verbesserung” der Wirtschaftslage vom “Standpunkt der Kapitalisten” aus, habe sich die Lage der Arbeiter verschlechtert. Das Prokopfeinkommen in Deutschland sei zumindest 5 mal höher als in Polen.

Polen habe “hohe Anleihen” aus dem Ausland, vor allem den USA, aufgenommen.

Zur Sicherung einer 20 Millionen Dollar Anleihe habe der polnische Staat die “gesamten Zolleinnahmen” verpfändet. Weder “der Staat, noch die Kommunen” können “vor Tilgung dieser Anleihen neue Anleihen ohne Erlaubnis des amerikanischen Kontrolleurs aufnehmen…”

Die “Stabilisierung der polnischen Valuta” wäre, “ohne eine Mithilfe des internationalen Finanzkapitals undurchführbar” gewesen. “Das faschistische Polen” sei “damit zu einem Objekt des Imperialismus geworden”.

Japan

März/April/ 1927 habe eine “Bankkrise von außerordentlicher Schärfe” das “Wirtschaftsleben Japans tief erschüttert…” Es sei dies die dritte schwere Krise seit Kriegsende (1918) gewesen: 1920/21, 1923/24 (Erdbebenkrise), 1927 Bankenkrach. Die Ursachen dafür sah Varga in der “schwachen Naturbasis” des japanischen Kapitalismus: nicht genügend Lebensmittel, zu wenig Kohle, sehr wenig Öl, gar keine Erze, keine Textilrohstoffe (außer Rohseide), keine Chemikalien.

Der japanische Kapitalismus habe “schon bei seiner Geburt einen ausgesprochen imperialistischen Charakter” getragen. Der “imperialistische Ausdehnungstrieb” richtete sich auf die “gegenüberliegenden Küsten Asiens.” Die Periode der ursprünglichen Akkumulation” habe sich “zum Teil bereits auf diesem Gebiet” vollzogen.

Japan habe den I. Weltkrieg und die russische Revolution ausgenutzt, um sich ein stattliches Kolonialreich zu erobern:

Korea                                            19,5 Millionen Einwohner

Formosa (Taiwan)                   4,0 Millionen Einwohner

Kwantung                                   0,7 Millionen Einwohner

Sachalin                                        0,2 Millionen Einwohner

Mandschurei                            22,0 Millionen Einwohner

                                                         46,4 Millionen Einwohner

Diese Gebiete seien “rein imperialistische Kolonien“. Der japanische Kapitalismus sei “ein künstlich herangezogener, auf Ausbeutung sehr billiger Arbeitskräfte und unterdrückter Kolonien fundierter Kapitalismus mit stark spekulativem Charakter.” Dies sei auch die Ursache weshalb der japanische Imperialismus der Nachkriegszeit von einer Krise in eine andere fiele. “Die innere Schwäche des japanischen Kapitalismus” sei aber kein Hindernis, sondern ein Antrieb zur weiteren imperialistischen Ausdehnung; denn nur durch eine imperialistische Ausdehnung könne “der japanische Kapitalismus neue Erschütterungen hinausschieben. Daher die zähe Politik Japans in China, dem gegebenen Ausdehnungsgebiet des japanischen Imperialismus.”

China bildete “die Grundlage des japanischen Imperialismus”. Daraus erkläre sich die japanische Politik gegenüber China:

1. Unbedingte Verteidigung der Kolonien und Einflußgebiete, wenn nötig auch mit Waffengewalt.

2. Äußerlich demonstrative Unterstützung der chinesischen nationalen Bewegung, soweit diese innerhalb des bürgerlichen Rahmens bleibe. Dies wäre gegen imperialistische Konkurrenten gerichtet, vor allem gegen Großbritannien.

3. Entschiedene Bekämpfung aller über den bürgerlichen Rahmen hinausstrebenden Elemente der chinesischen Revolution, wenn nötig mit anderen imperialistischen Mächten auch mit Waffengewalt.

In einer programmatischen Erklärung des japanischen Ministerpräsidenten General G. Tanaka hieß es: “Was die Aktivität der Kommunisten in China anbelangt, kann Japan nicht ganz indifferent bleiben, nicht nur, weil seine eigenen Interessen dadurch direkt in Mitleidenschaft gezogen werden, sondern, weil es sich der schweren Verantwortung bewußt ist, die ihm in der Erhaltung des Friedens im Fernen Osten auferlegt ist … In dieser Frage … kann die Regierung es für nötig finden, im Einvernehmen mit den Mächten vorzugehen. Diese Stellung des Landes wird, ich hoffe es, von Rußland richtig verstanden.” (“Japan Chronicle”, vom 24. April 1927)

Stalin hatte Tanaka richtig verstanden. Die Antwort erhielten die “friedliebenden” japanischen Imperialisten von der Roten Armee am Chassansee (29.7-11.8.1938) und am Chalchin-gul (11.5. – 31. 8. 1939)

Weltwirtschaft

Die Entwicklung des Kapitalismus habe 1926 gegenüber dem Vorjahr “einen Rückschritt” gebracht. Der Kampf um die Absatzmärkte zwischen den großen imperialistischen Industriestaaten habe sich in der letzten Zeit verschärft. Um die Jahreswende 1926/27 sei die außenpolitische Situation gespannter als je gewesen. Die USA, die zu den Begründern des Völkerbundes gehörten, haben Nicaragua besetzt, Italien Albanien durch “Vertrag” in seinen Machtbereich “eingegliedert”, Polen treffe Vorbereitungen zur Eroberung Litauens, Japan intervenierte in China, England schickte seine Flotte nach China. “Mit der verschärften Konkurrenz auf dem Weltmarkt verschärften sich auch die imperialistischen Gegensätze und die allseitigen Kriegsvorbereitungen.

Die Gefahr eines Weltkrieges sei gewachsen. England bereite vermittels diplomatischer Einkreisung der Sowjetunion einen Krieg gegen diese vor. Im Sommer 1927 habe es einen differenzierten Konjunkturgang gegeben. Deutschland und die USA hätten eine Hochkunjunkturphase gehabt, in Frankreich und England habe sich die Wirtschaftslage gebessert, in anderen Ländern, vor allem Italien, habe sich die Konjunktur verschlechtert. Es gäbe keinen “einheitlichen Konjunkturgang” in der Weltwirtschaft.

Ausführlich ging Varga auf die Weltkohlenkrise ein, die wieder im Anzuge sei (1927). Es habe sich gezeigt, daß die Niederlage der britischen Bergarbeiter keineswegs zur Lösung der Krise des britischen Bergbaus führen konnte, die nur durch die schärfste Zuspitzung der Weltkohlenkrise gewesen wäre. Die Kohlekrise sei eine Absatzkrise.

a) Für die Erzeugung einer Einheit von Energie werde infolge großer Verbesserungen der Feuertechnik weniger Kohle verbraucht als früher.

b) Ein Teil der nötigen Energie werde aus Eröl und Wasserkraft gewonnen

c) Es gäbe in allen Ländern Bestrebungen, durch Selbstversorgung den Warenimport einzuschränken, eine eigene Kohlegewinnung zu organisieren. Das habe den Export von Kohle “schwer betroffen.”

Der Konsum von Kohle insgesamt pro Kopf der Bevölkerung habe abgenommen, differenziert nach einzelnen Ländern. Für die Verdrängung der Kohle durch andere Energiequellen führte Varga eine Tabelle an, die jedoch nur für die USA gilt.

Verbrauch (in Millionen Tonnen von 200 englischen Pfund)

                                                  1911/15              1921/25              Erhöhung in %

Kohle                            513                      540                          5

Erdöl                               33                        75                      125

Naturgas                        26                        43                        65

----------------------------------------------------------------------------------------------

Total                             572                      658                        15

Bevölkerungszahl        95,5 Mio.            111,7 Mio.            16

Die Gesamtausfuhr der Welt an Kohle sei um rund 30 Millionen Tonnen, fast 20 %, geringer geworden. Der “Sieg der Bergherren über die Arbeiter Großbritanniens” konnte “keine Lösung des Problems bringen.” Die Krise treffe die Länder je nach prozentualer Größe ihrer Kohlenausfuhr, des Anteils des Kohlenexportes an ihrer Gesamtproduktion. Die USA sehr wenig, da der Kohlenexport nur 4 % der Gesamtproduktion ausmache. Viel stärker betroffen seien Deutschland und England, bei denen der Kohlenexport etwa 20 % der Gesamtproduktion betrage.

Anteil des Kohlenexportes an der Gesamtproduktion für Großbritannien:

1913:                                       25,54 %

1923:                                       28,24 %

1925:                                       19,6 %

Die Kohlenkrise in Deutschland und England sei daher unabwendbar, die zu einer “entsprechenden” Einschränkung der Kohleproduktion führen müsse.

Es gäbe zwei mögliche Wege für die englischen und deutschen Kohlebarone:

a) Senkung der Lohnkosten, die Bergarbeiter wären die Leidtragenden

b) Einigung der Kohlenexporteure über den Absatz auf dem Weltmarkt.

Beides ändere nichts daran, daß in Deutschland und England “einige hunderttausend Bergarbeiter arbeitslos werden” würden.

Um den Zynismus der britischen Bourgeois  zu dokumentieren, zitierte Varga aus der “Times” vom 1. Juni 1927: “Unlängst erklärte Lloyd George in einer Wahlrede: Die Frage des Kohlenbergbaus ist nicht gelöst. Wenn die Dinge in den Bergwerken wie bisher weitergehen, wird es vor Ende des Jahres eine neue Kohlenkrise geben, und dann werden die Bergleute aller ihrer Freunde in allen Parteien bedürfen …” Worauf ein Kohlenindustrieller Bell kühl erklärte: “Das Wesen ist, daß die Kohle so billig wie möglich produziert wird. Um das zu erreichen, müssen Arbeiter und Unternehmer kooperieren. Wir könnten unsere Arbeiter nicht zwingen zu arbeiten. Wir können nicht gezwungen werden, ihnen Arbeit zu geben.”

Bei der Einschätzung der am 4. Mai 1927 eröffneten Weltwirtschaftskonferenz sei vor einer Überschätzung ihrer Wichtigkeit gewarnt. Sie wurde schon im Voraus in der Erkenntnis einberufen, “daß keine positiven Ergebnisse” herauskommen konnten. Sie werde “mit dem Zweck veranstaltet, den Pazifisten vorzutäuschen”, daß es Vereinbarungen zwischen den kapitalistischen Ländern geben würde. Marxisten hätten keine Illusionen darüber, daß es “in der Periode des Imperialismus” irgendwelche friedliche Vereinbarungen zur Beseitigung tiefgehender wirtschaftlicher Gegensätze zwischen den imperialistischen Staaten geben könne.

Nach Kontroversen zwischen der französischen und britischen Delegation fand der britische Vorschlag zur Begünstigung des Freihandels in einer Resolution Annahme, die natürlich keine “wirkliche Bedeutung” habe.

Zum ersten mal nahm die UdSSR an einer vom Völkerbund organisierten Konferenz teil. Ihre besondere Stellung erlaubte der sowjetischen Delegation, die Widersprüche der kapitalistischen Welt ohne Rücksichten auf die Völkerbundsbestimmungen darzulegen. Damit brachte sie die anwesenden Vertreter der reformistischen Gewerkschaften in eine delikate Lage. Sie wären “einige male” gezwungen gewesen, für Fragen, die die Arbeiterklasse unmittelbar betrafen, mit der sowjetischen Delegation gegen die Delegierten der kapitalistischen Länder zu stimmen. “Am Schluß freilich stimmten sie geschlossen mit den kapitalistischen beziehungsweise stimmten sie niemals gegen diese (Stimmenthaltungen wurden nicht festgestellt).”

Der Delegation der UdSSR mußte die Konzession gemacht werden, “daß alle jene Resolutionen beziehungsweise Punkte von Resolutionen, für die sie nicht stimmten, auf die Sowjetunion keine Anwendung finden sollten, und daß eine Entwicklung des Wirtschaftsverkehrs unter allen Ländern empfohlen wurde”, also einschließlich der Sowjetunion. Gegen den starken Widerstand von Seiten der britischen Delegation habe die sowjetische Delegation in ihren Zielen “wirksame” Unterstützung der US-Delegation erhalten. “In diesem Sinne” könne “man von einem Erfolg der Sowjetunion sprechen.”

Insgesamt habe die Weltwirtschaftskonferenz “keine reale Bedeutung” gehabt. “Die großen Gegensätze zwischen den imperialistischen Mächten untereinander, zwischen den imperialistischen Mächten und den unterdrückten Kolonialvölkern, zwischen der kapitalistischen Welt und der Sowjetunion” ließen sich zwar in Resolutionen formell überbrücken, aber keinesfalls durch irgendwelche Konferenzen aus der Welt schaffen.”

Die sich allgemein anbahnende Überproduktion zeige sich in der fallenden Tendenz der Preise der industriellen Rohstoffe und dem scharfen Kampf zwischen den wichtigsten Produktionsländern um den Absatz auf dem Weltmarkt.

Die noch “gute Konjunktur” in Deutschland und in den USA (Herbst 1927) “bildete ein Gegengewicht gegen diese Tendenz zur weltweiten Überproduktion…”

Die Untersuchung der Konjunktur in beiden Ländern führe jedoch zu dem Ergebnis, “daß in beiden Ländern die Konjunktur ihrem Ende” entgegengehe.

Trete aber in beiden Ländern “eine Krise bzw. Depression ein, dann” sei “eine neue allgemeine Depression der ganzen kapitalistischen Weltwirtschaft höchst wahrscheinlich…”

Im Anwachsen der Bankrate um 7 % in Deutschland sah Varga “bereits … Zeichen der beginnenden Krise.”

Eine Besonderheit der Hochkonjunktur in Deutschland sei die “starke Arbeitslosigkeit”. Mehr als 5 % der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter seien “arbeitslos, eine Zahl, die vor dem Kriege nur in akuten Krisenzeiten erreicht wurde.”

In den USA bahne sich “ein Fall der klassischen Überproduktionskrise, ein Überfluß an Waren der Abteilung I (Produktionsmittel, U.H.) an”. Aus der Analyse der Krisentendenzen in Deutschland und den USA zog Varga den Schluß:

“Während in Deutschland eine kürzere Zeit dauernde, aber schwere Krise zu erwarten ist, ist in den Vereinigten Staaten eine sich vor allem in einem starken Rückgang der Produktion geltend machende, mir starker Arbeitslosigkeit verbundene und länger anhaltende Depression zu erwarten…”

Für das Jahre 1928 sei “ein Rückfall in eine weit ausgedehnte Depression zu erwarten!”

Bis auf Einzelheiten und dem Jahr traf Vargas Prognose zu. Die Weltwirtschaftskrise begann 1929.

Wiederholen wir noch einmal die Grundthese Stalins: Der Kapitalismus wird “nie mehr das ‘Gleichgewicht’ und die ‘Stabilität’ wiedererlangen, die er vor dem Oktober besaß.”

Hat der Kapitalismus nach der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion, dem “mächtigen und offenen Zentrum der internationalen revolutionären Bewegung”, denn nun heute sein “Gleichgewicht” und seine “Stabilität” wiedererlangt? Die Staaten des imperialistischen Systems stolpern von einer Krise in die andere. Daran ändern zeitweilige, kurzfristige Konjunkturperioden - für einige Schichten der Bourgeoisie, nicht einmal für die ganze Bourgeoisklasse - gar nichts, und die mit viel Getöse in den bürgerlichen Medien kommentierten “Erfolge” von “internationalen Konferenzen”, “Gipfeln” etc. schon gar nichts.

Die nach 1989/90 vom Zaun gebrochenen imperialistischen Kriege nehmen an Schärfe, Brutalität und Ausdehnung zu und das Lächeln der politischen Repräsentanten der imperialistischen Großmächte auf internationalen Konferenzen kann die Gegensätze und Animositäten zwischen ihnen nicht verdecken.

Gemeinsam geblieben ist ihnen nur eins: Der Haß gegen den Sozialismus, die Diffamierung der gar nicht mehr existierenden sozialistischen Staatengemeinschaft, der penetrante Antikommunismus. Die Oktoberrevolution steckt ihnen nach wie vor in den Knochen, zeigte sie doch deutlich ihr historisch bedingtes Ende.

Es sei aber noch einmal wiederholt, daß Analogien keine Identität bedeuten. Die Analyse von Varga, von der hier nur ein sehr begrenzter Auszug dokumentiert werden konnte, enthält jedoch einige bemerkenswerte Einschätzungen, die auch für den gegenwärtigen Imperialismus zutreffend sind - obwohl, wie schon bemerkt, keine Sowjetunion mehr existiert.

4. Die Oktoberrevolution sei zugleich auch eine Revolution in der Ideologie der Arbeiterklasse gewesen.

Sie wäre “unter dem Banner des Marxismus” geboren und erstarkt, unter “dem Banner des Leninismus” der der Marxismus der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolutionen sei. Daher bedeute sie den Sieg des Marxismus über den Reformismus, den Sieg des Leninismus über den Sozialdemokratismus, den Sieg der III. Internationale über die II. Internationale.

Die Oktoberrevolution habe eine unüberbrückbare Kluft zwischen Marxismus und Sozialdemokratismus, zwischen der Politik des Leninismus und der Politik des Sozialdemokratismus aufgerissen.

Stalin meinte, daß die Sozialdemokratie nicht mehr mit dem Marxismus” prunken” könne, da sie offen und unzweideutig gegen die Schöpfung des Marxismus, gegen die Oktoberrevolution, gegen die Diktatur des Proletariats in der Welt sei. Sie müsse sich jetzt vom Marxismus abgrenzen. Sie könne nicht “mehr mit der Idee der Diktatur des Proletariats  kokettieren, ohne eine gewisse Gefahr für den Kapitalismus heraufzubeschwören.”

Nachdem sich zwischen Sozialdemokratie … und Marxismus eine Kluft aufgetan habe, sei “ … der einzige Träger und das einzige Bollwerk des Marxismus der Leninismus, der Kommunismus.”

Das wäre aber noch nicht alles. Die Oktoberrevolution habe eine Trennungslinie zwischen Sozialdemokratie und dem Marxismus gezogen. Die Sozialdemokratie sei “im Lager der direkten Verteidiger des Kapitalismus gegen die erste proletarische Diktatur der Welt” gelandet.

Die Herren Adler und Bauer, Wels und Levi, Longnet und Blum beschimpften das “Sowjetregime” und priesen die parlamentarische “Demokratie”, womit sie sagen wollen, “daß sie für die Wiederaufrichtung der kapitalistischen Ordnung in der UdSSR, für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Sklaverei in den ‘zivilisierten’ Staaten kämpfen und kämpfen werden.”

“Die gegenwärtige Sozialdemokratie” sei “eine ideologische Stütze des Kapitalismus.” Lenin hätte tausendmal recht gehabt, wenn er die heutigen sozialdemokratischen Politiker als “wirkliche Agenten der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterbewegung, die Arbeiterkommis der Kapitalistenklasse” bezeichnete. In einem Bürgerkrieg zwischen Proletariat und Bourgeoisie würden sie sich unvermeidlich “auf die Seite der ‘Versailler’ gegen die ‘Kommunarden’ “stellen. (LW 22 / 198)

Es sei “unmöglich, dem Kapitalismus ein Ende” zu bereiten, ohne dem Sozialdemokratismus in der Arbeiterbewegung ein Ende bereitet zu haben.”

Die “Ära des Sterbens des Kapitalismus” sei zugleich die “Ära des Sterbens des Sozialdemokratismus in der Arbeiterbewegung.”

Die Ära der Herrschaft der II. Internationale und des Sozialdemokratismus in der Arbeiterbewegung sei “zu Ende.” Angebrochen sei die Ära der Herrschaft des Leninismus und der III. Internationale. Aus Sicht Ende der 20er Jahre mochte es so erscheinen. Der Einfluß der III. Internationale und des Leninismus waren gewachsen, aber der Sozialdemokratismus bestimmte immer noch die Ideologie der Mehrheit der Arbeiterklasse, auch in Deutschland. Die Sozialdemokratie als bürgerliche Ideologie in der Arbeiterklasse erwies sich als stabiler, als Stalin annahm. Die These Lenins, und nach 1924 Stalins, von der Sozialdemokratie als “Agenten” der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung waren theoretische Reflexionen des Verhaltens der sozialdemokratischen Führer und Ideologen. Die Erfahrungen mit der Sozialdemokratie seit 1914 bestätigten diese These. 1914 stimmten die Führer der sozialdemokratischen Parteien den Kriegskrediten zu, erwiesen sich als “Vaterlandsverteidiger” im Kriege der imperialistischen Staaten - mit Ausnahme der Bolschewiki. In Übereinstimmung mit der Entschließung des Internationalen Sozialistenkongresses in Basel 1912 führten sie den Kampf gegen den Zarismus und die russischen Kapitalisten, der mit der Oktoberrevolution seinen erfolgreichen Abschluß fand.

In Deutschland waren es die rechten sozialdemokratischen Führer, Ebert, Scheidemann, Noske u.a., die im Bündnis mit den kaiserlichen Generalen und Freikorps die Revolution niederschlugen, die hinter den Morden an Kommunisten und Arbeitern durch die konterrevolutionären Soldaten standen. In Italien erwies sich der Vertreter des “pazifistischen Sozialismus”, Benito Mussolini, als ein fanatischer Befürworter des Kriegseintritts Italiens. Er marschierte am 28.1o.1922 mit seinen faschistischen Horden nach Rom, wo er das “Dezembergemetzel” seiner Schwarzhemden an Kommunisten und revolutionären Arbeitern organisierte.

Der faschistische Diktator Polens, Pilsudski, war aus dem rechten nationalistischen Flügel der polnischen Sozialdemokratie hervorgegangen.

Der britische Faschismusführer O. Mosley kam aus dem rechten Flügel der Labour Party. Aus der Labour Party schlossen sich 1931 noch sechs weitere Parlamentsabgeordnete der faschistischen “New Party” an.

Die Erfahrungen mit den sozialdemokratischen Regierungen in der Nachkriegszeit, die hier nicht reflektiert werden können, bewiesen, daß sie samt und sonders eine antikommunistische Politik durchführten. Sie waren Repräsentanten des sogenannten “liberalen” Flügels der Bourgeoisie, die mit kleinen Zugeständnissen an die Arbeiterklasse die Klassenherrschaft der Bourgeoisie gegen die revolutionären Bewegungen absicherten.

Die theoretische und publizistische Gleichsetzung von Faschismus und Bolschewismus, von faschistischer und kommunistischer “Diktatur” war bereits Mitte der 20er Jahre in der sozialdemokratischen Presse in Deutschland zur “täglichen Übung” geworden.

Schleifstein führte einige diesbezügliche sozialdemokratische Presseäußerungen an. So habe einer der Führer der österreichischen Sozialdemokratie, Julius Deutsch, den Faschismus als “Bolschewismus der Tat” bezeichnet, Arthur Crispien erklärte in seiner Eröffnungsansprache auf dem Berliner Parteitag der SPD 1924: “Der Bolschewismus endet im Faschismus. Das sehen wir in Ungarn, Italien und auch in Rußland, wo im Grund nichts anderes als der Faschismus wütet.”

Varga bemerkte bezüglich Italiens, daß die sozialdemokratische und linksbürgerliche Presse bemüht sei, ihren Lesern den Glauben beizubringen, daß der Faschismus nicht nur gegen die Arbeiter, sondern auch gegen die Bourgeoisie gerichtet sei. Der politische Zweck dieser Darstellung bestünde darin, “dem italienischen Proletariat vorzutäuschen, daß es den Kampf gegen den Faschismus nicht als einen Kampf gegen die italienische Bourgeoisie zu führen habe, sondern im Bündnis mit dem Kleinbürgertum innerhalb des Rahmens der kapitalistischen Ordnung! Das italienische Kleinbürgertum und die Intelligenz haben zusammen mit den reformistischen Führern im Kampf gegen den Faschismus deshalb bisher so vollkommen versagt, weil sie mit recht befürchten, daß der Sturz Mussolinis den beginn der Diktatur des Proletariats bedeutet. Daher sind sie jetzt bestrebt, dem italienischen Proletariat das Ziel der Umwandlung des faschistischen Kapitalismus in einen demokratisch-fortschrittlichen Kapitalismus zu setzen.”

Ob nach einem revolutionären Sturz Mussolinis die Errichtung der Diktatur des Proletariats gefolgt wäre, erscheint uns aus heutiger Sicht unwahrscheinlich.

Kam Stalin mit seiner scharfen Verurteilung der Sozialdemokratie als Agentur der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung nicht schon der späteren These vom Sozialfaschismus sehr nahe?

1927 war der Faschismus noch ein neues Phänomen. Es gab noch keine wissenschaftlich begründete Faschismus-Definition, wie sie 1935 von Georgi Dimitroff formuliert wurde. Schleifstein wies darauf hin, daß in der kommunistischen Theoriebildung in dieser Zeit unter Faschismus nur eine besonders brutale Regierungsmethode verstanden wurde, der Faschismus noch nicht als eine “grundverschiedene Staatsform bürgerlicher Klassenherrschaft im Verhältnis zu bürgerlich-parlamentarischen Regimen“, erkannt worden war.

Diese Bemerkung von Schleifstein ist richtig. Nicht jede bürgerliche Diktatur ist gleich eine faschistische Diktatur. Die Diktatur der Bourgeoisie kann verschiedene Staatsformen annehmen. Eine Präsidial-Diktatur, die Anwendung polizeilich-staatlicher Überwachung, selektiv gezielte Unterdrückung revolutionärer Bewegungen unter Beibehaltung der einen oder anderen Form parlamentarischer Vertretung sind noch keine faschistische Diktatur. Die Bourgeoisie hat sich in dieser Beziehung als sehr anpassungsfähig an veränderte soziale und ökonomische Verhältnisse erwiesen.

Die scharfe Kritik an der Sozialdemokratie 1927 durch Stalin war in ihrer Zeit berechtigt. Die Taktik, gegen sie als Feind der Arbeiterklasse den Schlag zu führen, war richtig, aber was 1927 richtig und begründet war, kann unter veränderten Bedingungen zu einem Fehler werden. Die spätere “Sozialfaschismus“- These war eine Reaktion auf die sozialdemokratische Politik seit 1914, nicht nur in Deutschland, sondern international. Schleifstein ist zuzustimmen, wenn er offen läßt, ob in Deutschland eine Aktionseinheit zustande gekommen wäre, wenn die KPD und KPdSU(B) diese “Sozialfaschismus”-These nicht propagiert hätten. Diese Frage sei zu spekulativ und ließe sich nicht beantworten. Wahrscheinlich hätte sich dadurch auch nichts an der sozialdemokratischen Politik geändert.

In Deutschland stehen die Kommunisten heute vor analogen Problemen. Wie sich gegenüber der neu gegründeten Partei “Die Linke” verhalten? Erklärtermaßen will sie den Kapitalismus nicht beseitigen, sondern lediglich regulieren à la Keynes,  einige Verbesserungen der sozialen Lage der Arbeiter und anderen Lohnabhängigen durchsetzen, außenpolitisch die Truppen der Bundeswehr aus Afghanistan abziehen, aber innerhalb der NATO verbleiben. Daß die “Die Linke” bürgerliche Ideologie und Politik in der Arbeiterbewegung propagiert, antikommunistisch agiert, ist die eine Seite, andererseits wird sie von CDU/CSU, FDP und SPD scharf attackiert. Die Volksmassen lernen nicht aus Büchern. Sie müssen offenbar ihre Erfahrungen mit der “Die Linke” machen, daß sie nämlich nicht in der Lage ist, eine grundlegende Änderung des imperialistischen Ausbeutungssystems durchzusetzen, von einer Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise ganz zu schweigen. Den werktätigen Massen zu helfen dies aus ihren Erfahrungen zu erkennen, wird Aufgabe der Kommunisten sein.

Die Oktoberrevolution ist heute Geschichte. Das Studium ihrer Erfahrungen dürfte für die Zukunft revolutionärer Bewegungen nützlich sein. Trotz aller Krisen bricht das kapitalistische Weltsystem nicht von allein zusammen. Der Kapitalismus läßt sich auch nicht über den bürgerlichen Parlamentarismus beseitigen. Die Arbeiterklasse und andere werktätige Schichten kommen um die sozialistische Revolution nicht herum. Dies wird kein gemütlicher Weg sein. Wie er verlaufen wird, mit welchen Rückschlägen, Umwegen, Besonderheiten, Irrtümern, wo und wann, wissen wir nicht. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß das 21. Jahrhundert kein friedliches sein wird. Es wird keine “Prosperität für alle” geben.

                                                    Ulrich Huar, Berlin

Literaturverzeichnis

Stalin: Der internationale Charakter der Oktoberrevolution. In: SW  207-216

Eugen Varga: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik. Vierteljahresberichte 1922 -1939. Hrsg. Von Jörg Goldberg.

             Bd. 1, Vorworte, Wirtschaftskonferenzen 1922, Inhaltsverzeichnis

             Bd. 3 Internationale Presse-Korrespondenz 1925-1928.

            Deb, Verlag das europäische Buch. Westberlin, o. I. Printed in the German Democratic Republic

           Die Vierteljahresberichte 7. Jahrgang

           Nr. 14, Berlin, 4. Februar 1927

           Nr. 50, Berlin 12. Mai 1927

           Nr. 78, Berlin 4. August 1927

           Nr. 110 Berlin, 10. November 1927

Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. In: LW, Bd. 22

Lenin: Über eine Karikatur auf den Marxismus. In: LW, Bd. 23

Lenin: Ursprünglicher Entwurf der Thesen zur nationalen und kolonialen Frage. In: LW, Bd. 31

Marx/Engels: Manifest der Kommunistischen Partei. In MEW, Bd. 4

Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie. In: MEW, Bd. 13

Karl Marx: Erster Entwurf zum “Bürgerkrieg in Frankreich”. In: MEW Bd. 17

Karl Marx: Das Kapital, I, In: MEW, Bd. 23

Karl Marx: Das Kapital III, In: MEW, Bd. 25

Karl Marx: Theorien über den Mehrwert. In: MEW Bd. 26/2

Ulrich Huar: Stalins Beiträge zur Politischen Ökonomie des Sozialismus. offen-siv

Josef Schleifstein: Zum historischen Hintergrund der “Sozialfaschismus”-These. In: E. Varga, Vierteljahresberichte, Bd. 1

Ausführlich in Beiträgen des Autors: Für ein blühendes Vietnam. Parteitag der KP Vietnams stellte Weichen. UZ, 5. Mai 2006; KP Vietnams bekräftigte ihre führende Rolle, Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus und zum Erbe Ho Chi Minhs, Die Rote Fahne, Mai 2006. Die Beiträge beruhen auf vietnamesischen Quellen (Nhan Dan und VNA).

Griechenland

ZK der Kommunistischen Partei Griechenlands:
Memorandum zum Griechischen Bürgerkrieg (1946-1949)

Zu Ehren des 60. Jahrestages der Gründung der Demokratischen Armee Griechenlands (DAG)

Einleitung

Am 2. Juli 2006 versammelten sich tausende Mitglieder und Unterstützer der KKE und KNE im Dorf Likorakhi in der Nähe des Berges Grammos zur Eröffnungszeremonie eines Denkmals, welches an den 60. Jahrestag der Gründung der Demokratischen Armee von Griechenland (DAG) erinnert und das zu Ehren der Tausenden von Kämpfern, die ihr Leben in den drei Jahren des Bürgerkrieges (1946-1949), im Kampf gegen die innere Reaktion und die anglo-amerikanischen Imperialisten opferten, errichtet worden war.

Der Standort des Denkmals selbst ist äußerst symbolisch; es befindet sich auf einem ehemaligen Maschinengewehrposten der Demokratischen Armee in den von Bergen, wo 1948 und 1949 die grimmigsten Schlachten des Bürgerkrieges geführt wurden. In ihrem Bericht zum Andenken an den 60. Jahrestag erwähnte das ZK der KKE, daß der Bürgerkrieg die „schärfste Periode des Klassenkampfes in Griechenland während des 20. Jahrhunderts“ war – der Kampf für die Volksdemokratie gegen die korrupte monarcho-faschistische herrschende Klasse und ihre ausländischen imperialistischen Hintermänner.

Das Recht der griechischen Kommunisten und anderer progressiver Kräfte, die Kämpfer der DAG zu ehren, wurde in den Jahren nach dem Bürgerkrieg hart erkämpft, ihre Mitglieder und Sympathisanten wurden auf jede mögliche Weise verfolgt. In der Tat erließ das griechische Parlament erst im Jahre 1989 einen Beschluß, wonach die Partisanen der DAG keine Banditen waren.

Diese Geschichtsperiode wurde besonders durch Propagandisten, Journalisten und Historiker innerhalb und außerhalb Griechenlands verdreht. Sie bezwecken, die Volksbewegung zu verleumden und die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Kampfes für den Sozialismus zu untergraben, indem sie als böser, sowjetisch gesteuerten Versuch, eine Diktatur zu errichten, als ein Beispiel der kommunistischen Aggression und des Fanatismus dargestellt wird.

Der griechische Bürgerkrieg fiel natürlich nicht vom Himmel; er war das Resultat einer Serie imperialistischer Interventionen und von Entwicklungen in der Volksbewegung während des zweiten Weltkrieges und davor. Es folgt ein kurzer und schematischer Bericht des Prozesses, der zum Bürgerkrieg führte. 1940, als das italienische faschistische Regime in Griechenland einfiel, waren die griechischen Kommunisten und fortschrittlichen Kräfte in vorderster Front des erfolgreichen Widerstandes, obwohl Tausende von ihnen im Gefängnis schmachteten und die KKE unter besonders schwierigen Bedingungen als eine illegale und verfolgte Organisation operierte. Der Generalsekretär der KKE Nikos Zachariadis schrieb einen bedeutenden offenen Brief an die griechischen Menschen, in dem er sie aufrief, der italienischen Aggression zu widerstehen, wobei er davon ausging, daß vor dem Hintergrund eines solchen breit angelegten Widerstands ein neues Griechenland geschaffen werden würde. Nachdem das feige alte Regime der Wehrmacht seinen Verzicht erklärt hatte, begannen die griechischen fortschrittlichen Kräfte, den Widerstand zu organisieren. Der Höhepunkt davon fand auf der 6. Sitzung der KKE im Juli 1941 statt, als die Notwendigkeit für eine nationale Befreiungsfront (EAM) erklärt wurde. In der Folge wurde die legendäre EAM zusammen mit ihrem militärischen Flügel ELAS (Nationale Volksbefreiungsarmee) gegründet, und später die Jugendorganisation EPON. In den darauffolgenden drei Jahren schrieben diese Organisationen die heldenhaftesten Seiten der modernen griechischen Geschichte durch ihre heroischen Kämpfe gegen die Nazi-Okkupation. Ihre Effektivität ist ersichtlich in dem Fakt, daß sie bis 1944 90% des griechischen Festlandes befreit hatten. In von der EAM kontrollierten Gebieten erhielten Frauen das erste Mal das Wahlrecht, populäre demokratische Bürgerversammlungen und Kammern wurden errichtet. Durch den Kampf gegen die Okkupationen wurde die Basis für ein demokratisches Griechenland des Volkes geschaffen, mit der KKE an der Spitze.

Das blieb nicht unbemerkt von der britischen herrschenden Klasse. Offensichtlich wäre eine populäre EAM Regierung mit der KKE an der Spitze eine Bedrohung für die britischen Interessen in Griechenland und im östlichen Mittelmeerraum. Daher wurde während der Okkupation selbst jeder Schritt getan, die EAM/ELAS zu unterminieren, hauptsächlich durch Unterstützung der kleinen und höchst antikommunistischen EDAS Organisation, welche für ihre ständigen Kollaborationen mit den Nazi-Besetzern gegen die ELAS berüchtigt wurde. Als die deutschen Besetzer aus Griechenland gejagt wurden, wurden diese Bemühungen intensiviert, und sie können nur als eine systematische Vorbereitung für einen Angriff auf die Organe des griechischen Volkswiderstandes gesehen werden. Im April 1944 befahl Churchill der BBC, die positive Berichterstattung über die Aktivitäten der EAM/ELAS zu beenden. Durch eine Serie von gut gelenkten Provokationen eliminierten die Briten linksgerichtete Soldaten in der griechischen Armee in Nordafrika mit dem Ergebnis, daß 18.500 von ihnen in Konzentrationslagern in Nordafrika inhaftiert wurden. Das ging Hand in Hand mit der Gründung von ultra-royalistischen Bataillons in der griechischen Armee, wie z.B. die alpinen Regimenter, um die Werkzeuge zu formen, welche gegen die Volksbewegung benutzt werden konnten. Churchill manövrierte die griechischen Vorkriegspolitiker wie George Papandreou in führende Positionen der ersten ökumenischen Regierung, während er den Banden der Kollaborateure erlaubte, frei zu operieren und auch eine Gründung der pro-royalistischen Todesschwadronen wie die Grivas´ X Bataillone erlaubte. Eine Serie von Attacken gegen die Volksbewegung und ihre Repräsentanten kulminierten in der Entlassung der EAM Minister der Regierung. Eine massive Protestdemonstration wurde für Sonntag, den 3. Dezember ausgerufen. Als die Menge den Verfassungsplatz betrat, eröffnete die Polizei das Feuer, wobei sie 15 Demonstranten tötete und 100 verletzte. Nach diesem Massaker erklärte der Generalsekretär der EAM Dimitris Partsalidis, daß „die Menschen für ihre Freiheit kämpfen werden, egal was es kostet“. Und so begann die Schlacht der Athener, welche zwischen der ELAS auf der einen Seite und der britischen Armee und den kollaborierenden Sicherheitskräften auf der anderen Seite geführt wurde. Die EAM machte verschiedene Versuche, einen Waffenstillstand zu vereinbaren, aber die Briten waren festgelegt, weil Churchill formulierte „Das Hauptziel ist die Zerschlagung der EAM“. Um die Volksbewegung zu zerschlagen, schickte der britische Imperialismus 60.000 Mann, 200 Panzer, Flugzeuge usw. zusammen mit Einheiten, die mit den Nazis kollaboriert hatten! Nach 44 Tagen grausamer Kämpfe zogen sich die ELAS Einheiten aus Athen zurück, eine Woche später wurde ein Waffenstillstand erklärt. Am 12. Februar unterzeichnete die EAM die Varkiza Vereinbarung, welche in ihren Klauseln die Entwaffnung der ELAS und der Sicherheitsbataillone beinhaltete sowie weitere Schritte, um die Normalisierung der Situation zu sichern.

Es wurde bald deutlich, daß nur die EAM und die KKE ihre Seite der Vereinbarung einhalten würden. Paramilitärische Banden starteten mit der Duldung des Sicherheitsapparates und der britischen Armee einen Feldzug des Terrors. ELAS Partisanen wurden ermordet, gefoltert, arrestiert und wegen „Verbrechen“ verurteilt. Während die Nazi-Kollaborateure, wenn strafrechtlich verfolgt, lächerliche Urteilssprüche erhielten. Einige Statistiken geben eine Vorstellung über das Ausmaß des „weißen Terrors“. In der Periode zwischen der Varkiza Vereinbarung und dem 31. März 1946 wurden 1.289 Widerstandskämpfer ermordet, 6.671 verwundet, 31.632 gefoltert, 84.931 arrestiert, 8.624 eingesperrt. 677 Büros von Widerstandsorganisationen wurden angegriffen, 165 weibliche Mitglieder der EAM wurden entführt. Während dieser gesamten Periode hörten die Briten nie auf, durch verschiedene Verknüpfungen von bourgeoisen Parteien, die griechische demokratische Bewegung zu zerschlagen und die Monarchie wiederzuerrichten. Es sollte hier erwähnt werden, daß die Wahl der Labour Regierung keinen Einfluß auf diese Politik hatte, passend zur pro-imperialistischen Natur der Sozialdemokratie international und der Labour Partei in Britannien im Besonderen. Als in diesem Klima des Terrors die völlig betrügerischen Wahlen am 31. März 1946 abgehalten wurden, nahmen die KKE und EAM als Protest gegen den Charakter der Wahlen nicht teil.

Seit Anfang 1946 verließen kleine Gruppen von Partisanen die Städte und gingen in die Berge zur Selbstverteidigung. Die erste bedeutende Operation, die unternommen wurde, war ein Angriff auf die Polizeistation in der Stadt Litochoro am 31. März 1946, dem Tag der Wahlen. Es folgte eine Serie von Konfrontationen mit den Regierungstruppen und paramilitärischen Todesschwadronen. Am 28. Oktober 1946 wurde die Demokratische Armee Griechenlands gegründet. Während dieser Periode wurde der Terror verschärft, das erreichte am 17. Juni einen Höhepunkt, als das griechische Parlament über „Notstandsmaßnahmen“ abstimmte, was tatsächlich individuelle und politische Rechte abschaffte und ein Kriegsgesetz einführte.

Es sprengt den Rahmen dieses Artikels, die vielen Operationen der DAG während des Bürgerkrieges zu beschreiben. Jedoch einige Aspekte wie der Charakter der DAG, der provisorischen Regierung, und die Taktiken, die von den Monarchofaschisten benutzt wurden, sollen erwähnt werden.

Einige Merkmale des Terrors, dessen sich die Imperialisten und ihre inländischen Verbündeten bedienten, wurden schon eher beschrieben. Sie operierten während des gesamten Bürgerkrieges. Ein Beispiel für die Unmenschlichkeit dieser Aktionen war die Ausstellung der abgetrennten Köpfe von toten Partisanen in der Stadt Florina im Juli 1947. Das stand in Zusammenhang mit einem systematischen Kahlschlag auf dem Lande. Um die DAG ihrer Unterstützung und Zulaufs zu berauben, wurden 700.000 Menschen aus ihren Dörfern gebracht und zu einheimischen Flüchtlingen in den Städten. Das Netzwerk von Gefängnisinseln und Konzentrationslagern wurde erweitert, verdächtige Linke, ihre Familien, linksstehende Soldaten wurden in diese berüchtigten Kerker Makronissis, Yioura usw. geschickt (es wird geschätzt, daß zwischen 1947-50 28.800 in Gefangenenlager geschickt wurden). Jede Form der Folter und Erniedrigung wurde diesen Unglücklichen zugefügt.

Nachdem die Amerikaner mit der Truman Doktrin die Verantwortung für die Führung Griechenlands von den Briten übernahmen, vergrößerte sich der Umfang der militärischen Hilfe an die griechische Regierung dramatisch. Es ist wenig bekannt, daß Napalm, was in Vietnam so verheerend eingesetzt wurde, zuerst in Griechenland angewendet worden war. In den Kämpfen in den Bergen Grammos-Vitsi wurden 1949 388 Napalm Bomben eingesetzt.

Die DAG war in jeder Hinsicht eine demokratische Volksarmee. Versammlungen wurden auf der Ebene der Züge gehalten, in denen jeder Soldat seine Meinung äußern konnte; ein Eid der Treue wurde abgegeben, welcher die Ideale der DAG und das Verhalten jedes Kämpfers gegenüber den Menschen umriß. Politische Bildung wurde durch die Politoffiziere, die zu jeder Einheit gehörten, systematisch vorgenommen. Frauen spielten eine bedeutende Rolle im Kampf und machten bis zu 30% der Kampfstärke der DAG und 70% des medizinischen und Hilfspersonals aus. Das stand in starkem Kontrast zu der Rolle, die für Frauen durch die griechische herrschende Klasse vorgesehen war (nur in Gebieten, die von den demokratischen Kräften kontrolliert waren, waren Frauen politisch befreit). Ein medizinischer Dienst mit Ausbildungsschulen und Krankenhäusern wurde eingerichtet. 125 Gesundheitsarbeiter wurden ausgebildet. Trotz des Mangels an Versorgung wurde „Keine Operation, die durchgeführt werden musste, nicht durchgeführt“, wie der Generalsekretär der KKE, Aleka Paparigam sich ausdrückte.

In den freien Gebieten von Griechenland wurde am 23. Dezember 1947 die provisorische demokratische Regierung (PDG) gegründet mit 12 Leitsätzen, die unter anderem die Anerkennung der Rechte von Frauen und Minderheiten und die Unabhängigkeit Griechenlands von ausländischem Kapital beinhalteten. In den Dörfern und Volksabgeordnetenhäusern in den Städten wurden Volksräte eingerichtet, welche das Präsidium wählten mit dem Recht, diese Institutionen zurückzurufen. 1948 wurden in 300 Gemeinden in Nord-Griechenland, in 323 Dörfern in der Peloponnese Wahlen abgehalten. Volkskammern wurden gewählt, wieder mit dem Recht, ihre Funktionäre abzuberufen (Berufungsgerichte wurden auch gewählt). „Demotic Greek“ (die Sprache der Menschen) wurde als die offizielle Sprache eingeführt und in den Schulen der PDG gelehrt, Minderheiten wurden auch in ihren eigenen Sprachen unterrichtet. Die Bildung war frei und obligatorisch, es gab in jedem Dorf eine Schule. Landeigentum wurde geregelt und das Land umverteilt. Jeder Bauer hatte das recht auf ein Minimum an Land; auch eine Höchstgrenze wurde festgelegt. Die Errungenschaften der EAM Periode wurden ausgeweitet und vertieft, die Basis für ein volksdemokratisches Griechenland.

Nach drei Jahren Kampf zwang das Kräfteverhältnis die DAG (besonders nach der amerikanischen Intervention 1948 und danach), sich im August 1949 nach leidenschaftlichen Kämpfen im Gebiet der Vitsi und Grammos Berge nach Albanien zurückzuziehen, obwohl der Widerstand in einigen Gebieten, wie in Lesbos, bis 1950 fortgesetzt wurde. Die letzten zwei Partisanen der DAG in Kreta, Giorgos Tzompanakis und Spiros Blazakis, kamen erst 1975 aus den Bergen, nach dem Fall der Diktatur am 24. Februar 1975.

Die Anzahl der Menschen, die im Bürgerkrieg getötet wurden, betrug etwa 150.000. Gemäß offiziellen Angaben des Generalstabs der griechischen Armee wurden 38.839 DAD Partisanen getötet oder verwundet, 20.128 gefangengenommen. Die Verluste der Regierungsarmee betrugen laut offiziellen Angaben 55.528.

Mehr als 65.000 Kommunisten und andere Kämpfer und Unterstützer der EAM und der DAG wurden gezwungen, Griechenland zu verlassen und suchten Schutz in den sozialistischen Ländern (rund 20.000 von ihnen wurde die Staatsbürgerschaft entzogen), andere 40.000 wurden in Gefängnisse und Konzentrationslager, wie Makronisos, geschickt. Die Hinrichtungen von Widerstandskämpfern wurde bis 1955 fortgesetzt (mindestens 5.000 wurden getötet, darunter der bekannte Fall von Nikos Belogiannis, Mitglied des PB der KKE). Die Monarchie wurde wiedererrichtet zusammen mit einem reaktionären Regime, das berühmt ist für seine Dienstbarkeit für die anglo-amerikanischen Imperialisten, seine Unterdrückung der Linken, ökonomische Misswirtschaft, seinen politischen und kulturellen Konkurs. Der Höhepunkt war die berüchtigte siebenjährige, von der USA unterstützte, Diktatur der Colonels (1967-1974).

Der Bürgerkrieg und das Zeitalter des EAM Widerstandes waren bedeutsam für die Bildung der Volksbewegung. Die KKE und ihre Verbündeten haben ihren Kampf für Demokratie und Sozialismus in der Illegalität nie aufgegeben, sowohl in der linken Front der EDA (vereinte Demokratische Linke), im Kampf für Bildung und Rechte in den Gefängnissen, in der Frage von Zypern und der nationalen Unabhängigkeit, als auch um eine lebendige Volkskultur zu entwickeln im Kontrast zu den sterilen bürgerlichen Dogmen der 50-er und 60-er Jahre. Ein Kampf, der auch nach dem Fall der Junta fortgeführt wurde gegen die imperialistischen Kriege gegen Jugoslawien und Irak, gegen die imperialistischen Zentren der USA und der EU und um die Verteidigung der Rechte und Errungenschaften der Arbeiter, wie Aleka Papariga in ihrer Rede in Lykorakhi dieses Erbe zusammenfaßte.

„Der Terrorismus und die Gewalt gegen die Kommunisten, die Kämpfer des Widerstandes, sind die Faktoren, welche die DAG entstehen ließen, nicht nur als eine Form der Verteidigung, sondern als ein heldenhafter Versuch, die Vision des Nationalen Widerstandes zu realisieren. Wenn die Frage „Gegenangriff oder Unterwerfung“ an die Kommunisten, Anti-Kapitalisten und Anti-Imperialisten durch die realen Bedingungen selbst gestellt wird, gibt es nur eine Antwort: Gegenangriff.“

Internationale Aspekte

Die internationalen Dimensionen des griechischen Bürgerkrieges sind besonders markant: die Involvierung der zwei imperialistischen Hauptkräfte, die diplomatische Aktivität der Sowjetunion, die verschiedenen Einsätze der jungen UN und deren Anträge, der Einfluß des Bruchs Jugoslawiens mit dem sozialistischen Lager und die großen internationalen Solidaritätsbewegungen mit der Demokratischen Armee Griechenlands (DAG). Angesichts dessen ist der Mangel an internationalen Verweisen auf diesen Kampf bemerkenswert. Es gab offensichtlich einen erkennbaren Versuch, Standpunkte, die gegen die einmütige imperialistische „Linie“ laufen, zu verdrängen. Die griechische Fernseh- und Rundfunkanstalt, die gewöhnlich (kurze!) Berichterstattung zu den Aktivitäten der KKE gibt und diese Berichte auf ihrer englischen Seite übersetzt, unterließ es, ihren Bericht in griechischer Sprache über die Kundgebung in Lykorakhi am 2. Juli zu übersetzen. Ein anderes typisches Beispiel war die britische Dokumentation „Der unsichtbare Krieg“ (Sendung im Kanal 4, 1986), welche zum ersten Mal Interviews mit ehemaligen ELAS und DAG Partisanen brachte und überaus kritisch zur britischen Verstrickung in Griechenland und am „Weißen Terror“ war. Als ein Ergebnis auf den Schrei der Entrüstung der britischen herrschenden Klasse wurde untersagt, die Dokumentation nochmals im britischen Fernsehen zu zeigen und die Karriere des Produzenten wurde ernsthaft beschädigt. Der Fakt, daß die imperialistischen Kräfte, die sich zur Unterwerfung der progressiven Kräfte in Griechenland verschworen hatten, immer noch internationalen Einfluß haben, ist der Hauptgrund für dieses Schweigen. Heute scheint es, daß es für einige Kräfte viel einfacher ist, die verachteten deutschen und italienischen faschistischen Regierungen und deren Interventionen in Spanien zu kritisieren (während sie natürlich die heuchlerische Haltung der „demokratischen“ Länder ignorieren).

Im ersten Artikel wurde die Rolle des britischen Imperialismus in Griechenland  während der Periode 1944-47 behandelt. Die Labour Regierung und ihr Außenminister Ernest Bevin wurden durch ihre Erfolglosigkeit bei der Vernichtung von EAM und KKE mehr und mehr entmutigt, ein stabiles pro-britisches Regime zu errichten, das auf der Rückkehr der Monarchie basierte. Die einheimischen griechischen Politiker und Parteien wurden beinahe im Monatsrhythmus begünstigt, ausgemustert und dann wieder einbezogen. Es wurde klar, daß die „kommunistische Gefahr“ nur durch massive finanzielle und militärische Investition abgewendet werden konnte. Das britische Empire befand sich selbst in einer kritischen Periode; dem Moment seines Niederganges. Indien gewann seine Unabhängigkeit, die britische Position in China verschlechterte sich angesichts des Fortschritts der revolutionären Armee, und Malaysia war in offenem Aufruhr gegen seine imperialistischen Herren. Britannien gab bekannt, daß sein Rückzug aus Griechenland am 31. März 1947 stattfinden würde, nach einem Winter, in welchem die reguläre griechische Armee routinemäßig von der DAG gedemütigt worden war. Der Kollaps des griechischen bourgeoisen Staats drohte.

Das war Anlaß für den US-Imperialismus zum Handeln, um „kommunistische Expansion“ bis zum Mittelmeer zu verhindern und die anti-kommunistischen Satelliten in Griechenland und der Türkei aufrechtzuerhalten, um die Flanke der sozialistischen Länder in Osteuropa und der Sowjetunion zu bedrohen. Am 12. März 1947 gab Präsident Harry Truman die „Truman Doktrin“ bekannt, welche die US-Intervention zusagte, um jedes Regime zu unterstützen, das mit einer sozialistische Revolution rechnen mußte. Dem folgte bald ein Paket von ökonomischen Maßnahmen zu diesem Zweck: der Marshall Plan, benannt nach dem Staatssekretär. Am 1. April 1947 übernahmen die USA die „Verantwortung“ für Griechenland. Seine Entscheidung unterstreichend, erklärte Truman „Die griechische Regierung ist nicht in der Lage, mit der Situation fertig zu werden. Die griechische Armee ist klein an der Zahl und elend ausgerüstet... die britische Regierung, welche bis heute Griechenland unterstützte, hat erklärt, daß sie selbst nicht in der Lage ist, weitere Hilfe nach dem 31. März bereitzustellen... Die Situation ist dringend, sie erfordert sofortige Aktion.“ Am 22. März stimmte der US-Kongreß für ein Paket „Hilfe“ für Griechenland und die Türkei im Wert von 400.000.000 Dollar. Am 20. Juni desselben Jahres unterzeichneten die Regierungen Griechenlands und der USA offiziell die Abmachung. Die US-Regierung verdeutlichte in Artikel 8 der Abmachung, daß sie diktieren würde, was in Griechenland  von diesem Moment an geschehen sollte.

Diese „Hilfe“ war gerichtet auf Ausrüstung und Training der griechischen Armee. 5.000 militärische Ratgeber kamen aus den USA nach Griechenland, und am 24. Februar 1948 wurde General Van Fleet geschickt, um de facto der Kommandeur der griechischen Armee zu werden (am Flughafen grüßte ihn der griechische Premierminister mit den Worten „Willkommen zuhause, General... Hier ist Ihre Armee!“). Es wird geschätzt, daß die US-Regierung ungefähr 50.000 Dollar pro Partisan der DAG ausgab, sie lieferte Panzer, Artillerie, Flugzeuge, Ausbildung und alle Arten von Sprengstoff, eingeschlossen Napalm, welches in den Grammos Bergen sein „Debüt“ gab. Die amerikanischen Maßnahmen beschränkten sich nicht auf das militärische Gebiet. Die amerikanische Hilfsmission für Griechenland  wurde unter die Führung von Dwight Griswold gestellt (im Kontext des Marshallplans), welcher durch die Führung des US-Staates und private Investitionen in Griechenland eine straffe Kontrolle über die griechischen internen Angelegenheiten ausübte (Griswold behielt Hilfe zurück, um eine Koalitionsregierung zwischen den Liberalen und der Volkspartei zu erzwingen). Die griechische Regierung drängte, US-Firmen von den Steuerlasten zu befreien, welche allen ausländischen Firmen auferlegt waren. Die strategischen Ziele der USA wurden klar dargelegt in der Herald Tribune vom 27. März 1947 „Wir haben Griechenland  und die Türkei nicht gewählt ... als leuchtende Beispiele für Demokratie und Menschenrechte, sondern weil sie den strategischen Eingang zum Schwarzen Meer und dem Herzen der Sowjetunion bilden.“ Die Rücksichtslosigkeit des US-Imperialismus wird deutlich durch den Mord an dem linksgerichteten US-Journalisten George Polk am 16. Mai 1948 in Thessaloniki durch Sicherheitsagenturen der USA und Griechenlands. Polk war kritisch gegenüber dem US-gestützten Regime und seinen Umgang mit den Menschenrechten. Durch massive Ausgaben gelang es dem US-Imperialismus, die Volksbewegung militärisch zu bezwingen und ein Regime zu gewährleisten, das sich seinen strategischen Zielen unterwarf.

Die Aggressivität der USA wurde erleichtert durch die noch schwache Position des sozialistischen Lagers. Die Sowjetunion war durch den Krieg zertrümmert worden, sie hat 20 Millionen ihrer Bürger verloren, um Nazideutschland zu bezwingen, und große Gebiete ihrer am meisten industrialisierten und entwickelten Regionen waren zerstört worden. Sie stand vor einer gewaltigen Aufgabe zum Wiederaufbau. Die neuen Volksdemokratien in Osteuropa waren im Krieg auch schwer zerstört worden. Sie standen der USA gegenüber, die industriell und militärisch erstarkt waren, gestützt durch ihr neues NATO-Bündnis, während die Mehrheit von jenen die Machtfrage noch nicht gelöst hatte, als der griechische Bürgerkrieg ausbrach. Zur selben Zeit verbargen die imperialistischen Kräfte und das griechische Regime ihre Feindseligkeit gegenüber den Volksdemokratien in den Balkanländern nicht. Ihr Bemühen, den Bürgerkrieg als einen Vorwand zu nutzen, einen direkten Angriff gegen sie zu starten, war erfolglos. Man kann im Gegenteil sagen, daß der heldenhafte Kampf, der von der DAG geführt wurde, erhebliche Hindernisse in ihre Pläne gegen die entstehenden sozialistischen Staaten im Balkan legte; der Kampf der DAG war ein internationalistischer Beitrag zur Festigung der sozialistischen Macht in diesen Ländern.

1945 wurden die Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima abgeworfen, eine klare Botschaft an die UdSSR. Es wurde bekannt, daß in dieser Zeit in Washington Dutzende von Plänen eines nuklearen „Präventivschlages“ gegen die UdSSR formuliert worden waren. Es ist klar, daß die sozialistischen Länder nicht nur nicht in der Lage zu einem militärischen Eingreifen waren, sondern auch die Möglichkeiten, materielle Hilfe anzubieten, waren begrenzt. Das wurde erschwert nach Jugoslawiens Bruch mit dem sozialistischen Lager. Jugoslawien schloß seine Grenzen für die Partisanen der DAG seit dem Beginn ökonomischer Beziehungen mit den Westmächten, es schickte die Kämpfer, welche aufgenommen worden waren, zurück nach Griechenland und stoppte die Lieferung von materieller Hilfe.

Die UdSSR jedoch bot bedeutende konkrete diplomatische Hilfe: Bei der Besprechung der Außenminister der „Großmächte“ im September 1945 stellte sie einen Antrag, gegen die Situation in Griechenland zu protestieren. Im Januar 1946 auf dem Treffen des UN Sicherheitsrats stellte sie einen Antrag, die Intervention von ausländischen militärischen Streitmächten in Griechenland, den faschistischen Terror zu verurteilen und forderte den bedingungslosen Rückzug der britischen Truppen aus Griechenland. Dank der sowjetischen Proteste und Schritte in der UN und anderen internationalen Gesellschaften konnten 1947-48 Hunderte von politischen Gefangenen, die zum Tode verurteilt waren, der Vollziehung entrinnen. Im Juni 1949 machte die UdSSR in der UN einen Vorschlag für eine friedliche Lösung des Konflikts und forderte einen Waffenstillstand, eine Generalamnestie, freie parlamentarische Wahlen und das Ende der militärischen Hilfe an die griechische Regierung. Diese Bemühungen gingen Hand in Hand mit zahllosen Appellen der griechischen demokratischen Kräfte, darunter der Appell der EAM an de UN gegen den Terror. Die Tatsache, daß keine dieser Initiativen Früchte trug, lag an der Unnachgiebigkeit der imperialistischen  Mächte, was keinen Zweifel darüber hinterlassen sollte, wer die Verantwortung für die katastrophalen Folgen und Opfer des Bürgerkrieges trägt.

Ferner wurden Solidaritätskomitees in allen sozialistischen Ländern gebildet. Diese machten einen Teil der massiven internationalen Solidaritätsbewegung aus, welche eine besonders starke Basis in Britannien und Frankreich entwickelte.

1943 wurde das griechische Einheitskomitee (GUC) von griechischen und britischen fortschrittlichen Kräften gegründet mit dem Ziel, die britischen Menschen über die Aktivitäten der EAM/ELAS zu informieren. Das GUC arbeitete mit dem Bund der griechischen Gewerkschaften der  Seemänner (FGSU) zusammen, der im selben Jahr in Cardiff gegründet worden war und politische Arbeit der griechischen Seeleuten hinsichtlich der nationalen Befreiungsbewegung gefördert hat. Es hatte enge Beziehungen mit AKEL und der kommunistischen Partei Großbritanniens und gab eine Wochenzeitung „Freies Griechenland“ und verschiedene Flugschriften über die Situation in Griechenland  heraus.

1944-45 intensivierte das GUC seine Aktivitäten in Erwiderung der britisch unterstützten Unterdrückung der EAM. Zusätzlich zu seiner Zusammenarbeit mit der CPGB entwickelte es Verbindungen mit einigen Parlamentsabgeordneten linker Teile der Labour Partei, um einen Wechsel in der britischen Politik und die Unterstützung für die verfolgten EAM-Kämpfer, Kommunisten und andere Linksgerichtete voranzutreiben. Nach dem Wahlsieg der Labour Partei 1945 sah die Führungsschicht die Notwendigkeit eines offiziellen ständigen Druckmittels. Und so wurde am 7. November das Bündnis für Demokratie in Griechenland geboren. Sein erster Vorsitzender war Compton Mackenzie, ein Parlamentsmitglied von Labour. In seiner ersten Pressemitteilung erklärte es, daß seine Ziele ein demokratisches Griechenland, basierend auf einer Generalamnestie, freien Wahlen und angemessenen Bestrafungen für die Nazi-Kollaborateure seien. Außerdem versprach das Bündnis materielle Hilfe für die gefangengehaltenen Demokraten und ihre Familien.

Das Bündnis führte viele Kampagnen zur Verteidigung der politischen Gefangenen und zur Unterstützung der demokratischen Kräfte in Griechenland durch. 1946 besuchten drei Labour-Parlamentarier Griechenland und schrieben einen schockierenden Bericht über die Bedingungen dort, den „weißen Terror“ und die Beteiligung der britischen Truppen, genannt „Tragödie in Griechenland“. Nach dem Bürgerkrieg setzte das Bündnis seine Arbeit zur Verteidigung der gefangenen Kämpfer (besonders jene mit Todesurteil) und für die Beseitigung der Konzentrationslager wie z.B. Makronissos fort, bis zur Periode der Junta (1967-1974).

In Frankreich initiierten der Conseil National de La Resistance (CNR) und die französische kommunistische Partei, beginnend im Januar 1946, eine Kampagne in Solidarität mit der Volksbewegung in Griechenland. Die kommunistischen Abgeordneten verurteilten den Terror und versprachen im gleichen Monat ihre aktive Unterstützung für die griechischen Demokraten. Die PCF stand in Verbindung mit vielen der in Frankreich lebenden Griechen (eingeschlossen viele im politischen Exil aus der Linkspartei), sowie Mitgliedern der KKE und der EAM, die in Frankreich lebten: Memos Makris, Dimitris Fotopoulos, Elli Alexiou, Marianna Veaki und andere. Diese Aktivität hatte drei Pole:

ein dauerhaftes Pressebüro zu schaffen, um die französischen Menschen über die Situation in Griechenland  zu informieren (Hellas Press)

ein französisches Solidaritätskomitee aufzubauen (Comite Francais d’aide a la Grece democratique)

französische Intellektuelle, Künstler und Journalisten nach Griechenland  zu schicken, um die Situation kennenzulernen und nach ihrer Rückkehr Artikel zu schreiben, auf Versammlungen zu sprechen usw.

Die PCF übernahm offiziell die volle ökonomische Stütze dieser Projekte. Am französischen Komitee nahmen viele angesehene Persönlichkeiten aus Frankreich teil, wie z.B. Jacques Duclos, Frederic Joliot-Curie, Paul Eluard, Louis Aragon, Elsa Triole, Pablo Picasso, Henri Barbusse, Le Corbusier, Yves Farges und viele andere. Es sollte auch erwähnt werden, daß die intellektuelle Gruppierung um das Magazin „Les Tempes Modernes“, eingeschlossen Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir, eine sehr prominente Rolle spielte. Das Komitee erhielt auch volle Unterstützung vom CGT. Sein Präsident Leon Jouhaux besuchte Griechenland im September 1946, um den 8. Kongreß des griechischen Generalverbandes der Arbeiter und ihren kommunistischen Präsidenten Mitos Paparigas zu unterstützen, der vom Regime angegriffen wurde. Das CGT stellte 1 Mill. Francs für seinen Solidaritätsfonds bereit. Bis Anfang 1948 hatte das Komitee bereits 2 Mill. Francs bereitgestellt!

Die internationale Konferenz für die Hilfe an das demokratische Griechenland wurde im April 1948 in Paris mit Delegierten aus 23 Ländern abgehalten. Der französische bürgerliche Staat versuchte die Veranstaltung zu unterdrücken, indem er Visa an die Repräsentanten aus Osteuropa ablehnte. Die USA verbot dem Präsidentschaftskandidaten Henri Wallace, an der Konferenz teilzunehmen. Trotzdem hatte sie eine gewaltige Bedeutung. Ein internationales Komitee wurde eingerichtet, ein Appell an das Rote Kreuz für sofortige humanitäre Hilfe, ein Manifest über die Unterstützung des Kampfes der griechischen Menschen und eine Verurteilung der amerikanischen Intervention wurden angenommen.

Die Solidarität der französischen Linken endete nicht mit dem Bürgerkrieg. L’Humanite und Les Tempes Modernes veröffentlichten wichtige Artikel, die die Konzentrationslager verurteilten. Ihnen schlossen sich Magazine wie L’Esprit und Zeitungen wie Liberation und Le Figaro an.

Der Dichter Paul Eluard besuchte Griechenland erstmals im Mai 1946. Hier prangerte er die britische imperialistische Intervention bei einer Massenkundgebung im Attiki Theater an und erklärte „die griechischen Menschen zeigen uns, daß keine Sache verloren ist, wenn die Sache die Verteidigung der Freiheit ist“. Er besuchte Griechenland 3 Jahre später nochmals (zusammen mit Henri Barbusse) und reiste zu Hochburgen der demokratischen Armee Griechenlands in den Vitsi-Grammos Bergen. Seine Botschaft, welche an den Megaphonen zu den Rekruten der nationalen Armee verlesen wurde, verbreitete den Geist der internationalen Solidaritätsbewegung: „Kinder von Griechenland, Bauern, Arbeiter, Intellektuelle, ich rufe euch auf. Ihr gehört zur Regierungsarmee, die euch nicht vertritt. Ein brudermörderischer Krieg wie eurer ist schrecklicher als jeder andere; er nutzt nur jenen, die euch hierher geführt haben. Ich mahne euch, an die Gefangenen und Gefolterten zu denken, all jene Schuldlosen, welche jeden Tag mit ihrem Blut für eure Zukunft bezahlen. Ich mahne euch: denkt an die Hölle von Makronissos und die Gefängnisse, wo zehntausende Patrioten überzeugt von ihrem Sieg, täglich auf Folter und Tod warten.“

Einige Betrachtungen

Aleka Papariga nahm in ihrer Gedenkrede Bezug auf Fragen, welche zur Entscheidung der KKE, dem 60. Jahrestag der Gründung der Demokratischen Armee Griechenlands zu gedenken, gestellt wurden.

„Warum rufen wir Gedenken hervor, warum bringen wir wieder diesen speziellen Kampf in die öffentliche Diskussion, einen Kampf, den einige einen „Banditenkrieg“ getauft haben, andere als einen Bürgerkrieg des Herzleids für beide Seiten kritisieren?“

Natürlich, zunächst geht es darum, die Kämpfer zu ehren, welche in den Reihen der DAG kämpften: jene, die in den Jahren des Bürgerkrieges und in den danach folgenden Jahren getötet, gefangengenommen, gefoltert und verbannt wurden; die Opfer zu verdeutlichen, die diese einfachen Männer und Frauen im Kampf für Demokratie, nationale Unabhängigkeit und Sozialismus gebracht haben. Und auf der anderen Seite, zu erinnern an die anglo-amerikanische imperialistische Intervention, ihre Marionettenregierungen, die Gefängnisinseln wie Makronissos, klare Beispiele der Gewalt und Unnachgiebigkeit der herrschenden Klasse. Das allein ist genug, aber natürlich entspringen daraus verschiedene Themen, welche eine ausschlaggebende Bedeutung für die Welt heute haben.

Es ist eine Gelegenheit, der Umschreibung der Geschichte, den Schmieren und Lügen zu entgegnen, welche den Diskurs (das heißt den der herrschenden Klasse) über diesen Kampf 60 Jahre lang dominiert haben. Die Sprache der Rechten ist aufschlußreich. Die DAG sei „auslandsgesteuert“, „bulgarisch“, „Banditen“ und vieles anderes. Diese überdeutliche ideologische Attacke wurde ergänzt durch die Geschichtsschreibung der Opportunisten und Sozialdemokraten, die sich ergeht in realen und eingebildeten Fehlern der DAG und KKE und diese verdreht, die Bedeutung der imperialistischen Intervention in Griechenland und den Grad der gegen die Volksbewegung gerichteten Gewalt herunterspielt. Diese Methode versucht, die fortschrittlichen Menschen zu desorientieren und sie davon abzuhalten, nach einer radikalen Änderung zu streben. Angesichts dessen gibt es eine dringende Notwendigkeit, den Fakt wieder herauszustellen, daß der Kampf der DAG die Fortsetzung des demokratischen antiimperialistischen Kampfes der EAM gegen die faschistische Okkupation war, diesmal gegen den anglo-amerikanischen Imperialismus und seine einheimischen Kollaborateure, den Menschen die wahren Gründe für den Bürgerkrieg zu erklären; besonders angesichts des erneuerten Antikommunismus, wofür ein Beispiel der kürzliche Antrag an den parlamentarischen Verband des Europarats war.

Als die Periode des intensivsten Klassenkampfes in der bisherigen griechischen Geschichte ist das Studium der Erfahrungen und Lehren des griechischen Bürgerkrieges unschätzbar für die heutige Volksbewegung. Fehler, die gemacht wurden, können in ihrem kompletten historischen Kontext genau analysiert werden, die wahre Natur der einheimischen Reaktion und des Imperialismus, die Formen des notwendigen Kampfes, die Entwicklung der Institutionen der Volksmacht in den befreiten Gebieten, die in den Reihen der Kämpfer durchgeführte ideologische Arbeit usw.

Nach den Konterrevolutionen in der UdSSR und den sozialistischen Ländern Osteuropas hat der Imperialismus ein neues, aggressiveres Stadium betreten. Die Kompromisse der Vergangenheit wurden weggeworfen, befreit von der ihn in Schranken haltenden Kraft des sozialistischen Blocks. Das bedeutet neue koloniale Kriege und grausame Angriffe auf die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse überall. Natürlich wehren sich die Völker, ob sie gegen die Okkupation in Libanon, Palästina und Irak kämpfen, demokratische und antiimperialistische Regierungen wie in Venezuela erhalten, oder ihre sozialistische Entwicklung fortsetzen wie Cuba es tut, und natürlich gibt es Kämpfe der Arbeiterklasse überall gegen die kapitalistische Neugliederung. Die imperialistischen Kräfte nutzen notwendig jede diplomatische und militärische Methode, den Widerstand zu brechen – immer noch verfehlen sie den Erfolg damit.

Das wird gesteigert durch einen ideologischen Kampf, um jene als „Terroristen“ zu kriminalisieren, die sich wehren und zurückschlagen und andere zu entmutigen, den Kampf fortzusetzen. Genauer, sie sprechen jetzt von der „Notwendigkeit, die extremistischen Ideen und Organisationen zu bekämpfen“. Arbeiter- und Volksbewegungen, nationale Befreiungsbewegungen und –kämpfe werden diffamiert und ein pharisäischer „Humanismus“ wird angerufen, um ihre bewaffneten Kämpfer als Terroristen und Mörder zu präsentieren. Und das, während der Staatsterrorismus der kapitalistischen Staaten sowohl im eigenen Land gegen ihre eigene Arbeiterklasse als auch gegen andere Menschen und Länder eskaliert, alle Mittel, politische, diplomatische und militärische nutzend, was die beispiellose Stärke und den neuen Grad der imperialistischen Staatsgewalt zeigt.

Die bourgeoise Propaganda ist andauernd und immer wieder gegen den Klassenkampf gerichtet, ungeachtet der Formen, die er annimmt; erklärt ihn für veraltet und schädlich für die Interessen der Völker. Damit einhergehend versucht sie die höchsten und nobelsten Ideen, welche die Menschheit kennt, die kommunistischen Ideale und Ziele, zu verleumden.

Es ist bemerkenswert, daß zur gleichen Zeit Argumente die „Klassenversöhnung“, den „Sozialen Dialog“ zwischen den sogenannten „Sozialpartnern“ unterstützen. Diese Klassenkollaboration wird entworfen als das Mittel, die „modernen Herausforderungen“ zu bewältigen, als den Weg, der zu sozialem Fortschritt führt.

Das übliche Argument, welches von der Bourgeoisie benutzt wird, ist, daß das Recht der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten, Gewalt zu nutzen, extrem sei. Sie erwähnen nicht den Fakt, daß die Gewalt der Volksbewegung defensiv gegen die Gewalt der herrschenden Klasse genutzt wird, während sie zur gleichen Zeit fortfahren, die Gewalt des bourgeoisen Staats, seiner Institutionen und Maschinerie zu verhüllen. Dasselbe gilt bezüglich des facettenreichen Zwanges, den die Kapitalisten gegen die Arbeiter am Arbeitsplatz anwenden. Wenn imperialistische Armeen Länder besetzen oder Einheiten von Krawallpolizisten schicken, um Streikposten /Feldwachen zu zerschlagen, wie sollte die Volksbewegung darauf reagieren? Sie wollen die Menschen davon abhalten, die grundlegende Frage über die Macht zu stellen, die Bertold Brecht prägnant ausdrückte „Wessen Morgen ist der Morgen – wessen Welt ist die Welt?“

In dieser Beziehung laufen reformistische und opportunistische Standpunkte mit der imperialistischen Ideologie zusammen, was sich ebenso in Diskussionen über „Nicht-Gewalt“ zeigt. Gewisse Kräfte, besonders um die „Partei der europäischen Linken“, sind nicht nur zu dem Ergebnis gekommen, daß der bewaffnete Kampf überholt ist, sondern sie bestreiten sogar die Legitimität dieses Kampfes. Sie schließen nicht nur die Nutzung von Gewalt im Klassenkampf innenpolitisch aus, sondern kritisieren Völker offen, die den imperialistischen militärischen Angriffen Widerstand leisten. Im Zusammenhang mit der wachsenden Aggressivität des Imperialismus heute ist der Aufruf an die Bewegungen, Abstand zu nehmen von jeder möglichen Methode des Kampfes, in der Tat ein Kompromiß mit dem Imperialismus: ein Grundmerkmal des Opportunismus. Das ist auch offensichtlich in der Position, die diese Kräfte einnehmen zur Entsendung von Truppen nach Afghanistan, die Teilnahme ihrer Länder an der UN Besatzungsmacht, die in Libanon eingesetzt werden soll usw.

Ein ähnliches Argument ist jenes, das behauptet „bewaffneter Kampf sei der letzte Ausweg“. Das scheint auf den ersten Blick vernünftig zu sein, aber sowohl die Erfahrung als auch die Realität  widerlegen das. Die Befürworter dieser Position tendieren dazu, undialektisch die massenhafte friedliche Arbeit der bewaffneten Aktivität der elitären Partisanengruppen gegenüberzustellen, die moralische Überlegenheit der Nicht-Gewalt betonend. Indem sie die Frage als eine moralische darstellen, ist die Folge, daß, wenn eine Demonstration erfolgreich organisiert werden konnte, es dann falsch sei, auch bewaffnete Aktionen durchzuführen. Tatsächlich können in Perioden verstärkten Klassenkampfes alle Formen genutzt werden, von Streiks bis zum Guerillakrieg. Die Erfahrungen der Widerstandsbewegungen in Europa in zweiten Weltkrieg illustrieren dies, eingeschlossen der griechische Bürgerkrieg. In diesen Situationen ist es gefährlich, Ausflüchte zu machen / die Wahrheit zu verdrehen (eine Gefahr ist inbegriffen in diesem Slogan). Die Volksbewegung hat keine Alternative, als entschieden zu handeln, um der Gewalt der herrschenden Klasse zu entgegnen, um ein positives Ergebnis zustande zu bringen.

Diese Linie unterstützt auch die Illusion, daß es möglich sei, daß die Bourgeoisklasse entweder in ihrem eigenen oder in einem anderen besetzten Land die Macht an die Volksbewegung übergeben wird. Es kann weder eine „Teilung“ der Macht geben, noch kann ein „Zwischen-“ oder ein „dritter“ Weg zugunsten der Interessen der Völker möglich sein. Das war nicht zuletzt die Erfahrung der kommunistischen und nationalen Befreiungsbewegungen im 20. Jahrhundert. Einige der Schlußfolgerungen, die die KKE während der kritischen Bewertung ihrer Aktivitäten zwischen 1944 und 1947 gezogen hat, beziehen sich auf diese wichtigen Punkte. Die Geschichte unserer Bewegung ist übersät mit lehrreichen Warnungen, als auch mit falschen Erwartungen, die schnell in Desillusion, Kapitulation und Angliederung endeten, wie das auf die verschiedenen schändlichen mitte-links Projekte zutraf.

Wenn wir heute an die demokratische Armee von Griechenland  erinnern, machen wir das Recht der Völker, sich dem Imperialismus zu widersetzen und ihre eigene Zukunft zu bestimmen, geltend. Der heroische Widerstand der libanesischen Menschen gegen die US-gestützte israelische Aggression und die massive Solidaritätsbewegung, wie auch die Rolle, welche die Kommunisten darin spielten, zeigen, daß der Widerstand zur sogenannten „Neuen Weltordnung“ sowohl möglich als auch notwendig ist.

Jedoch, solange eine klare kommunistische Bewegung nicht stark und kompetent genug ist, einen strategischen Gegenangriff zu leiten, werden die Volksbewegungen, die entstehenden progressiven radikalen Kräfte, anfälliger für Konfusion und Desorientierung.

Die Entwicklungen haben jene widerlegt, welche das „Ende der Geschichte“ und den „unvermeidbaren Niedergang“ des Marxismus-Leninismus und der kommunistischen Parteien verkündeten. Im Gegenteil, die Tatsachen selbst unterstreichen die unverzichtbare Rolle der kommunistischen Parteien, und daß der Sozialismus die einzige Alternative zur kapitalistischen Barbarei ist.

                                            Originaltitel der Broschüre: „Notes on the Greek Civil War (1946-1949)

                                              - 60th Anniversary of the formation of the Democratic Army of Greece”

      herausgegeben vom Zentralkomitee der KKE

                                                                         aus dem Englischen übersetzt von Andrea Vogt, Dresden

Vietnam

Gerhard Feldbauer:
Die nationale Befreiungsrevolution Vietnams

Zum Entstehen ihrer wesentlichen Bedingungen von 1925 bis 1945

Pahl-Rugenstein Verlag 2007. 135 S.

(Wir bringen, sowohl, weil es eigenständige wichtige Einsichten vermittelt, als auch, weil wir auf das neueste Buch von Gerhard Feldbauer hinweisen wollen, hier das Vorwort daraus. Red. Offensiv)

Es gab mehrere Gesichtspunkte, sich dem Thema zuzuwenden. Zwei Anregungen sind hervorzuheben. Einmal die Studie von Ullrich Huar: „Marx und Engels über koloniale Befreiungskriege und den Emanzipationskampf der Arbeiterklasse“ und „Lenin über die sozialistische Revolution in Russland und die Völker des Ostens“.[2] [Diese grundsätzlich theoretische Abhandlung ruft in der gegenwärtigen Situation geradezu nach einer Verallgemeinerung an Hand konkreter Analysen revolutionärer Prozesse in einzelnen ehemals kolonialen oder abhängigen Ländern. Vietnam bietet sich dazu vor allem an, weil es über reiche Erfahrungen einer siegreichen nationalen Befreiungsrevolution verfügt, ihrer erfolgreichen Verteidigung gegen ausländische imperialistische Interventionen, in deren Verlauf zwangsläufig der Übergang in das sozialistische Stadium erfolgte, erfolgen musste.  Dem nachzukommen bot der 10. Kongress der Kommunistischen Partei Vietnams, der vom 8. bis 25. April 2006 in Hanoi stattfand und die weiteren Aufgaben für die nächste Fünfjahrplanperiode bis 2011 beriet, einen letzten Anlass. Vorab ist hier bereits zu sagen, dass aktuelle Entwicklungen in Lateinamerika, Asien und Afrika dringend erfordern, die revolutionären Erfahrungen aus Ländern wie Vietnam und Kuba, um nur diese beiden zu nennen, auszuwerten. Zu erwähnen sind vor allem Venezuela und Bolivien, aber auch der Nahe und Mittlere Osten mit Schwerpunkten wie Irak und Palästina, in Afrika u. a. die wiederholte Niederschlagung des revolutionären Prozesses   in der DR Kongo (früher Zaire), seine Unterbrechung in Angola, nicht zu vergessen Südafrika, in Asien die Wahlsiege der Kommunisten in Indien.

Ein einleitendes Wort zum 10. Parteitag der KPV. Bürgerliche Medien hoben in ihren Aufmachungen die Fortsetzung des Kurses der Erneuerung (Doi Moi), der eine Entwicklung des privaten kapitalistischen Sektors einschließt, als ein zentrales Thema hervor.[3] Im Mittelpunkt des Kongresses stand eine andere Aufgabe: Die Bestätigung der „führenden Rolle der Partei und die Stärkung ihrer Kampfkraft“. Damit wurde dem im Vorfeld des Parteitages vor allem von Kreisen des Auslandskapitals wieder ausgeübten Druck nach Aufgabe ihres „Führungsmonopols“ oder auch nur einer „Lockerung“ ihrer Funktion und damit der des Staates eine klare Absage erteilt. Die Basis des gesamten Wirkens der Partei bleiben der Marxismus-Leninismus und die Ideen Ho Chi Minhs. Im neuen Parteistatut heißt es zum Charakter der Partei im Einparteiensystem Vietnams: „Die KPV ist die Vorhut der vietnamesischen Arbeiterklasse und auch des werktätigen vietnamesischen Volkes und der Nation“. Ziel der Partei ist „ein unabhängiges, demokratisches, blühendes und starkes Vietnam mit einer gerechten zivilisierten Gesellschaft aufzubauen, die ohne Ausbeutung, Sozialismus und Kommunismus als ihr Endziel realisiert“.[4]

Nach dem Sieg der Konterrevolution in Europa ist es dem Zeitgeist entsprechend Mode geworden, die Rolle der führenden Partei beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu negieren, sie einfach nicht zu erwähnen, wenn sie nicht überhaupt diffamiert und verleumdet wird. Wie beispielsweise in Kuba oder in der KVDR haben sich insbesondere in Vietnam in einem verhältnismäßig kleinen Land nach 1989/90 die Hoffnungen der Feinde des Sozialismus, die Partei werde den liquidatorischen Weg der osteuropäischen „kommunistischen und Arbeiterparteien“ gehen und den Pfad der Sozialdemokratie einschlagen, als Irrtum erwiesen. Die Partei Ho Chi Minhs und seiner Nachfolger hat sich nicht „gewendet“. Während in Osteuropa die KPs zerfielen, traten der KPV im letzten eineinhalb Jahrzehnt über eine Million neuer Mitglieder bei, viele aus dem Jugendverband Ho Chi Minh.[5] Von den rund 85 Millionen Einwohnern des Landes gehörten der Partei zum 10. Kongress 3,1 Millionen an.

Von der KPV, die eine marxistisch-leninistische Partei geblieben ist, kann man wie in der Vergangenheit gerade und auch in der Gegenwart viel lernen. Das sollte ein Anlass sein, über ihren Weg, die Erkenntnisse, Lehren und Erfahrungen, die er vermittelt, nachzudenken. Hat doch die KPV in herausragender Weise der Voraussicht Lenins entsprochen, der auf dem II. Gesamtrussischen Kongress der Kommunistischen Organisationen der Völker des Ostens im November 1919 ausführte: „Auf die Periode des Erwachens der Völker des Ostens folgt in der gegenwärtigen Revolution die Periode, in der alle Völker des Ostens die Geschicke der ganzen Welt mitentscheiden, in der sie aufhören, nur ein Objekt der Bereicherung zu sein. Die Völker des Ostens erwachen, um praktisch zu handeln und damit jedes Volk das Schicksal der ganzen Menschheit mitbestimmt.“[6]

Der Dreh- und Angelpunkt des Prozesses der vietnamesischen nationalen Befreiungsrevolution und ihres Übergangs in die sozialistische Umwälzung war der Kampf um die Schaffung der KP, die Ausarbeitung ihrer Strategie und Taktik und die Übernahme der Führung durch sie bereits in der national-demokratischen Etappe. Ihre Kampfkraft zu stärken, sie nicht als für immer gegeben zu betrachten, gehörte stets zur ersten Aufgabe, so auch auf dem jüngsten Parteitag. Die vorliegende Publikation widmet sich dieser Thematik im Zeitraum von 1925 bis 1945.

Was die Befreiungsprozesse in Lateinamerika, Asien und Afrika betrifft, so sind die sehr unterschiedlichen Bedingungen zu sehen. In vielen Fällen haben wir es mit national befreiten Staaten zu tun, die nach der Erringung ihrer formal stattlichen Unabhängigkeit unter die neokolonialistische Vorherrschaft vor allem des US-amerikanischen Imperialismus geraten sind. Nun setzen in Lateinamerika die progressiven Kräfte in gleich mehreren Ländern an, aus dem „Hinterhof der USA“ auszubrechen und die nationale Befreiung, welche die soziale einschließen muss, zu vollenden. Es zeugt von dem auch nach der sozialistischen Niederlage in Europa anhaltenden weltweiten Einfluss des Sozialismus, dass beispielsweise die Partei des Präsidenten Boliviens, Evo Morales sich als „Bewegung zum Sozialismus“ bezeichnet und Hugo Chávez vom „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ als Ziel spricht. Damit steht in der Perspektive die Frage einer revolutionären Führungskraft, die sich zu ihm in der von Marx und Engels begründeten, von Lenin weiter entwickelten Form bekennt, auf der Tagesordnung. Man sollte keine schematischen Vergleiche ziehen. Und doch scheint es, dass das derzeitige Handeln der revolutionären Führungskräfte unter Chávez bei Beachtung der historischen Unterschiede einen Vergleich mit dem Entstehen revolutionärer Organisationen mit kommunistischer Tendenz in der Mitte der zwanziger Jahre in Vietnam zulässt. Erwähnt sei das Movimento Bolivariano Revolutionario 2000, das sich aus wahltechnischen Gründen in Movimento V. República umbenennen musste. Das MVR schloss sich mit anderen revolutionären Organisationen zum Polo Patriótico zusammen, der von der KP Venezuelas unterstützt 1998 die Präsidentenwahl für Chávez gewann.[7]

Jüngster Schritt Chávez´s ist der Vorschlag, eine Einheitspartei der revolutionären Bewegung zu bilden. Auch wenn man noch nicht wisse, wie diese Partei heißen solle, sei klar, dass diese „große Partei der Bolivarianischen Revolution“ eine sozialistische Orientierung haben müsse. Der Generalsekretär der KP Venezuelas, Oscar Figuera, begrüßte den Vorschlag und betonte, dass die KP in der Vergangenheit wiederholt die Schaffung einer einheitlichen und kollektiven Führung des revolutionären Prozesses angesprochen habe. Neben der Definition der Bolivarianischen Revolution als sozialistisch sei dieser Vorschlag des Präsidenten einer der wichtigsten des obersten Comandante in den vergangenen Jahren. Entscheidend für den Prozess des Aufbaus einer Einheitspartei sei eine klare Festlegung deren revolutionären Charakters, ihres Programms und ihrer Organisationsstrukturen, erklärte Figueras.[8] Der Vorschlag erinnert an den Prozess der Formierung der revolutionären Führungskräfte unter Fidel Castro und ihrer Vereinigung mit den Kommunisten, an dem sich Chávez zweifelsohne vor allem orientiert.[9] Zur Charakteristik Chávez´s und seiner Führerpersönlichkeit muss man hinzufügen, dass seine Sprache den Geist Lenins atmet. Jüngstes Beispiel ist seine Rede vor der 61. Vollversammlung der Vereinten Nationen. In ihr entlarvte Chávez mit einer selten gewordenen Kühnheit den USA-Präsidenten als einen imperialistischen Diktator und Welttyrannen, als eine Erscheinung in Teufelsgestalt, die sich als „Herr der Welt“ aufspielt, der er „durch Krieg (sein) Modell der Ausbeutung, Ausplünderung und Hegemonie aufzwingen“ will. Bewundernswürdig, wie der venezolanische Präsident dem Kriegsbrandstifter Bush die offene  Kampfansage seines Volkes entgegenschleuderte, die er mit den Worten schloss: „Jetzt muss die Zukunft der Welt definiert werden. Es liegt Morgendämmerung über dem Planeten, und man sieht sie überall, in Lateinamerika, in Asien, in Afrika, in Europa, in Ozeanien.“[10]

Von diesen Worten Chávez´s ausgehend noch einmal zu Lenin, der in der Auseinandersetzung mit dem indischen Kommunisten Manabendra Nath Roy 1920 die These vertrat, dass der „wirkliche Kommunismus vorerst nur im Westen Erfolg haben“ könne.[11] Ulrich Huar weist darauf hin, zu beachten, dass Lenin von „vorerst“ sprach und man heute darauf die Betonung legen müsse. Das um so mehr, als Lenin drei Jahre später ganz eindeutig sagte: „Bei „allgemeiner Gesetzmäßigkeit der Entwicklung in der gesamten Weltgeschichte“ seien „einzelne Etappen der Entwicklung, die eine Eigentümlichkeit entweder der Form oder der Aufeinanderfolge der Entwicklung darstellen, keineswegs auszuschließen, sondern im Gegenteil anzunehmen.“[12] Es sei deshalb, nicht völlig auszuschließen, schreibt Huar, „dass nach der Niederlage des europäischen Sozialismus die Initiative für die Fortsetzung des kommunistischen Revolutionszyklus von Asien oder Lateinamerika ausgeht und damit die These von Roy nachträglich verifiziert wird. Unerwartete Ereignisse sind in der Weltgeschichte nicht so selten.“[13]

Einzelne Kapitel der vorliegenden Schrift sind bereits früher sowohl in der DDR als auch nach 1989/90 veröffentlicht worden, was in den Fußnoten angemerkt wird. Bewusst wurde auf inhaltliche Veränderungen der Beiträge verzichtet.[14] Zur Vermeidung von Wiederholungen bzw. Doppelungen wurden lediglich einige Streichungen vorgenommen,[15] zur besseren Übersichtlichkeit Zwischenüberschriften eingefügt. Im Komplex der behandelten Themen wurde der Rolle Ho Chi Minhs besondere Aufmerksamkeit gewidmet;[16] ferner der Analyse der sozialökonomischen und Klassenstruktur;[17] dem komplizierten Prozess der Schaffung der kommunistischen Partei; den Bedingungen für den Übergang der Führung des nationalen Befreiungskampfes an die Arbeiterklasse; der Ausarbeitung der Konzeption zur Lösung der Macht- und Eigentumsfrage; der breit angelegten Bündnispolitik bis hin zum Entstehen der antiimperialistischen Einheitsfront unter Einschluss  nationaler Kreise der Bourgeoisie und selbst Angehöriger der herrschenden Schicht der Mandarinen- und Notabelnkaste und schließlich der frühzeitig entwickelten Militärpolitik, deren Kern die Aufstellung bewaffneter Kräfte bildete. Von grundsätzlicher Bedeutung für den siegreichen Verlauf der nationalen Befreiungsrevolution wurde, dass die am 3. Februar 1930 gegründete KPV sich sieben Monate später an die Spitze des spontan ausgebrochenen Bauernaufstandes in Zentralvietnam stellte. Sie meisterte in hervorragender Weise die Dialektik von Spontaneität und bewusster Übernahme der Führung. Es ist fraglich, ob ihr in der Augustrevolution 1945 die Mehrheit der Volksmassen gefolgt wäre, wenn sie die Bauern im Herbst 1930 im Stich gelassen hätte. All diese Fragen sind eingebettet in die internationalistische Position der KPV, die sich vor allem im Bekenntnis  zur Oktoberrevolution und zur Kommunistischen Internationale ausdrückte. Die kommunistische Weltorganisation gab der KPV bereits im Prozess ihres Entstehens bei der Erfüllung dieser Aufgaben eine entscheidende Unterstützung.[18] Dieser Aspekt  vermittelt die Erkenntnis, wie dringend geboten das Zusammenwirken der revolutionären Parteien heute in entsprechenden Organisationsformen ist, nicht zuletzt, um Erfahrungen auszuwerten und zu verallgemeinern.[19] Schließlich sei das Literatur- und Quellenverzeichnis mit vielen in der Bundesrepublik kaum oder in einigen Fällen auch noch nicht bekannten vietnamesischen Titeln erwähnt, dass für Historiker aber auch geschichtliche interessierte Leser von besonderem Wert sein dürfte. Dazu sei gestattet  zu erwähnen, dass der Autor während seiner mehr als dreijährigen Arbeit von 1967 bis 1970 in Hanoi  Persönlichkeiten kennen lernte, die an den Ereignissen zum Beispiel der Jahre 1930/31 noch beteiligt waren oder zu  ihnen forschten. Darunter befand sich der damalige Direktor des Instituts der Geschichte Vietnams, Prof. Tran Huy Lieu, Autor zahlreicher Publikationen zum vorliegenden Thema.[20] In Nhge An traf der Autor mit Kämpfern der Roten Garden zusammen.[21]

                             Gerhard Feldbauer, Poppehausen

China

Klaus Müller:
Die Hoffnung stirbt zuletzt

Innerhalb der deutschen Linken ist eine Diskussion über die Entwicklung Chinas entstanden, die sich auch mit der Frage auseinandersetzt, ob China noch als sozialistisches Land zu betrachten ist. Die Autorin Paula Panther des Artikels über China in „offen-siv“ Juli-August 2007 setzt sich mit Positionen und Interpretationen von Befürwortern und Kritikern der politischen und ökonomischen Entwicklung in China auseinander.

Zunächst nennt sie Argumente jeder der beiden Gruppen, die sie für richtig hält:

Befürworter

Kritiker

●    hoher Anteil staatlichen Eigentums

● nachholende Produktivkraftentwick-lung im Produktionsmittelsektor

● unüberschaubare Menge kapitalisti-scher Elemente in Staat und Gesellschaft

● wachsende soziale Ungleichheit

● wachsende Zahl von Millionären

● Kapitalisten in der KPC

● miese Arbeitsbedingungen

●Kapitalexport Chinas

Jeder der beiden Argumentelisten folgt eine Interpretation.

…die ökonomische Basis für eine sozialistische Entwicklung wird verbes-sert

…und was der ungemütlichen Phäno-mene mehr sein mögen, die nicht eben sozialistisch anmuten.

Die Interpretation wird nicht belegt, nachgewiesen oder begründet, sondern enthält in Wortwahl und Satzkonstruktion bereits eine Wertung. Zu den Interpretationen stelle ich fest:

Der hohe Anteil staatlichen Eigentums und die Entwicklung der Produktionskraft im Produktionsmittelsektor wird inter-pretiert als Verbesserung der ökonomi-schen Basis für eine sozialistische Ent-wicklung.

Aus den aufgezählten Merkmalen werden ungemütliche Phänomene (Erscheinun-gen). Es ist die Frage zu stellen: zu wel-cher Sache, zu welchem Wesen gehören die Erscheinungen?

Während Argumente der Kritiker als ungemütliche Phänomene, die nur anmuten, nicht sozialistisch zu sein, bewertet sind, werden Argumente der Befürworter als der sozialistischen Entwicklung dienende Tatsachen dargestellt. Das Wort „anmuten“ verstärkt das Abtun der Argumente.

Bis auf die miesen Arbeitsbedingungen sind alle aufgezählten Merkmale der Kritiker eindeutig Merkmale, die ausschließlich kapitalistischen Systemen zuzuordnen sind. Die Formulierung „wachsende soziale Ungleichheit“ ist nach meiner Einschätzung eher eine verniedlichende und sehr beschönigende Umschreibung der tatsächlichen Vorgänge. In verschiedenen Meldungen war von Millionen Wanderarbeitern, Obdachlosen, und Arbeitslosen zu lesen, die am Rande des Verhungerns existieren.

Für ein sozialistisches System ist eine „unüberschaubare Menge kapitalistischer Elemente“ nicht nachvollziehbar. Die kapitalistischen Elemente müssen überschaubar und beherrschbar sein. Alles andere bedeutet, dass das Proletariat nicht mehr die Führung besitzt und die Entwicklung bestimmt. Korruption bis in höchste Regierungskreise passt ebenso wenig zu einem sozialis-tischen System wie Kapitalisten in der Partei des Proletariats.

Jedes der unvereinbaren eindeutig kapitalistischen Merkmale entfaltet seine Wirkung auf das ökonomische, politische und gesellschaftliche System Chinas und verändert es. Sind das nur „ungemütliche Phänomene“ in einem ansonsten intakten sozialistischen Land, oder sind es harte Fakten?

Ohne qualitative Aussagen über Wirkung, Nutzung oder Funktion des staatlichen Eigentums kann dies nicht von vornherein als sozialistisch bewertet werden. Die BRD war nie ein sozia-listisches Land, obwohl bedeutende Konzerne wie VW, Post oder Bahn staatlich waren oder noch sind. Auch die rasante Entwicklung der Produktivkräfte besagt noch nicht, dass dies einer sozialistischen Entwicklung dient. Sie kann ebenso gut der kapitalistischen Entwicklung dienen und die Ausbeutungsbedingungen für Kapitalisten verbessern. Rasante, man könnte auch sagen chaotische Entwicklung der Produktivkräfte ist übrigens eher ein kapitalistisches Merkmal.

Ein Punkt in der Entwicklung der KPC, den ich für einen entscheidenden Eck- und Prüfstein halte, wird in dem Artikel nicht behandelt. Ich meine die bereits erfolgte Aufweichung der Ideologie. Die chinesische Führung verkündet eine „harmonische sozialistische Gesellschaft“ als Ziel. Da ist weder von Klassen und Klassenkämpfen die Rede, noch vom Führungsanspruch des Proletariats. Mich erinnert das sehr an die Chruschtschowschen Phrasen von der Partei des ganzen Volkes und der Überwindung der Klassen. Was daraus geworden ist, kann heute in der Realität bestaunt werden.

Der historische Ablauf der Zerstörung der Sowjetunion bietet m. E. eine Hilfestellung für die Beurteilung der Vorgänge in China.

Die Sowjetunion wurde nicht von außen besiegt und nicht durch innere Unruhen. Die Zer-störung fand aus dem Innersten der KPdSU selbst statt. Revisionisten und Verräter hatten sich seit Chruschtschow in der Führung der Partei festgesetzt. Schritt für Schritt veränderten sie die ideologischen Inhalte der Partei. Die Inhalte der Ökonomie folgten mit Verzögerung.[22] Danach wurde auch die noch bestehende sozialistische Hülle abgelegt. Sie passte nicht mehr für die kapitalistischen Inhalte.

In China scheint der Ablauf ähnlich zu sein. Die sozialistische Ökonomie wandelt sich derzeit rasant zu einer Ökonomie, die „unüberschaubar“ viele kapitalistische Elemente enthält. In der Ideologie gibt es seit langem Wellenbewegungen. Mal mit mehr, mal mit weniger Auf-weichungen, was weiter oben schon angesprochen ist. Der Begriff „harmonische Gesellschaft“ beispielsweise entspricht konfuzianischer Philosophie, nicht marxistisch-leninistischer.[23]

Auf diesem Hintergrund muss die Frage gestellt werden, welchen konkreten und harten Inhalt haben die Erklärungen der Führung der chinesischen KP?[24] Besteht der Sozialismus in China nur noch aus einer äußeren Hülle, die bereits einen anderen Inhalt verbirgt?[25]

Derzeit kann niemand mit Bestimmtheit sagen, was in China tatsächlich ist und wie es sich in den nächsten Jahren entwickelt.

Für Kommunisten sollte gelten, eine korrekte Analyse vorzunehmen und daraus Schluss-folgerungen zu ziehen, die nicht von hoffen und wünschen gefärbt oder verfälscht sind. Kommunisten müssen zur Kenntnis nehmen, dass es durch Tatsachen begründete Zweifel an der sozialistischen Verfasstheit Chinas gibt. Darum halte ich es für angebracht, zum ersten Teil des Artikels von Paula Panther die oben stehenden Argumente und Gedanken beizutragen.

Den Inhalten und der Darstellung des zweiten Artikelteils stimme ich in vielen Teilen zu. Hier stellt die Autorin die internationalen Aktivitäten Chinas dar. Sie hebt hervor, dass diese sich von den Raubmethoden der imperialistischen Länder mit den USA an der Spitze unterscheiden.

Das ist hinreichend, um China gegen imperialistischen Chauvinismus[26] zu verteidigen und der kapitalistischen Hetze entgegen zu treten.

Im Kampf gegen den imperialistischen Hauptaggressor USA mit seinem Anhang kann China ein wichtiger und wirksamer Verbündeter von Kommunisten sein – unabhängig davon, ob es sozialistisch oder auf dem Weg zum Kapitalismus ist oder diesen Weg bereits vollendet hat.

Das gilt auch für Russland!

Die Autorin begründete schlüssig, dass Kommunisten China verteidigen sollten, was den antiimperialistischen Gesichtspunkt betrifft. Im ersten Teil ihres Artikels sollten die Fakten härter benannt und bewertet werden und nicht Wunsch und Hoffnung die Feder führen.

                                 Klaus Müller, Karl-Marx-Stadt

Hermann Jacobs:
Die chinesische Option

In seiner Juli-Ausgabe von 2007 veröffentlicht der „RotFuchs“ ein Extra, das ganz dem Thema gewidmet ist, wie die KP Chinas die jüngeren Entwicklungen in der Geschichte der kommunistischen Bewegung seit ungefähr 1989/90 einschätzt - also sagen wir seit der „Sowjetischen Wende“ -, mit einem Bezug allerdings auf die Gesamtgeschichte der Sowjetunion, soweit er der Erklärung der Ursachen dieser jüngeren Ereignisse dienen soll. Endlich, könnte man sagen, haben wir den Einblick in die chinesische Antwort auf die so genannte Krise des Sozialismus/Kommunismus. Eine Einschätzung des eigenen Weges Chinas wird nicht ausgespart, im Gegenteil: sie ist Gegenstand jener Antwort, auf die die KP Chinas offensichtlich Wert legt, dass sie Allgemeingut in der internationalen Bewegung zum Sozialismus/Kommunismus würde.

Die Veröffentlichung im „RotFuchs“ ist keine der KP Chinas selbst, sie fußt aber auf Veröffentlichungen dieser Partei, darunter des ZK der KP Chinas bzw. einzelner Wissenschaftler wie Politiker dieser Partei. D.h. diese chinesischen Dokumentationen sind referierend wiedergegeben, in der Regel ohne Titel- und Autorangabe – bis auf eine Sammelarbeit, die namentlich erwähnt ist: Das vom „Verlag für die Herausgabe von Dokumenten des Zentralkomitees 2004 veröffentlichte Buch ‚Theorie und Praxis des Sozialismus – Nachdenken aus heutiger Sicht’“. Ein anderer Hinweis bezieht sich auf solche Beiträge in „Renmin Ribao“, Zentralorgan der KP Chinas.

Autor der Veröffentlichung im „RotFuchs“ ist Rolf Berthold, Vorsitzender des RotFuchs-Fördervereins, bekannt auch/noch als langjähriger Botschafter der DDR in der Volksrepublik China; Autor zahlreicher Veröffentlichungen über China seit dieser Zeit. Als Titel seines Beitrages ist der Titel des genannten chinesischen Sammelwerkes übernommen: „Zur Theorie und Praxis der KP Chinas auf dem sozialistischen Weg / Nachdenken aus heutiger Sicht“.

Da nun die chinesische Sicht den Weg nach Europa, mindestens aber nach Deutschland gefunden (ich weiß von keiner anderen bisherigen fundierten Wiedergabe der chinesischen Auffassung), scheint mir eine Reaktion unumgänglich.

Zunächst eine komplexere Wiedergabe der chinesischen Positionen im Einzelnen, die, wie schon gesagt, nur referierend wiedergegeben sind, wir verfügen also über keine wörtlichen Zitate der chinesischen Quellen; alle Zitate in Parenthese sind also Zitate aus Berthold, wir unterstellen aber, dass sie den Quellen entsprechen.

1. Zu einigen Grundpositionen

Die KP Chinas … ist der Auffassung, dass die sozialistische Weltbewegung nach dem schweren Rückschlag 1989/1991 nicht … vollständig zusammengebrochen ist. Noch weniger könne man davon ausgehen, dass die Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Sozialismus im 20. Jahrhundert entschieden worden sei.

Hier zeigt sich auch die Unhaltbarkeit der Trennung zwischen Sozialismus des 20. und des 21. Jahrhunderts. Es gab keinen Jahrhundertbruch des Sozialismus. Die Entwicklung in China, Kuba und Vietnam zeugt davon, dass der Sozialismus nicht wieder von „0“ beginnen muss. …

Die Politik der KP Chinas sei auf die Vervollkommnung der wirtschaftlichen und politischen Strukturen des Sozialismus ausgerichtet und nicht auf seine Beseitigung. Darin bestehe der prinzipielle Unterschied zwischen den Reformen in China und denen in Russland und den anderen sozialistischen Ländern. …

Nach der Errichtung der neuen Ordnung in China stand, so sehen es die chinesischen Marxisten, vor der KP die komplizierte Frage, wie der Sozialismus aufgebaut werden kann. Vorbild konnte nur die UdSSR sein. Deshalb wurden in der ersten Zeit die sowjetischen Methoden angewandt. Zentrale Planwirtschaft, die Entwicklung der Leitung der Wirtschaft mit administrativen Mitteln spielten in der Zeit der gesellschaftlichen Umgestaltung die entscheidende Rolle. …

Es folgte aber, so urteilt die Führung der KP Chinas, eine Periode linker Fehler und sich daraus ergebender gesellschaftlicher Zerrüttung: Großer Sprung, Volkskommunen, Kulturrevolution. … Die verhängnisvolle Entwicklung wurde mit der Tagung des ZK der KP Chinas im Dezember 1978 gestoppt. … Eine Politik der Reformen und der Öffnung nach außen wurde eingeleitet, die wirtschaftliche Entwicklung in den Mittelpunkt gestellt. Die ökonomischen Positionen Deng Xiaopings, die ab 1978 realisiert wurden, sind auf die Neue Ökonomische Politik (NÖP) Lenins zurückzuführen“.

Ich unterbreche im Auszug, um drei Bemerkungen machen zu können: 1. sollten wir den Optimismus der KP Chinas hinsichtlich der Lage in der sozialistischen Bewegung wie der Zukunft des Sozialismus, seiner Untrennbarkeit Jahrhunderten nach, teilen. 2. sollte darauf verwiesen werden, dass die Schwierigkeiten, an die die KP Chinas ab 1956 geraten, auch nichts mit den Methoden zu tun hatten, die sie von der UdSSR zuerst übernommen – also Großer Sprung usw. ist rein innerchinesisches Problem und führt nicht auf Planwirtschaft zurück (dass diese administrativ geleitet, scheint mir etwas überzeichnet (hat aber einen Grund, wie wir noch sehen werden)). 3. dass in den Reformen (des Deng Xiaoping) auf die NÖP, also Lenin, zurückgegriffen worden, ist neu und verdient der Beachtung/Bewertung. China ab 1978 wäre also nach Einschätzung der KP Chinas ein Land der Neuen Ökonomischen Politik Lenins? Einer Periode des Sozialismus vor der Planwirtschaft? Damit hätte sich China in seiner Entwicklung anders als noch an seinem Beginn von 1949 zur inneren Geschichte der Sowjetunion bestimmt. Und womit sich eine Einschätzung Stalins, der KPdSU unter Stalin, wie sie nun folgt, von selbst ergibt.

Weiter bei Berthold:

„Die Analysen der chinesischen Marxisten besagen, dass die Leninsche NÖP nur in Anfängen umgesetzt wurde. Nach dem Tode Lenins habe es grundsätzliche Auseinandersetzungen gegeben, in denen sich Stalins Position durchsetzte. Die NÖP wurde abgebrochen. In den 29 Jahren, in denen Stalin den sozialistischen Aufbau in der UdSSR führte, entwickelte sich die UdSSR aus einem wirtschaftlich und kulturell relativ rückständigen Agrarland zur zweitstärksten Industrie- und Militärmacht der Welt. Sie errang den entscheidenden Sieg im Zweiten Weltkrieg gegen die Aggression des deutschen Faschismus, brachte die internationale kommunistische Bewegung voran, schuf das sozialistische Lager, das sich mit dem kapitalistischen Weltlager messen konnte. Über lange Zeit habe Stalin am sozialistischen Weg, am Gemeineigentum, der Verteilung nach der Leistung und weiteren sozialistischen Grundprinzipien festgehalten und damit bestimmte historische Verdienste erworben.“

Ich unterbreche: Wohltuende Worte, wo liest man sie heute noch? Doch weiter:

„Doch das unter seiner Führung geschaffene ‚Stalinsche Modell’ der sozialistischen Entwicklung habe sich als ernsthafte Verletzung der sozialistischen Prinzipien, als eine ‚linke’ Abweichung erwiesen.“

Berthold schaltet hier den Hinweis ein, dass aber „in den Materialien der KP Chinas der Begriff ‚Stalinismus’ nicht vorkommt“.

Es reicht, denke ich mal, auch so.

Wir haben begriffen: Der Wechsel Chinas in der Wahl seines Wirtschaftssystems (1978) bedeutet seinen Wechsel im Verhältnis zur inneren Geschichte der Sowjetunion. Aus einem Verhältnis zu deren Entwicklung oder höheren Stufen wurde ein Verhältnis zu deren Anfang oder ersten Stufe – mit Rückwirkung, Überprüfung oder was auch immer des bisherigen durch das neue Verhältnis.

Es folgt jetzt bei Berthold der Abschnitt

2: Einschätzung der Bedingungen und Ursachen der konterrevolutionären Umbrüche 1989/1991,

aus dem ich nur die Ausführungen zitieren möchte, die sich auf den Vorwurf der „linken Fehler der KPdSU/Stalins“ beziehen; sie drücken ja den Wechsel aus; zunächst ein allgemeiner Satz:

„Die KP Chinas geht davon aus, dass sowohl innere als auch äußere Bedingungen und Ursachen zu den gesellschaftsverändernden Ereignissen in der UdSSR und den osteuropäischen Ländern führten. Doch die inneren Ursachen werden als die entscheidenden betrachtet, ohne die die äußeren nicht hätten zur Wirkung kommen können.“

Es werden dann im Einzelnen Punkte genannt, darunter solche der Einschätzung des Kapitalismus durch die sowjetischen Kommunisten, zu schnelles Tempo bei der Vergesellschaftung des Eigentums an den Produktivkräften, politische Fehler im Verhältnis Partei und Staat („keine klare Trennung“ der Kompetenzen) usw., uns interessiert der Punkt 6:

„Es sei negiert worden (durch die Sowjetunion/Stalin, J.), dass es nicht nur ein Modell des Sozialismus gibt. Die Entwicklung habe gezeigt, dass die drastischen gesellschaftlichen Veränderungen in der UdSSR und in den osteuropäischen Staaten das Ergebnis langfristiger dogmatischer und ‚linker’ Fehler sind. Als Gorbatschow und Führer der kommunistischen Parteien Osteuropas diese Fehler zu korrigieren vorgaben, begingen sie fast ausnahmslos rechtsopportunistische Fehler. Sie ließen den Marxismus, die führende Rolle der Partei und die Prinzipien des Sozialismus fallen. Aus dieser Sicht gesehen sei die Niederlage des Sozialismus in Europa nicht das Ergebnis ‚linker’, sondern rechter Politik.“

Dieser Gedanke wird weiter unten noch einmal bekräftigt:

„Von ultralinks sei man nach ultrarechts gewechselt“.

Und was die Ursachen der Niederlage betrifft, werden erneut aufgeführt:

„ – die langfristige ideologische Erstarrung der Führungen der KPdSU und der Parteien der osteuropäischen sozialistischen Staaten, ihr Festhalten am ‚linken Weg’, ihr Beharren auf dem unter spezifischen historischen Bedingungen entstandenen ‚Stalinschen Modell’“.

Zur Einschätzung der chinesischen Position

Wir sehen jetzt, dass uns die KP Chinas etwas verständlich machen will: Die Logik und Notwendigkeit ihrer Reform von 1978. Sie bemüht eine Kontinuität zur KP der Sowjetunion, sieht diese aber gegeben in der NÖP Lenins, denn ihre Reform steht der NÖP näher als der Planwirtschaft Stalins – obwohl sie dieser die vielen (ersten) Erfolge verdankt, und eine insgesamt viel bessere geschichtliche Lage der sozialistischen Bewegung als wir sie seither hatten. China hat ja daran partizipiert. Aber nun ist China „übriggeblieben“ – erfolgreich, und das Sowjetreich am Boden. Wie erklärt sich das? Dadurch, dass China viel früher das Haar in der Suppe der sowjetischen (stalinschen) Küche (sprich Planwirtschaft) gefunden hat und vor allen Dingen: Viel besser, als einzige Partei richtig auf den Widerspruch des sowjetischen Systems reagiert hat?

China signalisiert uns etwas. China will nicht einfach die sowjetische Entwicklung erklären, es will sich, China erklären – und im Kontext zur sowjetischen resp. allgemeinen bisherigen Geschichte des Sozialismus/Kommunismus.

Soweit es darum ginge, haben wir dagegen nichts. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass man – als Kommunist - nichts gegen die Erfolge Chinas haben kann, und wenn sie diese einem besonderen System in der Ökonomie zu verdanken hat - und wenn es sich tausendmal vom sowjetischen, „stalinschen“ unterscheidet -, werden wir auch das der Beachtung wert befinden. Aber: Das sowjetische ökonomische System war auch erfolgreich – wie durch die KP Chinas ja bestätigt. Zwei Systeme können doch erfolgreich sein. Wo ist die Notwendigkeit, den Wert des einen Systems zu bestätigen auf Kosten eines Unwertes des anderen? Man muss Stalin nicht zum Linken/Schlechten erklären, um Deng Xiaoping - oder gleich die ganze KP Chinas - zum … Rechten(Richtigen)/Guten.

Es kann sich doch bei den beiden Vorgehensweisen um historisch geprägte Vorgehensweisen handeln. Die UdSSR war einer besonderen Geschichte ausgesetzt, und China an eine besondere geraten; und dem entsprachen bedingte Verhaltensweisen, besondere Systeme im Herangehen an die Arbeit. Und dann sind beide gut und berechtigt - zu ihrer Zeit.

Es besteht sowieso keine Notwendigkeit, das chinesische ökonomische Modell dem sowjetischen ökonomischen Modell des Sozialismus entgegen zu stellen, wenn die KP Chinas ausdrücklich betont, dass sie mit dem ihren an die NÖP Lenins anknüpft. Dann sieht sie sich in der selben historischen Situation wie damals Lenin (oder Rußland). Und dann fallen beide Systeme, die NÖP wie das chinesische Modell, in eine Periode vor dem Übergang des Sozialismus zur Planwirtschaft, und dann unterscheiden sie sich nur graduell bezogen auf diese Periode, aber nicht an sich, bezogen auf den ganzen Sozialismus.

Man verstehe: Ergibt sich aus der Einschätzung der KP Chinas, dass für China ein näherer Bezug zu den Verhältnissen der NÖP-Periode Russlands legitim ist, zwingend, dass der Übergang der Sowjetunion zur Planwirtschaft, zum Stalinschen Modell des Sozialismus ein linker Lapsus ist? (Wir kennen die Bedeutung solcher Zuordnung von Begriffen wie „linker“ und „rechter“ Opportunismus in der marxistischen Arbeiterbewegung; es sind Begriffe der Abgrenzung und Aussonderung aus dem Marxismus). Nach meiner Auffassung brauchte eine Unterscheidung oder gar Wertung zum Modell der Planwirtschaft dann nicht zu erfolgen, sie wäre auch historisch nicht gemäß. Wir unterstellen, dass auch der Sozialismus bereits eine innere historische Geschichte aufweist, also nicht zu jeder Zeit über den Kamm eines einzigen ökonomischen Systems geschoren werden kann. Dies also einmal betont. Aber wir unterstellen dann auch, dass aus irgendeinem offensichtlich nun unerfindlich scheinenden Grund die Sowjetunion damals (ab 1929) einen höheren, weiterentwickelteren Sozialismus praktizierte als die NÖP je einer war – was uns sehr selbstverständlich vorkommt, aber auch einen weitergehenderen Sozialismus praktizierte als ihn China heute praktiziert, was uns nun ebenso selbstverständlich vorkommen könnte. Stalin war eben nicht „links“, sondern weiter. Die Planwirtschaft steht historisch gesehen höher als Dengs Reformen, die Sowjetunion von 1935 erhob sich historisch über China von heute. Warum denn nicht? (Steht denn – kapitalistisch gesehen – Deutschland nicht auch historisch (kapitalistisch historisch) über Indien? Genetisch höher zu stehen macht doch keinen Harm, und hebt nicht die Notwendigkeit der niederen Form auf.)

Wenn kein Vergleich zweier verschiedener Etappen notwendig ist, weil sie dem Inhalt nach auseinander fallen, dann muss man sich auch nicht an Stalin reiben. Reibt man sich aber, dann will man es auch. Dann nämlich befindet man sein Modell als – allgemeingültig, und nicht „Stalins“. Dann ist eben das Bekenntnis zu Lenin, zur NÖP, zugleich eine Kritik an Stalin, an der Planwirtschaft, dann will man sein (chinesisches) System, um das Stalinsche loszuwerden. Deshalb die gesuchte Kritik, deshalb der künstliche Gegensatz. Der ansonsten, bei Konstatierung zweier historischer Etappen (oder Bedingungen), unnötig, überflüssig wäre.

Besteht denn wirklich ein Grund dazu, die Frage zu einem Gegensatz zuzuspitzen? Wer will denn China in dieser Polarisierung sehen? Es schadet der „chinesischen sozialistischen Marktwirtschaft“, wenn sie einen Gegensatz zur „sowjetischen sozialistischen Planwirtschaft“ herauskehrt – weil, liegt beiden Systemen ein historischer Unterschied zugrunde, es keiner ist. Außer, man will ersetzen, das eine gegen das andere austauschen. D.h. wenn für beide Systeme ein gleicher historischer Raum beansprucht ist, muss ein System weichen. (Aber dann gilt natürlich auch die Umkehrung: Die Planwirtschaft ist ein Gegensatz zur Marktwirtschaft).

Doch China kann ja eine Doppelökonomie sein, zwei Systeme zur gleichen Zeit. Vielleicht definiert das die chinesische Reform viel besser, in letzter Konsequenz auch die NÖP viel besser. Wir wollen den chinesischen Historismus nicht nicht entdecken, sondern richtig entdecken, frei von einem künstlichen Gegensatz, der in der internationalen Bewegung zum Sozialismus zu Irritationen führen könnte.

Stalin, ein Linker?

Wie plötzlich.

Eben war er noch der „Demiurg“.

Wenn Stalin ein Linker ist, dann ist Marx auch ein Linker.

Bevor wir uns China ergeben, wollen wir eine Verteidigung Stalins wagen: Stalin ist nicht durch eine besondere Planwirtschaft charakterisiert, sondern durch die allgemeine, durch eine solche Planwirtschaft, wie Marx, der Marxismus sie konzipiert haben. Zu dieser ist er übergegangen, durch diesen Übergang ist Stalin geprägt, das ist … Stalinismus. Auch wenn jetzt mancher stutzt. Ein positiver Inhalt für den Begriff Stalinismus? Aber wir müssen doch nach der wesentlichen gesellschaftlichen Veränderung, die damals stattfand und die ja wohl namentlich mit deren politischen Führern verbunden ist, fragen und einordnen. Also Stalin = Planwirtschaft, = … die Produktionsweise des Kommunismus.

Man kann Stalin nicht vorwerfen, dass er die NÖP abgebrochen habe, maximal, dass er sie „zu früh“ abgebrochen hat. Aber was heißt „zu früh“ – historisch? Und was „abgebrochen“? Die NÖP wurde historisch notwendig, als der Kommunismus des Krieges, nämlich der des Bürgerkrieges, beendet werden konnte. Dann brauchte die allgemeine Abgabepflicht – gegen Private - nicht mehr zu gelten. (Was aber keine Kritik an der allgemeinen Abgabepflicht an sich war, denn das ist ja Kommunismus.) Aber jede NÖP wird nicht mehr notwendig, wird überflüssig, gar falsch (!), wenn man mit der Planwirtschaft beginnen will. Nach dem (Bürger)Krieg ist nicht vor der Planwirtschaft. Sondern das eine ist eine Historie der besonderen Art, und das andere ist eine solche. Die Sowjetunion hatte nach dem Ende des Bürgerkrieges 8-10 Jahre die Zeit, die NÖP und die Planwirtschaft aufzubauen: nebeneinander und ohne dass es um ein Verhältnis zwischen beiden Methoden zu gehen brauchte - beide waren ja objektiv notwendig, bis es aber darum ging, nur noch von einer Objektivität auszugehen: der neuen, soeben historisch geschaffenen. (Wie lange soll denn die spezifische Bauernfrage des Sozialismus noch gelten?)

Die NÖP hat also nur eine Zeit, aber zwei Bedingungen: Eine am Anfang, eine am Ende. Ab der ersten ist sie möglich, ist sie die einzige mögliche (!) notwendige Ökonomie – denn man hat es mit privaten Bauern zu tun, aber ab der Planwirtschaft – wenn sie gesellschaftlich eingeführt werden kann - hat man es mit bäuerlichen Genossenschaften zu tun, und die unterliegen einer Ablieferungspflicht, wie sie in Planwirtschaften allgemein üblich ist und die ab nun auch für die Bauern gilt. Der Wechsel im sozialen Status vom privaten zum Kollektivbauern hat es möglich gemacht. Und man sage nicht, das sei kein Wechsel.

Stalin habe die NÖP abgebrochen …, aber ist er zum Kriegskommunismus zurückgekehrt? Das ist doch die Frage. Natürlich nicht. Er ist zur Planwirtschaft übergegangen, und darin ist die Aneignung des bäuerlichen Produkts (wie des proletarischen) ein systematischer Teil der Aneignung. Hic Rhodus, hic salta. 

Ansonsten ist die Planwirtschaft ein eigenes System, verschieden von der Wertökonomie, und als solches von großer Kontinuität – wie es Gesellschaftsprinzipien so an sich haben. Die Wertökonomie herrschte zwei-, dreitausend oder noch mehr Jahre. Die Gebrauchswertökonomie wird auch Tausende von Jahren herrschen. D.h., sie wird das Prinzip abgeben. Und das heißt nicht „Erstarrung“, Vergangenheit, sondern Kontinuität, Zukunft.

Wir wollen die KP Chinas von dem unseligen Gegensatz zur Planwirtschaft befreien, dass sie ein linker Fehler der KPdSU, insbesondere Stalins war. Bei allem Stolz auf die Erfolge Chinas wollen wir das nicht. Dengs Reformen sind ein Weg/Ausweg Chinas aus seiner Krise (der Großen Sprungs usw.), aber sind sie ein Weg/Ausweg auch aus einer Krise der Planwirtschaft/Stalins? Da gibt es ganz andere Erklärungen der Russischen Wende, und in denen spielt eine ökonomische Krise der Sowjetunion gar keine Rolle. (Und da ist Rechtsopportunismus als Erklärung auch ein Fax.)

Kann Planwirtschaft überhaupt erstarren? Sie kann nur reformieren im Rahmen der Methodik der Planwirtschaft. Aber gäbe es eine Erstarrung, die sie als ökonomisches System unmöglich machte, dann müßte sie aufgehoben werden, und dann müßte die Kritik an der Planwirtschaft eine viel grundsätzlichere als die der chinesischen (und anderer) Form sein; d.h. dann wäre der Kommunismusgedanke, der gesamte Kampf für ihn als eine vom Kapitalismus befreiende Gesellschaftsordnung zu beenden. Dann müßten wir, wollten wir China so sehen, China ebenfalls als ein Ende, chinesische Endform des Kommunismus betrachten und wäre der Unterschied zu Gorbatschow gar nicht mehr so groß. China wäre ihm nur vorausgegangen - 1978, weniger schnell, weniger radikal. Aber das halten auch wir für unsinnig.

China ist ein Versuch, aus der NÖP mehr zu machen als Lenin … und Stalin (!) gemacht haben. Vielleicht geht das, geschichtlich kann das gehen. Das ist nicht ganz einfach, und China ist ja noch mitten im Gestalten. (Berthold: „Die Reformen, so stellten führende chinesische Politiker fest, sind wirtschaftlich kompliziert und politische riskant“.) Die NÖP hatte ja keine internationale Dimension. In China hat sie diese Internationalität – wenn sie damit noch eine NÖP ist. China soll seine Reform nicht verwehrt sein. Was kann man nicht alles mit einer politischen kommunistischen Macht machen, die sich der ökonomischen Methodik der Warenökonomie/des Kapitals bedient. Wir werden aller Wahrscheinlichkeit nach erst durch China erfahren, was wir nicht durch die Sowjetunion erfahren konnten (denn die KPdSU mußte sich auf einen zweiten Weltkrieg vorbereiten. China …? Worauf China?). Wir werden also lernen „über uns“ – durch China.

Aber: Lernen, indem wir das aufgeben, was wir durch die Sowjetunion gelernt haben? Es wäre kein guter Ratschlag und keine gute Schlussfolgerung. Die Planwirtschaft wäre durch die chinesische Reform nicht kritisierbar, denn sie ist einfach das grundlegende Verständnis des Kommunismus überhaupt; man kann Planwirtschaft „zu früh/zu schnell“ machen, aber nicht „links“ und nicht „rechts“. Das Prinzip Planung wäre immer richtig. Das wäre auch durch China zu lernen – später, ein zweites Mal. Oder der Kommunismus wäre eine Fehlaussage. Jetzt eine Entscheidung herbeizuführen, wäre nicht nur sinnlos, sondern gar nicht möglich; es gibt ja in der Realität nur die chinesische Variante. Ihr Gegenpol, die höhere Entwicklung, die über die bloße kommunistische Politik (= NÖP) hinausging, ist ja verschwunden. Historisch gesehen ist China konkurrenzlos – außer in der Erinnerung, im theoretischen Gewissen. Und an das wir hier natürlich appellieren…

Dass man in China sehr stolz auf seine Leistungen ist (obwohl wir nicht übersehen sollten, dass das Interesse an der chinesischen Option auch im kapitalistischen Westen sehr groß war wie ist – man verspricht sich einiges, und nicht für den Sozialismus), hat dazu geführt, dass so mancher Marxist, der sich als sozialistischer Reformer versteht, gerade in China den Beweis auch für den Inhalt/Gehalt seiner Reformvorstellungen vom Sozialismus sieht. Zum Beispiel: China ist der Beweis für das NÖS der DDR usw. Man konnte davon schon z.B. im „RotFuchs“ lesen. Also endlich der geschichtlich nachgereichte Nachweis für jegliche marktwirtschaftliche Reform im realen Sozialismus, der DDR, der UdSSR usw.? Damit wäre der Platz für die Theorie der Zukunft im Marxismus/des Sozialismus schon besetzt? Mit China hat die Reform überall gesiegt, auch da, wo sie versäumt wurde? Also auch: Kein Revisionismus?

Ich sehe die Lage so: Wurde bisher der Nachweis des Revisionismus (im Übergang von der Planwirtschaft zur „Marktwirtschaft“ wurde ja eine revisionistische Abweichung vom erreichten realen Sozialismus erkannt – u.a. „offen-siv“ hat das vehement zur Debatte gestellt) geführt von denen, die die Reform nicht wollten, wird er nun wohl geführt werden von demjenigen, der sie … macht. Aber es ist jener Marxist, der, wie wir meinen, auch der Planwirtschaft vorstand, er ist nicht jener Kritiker der Planwirtschaft, der der Planwirtschaft nachfolgt. Mag das ökonomische Moment das gleiche sein, die Person der Reform ist es nicht! Es ist nur unterstellt, dass China der Planwirtschaft entgegensteht, aber in einer wirklichen NÖP ist unterstellt, dass ein wirklicher Kommunist die Reform nur als Methode, als ein Mittel nutzt – eben für den Kommunismus, wie er kommen soll. Ich würde diesen Unterschied beachten, obwohl ihn in China wohl auch nicht alle noch beachten. Man kann sich auch zu früh freuen - auf „China“. Ich sehe die automatische Gleichsetzung zwischen „China“ und „NÖS“ usw. jedenfalls noch nicht.

                                            Hermann Jacobs, Berlin

Reinhold Schramm:
Die Siemens AG im weltweiten Einsatz - auch in China

Vorbemerkung:

Rundfunkmeldung: Die Siemens AG wird beschuldigt für den Zeitraum zwischen 1995 und 2006 mehr als 1,5 Mrd. Euro weltweit an Korruptions- und Schmiergeld gezahlt zu haben - und die Ermittlungen zur Aufklärung laufen [1] (noch. -R.S.).

Meine Meinung: Es handelt sich bezüglich der Beschuldigungen gegenüber der Siemens AG um eine Untertreibung! Hierzu: Auf einer inoffiziellen Konferenz des DGB-Landesverband Berlin, im Jahr 1988, unter Anwesenheit des amtierenden DGB-Landesvorsitzenden, des zuständigen Sprechers der damaligen Justizsenatorin und des für Korruptionsbekämpfung in Westberlin zuständigen Kriminalisten u.a. weiter Mitarbeiter und geladene Teilnehmer (- R.S.), offenbarte man die (auch nach bürgerlichen Gesetzen) strafrechtliche Korruptionssumme, nur für das Jahr 1987, nur in Westberlin, in Höhe von 5 Milliarden DM; - u.a.: 'Unterschlagung, Bereicherung im Amt, Vetternwirtschaft, Schmiergeldzahlungen, - falsche Abrechnungen, Steuerbetrug, etc.'

Im Jahr 1987 handelte es sich bei jeder 7. Deutschen Mark (nicht nur) im Wirtschaftskreislauf von Westberlin um Korruptions- und/bzw. Schmiergeld.

Weiterhin: Um welche Summen und um welchen (verschobenen) Reichtum es sich tatsächlich handelt auf dem Gebiet der Korruption und Profit-Wirtschaft, insbesondere bei Konzern- und Monopolunternehmen im weltweiten Einsatz, so auch bei der Siemens AG, dürften wir im Kampf um die Macht und Herrschaft, um die reale Überwindung und Aufhebung der Bourgeoisie und deren Administration, - in der Wirtschaft, im Staat und in der Gesellschaft, erfahren!

Die Siemens Aktiengesellschaft

Fakten und Zahlen: Die Siemens AG ist mit Niederlassungen in mehr als 190 Ländern vertreten. Der Weltkonzern beschäftigt weltweit ca. 480.000 Mitarbeiter, davon 34 % (im Jahr 2006) in Deutschland. Im Geschäftsjahr 2006 betrug der Umsatz 87,325 Mrd. Euro, nach 75,445 Mrd. Euro im Jahr 2005. Der Unternehmenssitz befindet sich in München und Berlin. Vorstandsvorsitzender ist Peter Löscher. [2] Zu ihren Arbeits- und Produktionsgebieten gehören die Informationstechnik und Telekommunikation; Automatisierungstechnik; Energieversorgung, u.a. Kraftwerkstechnik [3]; Verkehrstechnik; Medizintechnik; Beleuchtungstechnik. [vergleiche unter Punkt: 2] Über ihre 100%-Tochterunternehmen hinaus ist die Siemens AG unter anderem beteiligt: ehem. 'Advanced Nuclear Fuels' - über die 'Siemens Nuclear Power GmbH' (100 %); Fujitsu Siemens Computers (50 %); HTR-GmbH - Gesellschaft für Hochtemperaturreaktoren (50 %); Nuklearrohr-Gesellschaft mbH ('mit beschränkter Haftung'); ehem. Siemens Nuclear Power GmbH; Siemens Power Corporation, USA (Herstellung von Brennelementen) (100 %); u.a.m. [4]

Auf ihrer Internationalen Webseite [5] führt die Siemens AG u.a. aus: "Weltweit engagiert sich Siemens in vielen sozialen Projekten und hilft mit, Infrastruktur, Gesundheit und Bildungswesen zu verbessern." Anmerkung hierzu: Bei der Internet-Präsentation handelt es sich vor allem um oberflächliche 'Werbebotschaften' des Konzerns. Aus der offiziellen Selbstdarstellung der Siemens AG sind kaum Informationen zu gewinnen. Auch die Kennzahlen aus dem allgemein zugänglichen 'Geschäftsbericht' vermitteln keine inhaltliche Struktur und deren Aufbau, - wie auch der 'aktuelle' Korruptions-Fall zeigt.

Zu ihren Mitarbeitern in den Regionen führt die Siemens Aktiengesellschaft aus:  161.100 = 34 % in Deutschland; 127.400 = 27 % in Europa (ohne BRD); 104.100 = 21 % in Amerika; 69.800 = 15 % in Asien - Pazifik; 12.500 = 3 % in Afrika, Naher und Mittlerer Osten, GUS. Im Jahr 2006 wurden weltweit 75.200 Mitarbeiter eingestellt, davon 36 Prozent mit Hochschulabschluss (ca. 27.000). 60 Prozent (ca. 16.200) der eingestellten Hochschulabsolventen sind Ingenieure und Naturwissenschaftler.

Die Siemens AG in China

U.a. berichtet der Weltkonzern in seiner Selbstdarstellung zu China: "In China sind alle Arbeitsgebiete (...) vertreten, wobei das Hauptgeschäft auf der Infrastrukturentwicklung liegt." Im Geschäftsjahr 2006 (01.10.2005 bis 30.09.2006) betrug der Umsatz in China mehr als 4,4 Mrd. Euro. "Mit über 36 000 Mitarbeitern zählt Siemens zu den landesweit größten Arbeitgebern (...)." Und: "Siemens hat 100 Millionen EUR in den Bau seines neuen Firmensitzes investiert."

In ihrem Dokument "Siemens in China" [6] führt die Aktiengesellschaft zu 'Forschung und Entwicklung' aus: "Mit über 1000 Patentanmeldungen gehörte Siemens 2005 zu den Unternehmen mit den meisten Anmeldungen in China. Am 30. Oktober 2006 wurde das neue Siemens Forschungszentrum in Beijing eingeweiht. Rund 80 Millionen Euro will Siemens bis 2010 in die beiden Forschungsstandorte Beijing und Shanghai investieren, an denen über 300 Wissenschaftler (...) forschen sollen."

Weiterhin: "Siemens hat bisher mehr als 70 Gesellschaften und 58 Zweigniederlassungen in China gegründet und plant in den kommenden Jahren weitere Investitionen in Höhe von insgesamt 1 Mrd. EUR (...)." Und: "Im September 2006 erhielt Siemens Ltd. bereits zum dritten Mal die prestigeträchtige Auszeichnung Guangming Corporate Citizenship in Anerkennung des Beitrags von Siemens zum Gemeinwohl in China." - Anm.: Demnach arbeitet die Aktiengesellschaft, die Privateigentümer und Aktionäre (und die ausgebeuteten Mitarbeiter der Siemens AG), "zum Gemeinwohl in China." [7]

Abschließend auch hierzu: "Siemens sorgt mit seinen Atomexporten für die Verbreitung von Technologie und Know-how, die auch für die Entwicklung von Atombomben hilfreich sein können. Das Unternehmen ist weltweit tätig in den Bereichen Kernbrennstoffversorgung, Wartung und Nachrüstung - laufender Atomkraftwerke sowie Errichtung neuer Atomkraftwerke (...) In der jüngsten Vergangenheit war Siemens an Neubauten (...) in China beteiligt." [8]

                                                                                  Auszug und Zusammenfassung: Reinhold Schramm

Quellenverweis:

[1] 'Info-Radio-Berlin-Brandenburg' (Info-rbb), am 21.09.2007, 10.00 Uhr. ----- [2] vergleiche: 'Wikipedia' - im Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Siemens_AG. ----- [3] siehe: "China und die (europäische) Atomindustrie", 'LabourNet.de Germany', http://www.labournet.de/internationales/cn /schramm_atom2.html. ----- [4] siehe [2] und unter [3]. ----- [5] Internet: http://w1.siemens.com/de/entry.html. ----- [6] siehe: 'siemens.com' [5] -PDF: China2001de_223993.pdf - Adobe Reader [7]  Siemens AG - Homepage: http://www.siemens.com.cn. -----[8] IPPNW - Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V., http://www.ippnw.de/Atomenergie/Siemens-Boykott/

Reinhold Schramm:
Die "Allianz SE"auch im China - Geschäft.

Fakten und Zahlen - Allianz SE:

Aus der Selbstdarstellung der Allianz SE: "Mit Ihrer Erfahrung und Finanzkraft steht die Allianz bei mehr als 20 Millionen Kunden in Deutschland für Zuverlässigkeit und Sicherheit." [1] Die Allianz SE (siehe hierzu dieAnmerkungen und den Quellenverweis) ist einer der weltgrößten Versicherungs- und Finanzdienstleistungskonzerne. [2] Die Allianz SEhatte im Jahr 2006 weltweit 166.505 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von 101,129 Milliarden Euro und einen Nettogewinn von 7,021 Milliarden Euro. Die 'Allianz - Gesellschaft' tritt weltweit als "Allianz Group" auf. Vorstandsvorsitzender des Konzerns ist Michael Diekmann.[3]

Im Oktober 2006 erfolgte die Fusion mit der italienischen "RAS" [4] und die Umwandlung der "Allianz AG" in eine 'Europäische Aktiengesellschaft' (SE) mit dem Namen "Allianz SE". Anmerkung und Hinweis: "SE" steht im (bürgerlichen) europäischen Wirtschafts- und Unternehmensrecht für "Europäische Gesellschaft" und steht Umgangssprachlich für "Europa AG" [5]

"Allianz Group"

Fakten und Zahlen:

In ihrem Internet-Portal unter 'Zahlen & Fakten" führt die 'Allianz Gruppe' u.a. aus: Sie ist im Versicherungsgeschäft in Deutschland Marktführer und "bedient weltweit mehr als 70 Mio. Kunden in ca. 70 Ländern ... und verwaltet ... Kapitalanlagen im Wert von 764 Mrd. Euro." Im Jahr 2006 weist sie ein Eigenkapital von 50,481 Mrd. Euro aus und eine Eigenkapitalrendite von 15,6 % nach Steuern; - bei einer Marktkapitalisierung von 66,880 Mrd. Euro. Die Summe in der 'Vermögensverwaltung' stieg von 584,624 Mrd. Euro (2004) auf 763,865 Mrd. Euro (bis zum Jahresende 2006). [6]

"Allianz Group"- 'VR'China:

Ihre Selbstdarstellung leitet die 'AG' mit dem Hinweis ein: "Allianz - auf dem Weg zum führenden Finanzdienstleister in China"

In ihrer Selbstdarstellung führt die 'Allianz Gruppe' (Internet unter 'Unternehmen weltweit') zu China aus:"In den frühen 80er Jahren unterzeichnete Allianz als erster internationaler Versicherungskonzern mit chinesischen Versicherungsunternehmen Kooperationsvereinbarungen im Rückversicherungsgeschäft sowie im Know-how-Transfer."Und: "1994 gründete Allianz Repräsentanzen in Peking, Shanghai und Guangzhou. (...)"

Weiterhin: "Im Lauf der Jahre gründete Allianz in China zahlreiche Unternehmen. Mit 1158 Angestellten ist Allianz hier mittlerweile in nahezu all seinen Kerngeschäften aktiv." Und sie führt ihre Allianz-China-Geschäfte auf: die "Allianz China Life Insurance Co. (AZCL)", - die erste 'europäische Lebensversicherungsgesellschaft in China'; "Allianz Insurance Company Guangzhou Branch (AZCN)"; "Guotai Junan Allianz Fund Management Co." (GTJA-Allianz); die "Dresdner Bank AG Shanghai" und ihre Niederlassung in "Beijing"; und die "Mondial Assistance China".

- Zur 'GTJA-Allianz' führt die 'AG' aus: "Guotai Juan Allianz Fund Management Co. stellt für die unterschiedlichsten Nachfragen der Investoren ausgesuchte Anlagefonds zur Verfügung. Mit dem GTYA´s Fonds Vertriebsnetz, der internationalen Expertise von Allianz im Risk Management, der internen Kontrolle, mit ihrer Produktentwicklung und ihrem Portfolio Management strebt GTJA-Allianz die Position des angesehensten, leistungsstärksten und innovativsten Vermögensverwalters in China an." [7] (Hervorhebung: R.S.)

- Zu ihrer 'Dresdner Bank AG' führt die 'AG' aus: "Über die Geschäftsbereiche Global Banking und Capital Markets bietet die Dresdner Bank ein umfassendes Leistungsangebot für internationale wie chinesische Privat- und Firmenkunden, das klassische Kapitalmarktlösungen genauso wie die komplexe Beratung bei Transaktionen als auch die Kreditvergabe umfasst. Die QFII Lizenz ermöglicht es der Bank, ihre Geschäfte in China zu intensivieren. Das betrifft auch Investment- und Trading-Aktivitäten für Anleihen in Yuan sowie für Asien-Aktien an den chinesischen Börsen." Die 'AG' verweist auf das "Allianz Beitragsaufkommen in China" für 2006: "Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer Steigerung von mehr als 250 Prozent." [8]

Zu ihren Vertriebskanälen führt die 'AG' aus: "Die vielschichtige Vertriebsstruktur umfasst professionelle Agenturen, Banken, Broker, Agenturgesellschaften und Direktvermarktung (...) ICBC, die Nummer 1 unter den chinesischen Banken, ist der wichtigste Allfinanz-Partner für Allianz in China." [9]

                                                        Auszug, Hervorhebung und Zusammenfassung: Reinhold Schramm

Quellenverweis:

[1] Internet: http://www.allianz.de/-----[2] vergleiche im Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Allianz_SE Hier: Insbesondere zur Geschichte - aus bürgerlicher Sicht -----[3] "Riunione Adriatica di Sicurtà (RAS)": Italienischer Versicherungskonzern und einer der bedeutendsten Finanzinstitutionen Italiens, zu ihr gehören 81 Unternehmen. -----[4] siehe auch: 'Finanzprodukte' und 'Kapitalanlagen'; http://de.wikipedia.org/ wiki/Finanzdienstleistungen#Umfang. -----[5] siehe im Internet unter: Europäische Gesellschaft; http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische-Gesellschaft. ----- [6] "Allianz Grupp", siehe: "Zahlen und Fakten" – unter 'Kennzahlen'; http://www.allianz.com/ de/allianz_gruppe (...). ----- [7] vergleiche; aus der Selbstdarstellung der 'Allianz Grupp'; siehe oben. ----- [8] vergleiche; 'AG'; siehe oben. -----[9] vergleiche im Original-Text; s.o.

Parlamentswahlen in Griechenland

ZK der KKE:
Zum Ergebnis der Parlamentswahlen vom 16. September 2007

Bei den Parlamentswahlen am 16. September 2007 in Griechenland erzielte die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) einen bedeutenden Erfolg. Bei fast gleicher Wahlbeteiligung und fast gleicher Zahl gültiger Stimmen wie bei der vorangegangenen Parlamentswahl im Jahr 2004 erhielten die Kandidaten der Partei 8,2 % der abgegebenen gültigen Stimmen. Im Jahr 2004 waren es nur 5,89 % gewesen. Somit kommen ins neue Parlament 22 Abgeordnete der KKE (2004 waren es 12 Abgeordnete). Zu den Gewählten gehören unter anderem: Aleka Papariga, Generalsekretärin des ZK der KKE, zwei weitere Mitglieder des Politbüros, sieben Mitglieder des ZK, darunter der Erste Sekretär der Gewerkschaftsorganisation PAME, Jiorgos Mavrikos und der Sekretär des Zentralrates der Kommunistischen Jugend Griechenlands (KNE), Jannis Protoulis.

Am 17. September tagte das ZK der KKE, das eine erste Einschätzung des Wahlergebnisses vornahm. Sie wurde in der KKE-Zeitung Rizospastis veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem, dass der Stimmenzuwachs, den die Partei verbuchen konnte, der größte ist seit 1993 und das das an der guten Zusammenarbeit mit Bürgerbewegungen und anderen Linken gelegen habe.

Das ZK versichert, dass es sich, genau wie die ganze Partei, den Erwartungen derjenigen, die die Partei wählten, - vor allem das erste Mal wählten (worunter viele junge Menschen sind) - verpflichtet fühlt. Die Partei werde sich bemühen, mit diesen Menschen noch enger zusammen zu kommen und die Kooperation und Verbindung mit ihnen auf den Feldern des unmittelbaren Klassenkampfes, der politischen Aktion im Parlament und des Dialogs mit ihnen im Sinne der grundsätzlichen Frage nach der Macht zu verstärken.

„Das Wahlergebnis“, heißt es weiter, „stellt einen Beitrag zur großen Sache des Aufstiegs der Arbeiterbewegung und im allgemeinen der Volksbewegungen in Europa zur Bekämpfung der Mitte-Recht-  und Mitte-Links-Szenarien dar“.

Die KKE, wird weiter gesagt, habe die (regierende) Partei „Neue Demokratie“ und die (sozialdemokratische) „PASOK“ grundsätzlich und strategisch kritisiert und nicht nur einzelne Seiten oder Missstände ihrer Politik oder Einzelfragen aufgegriffen. Die KKE habe vielmehr „ihre Wirtschaftspolitik, ihre Sozialpolitik, ihr Demokratieverständnis, ihre Außenpolitik, ihre Übereinstimmung und ihr Bündnis mit den imperialistischen Optionen der Hauptländer der EU, mit der NATO und mit den USA angeprangert.  (…) Und die KKE hat klar erklärt, dass sie mit keiner der beiden Parteien zusammenarbeiten würde, weil es sich bei ihnen um bürgerliche Parteien der Macht des Kapitals handele. Stattdessen hob sie den Vorschlag des Bündnisses mit sozialen Kräften hervor, die einig sind in der Orientierung gegen das Monopolkapital und die imperialistischen Optionen – und einig sind im Ziel der Volksmacht und einer Wirtschafts-entwicklung zum Nutzen des Volkes.

Die Stimmenzunahme für die Partei zeige eine bedeutende Dynamik und habe interessante Ursachen. Denn es handelt sich um eine Zunahme, die sich in den letzten Jahren in bedeutendem Maße durch das ideologisch-politische Eingreifen und eine dementsprechende Tätigkeit unter den Arbeitern und in den allgemeinen Volksbewegungen sowie in den Kämpfen der Jugend entwickelte. Diese Stimmenzunahme sei nicht das Ergebnis von Eindrücken und Stimmungen aus dem Wahlkampf, sondern besitze ein konkretes und festes Fundament, das sich vor allem in der Vorwahlkampfperiode herausgebildet habe.

Die hohen Stimmanteile, die die KKE vor allem unter den Volksarbeitermassen und bei den jungen Menschen, konkreter: bei den Werktätigen des privaten Sektors, bei den Arbeitslosen, den Selbstbeschäftigten und bei den armen Bauern erzielte, bekräftige die Tätigkeit der Partei und derjenigen Kräfte, die ein Interesse an der Bildung der Antiimperialistischen Amtimono-polistischen Demokratischen Front haben. Das Wahlergebnis beweise, dass die Voraussetzung für die Stärkung und Festigung der Partei in ihrer Orientierung auf die grundsätzliche Front des Klassenkampfes sei und dass sie sch zurecht auf die Arbeiterklasse und die Jugend stütze.

Das positive Wahlergebnis dürfe aber nicht dazu führen, dass man sich zufrieden zurücklehne, warnt die KKE. Sowohl die „Neue Demokratie“ als auch die PASOK hätten – trotz aller Verluste – noch immer bedeutenden Einfluss auf die Arbeiterklasse, die Selbstbschäftigten, die armen Bauern, auf die Frauen und auf die Jugend. Die KKE müsse sich darauf einstellen, dass die herrschende Klasse und die Parteien ihrer Macht sich besonders bemühen werden, ihr verloren gegangenes Terrain zurück zu gewinnen.

Es bedürfe einer harten und noch klarer ideologisch-politisch geführten Massenarbeit, um den gewonnenen positiven Schritt zu stabilisieren und vor allem, um ihn zu erweitern – so schnell wie möglich, betonte das ZK der KKE.

               Übersetzung: Thanassis Georgiou, Berlin

Auf der Suche nach dem Schießbefehl

Willi Opitz:
Es gab keinen Schießbefehl

In den politisch motivierten Strafverfahren gegen Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und Führungskräfte der Grenztruppen der DDR wurden unter massivem Einsatz von Polizei, Staatsanwaltschaft, Gauckbehörde und weiterer Spezialkräfte die Archive des Nationalen Verteidigungsrates und der Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR durchsucht, wurde nach einem „Schießbefehl“ gefahndet.

Es wurde keiner gefunden, denn es gab keinen. Es gibt keinen.

Nun traten Frau Birthler und Hubertus Knabe zum wiederholten Male in Aktion. Sie brachten den Leiter der Magdeburger Außenstelle der Birthler-Behöre zum Einsatz. Dieser fand „rein zufällig“, passend zum Jahrestag des 13. August, in der Akte eines Unterfeldwebels der Grenztruppen ein Papier, welches er sofort als „Dienstanweisung des MfS“ erkannte, als Schießbefehl einstufte obwohl dieses weder einen Kopfbogen noch eine Unterschrift trug und mit Schreibmaschine abgefasst war.

Unmittelbar nach diesem „Fund“ waren Frau Birthler und Hubertus Knabe in allen Medien pausenlos zur Stelle. In den Hauptnachrichten aller Fernsehsender und in fast allen meinungsbildenden Medien berichteten sie von einem „aufsehenerregenden und bedeutsamen Dokument“, von einer „Dienstanweisung des MfS“, von einem „bisher nie belegbaren Schießbefehl“.

Mit dieser Aktion haben Frau Birthler und ihr früherer Mitarbeiter Knabe, unterstützt von unkritischen, diensteifrigen Medien, die Unentbehrlichkeit und Wichtigkeit ihrer schon seit geraumer Zeit in der Kritik stehenden Behörde unterstreichen wollen.

Damit hoffte sie offensichtlich auch, die konzeptionellen Vorstellungen und Vorschläge von Historikern und des Staatssekretärs Naumann unterlaufen zu können, die Unterlagen ihrer 2.300 Mitarbeiter umfassenden und jährlich über 100 Millionen Euro verschlingenden Behörde in das Bundesarchiv in Koblenz zu überführen.

Peinlich für die Akteure dieser Aktion und für die sie unterstützenden Medien, dass sie folgende Sachverhalte völlig missachtet haben:

Das in Rede stehende Papier lag bereits 1993 der „Zentralstelle für Regierungskriminalität“ und 1996 dem Landgericht Berlin vor.

1998 wurde es auszugsweise von Helmut Müller-Enberg, übrigens einem leitenden Mitarbeiter der Gauck-Birthler-Behörde, in der Schriftenreihe „DDR-Geschichte“ veröffentlicht, jedoch nicht mit der perfiden Andeutung, dass es sich um eine Dienstanweisung des MfS, um einen Schießbefehl handele.

Als ehemaliger leitender Angehöriger des MfS, so zu sagen auch als „Insider“ für dienstliche Bestimmungen des Ministers, fühle ich mich verpflichtet, einige Bemerkungen über dieses Gebiet zu machen, um zu belegen, dass es sich bei dem aufgefundenen Papier um keine Dienstanweisung des MfS, um keinen Schießbefehl handelt.

Eine Dienstanweisung (DA) war eine formgebundene schriftliche dienstliche Bestimmung, die der Minister für Staatssicherheit, basierend auf den Gesetzen über den Ministerrat der DDR vom 16. November 1954, 8. Dezember 1958, 17. April 1963 und 16. Oktober 1972 erließ. Sie hatte u.a. folgenden Anforderungen zu entsprechen: Kopfbogen: Der Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik. Ministerium für Staatssicherheit. Der Minister. Titel der jeweiligen DA und Anzahl der Seiten. Geheimhaltungsstufe und Verschlussnummer (diese wurde sowohl auf das Deckblatt als auch auf jede Seite der DA aufgetragen.) Die schriftlichen dienstlichen Bestimmungen wurden generell gedruckt, also nicht mit Schreibmaschine angefertigt. Durch die Verschlusssachenabteilung wurde ein lückenloser Nachweis über den Umgang mit VS-Sachen geführt. Auszüge aus VS-Sachen waren nicht statthaft und eine Ablage in Personalakten unmöglich.

Ich verbürge mich dafür: Der Minister für Staatssicherheit hat weder schriftlich noch mündlich einen Schießbefehl erteilt. Es hat zu keiner Zeit, an keinem Ort und gegenüber keiner Person Weisung gegeben, auf Frauen und Kinder zu schießen.

        Prof. Willi Opitz, Generalmajor des MfS a.D.

P.S.: Nach Fertigstellung des Artikels erfuhr ich aus noch nicht überprüfter Quelle, dass die Leitung der Birthler-Behörde bereits im Juni 2007 von der Magdeburger Außenstelle über den „Fund“ des Papieres informiert wurde. Sie hat aber gewartet, um die „Sensation“ pünktlich vor dem 13. August zu verkünden. Vielleicht kann Frau Birthler dieses Geheimnis lüften.

Nachtrag: Nach massivem Druck der Öffentlichkeit musste Frau Birthler in „Die Welt“ vom 17. August 2007 zugeben, dass das Papier bereits 1993 aufgefunden und 1997 abgedruckt wurde. Sie musste weiter eingestehen: „Das bereits Anfang 2006 gefundene Dokument bot damals nach Ansicht der Pressestelle in Berlin keinen Anlass, von der normalen Verhaltensweise abzuweichen.“

                                    Dankend übernommen aus:

                                               „Die Rote Fahne“, Zentralorgan der KPD, Ausgabe September 2007

Resonanz

Hans Kölsch:
Zum Streit über die Politische Ökonomie 

Meine Meinungsverschiedenheit mit der Offensiv-Redaktion und einigen Autoren betreffen das Verhältnis zum Klassenwesen der Politischen Ökonomie des Marxismus-Leninismus. Untrennbar damit verbunden sind Probleme der ökonomischen Politik in der DDR und in anderen sozialistischen Ländern, die sich nach Meinung von Offensiv statt mit sozialistischer Planwirtschaft mit sozialistischer Marktwirtschaft befasst haben soll. In konzentrierter Weise sind die von mir kritisierten Positionen in Heft 3/07, in der Redaktionsnotiz und im umfangreichen Artikel von Herman Jacobs, dargelegt. Das zentrale theoretische und politische Problem bei diesen Meinungsverschiedenheiten betreffen das bestimmende Verhältnis der Produktionsverhältnisse gegenüber den Verteilungsproblemen, von Mehrwert und Wert in den Realitäten des Klassenkampfes zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie, zwischen Sozialismus und Kapitalismus, aber auch im  Verhältnis zu den Millionen einfacher Warenproduzenten in diesen Kämpfen.

In der Redaktionsnotiz wird behauptet, dass die Erkenntnisse über den Mehrwert, in denen das Produktionsverhältnis zwischen Kapital und Arbeit bloßgelegt ist (Marx), möglicherweise und wahrscheinlich den Erkenntnissen vom Wertgesetz nachzuordnen seien, die ja vor allem die Probleme der Distribution betreffen. Das Wertgesetz und nicht das vom Mehrwert sei der konzentrierte Ausdruck der kapitalistischen Ökonomie, weshalb für den Sozialismus das revolutionäre Kriterium nicht in der Veränderung des kapitalistischen Eigentums an Produktionsmitteln und der ausbeuterischen Klassenverhältnisse bestünde, sondern in der Abschaffung des Wertgesetzes. (Heft 3/07 S. 3)

Die umfangreichen Analysen und Beweisführungen von Marx belegen, in Übereinstimmung mit den realen ökonomischen Verhältnissen, dass das Wertgesetz für die ganze Periode der einfachen, vorkapitalistischen Warenproduktion und für das Verhältnis zwischen den Warenproduzenten bestimmend gewesen ist. Solche Verhältnisse bestehen im Kapitalismus neben der kapitalistischen Warenproduktion fort. Doch die hier bestimmenden ökonomischen Regulierungen sind im Kapitalismus den Erfordernissen der Mehrwertproduktion nach- und untergeordnet und nicht dem Wertgesetz. Bestimmend sind hier der Grundwiderspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital und die entsprechenden Klassenkämpfe. Die hier fortbestehenden einfachen Warenproduzenten stehen mit ihren Interessen objektiv im Gegensatz zur Klasse der Kapitalisten. Sie sind mögliche und notwendige Bündnispartner der Arbeiterklasse. In der sozialistischen Revolution werden sie für den genossenschaftlichen Weg zum Sozialismus gewonnen und nicht „einfach abgeschafft“.

Da die Politische Ökonomie stets im engsten Zusammenhang mit der Praxis des Klassenkampfes steht, weil sie den wissenschaftlichen Zugang zu den Klassenverhältnissen und zu Klassenkämpfen ermöglicht, müsste sie, wenn sie den ökonomischen Lehren von Offensiv folgt, die Kämpfe der Arbeiterklasse in erster Linie gegen  „Warenproduzenten“ und nicht gegen die mehrwerthungrigen kapitalistischen Ausbeuter richten, die sich als kapitalistische Warenproduzenten grundlegend von den einfachen Warenproduzenten unterscheiden, was bei Offensiv keine Rolle spielt.

Die sozialistischen Revolutionen des 20.Jahrhunderts waren mit dem Realkapitalismus konfrontiert, mit der Aufgabe, Ausbeutung und kapitalistische Mehrwertproduktion zu überwinden und gleichzeitig die Aufgabe zu lösen, die sozialistische Produktion planmäßig  für die Bedürfnisse der Bevölkerung, der Produktion und den Warenverkehr mit anderen Ländern zu organisieren und das mit einem möglichst geringen Aufwand an Zeit und Kraft aller Art zu gewährleisten. Bei Offensiv aber ist der Kampf gegen Wertverluste in der Produktion und für Zeitgewinne im Sozialismus ein Markenzeichen für Revisionismus, weil das mit Wertermittlungen, mit Preisen und Geld zu tun hat.

Der Wert erscheint bei Offensiv als ein Zusammenhang, ein Ergebnis, dem nur ein bürgerlicher Inhalt zukommen könne und wo jeder Gedanke daran als revisionistisch erscheint, dass auch die Arbeiterklasse im Sozialismus mit der Produktion von Gebrauchswerten für die Bevölkerung und die Wirtschaft Werte schaffen könnte und schon geschaffen hat, deren Nutzen auch davon abhängig ist, mit welchem Aufwand sie geschaffen worden sind. Wer vergisst, dass wir es mit politischer-, mit Klassenökonomie zu tun haben, der übersieht auch den Unterschied zwischen dem Wertgewinn in einem kapitalistischen und in einem sozialistischen Produktionsbetrieb. In dem einen verbessert der Gewinn die Profitaussichten, im anderen die Aussichten, zum Beispiel, auf den Bau eines Kindergartens. Lebensfremd würden auch „Ratschläge“ an Revolutionäre in Lateinamerika erscheinen, sich ökonomisch nach Offensiv zu orientieren und den Kampf gegen die „Warenproduzenten“ zu richten. Doch diese Revolutionäre lassen keinen Zweifel an der Orientierung ihres Kampfers, die Macht und die Einflüsse des Imperialismus zu überwinden.

Lenin hat, gestützt auf das Studium der Werke von Marx und Engels und der entsprechenden gesellschaftlichen Realitäten festgestellt, dass die Lehre vom Mehrwert der Eckpfeiler der ökonomischen Theorie von Marx ist. In deren Mittelpunkt stehen die Erkenntnisse über das Kapital und die hier zu findenden Grundlagen zu seiner Überwindung. Das wurde auch bestimmend für Programmatik, Strategie und Taktik in der Oktoberrevolution. Im Meinungsstreit um das neue Parteiprogramm hat Bucharin  1920 im Widerspruch zu Lenin (in ähnlicher Weise wie Offensiv heute), die einfachen oder kleinen Warenproduzenten aus den Erfordernissen des Klassenkampfes ausgeblendet.

Abseits von Marx

Die offensichtlichen Differenzen von Offensiv mit der Politischen Ökonomie des Marxismus Leninismus haben hier ihren Ausgangspunkt. Der zum Studium empfohlene Aufsatz von Hermann Jacobs, dem das ganze Heft 3/07 zur Verfügung steht, versucht den Eindruck zu erwecken, der Vorgehensweise von Marx zu folgen. Jacobs vermeidet die offensichtliche Konfrontation mit Marx, was im Leserkreis von Offensiv der Verbreitung seiner Theorie sicher nicht förderlich wäre, aber er kann nicht vermeiden, seine Differenzen mit Marx hin und wieder sichtbar zu machen.

So ist zu lesen, dass manche Genossen mit seiner Konzeption von der Negation der Wertform im Sozialismus Schwierigkeiten haben werden, „weil sie ihren Marx im Kopf haben“. (S 89) Marx sei für den „bisherigen Kommunismus“ (S.41/42), für den Kommunismus „nach altem Bild“ (S.71) zuständig. Der Zugang zum Kommunismus-Verständnis von Jacobs würde durch die Auffassung von den zwei Phasen des Kommunismus gehemmt, „von denen Marx noch ausging.“ (S.14) Nach der zwei Phasen Konzeption sei die angeblich sofortige Aufhebung der Wertform und des Geldes aus dem Blickfeld der Revolution verschwunden und auf eine zweite Phase vertagt worden. Statt Wertform und Geld aufzuheben und das für die sozialistische Ökonomie zu entschlüsseln, sei man im Realsozialismus daran gegangen, die Wertform auf phantastische Weise in den Sozialismus hinein zu transformieren, (S.78) (obwohl das ohne Phantasterei notwendig gewesen ist). Hier habe das Leistungsprinzip als Notnagel für diese Art von Kommunismus gedient (S.80)

Zugespitzt lautet die Kritik von Offensiv an den Realsozialisten, die sich auch um die Rentabilität der sozialistische Produktion Gedanken gemacht haben und machen, deren Denken und Tun entspreche „einerseits der stille Wunsch nach  keiner  Gesellschaft des Kommunismus – sondern der Rückkehr zum Kapitalismus“. (S.75) Oder sie legten „selbst in seinem Zentrum den Keim der Verwesung, der Konterrevolution, der Niederlage.“(S. 9)

Für all diese Behauptungen gibt es keine Begründung, außer einer neuen Behauptung, dass „Marx in seinem theoretischen Schaffen. der ersten Periode des Kapitalismus unterlag“ (S.46) Marxisten ist bekannt, dass in der ersten Periode des Kapitalismus die Ausbeutung in extensiven Formen betrieben worden ist, was Friedrich Engels in seiner Analyse über die Lage der arbeitenden Klasse in England deutlich gemacht hat. Aber kapitalistische Ausbeutung bleibt Ausbeutung, auch wenn sie später intensiv betrieben worden ist und die kapitalistische Ausbeutung haben Marx und Engels mit ihren Grundlagen und den Erkenntnissen über den Mehrwert und die vom Mehrwert beherrschte kapitalistische Produktionsweise wissenschaftlich aufgedeckt und in umfangreichen Publikationen erläutert.

Die Behauptung von Jacobs ist offensichtlich mit der Vorstellung verknüpft, die Kapitalisten seien in späteren Perioden von der Mehrwertproduktion, von der Ausbeutung der Arbeiterklasse, von ihrer Aggressivität und anderen Übeln abgegangen. Die Irrtümer oder revisionistischen Verfehlungen der Realsozialisten rührten also daher, dass sie die Notwendigkeit nicht erkannt hätten, über die angeblich nur begrenzt gültigen Erkenntnisse von Marx hinaus zu gehen, wie das Jacobs  für sich proklamiert hat. (S.14 und 57) Herman Jacobs hat am Schreibtisch in alle Kategorien und Begriffe der Politischen Ökonomie des Marxismus Leninismus auf phantastische Weise einen neuen Inhalt hinein transformiert. Statt, gestützt auf die wissenschaftlichen Grundlagen für den Zugang zu Klassenverhältnissen und zum Klassenkampf, schöpferisch in Neuland vor zu stoßen und zu erkunden, an welchen Problemen und Aufgaben des Klassenkampfes wir wirklich gescheitert sind, propagiert Offensiv ökonomische Lehren, die sich bereits im 19.Jahrhundert als überholt oder falsch erwiesen haben und nimmt sie zum Maßstab,  die Ursachen unserer Niederlage im Klassenkampf  zu bestimmen        

Unsere Klassiker konnten nicht voraus sehen, wie sich im 20. Jahrhundert die Klassenkämpfe konkret entwickeln werden, aber sie haben bewiesen, dass der Zugang zum Kommunismus nur durch eine neue Produktionsweise mit Folgerungen auch für die Verteilung und primär nicht durch ein neue Verteilungsweise eröffnet werden kann. Aus politischen, solidarischen, internationalistischen, ökonomischen, kulturellen, technischen und wissenschaftlichen Bedingungen erwächst in der sozialistischen Produktionsweise, die in den revolutionären Kämpfen der Arbeiterklasse geschaffen wird, die Möglichkeit, dass im Kommunismus die Arbeit zum ersten Lebensbedürfnis werden kann. Der Kommunismus ist kein Schlaraffenland des Konsumismus. Naturwissenschaftler werden kaum auf die Idee kommen, die Erkenntnisse über das Periodensystem der Elemente in Frage zu stellen, weil deren Schöpfer sich noch nicht mit der Halbleiter-Physik befasst haben.

Hermann Jacobs zu folge sei geschichtlich lediglich noch offen, ob im Kapitalismus, im Prozess einer Auslese, letztlich ein einziger Eigentümer übrig bleibt. Da der mit sich selbst nicht Handel treiben kann, würde dadurch die Wertform aufgehoben. Eine andere Möglichkeit aber sei, dass diese Lösung des Problems mit der Wertform „von der abseits stehenden Mehrheit der arbeitenden Menschen brutal abgebrochen wird.“(S.14) „Die letzte Entwicklung des Klassenkampfes kann“, so Jacobs, „nicht ein Kampf mit der bürgerlichen Klasse, sondern nur ein Kampf in/mit der eigenen Klasse sein.“(S.74/75) Das seien dann Formen eines verschärften Kampfes, „weil sie in die eigene Klasse, das eigene Subjekt fallen, es sind Kämpfe um den Kommunismus unter Kommunisten.“(S.74) Offensiv hat offensichtlich schon jetzt damit begonnen.

Mit der Annahme, dass das Wertgesetz der konzentrierte Ausdruck der kapitalistischen Ökonomie sei und dass es deshalb im Sozialismus überwunden werden müsse, werden alle Tatsachen über die Klassenverhältnisse im Kapitalismus hinter einer Nebelwand verborgen. In konsequenter Fortführung der Ausgangsthese verschwindet hier die kapitalistische Gesellschaftsformation mit ihren charakteristischen Klassenverhältnissen. An ihre Stelle tritt bei Offensiv eine Gesellschaftsformation und Gesellschaftsordnung der „Warenproduktion.“ (S.49). Proletarier, Kapitalisten, Bauern, Handwerker usw. erscheinen jetzt alle vor allem als Wareneigentümer, Käufer und Verkäufer. Ihr gleich geartetes Streben gehe dahin, dass ihre Ware dem Wertgesetz entsprechend verkauft oder gekauft wird und in dieser Gesellschaftsordnung soll dies das bestimmende, ordnende ökonomisches Gesetz sein, das keinen aus der Produktion stammenden Mehrwert kenne.

Mit dem Hinweis auf Proletarier, Kapitalisten und Bauern bin ich nach Jacobs schon wieder in die Denkweise des marxistischen Kommunismus geraten und habe deshalb Mühe zu erkunden, wie die Gesellschaftsordnung der Warenproduktion von Hermann Jacobs funktioniert.

Die „andere“ ökonomische Theorie

Ich habe trotzdem versucht, die wichtigsten Merkmale dieser „Gesellschaftsordnung“ zu skizzieren, die sich aus der Konzeption von Offensiv ableiten lassen:

Erstens. Sie sei primär nicht durch Klassen und soziale Schichten charakterisiert, die sich vor allem durch ihre Stellung im Produktionsprozess voneinander unterscheiden, sondern primär durch Wareneigentümer, die sich nur durch den jeweiligen Gebrauchswert ihrer Ware voneinander unterscheiden und die als Käufer und Verkäufer agieren. Auch der Gegensatz von Proletariat und Bourgeoisie werde nur über das Verhältnis zum Wert ihrer Ware ausgetragen. (S.56/57)

Zweitens. Wareneigentümer seien Menschen, die unabhängig voneinander ihre jeweilige Ware geschaffen haben und die nur aus dem Grund zueinander in ein ökonomisches Verhältnis eintreten, weil sie Überschüssiges loswerden wollen, um dafür Benötigtes zu bekommen. (S.9, S.16)

Drittens. Ein solches Verhältnis sei ein Zwangsverhältnis, weil Verkäufer und Käufer nur ins Geschäft  kommen, wenn sie beim Warentausch keinen Fehler mit der Äquivalenz machen. (S.24)

Viertens. Da beim Tausch von Äquivalenten Wertgleichheit besteht, könne man generell und nirgendwo einen Mehrwert erschaffen, der über den Wert der Tauschobjekte hinausreicht. Die Wertform bestimme alles. (S.52/53)

Fünftens. Wenn trotzdem von Mehrwert gesprochen wird, handle es sich nicht um einen wirklichen Mehrwert, sondern lediglich um die Bezeichnung für einen strukturellen Unterschied zwischen jenem Teil des Lohnes, den der Kapitalist vor dem Verzehr durch den Lohnarbeiter rette und akkumuliere (Mehrwert) und dem nichtakkumulierbaren Teil, den der Lohnarbeiter bekomme. (S.54)

Sechstens. Durch diesen Abzug vom Lohn gehe zwar ständig ein Teil der notwendigen Reproduktionskosten verloren (S.53), aber da der fehlende Teil vom Kapitalisten (auf seltsame Weise) akkumuliert werde, könne sowohl das Minus in den Reproduktionskosten ausgeglichen werden und sogar noch zusätzlicher Reichtum entstehen. (S.70)

Siebentens: Die Kapitalisten wichen der Vergesellschaftung des „Eigentums“ (Jacobs meidet den Bezug zu den Produktionsmitteln) dadurch aus, dass sie Geldmittel frei setzten, „Geld ist offenes/sich öffnendes Eigentum im Kapitalismus“, d.h. jeder kann zu Geld kommen, Geld ist „allgemeines Eigentum“, „allgemeiner Kapitalist“. (S.41)

Achtens. Nach der bürgerlichen Gesellschaft folgt notwendig eine Übergangsperiode, in der vor allem die Ware-Geld-Beziehungen beseitigt werden müssten. (S.3)

Neuntens. Der Sozialismus könne von Anfang an nur Kommunismus sein, ohne Ware-Geld-Verhältnisse und auch ohne unterschiedliche ökonomische Inhalte in seiner Entwicklung, die Marx unterstellt habe. (S.14)

Damit im Einzelnen die Abwandlung marxistischer Erkenntnisse nicht so konfrontativ in Erscheinung tritt, benötigt Hermann Jacobs zum Beispiel sieben Seiten, um von der marxistischen Bestimmung des Mehrwertes mit Hilfe von Wortspielereien zu einer gegensätzlichen Inhaltsbestimmung des Mehrwertes zu gelangen, die in die Distributionsverhältnisse passt. (ab S. 50)

Karl Marx war gezwungen, sich in seiner Kapitalanalyse mit den bürgerlichen Mehrwerttheorien auseinanderzusetzen, die alle in der Distribution nach einer Quelle für den offensichtlich wachsenden Reichtum der bürgerlichen Gesellschaft suchten. Bürgerliche Ökonomen hatten nicht nur theoretische Schwierigkeiten, diese Quelle in der Produktion zu finden, sondern auch klassenbedingte Vorbehalte, in der Arbeitskraft von Proletariern so etwas zu vermuten. Hermann Jacobs ist zwar kein bürgerlicher Ökonom, aber er scheitert am Zugang zu ökonomischen Tatsachen und Grundlagen des Klassenkampfes und vor allem zum Mehrwert, weil das seiner Theorie vom Kommunismus und seinem Geschichtsurteil über den Realsozialismus widerspricht

Kritik der „anderen“ ökonomischen Theorie

Im „Kapital“ von Karl Marx ist zu lesen, dass der Mehrwert nicht in der Zirkulation entstehen kann, aber auch nicht ohne sie. Die Zirkulation hat insofern einen Anteil, weil der Verkauf der Ware Arbeitskraft ihren Eintritt in die Zirkulation bedeutet, wo sie mit den moderne Produktionsmitteln, dem Privateigentum der Kapitalisten. zu den Bedingungen der Kapitalisten, zusammen und zur Produktion kommt. Die Arbeitskraft erlangt dadurch eine geschichtlich neue Produktivität, mit der Fähigkeit, wirklich Mehrwert zu produzieren. Das war bei der Arbeit von Sklaven, Leibeigenen und auch von einfachen Warenbesitzern in der Regel nicht möglich.

Die Schwierigkeit für manche Werttheoretiker, die Quelle des Mehrwertes aufzufinden oder dessen reale Existenz anzuerkennen, besteht darin, dass der Kapitalist die Arbeitskraft dem Wert und der Konkurrenzlage entsprechend bezahlt, so dass hier kein Platz für die Möglichkeit ist, dass bei diesem Tausch ein darüber hinausgehender Wert entstehen kann. Diese Tatsache bestätigt gerade, dass der Mehrwert tatsächlich nicht durch einen Tausch von Wert gegen Wert entstehen kann, sondern dadurch, dass sich der Kapitalist, wie Marx bewiesen hat, mit dem Kauf der Ware Arbeitskraft den Gebrauchswert der Arbeitskraft nutzbar macht, dass er die Arbeitskraft in der kapitalistischen Produktionsweise für die vereinbarte Arbeitszeit gebraucht und dadurch einen Mehrwert erzielt.

Durch den Gebrauch der Arbeitskraft entstehen Waren, deren Wert den Mehrwert und die Reproduktionskosten der Arbeitskraft enthält. Der Verkauf dieser Waren erstattet dann dem Kapitalisten auch die Werte der verbrauchten Materialien und abgenutzten Produktionsmittel. Da dem Kapitalisten die Produktionsmittel gehören, eignet er sich den Mehrwert, (praktisch unbezahlte Arbeit) an, von dem er nicht nur seine Lebensweise finanzieren, sonder den größeren Teil nutzen kann, sein Eigentum an Produktionsmitteln zu vermehren, also zu akkumulieren.

Das sind die Tatsachen, die der Behauptung von Jacobs entgegenstehen, der Gegensatz von Proletariat und Bourgeoisie würde über das Verhältnis zum Wert der Ware ausgetragen. (S.56/57) Der Proletarier verkauft zwar seine Arbeitskraft, seine Existenzbedingung, zu ihrem Gestehungswert, aber der Kapitalist bezahlt nicht mit seinen Existenzmitteln, auch nicht mit einem Nutzungsanteil daran, seine Produktionsmittel sind keine Ware. Er bezahlt mit Geld, mit einem allgemeingültigen Anteilsrecht, dafür benötigte Waren kaufen zu können. Den Lohn erhält der Arbeiter außerdem erst nachträglich, nachdem der Kapitalist die Arbeitskraft gebraucht, genutzt hat.

Der Proletarier wird also für die Zeit, in der seine Arbeitskraft vom Kapitalisten genutzt wird und der Arbeiter die Produktionsmittel des Unternehmers mit seiner Kraft produzieren lässt, kein Nutznießer oder Anteilseigner der kapitalistischen Produktionsmittel und des Mehrwertes. Er bleibt Proletarier und wird kein Eigentümer von Produktionsmitteln. Daher rührt wahrscheinlich auch die Scheu von Jacobs, das Eigentum an Produktionsmitteln überhaupt ins Gespräch zu bringen. Der Proletarier, der keine Arbeit findet oder der seine Arbeit verliert, ist auf öffentliche Unterstützung angewiesen, die auch nicht dem Wertgesetz folgt, sondern bei Hartz IV nur das zum Leben notwendige Minimum anerkennt. In vielen Fällen reicht in der Gegenwart der Lohn nicht einmal dazu.

In zusätzlicher Kapitalfreundlichkeit behauptet Hermann Jacobs, dass es nicht der Arbeiter sei, der durch seine Arbeit die Bedingungen schafft, damit seine Arbeitskraft mit Hilfe des Lohnes reproduziert werden kann. Diese Möglichkeit bewirke „die Gesellschaft (der Kapitalisten)..“ „Mit der Produktion in irgend welchen Betrieben, in denen die Arbeiter dann arbeiten, hat kein Lohn etwas zu tun“ (S.81).

Eine weitere Tatsache: Das Wertgesetz verliert im Kapitalismus seine Wirksamkeit auch als Produktionsanreiz. Im äquivalenten Warenaustausch ist für Kapitalisten nur der im Warenwert enthaltene Anteil an Mehrwert von Interesse, der letztlich zum akkumulierbaren Profit werden kann. Wenn sich dieser Anteil. nicht mehr lohnt, wird diese Ware nicht mehr produziert. Aus diesem Grund hat zum Beispiel Siemens die Handyproduktion abgestoßen und den Übernehmern sogar noch eine Prämie gezahlt, um nicht mit Entlassungen und Abfindungen belastet zu werden. Auch im Konkurrenzkampf ist nicht entscheidend, wer die schönsten und praktischsten Waren anzubieten hat, sondern wer in den Werten seiner Waren einen konkurrenzfähigen Mehrwert aufzuweisen hat.

Eine weitere Tatsache besteht in dem Rätsel, wie das vom Lohn und aus der Reproduktion abgezweigte Geld akkumulieren, den Reichtum an Produktions- und Konsumtionsmitteln mehren kann,  o h n e  die Arbeitskraft zu nutzen. Jacobs scheint einen geheimen Mechanismus zu kennen, in dem sich hundert Euro in das Mehrfache verwandeln können. Mir ist das nur aus dem Märchen vom Goldesel in Erinnerung. Der gab aber sogar nach der Eingabe von Stroh Goldstücke von sich. Das Märchen von der Selbstakkumulation des Geldes würde es jedem gestatten, durch Sparsamkeit einen Teil des Geldes nicht zu verbrauchen, sondern diesen Teil zu akkumulieren. Diese Sonderkraft und Allgemeinheit des Geldes (S. 41) gestatte es auch Proletariern, Kapitalist zu werden. Viele scheinen das nur nicht zu wollen.

Auch die dem Kapitalismus ausgelieferten einfachen Warenproduzenten (einfache wegen der einfachen Reproduktion, oder kleine Warenproduzenten, wegen ihrer kleinen Produktionsmittel, mit denen sie selbst arbeiten), sind den Einbrüchen der Mehrwertproduktion ausgeliefert, bei denen auch das Wertgesetz nichts mehr bewirkt. Ihr früheres Verhältnis in vorkapitalistischen Zeiten war kein Zwangsverhältnis, wie Herman Jacobs behauptet. Sie waren als Verkäufer und Käufer am äquivalenten Austausch interessiert und zur Wahrung der eigenen Interessen braucht niemand gezwungen werden. In Zwangsverhältnisse geraten sie aber im Kapitalismus.

Der Bauer, der Milch und Butter verkauft hat, an wen er wollte, ist jetzt einer kapitalistischen Großmolkerei ausgeliefert, die sich in großen Gebieten ein Aufkaufmonopol geschaffen hat. Vom Hofverkauf allein kann der Bauer nicht existieren. Er   m u s s   an einen „Müller- Milch“ verkaufen. Der bestimmt die Aufkaufpreise, ohne Rücksicht auf das Wertgesetz. Die Mehrwertproduzenten haben dazu die ökonomische Macht. Oder der Handwerksmeister, der seine produzierten Schuhe verkauft, ist der kapitalistischen Konkurrenz nicht gewachsen. Er hält sich mit Krediten von einem kapitalistischen Kreditgeber über Wasser. Das Kreditgeschäft läuft nicht nach dem Wertgesetz. Bei einer weiteren Verschuldung tritt dann ein neues Verhältnis in Kraft, das zwischen Schuldner und Gläubiger. Hier wirkt dann auch nicht das Wertgesetz und der kleine Warenproduzent kann sogar seine Produktionsmittel verlieren..

Die revolutionäre Alternative

Nur durch sozialistische Revolutionen und die Umwandlung des kapitalistischen Eigentums an Produktionsmittel in sozialistisches Eigentum kann und konnte die Mehrwertproduktion, die Ausbeutung, beseitigt und eine neue Produktionsweise aufgebaut werden, für die Karl Marx die Eckpfeiler ihrer geschichtlichen Reifestufen wissenschaftlich konzipiert hat. Hier hatten auch die ehemaligen einfachen Warenproduzenten ihren Platz als sozialistische Genossenschafter gefunden. Herman Jacobs ersetzt diese schon praktizierte revolutionäre Lösung durch die scheinrevolutionäre Aufhebung des Wertgesetzes, obwohl dem unter dem Einfluss der herrschenden Arbeiterklasse noch nützliche ökonomische Funktionen eigen sind.

Im Realsozialismus, der dadurch zu diesem Namen gekommen ist, dass er in den Kämpfen der revolutionären Arbeiterbewegung aus der Theorie in die Realitäten des Lebens und des Klassenkampfes mit dem Realkapitalismus versetzt und aufgebaut worden ist, wurde die Planwirtschaft nicht durch irgend welche Marktmechanismen ersetzt, auch nicht in der DDR. Jeder Lesekundige kann zum Beispiel in den statistischen Jahrbüchern der DDR nachlesen, dass hier die Produktion von konkreten Erzeugnissen geplant war, mit denen Bedürfnisse befriedigt werden konnten. In großen Erzeugnisgruppen, die durch ihren konkreten Gebrauchswert unterschieden waren und auch dadurch, ob sie nach Menge oder Kubikmeter oder in anderer Weise zu messen waren, sind dann die einzelnen Erzeugnisse in diesen Gruppen jährlich bilanziert worden.

So wie wir damals diskutiert haben, kann man auch heute darüber streiten, wie gut uns das gelungen ist, ob die Erzeugnisse bis zum Fingerhut geplant werden müssen, was unbedingt zentral zu planen ist, was besser örtlich zu erfassen ist, auch was sich nur schwer planen lässt, auch wie die Entwicklung von Dienstleistungen und kulturellen Bedürfnissen zu planen sind und welche Besonderheiten in städtischen und ländlichen Regionen zu beachten sind. Über die Behauptung, so eine Arbeit sei bei uns nicht geleistet worden, können Beteiligte nur lachen und mehr als das können wir uns nur darüber wundern, dass unser unverzichtbares zweites Standbein der Planung, das sich mit dem Aufwand für die Erzeugnisse befasst hat, angeblich ein Zeugnis von Revisionismus gewesen sein soll.

Für die Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung. und der sozialistischen Wirtschaft, wie auch für die Auseinandersetzung mit der Politik der Kapitalisten, sind nicht nur die entsprechenden Erzeugnisse und deren Menge von Bedeutung, sondern auch, mit welchem Aufwand an Zeit und Kraft aller Art sie geschaffen worden sind und geschaffen werden. Jeder Zeitgewinn, aber auch jeder Zeitverlust im Stoffwechsel des Menschen mit der Natur, hat in den Realitäten des Lebens und des Klassenkampfes große Auswirkungen, die nur Ignoranten übersehen können. So lange wir noch keine kommunistische Produktivität der Arbeit erreicht haben, ist die Berechnung des Arbeitsaufwandes für konkrete Erzeugnisse, und der stellt sich in Werten dar, lebensnotwendig.

Der Klassenfeind hatte sich mit seiner antikommunistischen Politik darauf konzentriert, möglichst jeden Zeitgewinn sozialistischer Länder bei der Befriedigung notwendiger Bedürfnisse und die für den Zeitgewinn erforderliche höhere Arbeitsproduktivität zu torpedieren. Der Sozialismus hätte keine 70 Jahre überlebt, wenn die Revolutionäre das Wertproblem ignoriert hätten. Eine andere Frage ist und bleibt, warum der Kampf um eine strategisch höhere Arbeitsproduktivität trotzdem nicht zum Erfolg geführt hat.

Die Nutzung des Wertgesetzes sichert im Sozialismus zunächst ein Minimum an sozialer Gerechtigkeit dadurch, dass im individuellen Konsum, im Warenverkehr zwischen staatlichen und genossenschaftlichen Betrieben, im Warenverkehr zwischen sozialistischen Ländern und vor allem auch im Warenverkehr mit dem nichtsozialistischen Ausland, das Äquivalenzprinzip dazu beiträgt, dass sich produktivere, ökonomisch stärkere Kräfte nicht auf Kosten schwächerer bereichern können, wie das im Kapitalismus der Fall ist. (Von Warenbeziehungen ist da die Rede, wo Produkte aus Produktionssphären mit unterschiedlicher Arbeitsproduktivität ausgetauscht werden.) Dem dient im Inland zum Beispiel auch das sozialistische Leistungsprinzip, dessen Funktion Karl Marx in der Kritik des Gothaer Programms erläutert hat.

Von den Bündnisinteressen der Arbeiterklasse und der Bauern geprägt, gab es in der DDR Regelungen über den Verkauf wichtiger Produktionsmittel, die es zum Beispiel wirtschaftlich starken Bauern nicht gestattet haben, durch den Kauf von Traktoren und anderen Maschinen ihre wirtschaftliche Position auf dem Lande weiter auszubauen. Damit auch ökonomisch schwächere Bauern Traktoren und Landwirtschaftsmaschinen nutzen konnten, ohne in Abhängigkeit von Stärkeren zu geraten, wurden staatliche Stationen mit modernen Produktionsmitteln geschaffen, deren Arbeit gemietet werden konnte. Eine solche Möglichkeit hatten die Kommunisten in der Sowjetunion erst nach der Industrialisierung. Dadurch hatten die Großbauern zeitweise die Möglichkeiten, den Klassenkampf in verschiedenen Formen zu verschärfen, der dann auch scharfe Gegenaktionen erforderlich machte, die nichts mit dem von Antikommunisten erfundenen Stalinismus zu tun haben.

Um allen Bürgern das Bedürfnis nach Frieden zu sichern, mussten von 1917 an ständig große Mittel von der Produktion und Konsumtion abgeleitet werden, um Kriegsschäden zu beseitigen und neue zu verhindern und den ständig drohenden Gefahren wirksam begegnen zu können. Zusätzlich war die imperialistische Embargopolitik darauf gerichtet, die rasche Nutzung produktiver Erzeugnisse durch Importe zu unterbinden und die Eigenproduktion dieser Mittel zu erschweren. Sabotage, Patentkriminalität waren ebenfalls darauf gerichtet, in sozialistischen Ländern Umverteilungen, Subventionen zu erzwingen, die Befriedigung notwendiger Bedürfnisse zu verzögern, einen Zeitgewinn zu erschweren und möglichst zu verhindern. Alle daraus resultierenden Probleme ergaben sich nicht aus der Existenz des Geldes und anderer Wertzeugnisse, sondern aus dem Umgang von Ausbeutern mit diesen ökonomischen Mitteln.

Jeder ehemalige Bürger der DDR kennt das Problem des Zeitgewinns, des Wertgewinns, ob zum Beispiel die Belieferung der Bürger mit Südfrüchten über das ganze Jahr hin möglich war oder ob das nur mit Unterbrechungen geschehen konnte Die DDR war keine Kolonialmacht und hat keine „Kolonialwaren“ für Dinge erworben, die sie gerade übrig hatte. Die Exporteure von Südfrüchten benötigten moderne Industrieerzeugnisse, von denen wir manche exportiert haben, obwohl die auch bei uns benötigt worden sind. Nur durch Zeitgewinn, durch eine höhere Arbeitsproduktivität, hätten Export und Eigenbedarf gleichzeitig befriedigt werden können.

Der Nutzen äquivalenter Regelungen in den Anfängen der Entwicklung zum Kommunismus ist begrenzt. Die Grenzen bestehen darin, dass das Wertgesetz nicht dahin drängt, Unterschiede in der Arbeitsproduktivität und in sozialen Verhältnissen abzubauen und zu überwinden. Das wird unter sozialistischen Verhältnissen nur dadurch möglich, dass die Solidarität und der Internationalismus der staatlich organisierten Arbeiterklasse vom Äquivalenzprinzip, mit Blick auf die kommunistische Zukunft und auf die sozialistische Gegenwart abweichen, ökonomische Möglichkeiten schaffen, zurückgebliebene Bereiche im individuellen und gesellschaftlichen Leben und in verschiedenen  Ländern an fortgeschrittenere heranzuführen. Aber woher kommen die dafür erforderlichen Mittel ? Sie fallen doch nicht vom Himmel!!

Diese Frage wiederholt sich in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder. Sie ergibt sich nicht nur daraus, dass vom Imperialismus verursachte Ausnahmesituationen überwunden werden müssen. Aus der kapitalistischen Vergangenheit drängen soziale Ungerechtigkeiten zu einer Lösung. Deshalb wurden das Gesundheitswesen, das Bildungswesen und auch das Wohnungswesen bevorzugt vor anderen Bereichen umgestaltet. Alle Bürger hatten im Gesundheits- und Bildungswesen die Möglichkeit, die Einrichtungen zu nutzen, ohne dafür adäquate Gegenleistungen zu erbringen. Das wurde durch staatliche, gesellschaftliche Mittel ermöglicht, gesichert. Aber auch hier bleibt die Frage, wie die staatlichen Organe zu diesen Mitteln gelangen.

In der Praxis gibt es dafür nur eine Lösung und zwei Scheinlösungen. Die Lösung besteht darin, dass der vergrößerte Aufwand für Verbesserungen der Lebensverhältnisse, nur durch eine erhöhte Arbeitsproduktivität, durch ein vergrößertes Mehrprodukt ermöglicht wird. Eine, möglicherweise aus Not geborene Scheinlösung besteht darin, dass der vergrößerte Aufwand für einen Lebensbereich anderen Bereichen entzogen wird.

Eine solche Umverteilung, auch Subventionierung genannt, ergibt sich nicht aus dem Fortbestand von Ware–Wertverhältnissen, sondern daraus, dass die vorhandene Arbeitsproduktivität nicht ausreicht, allen zur Lösung drängenden Bedürfnissen gleichzeitig gerecht zu werden, so dass über Prioritäten entschieden werden muss, was oft ein Streitfall war. Die dauerhafte Lösung ist von einer höheren Arbeitsproduktivität abhängig. Bei all diesen Fragen kann man auch über Preise und Preisverhältnisse und deren optimale Nutzung streiten, aber die Probleme der Preispolitik sind untrennbar von den produzierten Werten abhängig und können nicht durch eine Gelddruckmaschine gelöst werden.   

Die schlechteste Scheinlösung besteht darin, den Verbrauch auf Kosten der Produktion zu erhöhen. Verbrauchte, abgenutzte Produktionsmittel werden dann nicht ersetzt, die hier eingesparten Mittel werden anderweit verbraucht. Im Ergebnis sinkt die Produktion, Mangelerscheinungen vergrößern sich und führen letztlich zur wirtschaftlichen Krise. Die Politik des Klassenfeindes war darauf gerichtet, sozialistische Länder zu solchen Scheinlösungen zu zwingen. Auch das kann nur vermieden werden, wenn die vorhandene Macht genutzt wird, die Arbeitsproduktivität zu steigern, damit gewachsene Bedürfnisse auf diese Weise befriedigt werden können.

Damit ist auch die Politik der friedlichen Koexistenz als eine besondere Form des Klassenkampfes und auch das staatliche Außenhandelsmonopol ins Blickfeld der im Sozialismus zu lösenden ökonomischen Probleme gerückt. Das Außenhandelsmonopol hatte Gorbatschow im Zeichen „seiner Demokratisierung“ in der Sowjetunion abgeschafft und große Schäden verursacht. Allen Problemen vorangestellt, ist ins Blickfeld von Kommunisten die Frage gerückt, wie im Sozialismus die Arbeitsproduktivität auch sprunghaft wachsenden Anforderungen nachfolgen kann, (wie das zum Beispiel Kapitalisten machen) und wie das auf ganz andere Weise im Sozialismus gesichert werden könnte. Hier ist Neuland zu betreten.

Viele dieser Probleme, gelöste und nicht gelöste, werden von Offensiv zum Teil nicht einmal erwähnt. Trotzdem wird der Realsozialismus mit Hilfe der Formel von der Negation des Wertgesetzes einer Wertung unterzogen, die den „Niedergang des Sozialismus in Europa“ erklären und „schlimme revisionistische Entartungen“ belegen soll. Auch beim Schreiben sollte sichtbar bleiben, auf welcher Seite der Barrikade man seht.

In all den zu lösenden Fragen und Problemen ist demgegenüber die gemeinsame solidarische theoretische und praktisch Arbeit von Kommunisten das dringende Gebot der Zeit.

                                                   Hans Kölsch, Berlin

André Vogt:
Unmaßgebliche Bemerkungen zu Tibor Zenkers Vorstellungen von der Partei

In offen-siv 6/07 gibt uns Genosse Tibor Zenker seine Auffassung darüber bekannt, „wie sie auszusehen (hat), die kommunistische Partei im 21. Jahrhundert“. Er stellt dazu acht Thesen auf und sucht diese jeweils zu begründen. Ich habe zu einigen wenigen Passagen folgende unmaßgebliche Bemerkungen:

Zu 1.: „Die linke Alternative zur Sozialdemokratie – bleiben wir also beim Namen kommunistische Partei, den auch Marx und Engels für richtig hielten – muß also die Eigentumsfrage stellen, ..“.

Linke Alternativen zur Sozialdemokratie sind vielleicht die Partei „Die Linke“ oder die KPÖ oder die CSU, niemals aber die kommunistische Partei. Links und Rechts und Mitte sind Einteilungen der Bürgerlichen, damit sie sich in ihrem Parlament zurechtfinden und sicher werden Kommunisten, wenn sie denn mal ins Parlament gewählt werden wollen, auch auf der linken Seite Platz nehmen. Nur ändert das nichts daran, daß die Vereinigung der Kommunisten eine andere Qualität darstellt als das, was sich heute alles so bei „links“ sammelt. Die kommunistische Partei ist eine Partei neuen Typs und als besondere Vereinigung der Arbeiterklasse befindet sie sich „im Gegensatz zu allen alten Parteibildungen der besitzenden Klassen“ (MEW Bd 17 S.422). Es bleibt dabei, Kommunisten und Linke sind verschiedene Leute.

„Alternative“ bedeutet Wahl oder auch Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten. Dieses Wort findet mehrfach Anwendung im Text des Genossen Zenker. Aber die Proletarier haben keine Wahl, wenn ihre Kinder und Enkel überleben sollen.

Zu 2.: „Wer den Kapitalismus „abschaffen“ will, muss die kapitalistische Lohnarbeit abschaffen.“

Zu 4.: „Die kommunistische Partei kämpft vehement für Reformen, die tatsächliche Verbesserungen für die werktätigen Menschen bedeuten. Die Kommunisten müssen sogar die eifrigsten Kämpfer für positive Reformen sein, weit mehr als die bloßen Reformisten.“

„Doch alle Reformen sind nur Stützpunkte auf dem Weg zur völligen Emanzipation der Arbeiterklasse.“

Mit den Reformen im Kapitalismus ist das so eine Sache. Die Bourgeoisie macht zuweilen Zugeständnisse an ausgewählte Schichten von Ausgebeuteten mit dem Ziel, ihren Geschäftszweck Mehrwert ohne nennenswerte Störungen realisieren zu können. Sie hat bemerkt, daß es vorteilhaft für sie ist, die Arbeiteraristokratie zu entwickeln. Der Fortschritt der Produktivkräfte macht das möglich. Die Arbeiter sprechen dann davon, daß sie dies und jenes erkämpft haben, weil sie beispielsweise für oder gegen etwas gestreikt hatten. Wenn sie aber, sagen wir mehr Lohn, frühere Rente, mehr Ausbildungsplätze, Versicherung gegen Arbeitslosigkeit und Krankheit usw. usf. erreichen konnten, so haben sie damit zunächst nur die Fortexistenz der Ausbeutung gesichert, nichts weiter. Seit über hundert Jahren müht sich die Arbeiterklasse, kämpft für Reformen zur Verbesserung ihrer Situation und müßte doch nun eigentlich mit gestählter Kampfkraft kurz vor der Zerschmetterung des verfaulten imperialistischen Systems stehen. Stattdessen ist sie handzahm, wählt nicht Stehr sondern Merkel, und ihre Lage verschlechtert sich rasant (und nicht erst seit 1990). Wohlgemerkt, nicht die materielle; die ist grundsätzlich besser als noch vor hundert Jahren. (Obwohl ich mir da auch nicht so sicher bin bei immerhin geschätzten 20 000 Obdachlosen – Menschen ohne zu Hause - im Jahr 2007 in der BRD.) Aber ihr Bewußtsein als Klasse ist aufgrund dieses grundsätzlich konterrevolutionären Charakters des Kampfes für Lohnarbeit logischerweise degeneriert und eben nicht gewachsen. Es handelt sich bei den „positiven Reformen“ nicht um „Stützpunkte auf dem Weg zur völligen Emanzipation“, wie der Genosse Zenker meint, sondern um Stützpunkte auf dem Weg der weiteren Anpassung der Arbeiterklasse an das Bedürfnis der Bourgeoisie. Der Kampf um Arbeitsplätze, der Kampf für einen Grundlohn oder auch ein Grundeinkommen, selbst die verständliche Forderung „Weg mit Hartz IV“ sind ungeeignet, die Verbürgerlichung (im Denken) der Proletarier aufzubrechen, Klassenbewußtsein zu entwickeln.

Die These, es müsse den Leuten schlechter gehen, damit sie begreifen, ist längst durch die Praxis widerlegt. Aber daß die Menschen begreifen und aktiv für ihre Befreiung kämpfen würden, wenn sich ihre Lage bessert, ebenfalls.

Im Programm unserer Partei lesen wir im Abschnitt Bourgeois und Proletarier: „Die Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu sichern, sie haben alle bisherigen Privatsicherheiten und Privatversicherungen zu zerstören.“ (MEW Bd 4 S. 472)

Wenn das zutrifft und sie also nichts von dem Ihrigen zu sichern haben (worüber man ruhig mal nachdenken kann), wieso soll sich dann die kommunistische Partei für die Verbesserung der ohnehin relativ komfortablen Lage der Lohnarbeiter der BRD einsetzen, „vehement für Reformen kämpfen“? Die heutigen, von der Bourgeoisie diktierten Kampfziele der Arbeiter wie höherer Lohn, mehr Arbeit, bessere Arbeitsbedingungen etc. führen nicht hin zum Sozialismus sondern von ihm weg, führen zur Stärkung der Reaktion und zur Schwächung der Arbeiterbewegung, wie wir uns 1989/90 überzeugen konnten. Fleißige Lohnarbeit ist keine Tugend.

Das heißt nicht, daß nicht gekämpft, nicht protestiert werden soll. Der politische Massenstreik beispielsweise, den unsere Großeltern noch kannten, ist eine vorzügliche Sache. Nur darf man dabei das eigentliche, primäre Ziel, die Vorbereitung der Machtübernahme durch das revolutionäre Proletariat (natürlich auf dem Boden des Grundgesetzes) nicht aus dem Auge verlieren. Dazu ist die Stärkung und Unterstützung der kommunistischen Partei Hauptaufgabe und erste Pflicht aller fortschrittlichen Proletarier.[27]

Die unsolidarische in Sparten aufgedröselte Gewerkschaftsrealität der BRD gehört von Grund auf erneuert, zentralisiert. Proletarier können nur gemeinsam überleben, einzeln werden wir immer geschlagen. Vor allem aber ist den Proletariern stets und überall die Wahrheit zu sagen: Lohnarbeit erzeugt Imperialismus - Imperialismus ist tödlich. Das gilt es zu begreifen und nicht: Wie kann ich es mir und meiner Familie möglichst bequem und komfortabel einrichten. Es kommt nämlich niemand, der für die Arbeiter die Lohnarbeit „abschafft“. Sie selber müssen da was tun wollen. Erst dann werden sie realisieren können, daß die kommunistische Partei „eine nützliche Partei“ für sie ist.

Zu 4.: „Die Aufgabe der Kommunisten besteht nicht darin, immer nur eine bessere Zukunft zu versprechen, sondern durchaus auch darin, eine bessere Gegenwart zu schaffen.“

Kommunisten sind bekanntermaßen Realisten, die das Unmögliche versuchen (Che). Sie geben keine Versprechen auf die Zukunft ab. Ihr Maßstab und Erkennungsmerkmal sind ihre Taten.

Und eine bessere Gegenwart? Was soll das sein, angesichts der ungeheuren Verbrechen, welche aufgehetzte feindliche Proletarier tagtäglich und weltweit im Auftrag der Privateigentümer begehen? Schließlich sind auch prügelnde Polizisten in der BRD und palästinensische Kinder erschießende israelische Soldaten Proletarier, die angeblich nur ihr Brot verdienen (w)sollen. Eine bessere Gegenwart gibt es im Imperialismus nicht. Die Gegenwart ist menschenfeindlich und wird von menschenfeindlichen Menschen gemacht. Auch „positive“ Reformen ändern daran nichts.                                                                                 André Vogt, Dresden

Neues von der DKP

Franz Siklosi:
Neues von der DKP

Am 15.9.07 fand die Jahreshauptversammlung der DKP Darmstadt- Dieburg- Bergstrasse statt. Seit meinem Wechsel von der PDS zur DKP geschah es zum ersten Mal, dass mich eine Versammlung ,, meiner“ Partei weder politisch noch emotional berührt hat. Ich wusste, das diese Versammlung genauso ablaufen würde wie alle anderen Versammlungen in der Vergangenheit: mit vorgefertigten Listen zum Durchwinken, einem Rechenschaftsbericht ohne marxistisches Vokabular aber mit Klagen darüber, dass die Vasallentreue der DKP gegenüber der Linkspartei von dieser nicht honoriert werde. Also ein Lehrstück des üblichen revisionistischen Theaters.

Ich möchte den Leserinnen und Lesern von „offen-siv“ einige Highlights nicht vorenthalten. Im Rechenschaftsbericht wurde mann/frau von den gebetsmühlenartigen Mantras namens „Globalisierung“ und „Transnationale Konzerne“ in Dauerschlaf versetzt. Imperialismus und Kapitalismus sind innerhalb der DKP zu Fremdwörter mutiert.

Aber es wurde noch schlimmer: Zur Verabschiedung eines Arbeitsprogramms konnten Vorschläge gemacht werden. Als nun ein Genosse den Jahrestag der Oktoberrevolution als Vorschlag für ein Mittel der politischen Agitation in die Runde warf, wurde dieser Vorschlag vom Vorstand abgelehnt. Begründung: Weil heute niemand etwas mit der Oktoberrevolution anfangen kann, kann diese nicht in ein Arbeitsprogramm aufgenommen werden! Mit diesem Argument könnte man das Lesen, Schreiben und Rechnen in der Schule verbieten, weil die Schülerinnen und Schüler es, wenn sie in die Schule kommen, meistens noch nicht können. Auf die politischen Folgen dieser Aussage kann sich wohl jeder Kommunist seinen Reim machen!

Weiter. Innerparteiliche Wahlen. Wie immer gab es eine vorgefertigte Kandidatenliste, auf der vor allem alle Revisionisten und Sozialdemokraten vertreten waren. Nun, das war nicht mein Problem, aber niemand kann mich dazu zwingen, diese Mischpoke zu wählen. Es dauerte schon einige Zeit, bis die Wahlkommission diesen Umstand verarbeiten konnte. Da ja die Listen schon vor der Versammlung festgelegt worden waren und man gewohnt war, diese ohne Probleme abzunicken, gab es durch meine Weigerung ein ernstes Problem zum Wahlverhalten. Sollte über jeder Kandidat einzeln abgestimmt werden? Geheim oder offen? Es wurde hart gerungen.

Um der Wahlkommission zu helfen, gab ich eine Erklärung ab, wen ich nicht zu wählen gedachte. Ergebnis: Alle Kandidaten ohne Ablehnung wurden en passant gewählt. Die von mir Abgelehnten in einzelner Abstimmung. Das war lustig, da jeder wusste, wie die Abstimmungen ausgehen würden – es würde eine Stimme fehlen. Ein Genosse bekam bei diesem Prozedere anscheinend Zivilcourage; denn er enthielt sich bei einigen Abstimmungen seiner Stimme und raunte mir in der Pause zu, dass der oder der „ein trotzkistischer Sozialdemokrat“ sei.

Weiter. Landtagswahlen in Hessen. Der hessische Bezirksvorstand wollte einige DKP-Genossen auf die aussichtreichen Listenplätze der Partei „Die Linke“ placieren. Man war der Meinung, dass diese auf das eine Prozent der DKP Wähler angewiesen ist. Aber worauf ich schon im Vorfeld der Verhandlungen hingewiesen hatte, hat da  die Partei „Die Linke“ der DKP eine Nase gedreht. Nach Version der DKP war dies alles eine Intrige. Es gab nur eine begrenzten Anzahl von aussichtreichen Listenplätzen und diese haben sich die Frankfurter ,,Linken“ unter den Nagel gerissen. Nun, ein typisch sozialdemokratisches Verhalten. Aber objektiv ist wohl der politische Kurs der ,,Linkspartei“ für die Ablehnung verantwortlich. Hat man aber einen Alternativplan! Aber ja, sich der ,,Linkspartei“ noch mehr anzubiedern.

Und das kam folgendermaßen: Auf der Landesversammlung der hessischen Linkspartei zur Wahl der Kandidatenlistezu der Landtagswahl 2008 wurde als Spitzenkandidat ein ehemaliger DKPler gewählt. Dies geschah als Reaktion auf den Frankfurter Klüngel. Dieser Ex-DKPler wollte mit der ,,Linkspartei“ den Sozialismus in Deutschland einführen. Die DKP jubelte, denn mit diesem Kollegen war man ja eigentlich dabei. Mein Einwand, aus der Erfahrung als Ex-Kreisvorsitzender der PDS gewonnen, dass dieser Kollege sehr schnell abgesägt werden würde, wurde beiseite geschoben. Aber nach einem Interview, in dem der Kollege die Staatsicherheit der DDR mit der Bundeswehr in Afghanistan verglich, war sein Traum vom Sozialismus (nicht wegen Verunglimpfung der Stasi, sondern wegen Verunglimpfung der Bundeswehr!!!) ausgeträumt und die Frankfurter hatten ihre Kandidaten durch.

Weiter. Wer ist Links? Eine spannende Frage und für die DKP von lebenswichtiger Bedeutung. Die ,,Linkspartei“ hat ja die Parole ausgegeben, dass sie die einzige Linke in der BRD wäre und es keine weiteren Parteien links von ihr geben darf oder diese keine linken Parteien wären.  

Große Debatte, ob die DKP eine linke Partei sei. ,,Unser“ Kreisvorsitzende dementierte diese Absurdität sofort, aber nicht, um das Wesen einer kommunistischen Partei gegenüber einer Sozialdemokratie hervorzuheben, sondern kreuzbrav die Rolle der DKP als Linke einzufordern. Das war auch das einzige Mal, dass ich mich innerhalb einer Debatte gemeldet habe. Denn als Kommunistische Partei ist man keine gewöhnliche Linkspartei.Linke gibt es wie Sand am Meer. Aber als Kommunist gehört man nicht diesen Dutzendlinken an, sondern ist diesen gegenüber ganz klar abgegrenzt. Sonst wären wir ja keine Kommunisten. Kommunisten gehörten in eine kommunistische Partei.

Damit spielte ich auf die verheerende Rolle der KPF innerhalb der ,,Linkspartei“ an. Bei manchen kam darüber pures Entsetzen auf. Der Kollege von der Linkspartei war zum ersten Mal ein ,,Roter“, er bekam nämlich einen knallroten Kopf. Und ,,meine“ Parteigenossen? Es herrschte betretenes Schweigen, als wollte man sich beim Kollegen für diesen unerhörten Gedankengang entschuldigen.

Ach ja: Der Kollege von der Linkspartei war felsenfest der Ansicht, dass der Kurs der Linkspartei in die Anpassung noch nicht entschieden sei und deshalb der Weg mit ihr zum Sozialismus möglich wäre.

Vorhang!

Narrhallahmarsch!                                                     

                                       Franz Siklosi, Heppenheim

Aus der Leser/innen-Post

Gerhard Feldbauer: Militärischer Aspekt

Gratulation zu der Niederlagenanalyse. Es fehlt uns noch immer eine Analyse dessen, was ich mal den militärischen Aspekt nenne. Dass da bedingungslos kapituliert wurde, ist die eine Seite. Die andere, fast noch schlimmere, dass alle Beteiligten sich dessen auch noch rühmen.                                                         

                           Gerhard Feldbauer, Poppenhausen

Helmut Jaeger: Pflichtlektüre

Lieber Genosse Frank Flegel, für die umgehende Zusendung der „Niederlagenanalyse“ herzlichen Dank. Aus meiner Sicht sollte dieses Buch zur Pflichtlektüre in allen kommunistischen Parteien und Gruppen werden, wenn es ihnen um die Vermittlung theoretischen Rüstzeugs für unser gemeinsames Anliegen geht. Doch habe ich diesbezüglich so meine Bedenken – die Bereitschaft zum Abo von „offen-siv“ scheint mir jedenfalls nicht ausgeprägt vorhanden zu sein. Und ein Extra-Dankeschön für die Ausgabe 7-2007: Leo Kever, „Wir haben uns immer gewehrt“. Die Publikation passt bzw eignet sich für unser Anliegen, weil dort konkrete Situationen geschildert sind, in denen Klassenunterschiede und Klassenstandpunkte sehr deutlich sichtbar werden. In der Hoffnung, dass „offen-siv“ weiterhin eine so glückliche Hand in der Auswahl seiner Beiträge hat,   

                                                Helmut Jaeger, Berlin

Frank Schmidt: Fundiertes

 Vielen Dank für die „Niederlagenanalyse“, so etwas Fundiertes ist in der BRD sehr selten. Aber auch Eure letzten zwei Broschüren sind wieder sehr gelungen. Ein Genosse wie Leo Kever macht einem Mut.        

                                            Frank Schmidt, Stuttgart

Walter Herbster, Wochenzeitung UZ: Nicht abdrucken

 Lieber Genosse Frank, es hat hier nochmals eine Absprache gegeben, nach der wir eine offensiv-Anzeige in der UZ nicht abdrucken wollen. Das hängt mit der Position von offensiv gegenüber der DKP zusammen.

                                                  Beste Grüße, Walter

Björn Schmidt, Zeitschrift „position“, SDAJ: Keine Anzeige

Liebe Genossinnen und Genossen, wir möchten keine Anzeige für das Buch „Niederlagenanalyse“ in der „position“ abdrucken.                                                

                                     Viele Grüße, Björn Schmidt

Zbigniew Wiktor: Viel Kraft und Mut.

Lieber Chefredakteur Frank Flegel und ganze Redaktion von „offen-siv“! Schöne Grüße aus Polen, Wroclaw. Vielen Dank für systematisch mir eingereichte jeweilige Nummern von „offen-siv“. Ich lese sie gründlich und sie geben mir viele Informationen über die Diskussion zur Arbeiterbewegung nicht nur in Deutschland. Ich wünsche Ihnen viel weitere Kraft und Mut in Eurem tapferen Kampf sowie viele weitere Erfolge und auch alles Gute im persönlichen Leben.

                                                                                                              Zbigniew Wiktor, Wroclaw, Polen

Wie andere die „Niederlagenanalyse“ sehen

Redaktion „Schattenblick:
Rezension 408: offen-siv (Hrsg.) – „Niederlagenanalyse“

Die Frage nach den Gründen des bisherigen Scheiterns sozialrevolutionärer kommunistischer Bewegungen wird im herrschenden Diskurs nicht wirklich gestellt. Um zu vermeiden, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, die die Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderung überhaupt in die Welt gesetzt haben, wird sie vor jeglicher bemühten Erörterung der relevanten Faktoren dieser historischen Entwicklung mit dem gleichen ideologischen Furor beantwortet, der bereits die Auseinandersetzung zwischen der kapitalistischen und sozialistischen Staatenwelt bestimmt hat.

Kurz gesagt, die bürgerliche Publizistik hat zu diesem Thema nichts anzubieten, das nicht schon in der Soße altbekannter Propaganda geschwommen wäre und nicht auf die anhaltende Diffamierung der Sowjetunion, der mit ihr verbündeten Staaten und der kommunistischen Parteien in der westlichen Welt hinausliefe. 

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums klafft heute vor allem eine große Lücke.

Wenn sie sich nicht ohnehin unter anderem Namen neugegründet haben und sozialdemokratischen Zielen folgen, wollen viele der einst großen kommunistischen Parteien Europas, die heute noch dieses begriffliche Symbol einer angeblich überkommenen Epoche im Namen führen, vor allem ihr angestammtes Klientel und eventuell vorhandenes Parteivermögen sichern.

Andere bekennen sich womöglich zum Fernziel der Etablierung einer sozialistischen Gesellschaft, arbeiten jedoch praktisch daran, ihren Anteil am Kuchen der Privilegien und Pfründe zu sichern, die die staatlich orchestrierten Demokratien Europas vergeben, um kapitalistische Herrschaft zu legitimieren.

In einer politischen Landschaft, in der der Niedergang des größten Teils der sozialistischen Staatenwelt mit der Proklamation des Endsiegs liberaler Demokratien nach dem Vorbild der USA quittiert wurde, muß man Stellungnahmen von Kommunisten, die an der revolutionären Tradition von Marx und Lenin festhalten, mit der Lupe suchen.

Um so interessanter ist die Lektüre der Schrift "Niederlagenanalyse", in der die Redaktion der kommunistischen Zweimonatszeitschrift offen-siv anhand einer Auswahl dort bereits erschienener Artikel die Diskussion um "die Ursachen für den Sieg der Konterrevolution in Europa" eröffnet hat.

Durch alle Seiten des umfangreichen, enggedruckten Werks weht ein entschieden streitbarer Geist, der vor allem das als konterrevolutionär herausarbeitet, was in der allmählichen Transformation des wissenschaftlichen Sozialismus Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem ideologischen Gegner signalisiert.

Die Analyse der Tendenzen, die der Ansicht der Autoren nach zum Ergebnis des Niedergangs der Sowjetunion und der sozialistischen Staatenwelt Osteuropas geführt haben, ist notwendigerweise von der Schärfe bestimmt, die die damaligen Akteure in der Bewahrung des bereits Errungenen haben missen lassen. Wenn es um nichts Geringeres als die systemischen Grundlagen der Vergesellschaftung des Menschen, die alle Belange seiner Lebensform und -führung betreffen, geht, kann man sich analytische Nachlässigkeit und konzeptionelle Schwammigkeit nicht erlauben.

So ringen die Autoren nicht nur unter dem Titel "Grundsätzliches", sondern in allen fünf Abteilungen des Buches spürbar um die Sicherung des eigenen Standpunkts im Verhältnis zu ideologisch verwandten wie konträren politischen Strömungen. Dabei zieht sich das theoretisch-programmatische Fundament des Marxismus-Leninismus wie ein roter Faden durch die einzelnen Beiträge und belegt, daß es den Autoren tatsächlich um die grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse und nicht nur ihre reformistische Modifikation geht.

Die Unbescheidenheit dieses Ansatzes hebt sich auf erfrischende Weise von den vorsichtigen Abwägungen und beschwichtigenden Aufrufen zur Mäßigung ab, mit denen etwa in der Partei Die Linke über das Ausmaß antikapitalistischer Rhetorik respektive die Frage, ob man überhaupt so weit gehen sollte, das herrschende System in Frage zu stellen, verhandelt wird.

Der Opportunismus des systemimmanten Manövrierens ist die Sache der offen-siv-Autoren nicht, das macht sie in ihrer Kritik an reformistischen Parteien und der Aufarbeitung konterrevolutionärer Entwicklungen glaubwürdig.

Neben der Analyse der imperialistischen Strategie, nach einer Phase der unversöhnlichen antikommunistischen Konfrontation zu Strategien der Kooperation und Kooptation überzugehen, um das sozialistische Staatensystem praktisch von innen heraus zu Fall zu bringen, wird die historische Entwicklung der Sowjetunion unter dem Gesichtspunkt der revisionistischen Degeneration des Vermächtnisses der Oktoberrevolution untersucht.

Von besonderem Interesse ist ein Beitrag von Andrea Schön zu "Geschichtslügen: Fundamente des Anti-'Stalinismus'", der klassische Behauptungen und wie selbstverständlich kolportierte Daten antikommunistischer Propaganda in Frage stellt und widerlegt.

Nicht nur sehr instruktiv, sondern auch engagiert geschrieben ist die Abhandlung von Kurt Gossweiler über "Die Zwiebel Gorbatschow", in der der Werdegang des Totengräbers der Sowjetunion durch die diversen Stationen seines politischen Lebens bis hin zu seinem Bekenntnis, von Anfang an nichts anderes geplant zu haben, als den Kommunismus zu zerschlagen, ausgebreitet wird.

Von großem Interesse ist auch die Auseinandersetzung mit der Sonderrolle Jugoslawiens unter Tito und der von Gossweiler und anhand eines historischen Artikels der KP Chinas geführte Nachweis, daß der von Linken im Westen als sozialistischer Mittelweg zwischen Ost und West geschätzte Staat der Südslawen weder wirklich blockfrei noch wirklich sozialistisch war. Die tragische Entwicklung, daß die NATO an der Bundesrepublik Jugoslawien vollzogen hat, worauf man bei der Sowjetunion angesichts ihrer militärischen Stärke verzichtete, zeigt allerdings, daß sogar sozialistische Restbestände, wenn sie nicht bereitwillig preisgegeben werden, Anlaß zu aggressiver Zerstörung dieses Hindernisses kapitalistischer Expansion sein können.

Insbesondere für bundesrepublikanische Leser aufschlußreich sind die Beiträge zur DDR. Der Herausgeber der geheimdienstkritischen Zeitschrift Geheim, Michael Opperskalski, widmet sich der äußeren, der inzwischen verstorbene Rolf Vellay der inneren Zerschlagung der DDR, und Andreas Reichel referiert über Probleme des Landes bei der Beschaffung von Energierohstoffen. Berichte über den Niedergang der kommunistischen Parteien Westeuropas runden den historischen Teil des Buches zu einem durchaus bitteren Resümee ob der verlorengegangenen Chancen einer gesellschaftlichen Veränderung zum Besseren ab.

Im abschließenden Ausblick erklärt Frank Flegel, Redakteur und Organisator von offen-siv, die Grundzüge der marxistischen Werttheorie, und Opperskalski pocht noch einmal auf die Bedeutung des wissenschaftlichen Charakters kommunistischer Politik.

Von besonderem Interesse ist auch die Standortbestimmung der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), da ihr eine Kritik der im Rahmen der Europäischen Union gegründeten Europäischen Linkspartei (ELP) und der Sozialforumsbewegung zu entnehmen ist.

Wie auch an anderen Stellen des trotz des Abdrucks von Artikeln und Vorträgen aus einem größeren Zeitraum inhaltlich konsistenten Buches erweitert die dezidierte Kritik von links an linken Parteien und Organisationen das Spektrum des gesellschaftspolitischen Diskurses erheblich. (…)

                                                                                                              Redaktion Schattenblick, 29. 9. 07

Elektronische Zeitschrift „Schattenblick“.

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FUSSNOTEN

  1. Die Mehrwertrate ist Ausdruck des Ausbeutungsgrades der Arbeiter durch die Kapitalisten, der bestimmt wird durch das Verhältnis des Mehrwertes (m) zum variablen Kapital (v). Die Mehrwertrate zeige, welchen Teil des Arbeitstages der Proletarier arbeitet, um den Wert seiner Arbeitskraft zu ersetzen, und welchen Teil des Arbeitstages er unentgeltlich für den Kapitalisten arbeitet. Angenommen der Tageswert der Arbeitskraft (v) beträgt 4 Euro, und um ihn zu ersetzen, sind vier Arbeitsstunden erforderlich. Im Verlauf eines achtstündigen Arbeitstages zum Beispiel wird ein Wert von 8 Euro erzeugt. Wenn der Arbeiter in vier Stunden einen Wert von 4 Euro produziert, der dem Wert der Arbeitskraft entspricht, so produziert er im Verlaufe der „restlichen“ vier Stunden einen Mehrwert (m) in Höhe von 4 Euro. Die Mehrwertrate (m’) wird demnach folgendermaßen berechnet:

              m     4 Stunden      4 Euro

    m’ =  -- =   -----------  =   --------  x  100  =  100 Prozent

              v      4 Stunden      4 Euro

    Mit der Entwicklung und Einführung von Wissenschaft und Technik, der Erhöhung der Produktivität der Arbeit, erhöhe sich die Mehrwertrate ständig. Die Mehrwertrate wird in den bürgerlichen Statistiken nicht angegeben.

    2) Die Mehrwertrate dürfte in den kapitalistischen Großbetrieben über 250 % bis 300 % betragen.

    Die Profitrate ist das in Prozenten ausgedrückte Verhältnis des Mehrwertes zum vorgeschossenen Gesamtkapital. Sie bestimmt die Rentabilität des kapitalistischen Unternehmens. Die Profitrate wird in der Formel:                           m

                                              c’+ v

    zum Ausdruck gebracht, m = Mehrwert, c’ = konstantes Kapital (Maschinen, Gelände, Ausrüstungen etc), v = variables Kapital (Arbeitslohn). Die Profitrate ist stets kleiner als die Mehrwertrate, weil bei der Berechnung der Profitrate der Mehrwert auf das gesamte vorgeschossene Kapital bezogen wird. Die Profitrate ist die verwandelte Form der Mehrwertrate;  sie verdeckt die kapitalistische Ausbeutung. Daraus erklärt sich auch das Geschrei der Kapitalisten, daß die Löhne zu hoch seien, daß die Höhe der Löhne die Rentabilität des Unternehmens bestimmt. Die Forderung nach Verlängerung der Arbeitszeit betrifft immer die Verlängerung des Teiles des Arbeitstages, in dem der Mehrwert produziert wird. (Marx, Das Kapital, Bd I. In MEW 23/230 ff)

  2. Huar, passim.

  3. Die Nutzung der noch bestehenden privatkapitalistischen Ressourcen wurde übrigens nicht, wie allgemein angenommen, im Ergebnis der Niederlage des Sozialismus in Europa und der Aufgabe grundlegender sozialistischer Ziele eingeschlagen, sondern bereits 1986 beschlossen.

  4. Ausführlich in Beiträgen des Autors: Für ein blühendes Vietnam. Parteitag der KP Vietnams stellte Weichen. UZ, 5. Mai 2006; KP Vietnams bekräftigte ihre führende Rolle, Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus und zum Erbe Ho Chi Minhs, Die Rote Fahne, Mai 2006. Die Beiträge beruhen auf vietnamesischen Quellen (Nhan Dan und VNA).

  5. Auch das ist hervorhebenswert, weil die Gegner des sozialistischen Weges immer wieder behaupten, die Jugend wolle nichts mehr vom Sozialismus und den Traditionen des Befreiungskampfes wissen.

  6. Bd. 30, S. 145.

  7. Ausführlich zur Entwicklung in Venezuela Ingo Niebel, bes. S. 110 ff.

  8. André Scheer: Venezuelas Präsident regt „Einheitspartei der revolutionären Bewegung“ an. UZ, 22. Sept. 2006.

  9. Beachtenswert in dieser Hinsicht das Buch „Kuba nach Fidel. Kann die Revolution überleben?“, in dem die Führung des revolutionären Prozesses und die Rolle der Persönlichkeit ein, wenn nicht überhaupt das zentrale Thema bilden. Siehe Castro/ Pérez/Dietrich, passim. Unter bestimmten Gesichtspunkten ist, auch wenn man nicht jeden Gedanken teilen sollte, das Buch von Heinz Dietrich „Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ zu sehen. Wenn Dietrich allerdings meint, „der real existierende Sozialismus“ sei „ein Fakt der Vergangenheit und keine Möglichkeit der Zukunft“, so wird das gerade durch die reale Fortexistenz des Sozialismus beispielsweise in Vietnam und Kuba auf sehr lebendige Weise widerlegt. Ganz abgesehen von den Lehren und Erfahrungen, Fehler und Schwächen eingeschlossen, welche die jahrzehntelange Existenz sozialistischer Staaten für neue sozialistische Anläufe vermittelt. Zu Dietrichs Buch sind auch die Rezension von Gretchen Binus und die Anmerkung von Robert Steigerwald  in MB 2/2006, S. 101 ff. zu empfehlen.

  10. Die Zukunft definieren. Rede des Präsidenten der Bolivarischen Republik Venezuela, Hugo Chávez, vor der 61. Vollversammlung der Organisation der Vereinten Nationen am 20. September 2006 (Auszüge). In: jW, 23./24. Sept. 2006.

  11. Ergänzungsband, S. 188. Roy hatte aus der Korrumpierung eines Teils der Arbeiterklasse des Westens geschlussfolgert, dass das Schicksal des Weltkommunismus „vom Triumph des Kommunismus im Osten abhänge“. Kai Schmidt-Soltau, S. 73.

  12. Bd. 33, S. 463.

  13. Huar, S. 44.

  14. Bezüglich der in der DDR erschienenen Publikationen geschah das auch, weil der Autor bekunden wollte, dass er zu dem, was er in dieser Zeit geschrieben hat, steht. Die Beiträge über Ho Chi Minh und das Schlusswort enthalten neue Gesichtspunkte.. Unter diesem Aspekt sind auch in den übrigen Kapiteln gelegentlich Fußnoten(n) neu hinzugefügt.

  15. Zum Erhalt des theoretischen Zusammenhangs in einzelnen Kapiteln konnten jedoch Wiederholungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

  16. Deshalb steht ein Abriss des gesamten Lebens Ho Chi Minhs als erstes Kapitel am Anfang der Publikation.

  17. Zur Einführung in die sozialökonomische und Klassenstruktur wurde das zweite Kapitel über die frühbürgerliche Revolution in Vietnam vorangestellt. Hier sei nochmals auf Dietrichs „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ verwiesen, in dem der Beachtung der heutigen sozialökonomischen Ausgangslage entscheidende Bedeutung beigemessen wird.

  18. Dabei gereichte es sowohl der KI als auch den vietnamesischen Kommunisten zum Vorteil, dass sie in Ho Chi Minh über eine Führerpersönlichkeit von außerordentlichem Format verfügten. Er besaß hohe theoretische Kenntnisse, reiche internationale Erfahrungen, eingeschlossen sein Wissen über die strategische Linie der kommunistischen Weltorganisation. Das alles konnte er jedoch in den Prozess der Formierung der kommunistischen Partei in Vietnam nur deshalb erfolgreich einbringen, weil er mit seinem von der Kolonialmacht und den einheimischen Feudalherren grausam geknechteten Volk in tiefer Liebe verbunden war und er ein äußerst sensibles Gespür dafür hatte, wie die Instruktionen aus Moskau am besten schöpferisch auf die Bedingungen in Vietnam angewandt, seinen Genossen verständlich gemacht und so in die Praxis umgesetzt werden konnten.

  19. Neben den regelmäßigen Beratungen kommunistischer Parteien Europas geben hier die Initiativen und Aktivitäten, die von Kuba und den venezolanischen Revolutionären für eine vielseitige Zusammenarbeit ausgehen, einen hoffnungsvollen Ausblick.

  20. Siehe Literaturverzeichnis.

  21. I. und G. Feldbauer, S

  22. Interessant scheint mir zu sein, dass selbst noch unter Gorbatschow praktisch kein Privateigentum an Produktionsmitteln in der SU vorhanden war. Erst nach der vollständigen Zersetzung der ideologischen Prinzipien wagte der Säufer Jelzin mit seinen Spießgesellen die umfassende Beraubung des Volkes. 

  23. Der zentrale Wert seiner Lehren war die Ordnung, die seiner Meinung nach durch Achtung vor anderen Menschen und Ahnenverehrung erreichbar sei. Im Mittelpunkt seines Denkens stand der „Edle“ (junzi), ein moralisch einwandfreier Mensch. Der Gedanke der Harmonie spielt eine bedeutende Rolle in seiner Weltanschauung: „Den Angelpunkt zu finden, der unser sittliches Wesen mit der allumfassenden Ordnung, der zentralen Harmonie vereint“, sah Konfuzius als das höchste menschliche Ziel an. „Harmonie und Mitte, Gleichmut und Gleichgewicht“ seien das Ziel.

  24. Von Befürwortern wird gern die Tatsache genannt, dass in China eine Gesamtausgabe der Werke von Marx und Engels erarbeitet wird. Sie werten das als wichtigen Beleg dafür, dass China ein sozialistisches Land ist. Ob das reicht? Einzelne, bereits in der DDR begonnene wissenschaftliche Projekte zur Marx-Engels Forschung, werden auch in der BRD weiter geführt. Es gibt sogar staatliche Gelder dafür. Dürfen wir deswegen hoffen, dass sich die BRD auf dem Weg zu einem sozialistischen Land befindet? Ich denke die Antwort kann sich jeder Kommunist selbst geben.

  25. Alle Revisionisten in der Führung der KPdSU von Chruschtschow bis Gorbatschow verkündeten für die Öffentlichkeit, den Leninismus zu verteidigen und zu entwickeln, ihn vom angeblichen Personenkult Stalins zu reinigen. Tatsächlich höhlten sie ihn aus und zerstörten ihn. Noch 1989 bejubelten nicht wenige Kommunisten den Verräter Gorbatschow, um wenig später wieder nüchtern zu werden. Ähnlich unangenehmes Erwachen muss nicht schon wieder sein.

  26. Chauvinismus = Nationalismus, übersteigerte Vaterlandsbegeisterung, Kriegshetze

  27. Wenn es heutzutage mehrere oder gar viele „kommunistische“ Parteien in einem Land gibt, nun gut; da kann der Prolet anschaulich die Spielarten und Dummheiten der Zurückgebliebenen sowie den Gegensatz zu den Fortgeschritteneren studieren und sich einordnen.